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Die Gynäkologie
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Publiziert am: 24.08.2021

Kontrazeption und Familienplanung

Verfasst von: Christian Gnoth und Daniel Fehr
Das Familienplanungsverhalten hat sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich verändert. Oft werden Schwangerschaften nach langjähriger Kontrazeption erst für das letzte Viertel der fertilen Jahre geplant, in dem die Fruchtbarkeit bereits gravierend nachgelassen hat. Somit muss bei der Kontrazeption von heute an die Reproduktion von morgen und danach an die Kontrazeption von übermorgen gedacht werden. Somit liegt es in der Natur der Sache, dass sich die kontrazeptiven Methoden im Laufe des Lebens abwechseln und dem Sicherheitsbedürfnis das Anwendungs- und Nebenwirkungsprofil verschiedener Methoden gegenüberbestellt wird. Für die meisten Paare findet sich schließlich eine geeignete Verhütungsmethode, die der aktuellen Lebensphase angepasst ist.

Einleitung: Kontrazeption und Reproduktion

Das Familienplanungsverhalten hat sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich verändert. Oft werden Schwangerschaften nach langjähriger Kontrazeption erst für das letzte Viertel der fertilen Jahre geplant, in dem die Fruchtbarkeit bereits gravierend nachgelassen hat. Somit muss bei der Kontrazeption von heute an die Reproduktion von morgen und danach an die Kontrazeption von übermorgen gedacht werden. Entsprechend diesen verschiedenen Lebensphasen muss in der Beratung zur Familienplanung und Kontrazeption ein Abwägen zwischen dem Risiko der Spontankonzeption und später der Chance auf eine Spontankonzeption vorgenommen werden. Somit liegt es in der Natur der Sache, dass kontrazeptive Methoden im Laufe des Lebens und der fertilen Phasen überdacht werden sollten.

Tägliche Konzeptionswahrscheinlichkeiten

Vor der Entscheidung für eine Kontrazeptionsmethode steht die Information über die Empfängniswahrscheinlichkeiten (Gnoth und Mallmann 2016). Zur Basisinformation sollte dabei gehören, dass
  • die durchschnittliche Konzeptionswahrscheinlichkeit pro Zyklus mit einem oder mehreren ungeschützten Verkehren in der fruchtbaren Zeit bei fertilen Paaren sich auf 27,7 % beläuft – damit ist nur etwa jeder 4. Zyklus erfolgreich;
  • die Konzeptionswahrscheinlichkeit 1–2 Tage vor dem Eisprung mit etwa 25 % am höchsten ist (Tab. 1);
  • die Empfängniswahrscheinlichkeiten für fertile Paare mit gezieltem Verkehr in 12 Zyklen kumulativ etwa 98 % beträgt;
  • die meisten Schwangerschaften innerhalb der ersten 3–6 Zyklen eintreten, was typisch für biologische, voneinander abhängige Ereignisse ist, deren Wahrscheinlichkeiten komplexen Expotentialfunktionen folgen;
  • bereits nach 6 erfolglosen Zyklen mit Verkehr in der fruchtbaren Zeit bei jedem 2. Paar möglicherweise von einer eingeschränkten Fruchtbarkeit auszugehen ist;
  • die Fruchtbarkeit mit zunehmendem Alter deutlich abnimmt und allein aufgrund des Alters bereits bei jedem 2. Paar über 30 Jahren die Fruchtbarkeit als eingeschränkt betrachtet werden muss und bei jedem 2. Paar über 40 Jahren die natürliche Fruchtbarkeit als bald gänzlich aufgehoben betrachtet werden muss.
Tab. 1
Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer Schwangerschaft an den verschiedenen Zyklustagen. Referenzpunkt ist der erste Tag des Temperaturanstieges; der Eisprung selbst findet meist am Tag vor dem Temperaturanstieg statt. (3175 Zyklen mit 434 Schwangerschaften; nach Colombo und Masarotto 2000)
Zyklustag
Wahrscheinlichkeit des Schwangerschaftseintritts
−8
0,3 %
−7
1,4 %
−6
2,7 %
−5
6,8 %
−4
17,6 %
−3
23,7 %
−2
25,5 %
−1
21,2 %
Temperaturanstieg
10,3 %
+1
0,8 %
+2
0,35 %

