Anamnese und körperliche Untersuchung
Eine ausführliche Anamnese risiko-erhöhender Komorbiditäten geht jeder peripheren Katheterintervention voraus und berücksichtigt insbesondere kardiovaskuläre, pulmonale und weitere allgemein-internistische Erkrankungen. Siehe Kap. „Beurteilung des kardiovaskulären Risikos“
siehe Kap. „Beurteilung des pulmonalen Risikos“
siehe Kap. „Beurteilung allgemeininternistischer Risiken“
In Bezug auf die
pAVK sind stattgehabten operative (Gefäß-)Eingriffe vor der elektiven Intervention der pAVK zu eruieren. Insbesondere sind hierbei Hinweise auf
Allergien (Kontrastmittel, Medikamente) oder Unverträglichkeiten zu erfragen und dokumentieren.
Vor der interventionellen Behandlung ist eine körperliche Untersuchung notwendig, welche die Punktionsfähigkeit der Zugangswege (A. femoralis, A. brachialis) einschließen sollte. Zur Evaluation der Zugangswege ist eine Abfrage von zurückliegenden operativen Eingriffen in den zu behandelnden Gefäßabschnitten notwendig. Im Falle stattgehabter Operationen (z. B. Thrombendarteriektomie der A. femoralis mit Patch-Plastik, Femoro-Popliteale Bypassanlage) sollten alle Operationsberichte vorliegen, um über die Punktionsfähigkeit des Zugangsgefäßes bzw. Revaskularisationsfähigkeit eines Gefäßabschnittes entscheiden zu können. Im Falle eines operativen Absetzens der A. femoralis superficialis im Rahmen einer Bypass-Operation ist ein Revaskularisationsversuch der nativen Oberschenkelarterie nahezu aussichtslos.
Vor der Revaskularisation sollten sämtliche verfügbaren Operationberichte von vorangegangenen Eingriffen gesichtet werden.
Eine Rasur der Inguinalregion vor geplanter femoraler Punktion ist obligatorisch, um eine ausreichende Keimzahlreduktion der Hautflora nach Applikation des alkoholischen Hautdesinfektionsmittels zu gewährleisten. Die Einwirkzeit des großflächig auf das Punktionsareal aufzutragenden Hautantiseptikums wird bei talgdrüsenhaltiger Haut mit 2 Minuten angegeben (z. B. Kodan® Tinktur forte gefärbt, Octeniderm® farblos mit Remanenzwirkung).
Präinterventionelle Laborwertbestimmungen
Vor Beginn der interventionellen Revaskularisation ist die Bestimmung von Laborparametern erforderlich, um die Risiken der Behandlung inkl. Kontrastmittelapplikation
einschätzen und durch geeignete Maßnahmen minimieren zu können. Zu den mindestens zu bestimmenden Parametern zählen das kleine Blutbild mit
Hämoglobin und Thrombozytenzahl, das Serumkreatinin und das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH).
Mindestens diese Laborparameter sollten vor eine endovaskulären Revaskularisation bestimmt werden:
Hämoglobin,
Kreatinin, TSH.
Blutbild
Bei der Bestimmung des Hämoglobinwertes ist eine Aussage über das präinterventionelle Vorliegen einer
Anämie möglich. Gleichzeitig ist dieser Parameter wichtig zur Erkennung möglicher postinterventioneller Blutungskomplikationen, die mit einem signifikanten Abfall der Hämoglobinkonzentration in einer Zeiteinheit einhergehen können. Hierbei ist dem Dekrement eine größere Bedeutung zu zuweisen als dem absoluten Ausgangswert.
Eine Reduktion der Thrombozytenzahl <50.000/μl geht mit einer erhöhten Blutungskomplikationsrate einher. Bei einer sehr niedrigen Blutplättchenzahl ist von einer herabgesetzten
Hämostase auszugeben, welche bei der invasiven Maßnahme ein Risiko darstellt und auch auf die postinterventionelle Verwendung von Thrombozytenaggregationshemmern Einfluss hat. In diesem Zusammenhang verstärkt eine
Anämie eine bestehende
Thrombozytopenie. Die rheologischen Kräfte der
Erythrozyten führen zu einer intensiveren Adhäsion der
Thrombozyten an der Gefäßwandläsion. Bei einem Hämatokritwert <30 % und einer Blutplättchenzahl <100.000/μl ist das Adhäsionspotenzial der Thrombozyten signifikant erniedrigt. Eine zur Erhaltung des Revaskularisationsergebnisses notwendige Plättchenaggreagationshemmung
verstärkt diesen Effekt, so dass bei Anämie eine Ursachensuche und Therapie (z. B. Eisen- und/oder Folsäure-/Vitamin B12-Substitution) sinnvoll erscheint (Lassila
2012).
Gerinnungsparameter
Neben den Blutplättchen gehören die Bestimmung der
Thromboplastinzeit (TPZ; Quick-Wert) bzw. zur besseren Vergleichbarkeit der Werte aus verschiedenen Laboren der INR (
International
Normalized
Ratio)-Wert zu den Standarduntersuchungen. Ebenfalls ist eine Bestimmung der partiellen Thromboplastinzeit (PTT) notwendig, um bereits vorliegende Störungen der Blutgerinnung erkennen zu können.
Bei Patienten mit einer Indikation zur effektiven Antikoagulation, die kontinuierlich mit unfraktioniertem Heparin erfolgt, ist eine aktuelle Bestimmung der PTT notwendig, um die intraprozedurale Heparindosis anpassen zu können.
