Evidenzbasierte Daten, die eine Verbesserung der Mortalität oder Morbidität durch Anwendung der gastrointestinalen Giftdekontamination
nachweisen, existieren nicht (Chyka et al.
2005; Tenenbein
1997). Aktuell werden diese Maßnahmen für Patienten empfohlen, die sich nach Aufnahme einer potenziell toxischen Substanz möglichst rasch der gastrointestinalen Giftelimination unterziehen und im Idealfall keine Bewusstseinsminderung aufweisen, so dass Nebenwirkungen der Maßnahmen minimiert werden können. Die Gabe von Aktivkohle wird v. a. dann empfohlen, wenn die Noxenaufnahme nicht länger als eine Stunde zurückliegt (Chyka et al.
2005). Standardmäßig werden 0,5–1 g/kg KG appliziert, wobei eine angemessene Suspendierung erforderlich ist (in ca. 120–240 ml Wasser aufgelöst), um einen
Ileus zu vermeiden. Eine wiederholte Gabe von Aktivkohle (alle 4–6 h) ist bei Substanzen wie
Carbamazepin oder
Theophyllin indiziert, um sowohl den enterohepatischen Kreislauf zu durchbrechen als auch eine verspätete Noxenaufnahme durch die Depotwirkung der Medikamente zu verhindern (Position statement and practice guidelines on the use of multi-dose activated charcoal in the treatment of acute poisoning
1999). Bei derartigen Vergiftungen, die dem enterohepatischen Kreislauf unterliegen, ist zudem über eine Cholestyramingabe nachzudenken (z. B. Digitalisglykoside,
Vitamin-K1-Antagonisten). Bei Vergiftungen mit Säuren und/oder Basen, Schwermetallen wie
Eisen, anorganische Substanzen wie
Zink oder auch Alkoholverbindungen wie Äthanol hat die Gabe von Aktivkohle keinen Nutzen, da keine Beeinflussung der gastralen Resorptionsrate möglich ist. Häufig ist Aktivkohle in fester Kombination mit abführenden Substanzen wie Glaubersalz erhältlich. Dazu existieren wenig evidenzbasierte Daten. Der generelle Einsatz dieser Kombination wird in der Literatur nicht befürwortet; eine gleichzeitige Gabe schwächt den Effekt beider Wirkstoffe sogar ab (Tenenbein
1997).
Die Magenspülung
oder auch gastrale Lavage
hat bei der Behandlung von Vergiftungspatienten weitgehend an Bedeutung verloren (Hendrickson und Kusin
2013). Diese kann erwogen werden, wenn die Gabe von Aktivkohle nicht zielführend ist bzw. bei Medikamenten, die eine verlängerte gastrale Passagezeit aufweisen und gleichzeitig einen verzögerten Wirkeintritt haben. Einen Sonderfall stellt das sog. „bodypacking“ dar, dessen Ziel es ist, Betäubungsmittel in Form von Paketen (z. B. durch Zuhilfenahme von Präservativen oder Kapseln) im menschlichen Körper zu transportieren. In diesem Fall ist schnellstmöglich eine Magenspülung oder anderweitige Entfernung aus dem gastrointestinalen Trakt notwendig, da bei einer Ruptur dieser Pakete aufgrund der extremen Wirkstoffmengen (regelmäßig mehrere Gramm) akute Lebensgefahr besteht. Hauptrisikofaktor der Magenspülung ist eine Aspiration bzw. Komplikationen bei der Intubation, die eben zum Schutz vor möglicher Aspiration durchgeführt wird. In einer amerikanischen Studie aus dem Jahr 1999 konnte bei 808 intoxikierten Patienten ein signifikanter Anstieg an Intensivverlegungen und Anzahl an Intubationen unter Anwendung einer Magenspülung im Vergleich zum konservativen Vorgehen festgehalten werden. Zudem war die Magenspülung mit einem signifikanten Anstieg der Aspirationspneumonien assoziiert (Pemmerl
2013; Merigian et al.
1990). Es wird in der neusten Version eines Positionspapiers vom Februar 2013 dazu geraten, dass diese Therapie nur von einem erfahrenen Untersucher durchgeführt wird (Müller und Desel
2013; Benson et al.
2013).