Anteil der Verhütungsmethoden, Sicherheit und Auswahl

Abb. 1 zeigt anhand einer im Jahr 2011 durchgeführten Umfrage unter 1750 Erwachsenen im Alter von 18–49 Jahren die prozentualen Anteile verschiedene Verhütungsmethoden bei vorwiegend alleiniger Nutzung. Die oralen Kontrazeptiva machen dabei mit über 50 % den größten Anteil aus, gefolgt von Kondom, Spirale und Sterilisation. Da Mehrfachnennungen möglich waren, ist die Summe >100 %. Es ist davon auszugehen, dass Kalendermethoden bzw. Methoden der sog. „fertility awareness“ aufgrund einer Dunkelziffer einen weitaus größeren Raum einnehmen, da viele Frauen, die nicht die Pille nehmen, zumindest einen Menstruationskalender führen. Darauf lässt die extrem hohe Nutzerzahl von sog. Menstruationskalender-Apps schließen.
Für die Nutzung von Kontrazeptiva und die Auswahl des geeigneten Verhütungsmittels steht die Abwägung zwischen dem Sicherheitsbedürfnis einerseits – also der Sicherheit der Methode – und dem Nebenwirkungsprofil andererseits im Vordergrund. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dazu 2016 entsprechende Sicherheitszahlen veröffentlicht (Tab. 2). Die Tabelle weist dabei besonders auf die Unterschiede für die einzelnen Verhütungsmethoden in der sog. Methoden- und Gebrauchssicherheit auf.
Tab. 2
Anteil von Frauen in den USA, die eine unerwünschte Schwangerschaft im ersten Nutzungsjahr erleben. (Nach: WHO 2016)
Rate von Frauen mit unerwünschten Schwangerschaften im ersten Nutzungsjahr (Pearl-Index)a
Rate von Frauen, die mit dieser Methode im ersten Jahr kontinuierlich verhüten
Methode
Gebrauchssicherheit
Methodensicherheit
 
Keine Verhütung
85
85
 
Spermizide
28
18
42
Coitus interruptus
22
4
46
Fertility Awareness („Natürliche Familienplanung“)
24
 
47
 
Standard Days Method
 
5
 
Ovulationsmethode (Schleimmethode)
 
3
 
Symptothermale Methode
1,8–2,5
0,4
 
Two Day Method
 
4
 
Portiokappe
Multipara
24
20
 
Nullipara
12
9
 
12
6
57
Kondom
weiblich
21
5
41
männlich
18
2
43
Kombinationspille/Minipille
9
0,3
67
Kombinationspflaster (Evra)
9
0,3
67
Verhütungsring (NuvaRing)
9
0,3
67
MPA-Depot (Dreimonatsspritze)
6
0,3
56
IUD
0,8
0,6
78
Mirena® (LNG-IUS)
0,2
0,2
80
Implantate (hier: Norplant®, inzw. aus dem Handel)
0,05
0,05
84
Sterilisation, weiblich
0,5
0,5
100
Sterilisation, männlich
0,15
0,10
100
aDer Pearl-Index entspricht der Anzahl der Schwangerschaften pro 100 Frauen, die ein Jahr lang die jeweilige Methode zur Verhütung angewendet haben
Entscheidend für die Empfehlung einer Verhütungsmethode ist die Gebrauchssicherheit, die mögliche Fehler in der täglichen Anwendung und die individuellen Gegebenheiten eines Paares berücksichtigt.
Der Pearl-Index entspricht der Anzahl der Schwangerschaften pro 100 Frauen, die ein Jahr lang die jeweilige Methode zur Verhütung angewendet haben. Oft bleibt in der Literatur unklar, ob der Index sich auf die Gebrauchssicherheit oder die Methodensicherheit bezieht. Nur diese WHO-Tabelle weist in einer Übersicht die Unterschiede auf (Trussell 2011). Näherungsweise entsprechen 12 Zyklen etwa 1 Jahr; allerdings findet nicht in jedem Monat Verkehr in der fruchtbaren Zeit statt, und bei einem 28-tägen Zyklus hat das Jahr 13 Zyklen. Statistisch wesentlich aussagekräftiger als die Angabe des Pearl-Index wären daher Survival-Analysen für Zyklen mit Verkehr in der fruchtbaren Zeit.
Ohne Verhütung werden erwartungsgemäß mindestens 85 % der Frauen in einem Jahr schwanger. Interessant ist die doch große, unerwartete Diskrepanz zwischen „perfect use“ (Methodensicherheit) und „typical use“ (Gebrauchssicherheit) bei den oralen Kontrazeptiva.
Auch bei den oralen Kontrazeptiva ist die Fehlerrate im täglichen Gebrauch um den Faktor 20 bis 30 höher als der Methodenfehler. Deshalb muss auch bei „Pillenanwenderinnen“ ggf. an eine Schwangerschaft gedacht werden.
Aus entsprechenden prospektiven Studien wissen wir, dass die disziplinierte Anwendung von sog. Verhaltensmethoden (z. B. die symptothermale Methode) nicht wesentlich schlechter sein muss (Frank-Herrmann et al. 1997). Erstaunlich sind die hohen Diskontinuitätsraten, was auf wechselnde Abwägungen im Verhältnis von Sicherheitsbedürfnis und Sicherheitsversprechen des entsprechenden Kontrazeptivums hinweist.
Die Auswahl geeigneter Kontrazeptiva-Methoden hängt natürlich auch von medizinischen Gesichtspunkten ab. Deshalb veröffentlicht die WHO regelmäßig Kriterien, die die Auswahl geeigneter Verhütungsmittel in Abhängigkeit von medizinischen Besonderheiten erleichtern soll (z. B. stillende Frauen, Zustand nach thromboembolischen Erkrankungen, Zustand nach Eileiterschwangerschaften, kardiovaskuläre Erkrankungen, Migräne, Lebererkrankungen, Übergewicht und Risikokonstellation für die Übertragung sexuell übertragbarer Erkrankungen). Diese „medical eligibility criteria for contraceptive use“ (MEC) teilt die WHO (WHO 2015) in vier Klassen ein:
  • Klasse I – keinerlei Beschränkungen,
  • Klasse II – Vorteile (Nutzen) überwiegen nachgewiesene oder mögliche Risiken,
  • Klasse III – nachgewiesene oder mögliche Risiken überwiegen den Nutzen,
  • Klasse IV – Kontraindikation aufgrund inakzeptabler Gesundheitsrisiken.
Die Empfehlungen der WHO sind auch im Internet abrufbar unter: http://www.who.int/reproductivehealth/publications/family_planning.
Grundsätzlich müssen unterschieden werden:
  • für Frauen die systemisch-hormonale von der nichthormonalen Kontrazeption (hier mit den systemisch sehr gering wirksamen Hormonspiralen) und
  • bei Mann und Frau die Sterilisation.
Auf die Barrieremethoden der nichthormonalen Kontrazeption soll hier nicht im Einzelnen eingegangen werden. Sie sind vor allem dann zu bevorzugen, wenn zusätzlich sexuell übertragbaren Krankheiten vorgebeugt werden soll.