Schilddrüsenparameter
Das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) lässt eine grobe Abschätzung der Schilddrüsenfunktion
zu. Bei Werten unterhalb des unteren Referenzbereiches muss eine latente Schilddrüsenüberfunktion in Betracht gezogen werden, die bei jodhaltiger Kontrastmittelapplikation
zu einer manifesten
Hyperthyreose führen kann. Sofern ein supprimiertes TSH aufgrund einer medikamentösen Substitution von Schilddrüsenhormon ausgeschlossen werden kann, sollte eine Blockade der Schilddrüsenfollikel mittels Perchlorat (z. B. Irenat® Tropfen) oder Thiamazol (z. B. Favistan®) erfolgen, um das Risiko einer kontrastmittel-induzierten Hyperthyreose (auch Jod-Basedow-Syndrom genannt) zu minimieren (Rose und Zulfiqar
2020).
Schilddrüsenfunktionsstörungen mit einer Latenzzeit von mehreren Wochen nach Gabe von jodhaltigem Kontrastmittel sind ebenfalls möglich, so dass eine Bestimmung des TSH basal 4–6 Wochen nach Kontrastmittelapplikation
erfolgen sollte. Auch die sehr seltene Komplikation einer kontrastmittel-induzierten
Hypothyreose mit prolongiertem Wolff-Chaikoff-Effekt
und fehlendem Escape- Mechanismus, bei dem es zu einer andauernden Herunterregulation der Schildddrüsenhormonsynthese ausgelöst durch erhöhte Jodplasmaspiegel kommt, kann so detektiert werden (Rhee
2012).
Nierenfunktionsstörungen
Chronische Nierenfunktionseinschränkungen
kommen bei pAVK-Patienten häufig vor. Sie verschlechtern die Prognose und stellen einen unabhängigen Risikofaktor für eine erhöhte Mortalität und ein schlechteres amputationsfreies Überleben dar. (Lüders et al.
2017; Gebauer et al.
2016)
Die Inzidenz einer akuten Nierenschädigung (Acute Kidney Injury; AKI n. Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO)) während eines stationären Aufenthaltes beträgt weltweit 22 % (Susantitaphong et al.
2013), wobei die Kontrastmittel-induzierte
Nephropathie (CIN = contrast medium induced nephropathy) mit einer Inzidenz zwischen 7 und 11 % eine der Hauptursachen darstellt (Fahling et al.
2017; Tsai et al.
2014) (Tab.
2).
Tab. 2
Definition einer akuten Nierenschädigung (AKI) gemäß den gültigen Leitlinien der KDIGO (Andrassy
2013)
1 | 1,5- bis 1,9-facher Anstieg über Ausgangswert innerhalb 1 Woche oder Anstieg ≥0,3 mg/dl innerhalb von 48 h | <0,5 ml/kg/h über 6–12 h |
2 | 2,0–2,9-facher Anstieg über Ausgangswert | <0,5 ml/kg/h über ≥12 h |
3 | | <0,3 ml/kg/h über ≥24 h oder Anurie über >12 h |
Risikofaktoren für das Auftreten eines AKI sind unter anderem eine vorbestehende
Eine ausreichende Hydrierungsbehandlung ist zur Prophylaxe einer CIN anderen Maßnahmen überlegen (Andrassy
2013).
Gemäß dem Konsensuspapier der Arbeitsgemeinschaft „Herz-Niere“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e. V. wird vor geplanter intraarterieller Kontrastmittelapplikation
zur Vermeidung eines AKI ab einer glomerulären Filtratrationsrate (GFR) <60 ml/min/1,73 m
2 eine peri-prozedurale Hydrierungsstrategie mit 1 ml/kgKG/h 0,9 % NaCL-Lösung über 12 Stunden vor und nach der Prozedur empfohlen. Ab einer GFR <45 ml/min/1,73 m
2 kann eine Pausierung von Medikamenten zur RAS (Renin-Angiontensin-System)-Blockade in Erwägung gezogen werden. Auf die Gabe von Acetylcystein oder Natriumbicarbonat sollte bei Unwirksamkeit zur Verhinderung eines AKI verzichtet werden. Ebenso obsolet sind post-prozedurale Dialysebehandlungen
bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion wie auch bei terminaler
Niereninsuffizienz, da hierbei weder ein AKI noch der Erhalt einer Restdiurese erwirkt werden kann. Aufgrund der zeitlichen Latenz bis zur Demaskierung eines AKI sollten die Nierenfunktionsparameter auch 2–5 Tage nach der Kontrastmittelapplikation bestimmt werden (Latus et al.
2020).
2 Präinterventioneller Umgang mit oralen Thrombozytenaggregationshemmern und oralen Antikoagulanzien
Umgang mit anderer Medikation am Tag der Intervention
Die Gabe von Medikation zur Therapie einer
arteriellen Hypertonie sollte auch am Tage der Untersuchung fortgesetzt werden, um intra-prozedural hypertensive Entgleisungen
zu vermeiden.
Im Falle einer vorbestehenden Kontrastmittelallergie sollte eine Kontrastmittelprophylaxe mit einem Glucocorticoid sowie einem H1- und H2-Blocker als Kurzinfusion <2 h vor der Exposition erfolgen (Medikationsbeispiel: Solu-Decortin® 250 mg, Clemastin 2 mg und Cimetidin 200 mg i.v. als Kurzinfusion).