Vitamin A umfasst alle Verbindungen, die qualitativ die gleiche biologische Aktivität wie Retinol besitzen; bei zusätzlicher Einbeziehung der synthetischen Analoga des Vitamin A spricht man von
Retinoiden. Als Pro-Vitamin-A werden Karotinoide bezeichnet, von denen
β-Carotin die wichtigste Vitamin-A-Vorstufe ist. Die verschiedenen Vitamin-A-Formen haben spezifische biologische Funktionen. Hervorzuheben ist hierbei die
Retinsäure, welche über ligandenaktivierte nukleäre Rezeptoren genregulatorisch Wachstum und Entwicklung von Zellen steuert. Auf diesem Wege kommt Vitamin A eine essenzielle Bedeutung bei der Reproduktion, Embryogenese, Morphogenese, dem
Knochenwachstum, der Photorezeption und Aufrechterhaltung der Integrität epithelialer Barrieren zu. In der Haut beeinflusst Vitamin A die mitotische Aktivität und Ausdifferenzierung der Keratinozyten.
Vitamin-A-Mangel
Vitamin-A-Mangel
findet sich in der industrialisierten Welt fast ausschließlich im Rahmen von Malabsorptionsstörungen, dann meist vergesellschaftet mit einem Mangel anderer fettlöslicher
Vitamine. In Ländern mit Mangelernährung und in Regionen, in welchen die Ernährung hauptsächlich auf Reiskonsum beruht, tritt häufiger ein Vitamin-A-Defizit auf, sodass Vitamin-A-Mangel eine der häufigsten Ursachen für Blindheit in Entwicklungsländern ist.
Durch die Speicherfunktion der Leber können die Retinolplasmaspiegel im Frühstadium normwertig bleiben (20–50 mg/dl), Plasmaspiegel von <10 mg/dl entsprechen einem ausgeprägten Mangel. Ein Zinkmangel kann zu einem Vitamin-A-Mangel führen, da
Zink für ein regelrechtes Funktionieren des Transportproteins (retinolbindendes Protein, RBP) sowie für die Mobilisation der Vitamin-A-Speicher erforderlich ist.
Hypervitaminose A
Akute Intoxikation treten fast ausschließlich durch medikamentöse
Vitamin-A-Überdosierung auf. Die klinische Symptomatik ist abhängig vom Ausmaß der Überdosierung. Besondere Bedeutung hat eine Überdosierung des
Vitamin A in der Schwangerschaft, da Dosen von >10.000 IU/Tag potenziell teratogen sind. Akute
Intoxikationen bedingen innerhalb von Stunden Übelkeit,
Kopfschmerzen und Erbrechen. Im weiteren Verlauf kommt es zu Gewichtsverlust, Alopezie sowie Juckreiz, Xerosis und Desquamation der Haut. Bei Kindern können sich schmerzhafte
Gelenkschwellungen,
Anämie und
Thrombozytopenie entwickeln.
Bei einer chronischen Vitamin-A-Überdosierung (ab 50.000 IU tgl.) kommt es zu einer Beeinträchtigung verschiedener Organfunktionen. Analog zu den Effekten einer Retinoidtherapie kann es zu trockener, schuppender Haut, follikulären Hyperkeratosen, lamellär schuppenden Palmarerythemen,
Pruritus sowie einer diffusen Alopezie kommen. Die Konjunktiven und Nasenschleimhäute können trocken und irritabel imponieren. Neurologische Manifestationen umfassen einen erhöhten intrakranialen Druck (
Pseudotumor cerebri), Lethargie sowie psychiatrische Beschwerden. Die internistische Symptomatik kann eine Anorexie mit Gewichtsverlust, Hepatosplenomegalie, erhöhte Serumtransaminasen und
Leberzirrhose beinhalten. Kortikale
Hyperostosen, besonders der langen Röhrenknochen, und eine röntgenologisch nachweisbare verminderte Mineralisation der Schädelkalotte (
Kraniotabes) kann – gerade bei Kindern – zu schmerzhaften Gelenk- und Knochenbeschwerden führen. Seltener ist eine
Hyperkalzämie mit Gefäßverkalkungen. Ein Anstieg von Lebertransaminasen,
Triglyzeriden und
Cholesterin im
Serum sowie Hyperkalzämie unterstützen die Diagnose.
Nahezu alle Veränderungen sind bei Beendigung der Vitamin-A-Einnahme reversibel.
Von der Hypervitaminose A muss die
benigne Karotinose
abgegrenzt werden. Diese entsteht bei einem kongenitalen Mangel von
Enzymen, die Karotinoide in
Vitamin A umwandeln, oder bei einer vermehrten Aufnahme von Karotinoiden mit Gemüse oder Säften, wie häufig im Rahmen der Säuglings- und Kleinkinderernährung. Die Symptomatik tritt ab Karotinoidspiegeln auf, die die Normwerte um das 3- bis 4-Fache übersteigen. Es kommt zu einer gelbrötlichen Verfärbung der Haut durch Ablagerung in der Hornschicht (Aurantiasis cutis, Kap. „Dyschromien,
Piercings und Tätowierungen“), während die Skleren frei bleiben.
Hypothyreose,
Diabetes mellitus, Leber- und Nierenerkrankungen können auftreten. Zu Zeichen einer Hypervitaminose A kommt es aber wegen der langsamen oder mangelnden Umwandlung der Karotinoide in Vitamin A nicht.