Nichthormonale Kontrazeption

Intrauterinspiralen (IUP)

Heute hat sich die Verwendung von Kupferspiralen bzw. Hormonspiralen durchgesetzt. Die Wirkung der Kupfer-IUPs beruht neben einer mechanischen Komponente in erster Linie auf den in das Cavum uteri abgegebenen Kupferionen. Diese führen zu einer Störung der Spermienaszension und der Spermien-Eizell-Interaktion, sodass eine Befruchtung verhindert wird. Auch eine sterile Entzündung des Endometriums mit der Folge einer Nidationshemmung bzw. Spermienphagozytose wird diskutiert.
Die intrauterine Kontrazeption mit Gestagenspiralen (Wirkstoff Levonorgestrel) hat am Endometrium einen stark antiproliferativen Effekt. Das Endometrium atrophisiert. Blutungsstärke und Blutungsdauer nehmen ab. In etwa 20 % der Fälle wird eine komplette Amenorrhö nach einem Jahr erreicht. Die Gestagen-verursachte Veränderung des uterotubaren Milieus führt zu einer Hemmung der Spermienaszension, einer Störung der Spermien-Eizell-Interaktion und möglicherweise auch einer Nidationshemmung. Die gelegentlich beobachtete Bildung funktioneller Ovarialzysten bei intrauteriner Kontrazeption mit Gestagenspiralen deutet auf eine gewisse systemische Wirkung mit Hemmung des LH-Peaks durch freigesetztes Levonorgestrel hin. Die Ovarialfunktion wird allerdings nicht vollständig unterdrückt. Die Serumspiegel bei Mirena® können von 100 pg/ml Levonorgestrel bis 500 pg/ml Levonorgestrel pro ml schwanken, was etwa 10 % der Serumkonzentration einer Levonorgestrel-Minipille entspricht. Der Pearl-Index des intrauterinen Kontrazeptionssystems Mirena® wird mit 0,1–0,2 angegeben, die Liegedauer beträgt maximal 5 Jahre. Mirena® enthält 52 mg Levonorgestrel, Jaydess® (Pearl-Index 0,1–0,2) hingegen nur 13,5 mg. Aufgrunddessen ist die maximale Liegedauer von Jaydess® auf 3 Jahre beschränkt (Gemzell-Danielsson et al. 2016). Beide Hormonspiralen sind nicht zur Notfallkontrazeption geeignet.
Der optimale Zeitpunkt für die Einlage ist während der Menstruationsblutung. Zur Vorbereitung hat sich die Gabe von 0,2 mg Misoprostol 2 h vor der Einlage bewährt. Bei sehr schmerzempfindlichen Patientinnen bzw. bei Nulliparae mit engem Os externum kann 0,2 mg Misoprostol am Vorabend (1 Tabl. Cytotec®) und 1 Tabl. Arthotec® forte (0,2 mg Misoprostol + 75 mg Diclofenac) ca. 2 h vor der Einlage gegeben werden.
Allen Intrauterinspiralen liegen entsprechende Anleitungen zum fachgerechten Einlegen bei, die unbedingt beachtet werden müssen (Nelson und Sulak 1998).
Für alle intrauterinen Spiralen gelten folgende absolute Kontraindikationen:
  • Schwangerschaft (diagnostiziert oder vermutet),
  • bösartige Erkrankung des Corpus uteri oder der Zervix uteri sowie auch eine unbehandelte zervikale Dysplasie,
  • uterine oder vaginale Blutungen unbekannter Ätiologie,
  • kongenitale oder erworbene Missbildungen oder besondere Lageanomalien des Uterus oder der Zervix,
  • Infektionen im gesamten Genitalbereich,
  • Zustand nach Pelveoperitonitis oder eines infizierten Abortes in den letzten 3 Monaten.
Relative Kontraindikationen sind ektope Schwangerschaften in der Anamnese oder ausgeprägt prädisponierende Faktoren dafür wie Zustand nach operativen Eingriffen an den Eileitern und der Zustand nach Chlamydiensalpingitis/-endometritis.
Für Hormonspiralen gelten aufgrund der systemischen Wirkungen zusätzliche Kontraindikationen:
  • akute Lebererkrankungen oder Lebertumoren,
  • geschlechtshormonabhängige Tumoren (in der Diskussion: Mammakarzinom).
Ob eine liegende Hormonspirale bei gerade diagnostiziertem Mammakarzinom zwingend entfernt werden muss, ist derzeit umstritten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass Hormonspiralen nicht zu einem erhöhten Brustkrebsrisiko führen (Dinger et al. 2011).
Diese derzeitige Praxis wird aber überprüft. Gerade bei Brustkrebspatientinnen kann Mirena® Vorteile bringen, da diejenigen, die in der adjuvanten Situation Tamoxifen einnehmen, vom Endometriumschutz der Hormonspiralen (Endometriumhyperplasien und Polypen) profitieren würden.
Die Hormonspiralen haben neben dem sicheren Konzeptionsschutz (Ramirez und Pujol 2000) auch positive medizinische Effekte. Sie sind insbesondere geeignet für Patientinnen mit
  • Hypermenorrhö: Reduktion der Blutungsstärke,
  • Endometriose/Adenomyosis: Reduktion der Dysmenorrhöen, Reduktion der Hypermenorrhöen, Verkleinerung von Adenomyosisherden,
  • Endometriumhyperplasie: Rezidivprophylaxe nach diagnostischer/therapeutischer Abrasio.

Schwangerschaften unter Anwendung von intrauterinen Spiralen

Aufgrund des niedrigen Pearl-Index sind Schwangerschaften unter Spiralen selten, jedoch nicht ausgeschlossen. Im Falle einer Schwangerschaft sollte die Spirale entfernt werden, da ein erhöhtes Abortrisiko besteht. Die Entfernung sollte hysteroskopisch oder zumindest sonografisch kontrolliert in der 8.–10. SSW erfolgen.
Da unter Hormonspiralen oft eine Amenorrhö auftritt, darf – vor allem bei Unterbauchbeschwerden – die Schwangerschaft, besonders die Extrauterinschwangerschaft, differenzialdiagnostisch nicht vergessen werden.
Spiralen werden durch Zug am Rückholfaden mit einer Zange entfernt. In der Regel ist die Entfernung unproblematisch. Auch bei einem sog. „lost-IUD“ ist mit einer entsprechenden Fasszange eine blinde Entfernung meistens möglich. Andernfalls muss hysteroskopiert werden.
Seltene Komplikationen bei Verhütung mit einem IUP sind Infektionen, erhebliche Blutungsstörungen oder die Perforation bei der Einlage des IUP bzw. der unbemerkte Verlust. Deshalb sind sonografische Lagekontrollen empfehlenswert. Sekundäre Perforationen des Uterus nach zunächst problemloser Einlage sind extrem selten (Veldhuis et al. 2004). Blutungsstörungen bei liegendem Kupfer-IUP sind verschiedenen Therapien gut zugänglich (Tetrazykline, Tranexamsäure, Hormone).
Da Nulliparität heute keine Kontraindikation für das Einlegen einer Spirale mehr darstellt (Lete et al. 1998), ist die Frage nach der wiedereinsetzenden Fertilität nach Entfernen der Spirale von großer Bedeutung. In einer Studie von Andersson et al. (1992) wurde festgestellt, dass es keine Unterschiede zwischen Kupferspiralen und Hormonspiralen auf die nachfolgende Fertilitätsrate gibt. Die kumulativen Schwangerschaftsraten betragen im 1. Jahr 79 % (Hormonspirale) und 71 % (Kupferspirale). Somit sind – insbesondere bei jungen Frauen – keine Nachteile hinsichtlich ihrer zukünftigen Fertilität zu erwarten.
Nicht alle Fragen sind endgültig geklärt. Bei Zustand nach thromboembolischen Ereignissen, bei Migräne mit Aura, bei Patientinnen mit Herzerkrankungen, therapieresistenter Hypertonie und/oder neurologischen Erkrankungen erscheint eine Kontrazeption mit einer Hormonspirale durchaus sinnvoll. Die Indikationsstellung sollte kritisch geprüft werden und die Einlage nur nach ausführlicher Aufklärung erfolgen.

Fertility Awareness

Das Interesse an Methoden der Fertility Awareness, früher „natürliche Familienplanung“ (NFP), ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Wesentliche Gründe dafür sind ein kritischeres Abwägen der Balance zwischen der Notwendigkeit einer sicheren Kontrazeption und dem Risiko einer unbeabsichtigten Schwangerschaft und das Überwiegen der medikamentös-hormonellen Zyklusregulation, sodass sonst für den natürlichen Zyklus nur noch wenig Raum in den fertilen Lebensphasen bleibt (Abb. 2). Auch ist eine zunehmende Skepsis gegenüber der langjährigen Pilleneinnahme aufgrund der Diskussionen um gesundheitliche Nebenwirkungen der Pille (s. unten) zu beobachten. Die Methoden der Fertility Awareness nutzen die Möglichkeit, selbst zu beobachtende Körpersymptome (Zervixschleim und basale Körpertemperatur) zur Bestimmung des fertilen Fensters aufzuzeichnen.
Die Körpertemperatur steigt periovulatorisch durch den Progesteroneffekt leicht an und sinkt erst am Ende des Zyklus wieder. Der Temperaturanstieg erfolgt ab einem Progesteronanstieg von 0,8 ng/ml, also zum Teil bereits präovulatorisch. Ab einem Spiegel von 6 ng/ml Progesteron im Serum verbleibt die Temperatur auf einem konstant hohen Niveau (0,2 °C über dem durchschnittlichen Temperaturniveau der Follikelphase) bis zum Ende des Zyklus. Diese hypertherme Phase dauert in der Regel 13 Tage.
Durch den Anstieg des Östradiols verflüssigt sich präovulatorisch der Zervixschleim. Unmittelbar postovulatorisch allerdings verändert sich durch Progesteroneinfluss die Zervixschleimqualität rasch. Deshalb eignen sich beide Parameter gut, den Ovulationszeitpunkt und das fertile Fenster zu bestimmen, was inzwischen wiederholt und überzeugend nachgewiesen wurde. Bei den Fertility-Awareness-Methoden sind zu unterscheiden:
  • Kalendermethoden (Wahrscheinlichkeitsberechnungen, die auf die Rechenmethoden z. B. nach Knaus und Ogino zurückgehen),
  • die reinen Temperaturmethoden (es wird lediglich der Temperaturanstieg zur Bestimmung der postovulatorischen, infertilen Phase genutzt),
  • die reinen Zervixschleimmethoden (lediglich der Zervixschleim wird aufgezeichnet, um das fertile Fenster zu erfassen; als Two-Day-Method vor allem für Entwicklungsländer geeignet, da sehr einfach)
  • die erweiterte symptothermale Methode (STM oder Sensiplan®).
Die symptothermalen Methoden basieren auf der Beobachtung von Zervixschleim und Körpertemperatur nach dem Prinzip des „double-check“: Jeweils zwei Parameter sichern sowohl den Anfang wie das Ende der fruchtbaren Zeit (Abb. 3). Der Temperaturanstieg wird nach der „3 über 6“-Regel festgestellt. Am Tag der 3. höheren Messung besteht wieder Unfruchtbarkeit. Mit Hilfe von Rechenregeln wird, basierend auf den vorangegangenen 12 Zyklen, der 1. fruchtbare Tag bestimmt, es sei denn, das Zervixschleimsymptom signalisiert eventuell eine frühere Öffnung des sog. fertilen Fensters.
Für die symptothermale Methode der natürlichen Familienplanung (Sensiplan®) existieren prospektive Sicherheitsstudien (Frank-Herrmann et al. 1997).
Sensiplan® gehört mit einer Methodensicherheit von 0,4 und einer Gebrauchssicherheit von etwa 2 (Pearl-Index) bei disziplinierter Anwendung zu den sehr sicheren Verhütungsmethoden.
Das gilt wohlgemerkt nicht für die anderen natürlichen Familienplanungsmethoden. Reine Kalkulationsmethoden z. B. reichen nicht aus, um auch nur einigermaßen genau das „fertile window“ im Zyklus zu finden. Nur bei 20 % der Frauen ist der Zyklus fast immer gleich lang. Auch bei regelmäßigen, weniger als 5 Tage schwankenden Zyklen ist der Eisprung oft sehr unterschiedlich lokalisiert. Das hat mit der variablen ersten Zyklushälfte, der Follikelphase, zu tun, die über den Impulsgeber im Zwischenhirn gesteuert wird.
Die publizierten Sicherheitszahlen für diese übrigen, natürlichen Methoden gehen extrem weit auseinander und diese Methoden sind grundsätzlich als nicht sicher einzustufen!
Die zusätzliche Anwendung von Kondomen in der fertilen Phase führte nach den Ergebnissen der deutschen Sicherheitsstudie nicht zu einem signifikanten Verlust an Sicherheit.
Vorteile der natürlichen Methoden sind die Möglichkeiten der Fruchtbarkeitswahrnehmung sowohl zur Verhütung als auch zur Realisierung eines Kinderwunsches. Das Zyklusgeschehen wird nicht maskiert, und Zyklusstörungen können frühzeitig auffallen. Nachteilig sind für die STM die notwendige regelmäßige Körperbeobachtung und eine Lernphase von 1–3 Zyklen. Die Methode erfordert die Einhaltung sexueller Abstinenz oder die zusätzliche Anwendung von Barrieremethoden in der fruchtbaren Zeit, was sich auf die Akzeptanz auswirken kann.
Im Umfeld der natürlichen Methoden haben Zyklus- und Hormoncomputer einen wachsenden Markt gefunden. Reine Temperaturcomputer, die den Anwenderinnen das Aufzeichnen der Basaltemperatur abnehmen sollen und Hilfen beim Auswerten von fruchtbaren bzw. unfruchtbaren Tagen geben, sind z. B. Cyclotest-2-Plus, Ladycomp, Bioself Plus. Es gibt prospektive Sicherheitsstudien, die ermittelten Pearl-Indizes liegen zwischen 1 und 4. Damit haben diese Zykluscomputer lediglich eine mittlere Sicherheit (Freundl et al. 2003a). Deutlich weiter verbreitet ist der Hormoncomputer Persona®. Er beruht auf der Messung von Östriolglucoronid und LH im Urin unter der Anwendung von Rechenregeln. Auch hier gibt es prospektive Sicherheitsstudien, die eine Methodensicherheit von 6 und eine Gebrauchssicherheit von 20 ergeben haben (Freundl et al. 2003b). Damit ist Persona bei alleiniger Anwendung als unsicher in der Verhütungssituation einzustufen. Hier stehen allerdings neuere Entwicklungen ins Haus, die eine wesentlich verbesserte Methodensicherheit und Gebrauchssicherheit erwarten lassen (Roos et al. 2015).
Ebenfalls im Umfeld der natürlichen Methoden finden sich zahlreiche webbasierte Programme oder Apps für Smartphones, deren Leistungsumfang von einem einfachen Menstruationskalender bis hin zu einem vollen Empfängnisregelungsprogramm reichen sollen. Keines dieser Produkte ist bisher in einer prospektiven Sicherheitsstudie untersucht worden. Viele beruhen lediglich auf Anwendung einfacher, Jahrzehnte alter Rechenregeln von Knaus und Ogino. Sie können derzeit für die Verhütungssituation keinesfalls empfohlen werden. Zu beachten ist, dass viele dieser Apps definitionsgemäß unter das Medizinproduktegesetz fallen, die dort verankerten Voraussetzungen zur Zulassung aber nicht erfüllen.
Zwischen den aufwendigen technischen Zyklusmonitoren und den Fertility-Apps sind die Zyklustracker einzuordnen, z. B. AVA®. Bei AVA handelt es sich um ein elektronisches Armband, das eine Reihe von Parametern im Zyklus elektronisch erfasst: Pulsrate, Atemfrequenz, Herzfrequenzvariabilität, Schlafanalyse, Bewegungsanalyse, Hauttemperatur, Hautwiderstand, Durchblutung. Es wird nachts getragen. Die Messergebnisse werden mit Hilfe einer App auf dem Smartphone ausgewertet. Es ist derzeit unklar, ob die Einbeziehung von zusätzlichen Größen die Verlässlichkeit der Festlegung des fertilen Fensters wirklich verbessert und der Patientin entscheidende Vorteile bringt.

Sterilisation bei Mann oder Frau

Die operative Sterilisation beim Mann oder bei der Frau gehört seit vielen Jahrzehnten zu den am weitesten verbreiteten und sichersten Methoden der endgültigen Kontrazeption. Sie können heutzutage bei der Frau leicht ambulant, laparoskopisch als Tubenkoagulation durchgeführt werden. Die Vasektomie beim Mann erfordert noch nicht einmal eine Vollnarkose. Der größte Nachteil ist die Irreversibilität, die bei Änderung der Familienplanungsabsicht bei der Frau schließlich eine IVF notwendig macht. Eine langjährige Vasektomie führt beim Mann zu einer nachhaltigen Schädigung der Samenzellbildung, sodass auch hier eine spätere Vasovasostomie nur unbefriedigende Ergebnisse bringt und deshalb oft eine In-vitro-Fertilisation mittels intrazytoplasmatischer Spermieninjektion nach Hodengewebsentnahme (TESE) notwendig wird.

Hormonale Kontrazeption

Die hormonale Kontrazeption geht zurück auf den österreichischen Physiologen Ludwig Haberland (1885–1932), der durch die Gabe von Östrogenen und Gestagenen, ähnlich wie in einer Schwangerschaft, Ovulationen unterdrücken konnte. Allerdings dauerte es bis zum ersten oralen Kontrazeptivum noch vierzig Jahre. Es wurde 1960 auf dem amerikanischen Markt eingeführt.
Inzwischen gibt es eine sehr große Zahl hormonaler Kontrazeptiva auf dem Markt und mehr als 5000 in PubMed gelistete Publikationen zur hormonalen Kontrazeption (Stand September 2018). Damit gehören hormonale Kontrazeptiva zu den am besten untersuchten Arzneimitteln überhaupt, die über viele Jahre von unzähligen jungen und gesunden Frauen eingenommen werden. In unseren grundlegenden Aussagen beziehen wir uns hier wesentlich auf die Empfehlungen und die Literaturauswahl der American Society of Reproductive Medicine (ASRM 2008) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO 2015, 2016), die im Internet zum Download zur Verfügung stehen.
Die überwiegende Zahl der hormonalen Kontrazeptiva sind Präparate zur oralen Kontrazeption, sog. Anti-Baby-Pillen. Zur hormonalen Kontrazeption können allerdings auch Pflaster, Vaginalringe, sog. Dreimonatsspritzen oder Hormonstäbchen, die subkutan unter die Haut eingelegt werden, verwendet werden. Die Hormonspiralen gehören systematisch mit zu den hormonalen Kontrazeptiva, obwohl sie den Eisprung nicht unterdrücken und aufgrund der geringen systemischen Wirkung hier in der Gruppe der nichthormonalen Kontrazeptiva gelistet wurden.

Depotgestagene (sog. Dreimonatsspritze)

Die derzeit sich im deutschen Handel befindlichen sog. Dreimonatsspritzen enthalten den Wirkstoff Medroxyprogesteronacetat (MPA) oder Norethisteronenantat. Das Präparat Depo-Clinovir® enthält 150 mg MPA und wird alle 3 Monate intramuskulär gespritzt. Das Präparat Sayana® enthalt 104 mg MPA und kann subkutan gegeben werden. Das Präparat Noristerat® enthält 200 mg Norethisteronenantat.
Man kann davon ausgehen, dass beide MPA-Präparate eine vergleichbar hohe kontrazeptive Sicherheit haben und beide in einer vergleichbar hohen Rate zu Amenorrhöen führen (Kaunitz et al. 2009). In verschiedenen Studien war die kontrazeptive Sicherheit der Präparate unabhängig vom Body-Mass-Index. Trotz der unterschiedlichen Dosis an MPA sind die Gestageneffekte beider Präparate vergleichbar.
Die Dreimonatsspritze wird üblicherweise innerhalb der ersten 7 Zyklustage gegeben. Depotpräparate stellen vor allem dann eine interessante Alternative der hormonalen Kontrazeption dar, wenn eine hohe Verlässlichkeit mit einer hohen Rate an Amenorrhöen verbunden sein soll. Auch stellen Depotpräparate nur niedrige Anforderungen an die Patientencompliance (Vergesslichkeit). Demgegenüber stehen die Nachteile der viel diskutierten Gewichtszunahme, der schlechten Steuerbarkeit mit teilweise mehreren Monaten Zyklusstörungen nach Beenden der Kontrazeption. Bei langfristiger Anwendung ist vor allem die Abnahme der Knochendichte bei den Präparaten mit MPA zu beachten (Kaunitz et al. 2009). Besonders bei sehr jungen Frauen, die MPA einsetzen wollen, wird sehr wahrscheinlich die erzielbare Knochenspitzenmasse in ihrem Leben nicht erreicht. Auch perimenopausale Patientinnen, die keine Knochenmasse mehr zugewinnen können, werden möglicherweise Nachteile durch diesen relevanten Knochenmasseverlust bei langfristiger MPA-Verhütung haben.
Da das Alternativpräparat Noristerat® nicht vollständig die Ovarialfunktion unterdrückt, vermutet man für diese Dreimonatsspritze keine nachteilige Wirkung auf die Knochengesundheit.
Depotgestagene sind keine Reserve-Verhütungsmethoden bei Risikokonstellationen.

Implanon®

Bei Implanon® handelt es sich ebenfalls um ein Depotgestagenpräparat mit 68 mg Etonogestrel, dem aktiven Metaboliten von Desogestrel, das subkutan eingelegt wird. Implanon® ist 4 cm lang und kann bis zu 3 Jahre in situ verbleiben.
Implanon® hat eine hohe Sicherheit (Croxatto et al. 1999), obwohl inzwischen einige Schwangerschaften unter Implanon® berichtet wurden. Nachteilig sind Blutungsstörungen unter Implanon®, die in den ersten 2 Jahren bei etwa 15 % der Nutzerinnen zu einem Therapieabbruch führten. Ursache für diese Blutungsstörung ist die nicht vollständig unterdrückte Ovarialfunktion, worin auch gleichzeitig ein möglicher Vorteil dieser Depotverhütungsmethode liegt: kein Östrogenmangel, der die Knochengesundheit gefährden könnte.
Nach Entfernen von Implanon® (Lokalanästhesie, kleiner Einschnitt) stellt sich rasch wieder ein normales Zyklusgeschehen ein.
Von den sicheren hormonalen Depotverhütungsmethoden ist Implanon® eine überlegenswerte Alternative in Problemsituationen mit einer hohen Zuverlässigkeit, wenn die betroffene Patientin mit dem möglichen Nachteil von Blutungsstörungen umgehen kann.

Notfallkontrazeption

Zur hormonellen Notfallkontrazeption sind derzeit zwei Präparate im Handel: PiDaNa® – in Form einer Tablette mit 1,5 mg Levonorgestrel – und das inzwischen rezeptfreie Präparat EllaOne® – in Form einer Tablette mit 30 mg Ulipristalacetat.
Die Gabe von 1,5 mg Levonorgestrel verhindert innerhalb von 72 h nach ungeschütztem Verkehr präovulatorisch in etwa 90 % der Fälle die Ovulation, auch wenn bereits eine Follikelgröße von 12–17 mm erreicht wurde. Weitere Faktoren, die die Wirksamkeit erklären und diskutiert werden, sind eine Störung der Tubenmotilität, Veränderungen des Zervixschleims und eine direkte Wirkung auf das Endometrium mit Verschiebung des Implantationsfensters. Postovulatorisch hat Levonorgestrel keine Wirkung mehr (Gemzell-Danielsson et al. 2013). Die Wirksamkeit von Levonorgestrel ist umso geringer, je größer der dominante Follikel ist und je später das Präparat nach einem ungeschützten Verkehr eingenommen wird.
Mit der Gabe von 30 mg Ulipristalacetat innerhalb von 120 h nach einem ungeschützten Verkehr präovulatorisch konnte ebenfalls effektiv die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit reduziert werden. Darin liegt der große Vorteil dieses Medikamentes, da Levonorgestrel bereits 24 h nach ungeschütztem Verkehr deutlich schlechter und 72 h danach so gut wie gar nicht mehr wirkt.
Ulipristalacetat ist allein aufgrund dieser längeren Wirksamkeit der Gabe von Levonorgestrel als Notfallkontrazeptionsmedikament überlegen.
Auch für Ulipristalacetat werden als Hauptwirkungen eine Verschiebung der Ovulation (LH- und Progesteron-Anstieg) und eine Verhinderung der Follikelruptur durch direkte Wirkung am Follikel angenommen. Ob es auch unmittelbar postovulatorisch Wirksamkeit zeigt, ist umstritten (Gemzell-Danielsson et al. 2013). Es müssen aber Wirkungen am Endometrium angenommen werden (Keenan 2011).
Grundsätzlich ist für beide Präparate der Hinweis an die Anwenderin wichtig, dass im weiteren Zyklus eine andere, effektive Verhütungsmethode angewendet werden muss, da der Wirkmechanismus im Wesentlichen auf der Ovulationsverschiebung beruht. Grundsätzlich ist in Ausnahmefällen eine mehrfache Anwendung im Zyklus möglich.
Zur Notfallkontrazeption sind auch Kupferspiralen oder Kupferketten geeignet. In der Ära vor Ulipristalacetat war die Hauptindikation für das Einlegen einer Kupferspirale die späte Kontrazeption mit einem Abstand von über 24 h zum ungeschützten Verkehr. Heute ist die Kupferspirale dann indiziert, wenn ein hoher Body-Mass-Index vorliegt oder aber der ungeschützte Verkehr bis zu 24 h postovulatorisch stattgefunden hat.
Die Notfallkontrazeption gehört nach dem oben Gesagten in die Hand des Arztes. Basierend auf einer eingehenden Zyklusanamnese, ggf. einer Blutuntersuchung (Östradiol, Progesteron, LH und FSH) sowie einer Ultraschalluntersuchung des Endometriums und der Ovarien kann ggf. sogar auf die Gabe dieser stark wirksamen Medikamente verzichtet werden; finden sich nämlich niedrige Gonadotropin- und Sexualsteroidspiegel und kein Follikel >8 mm, ist in den nächsten 5–7 Tagen keine Ovulation zu erwarten – eine Notfallkontrazeption ist nicht nötig; oder aber der Eisprung liegt kurz zurück und eine intrauterine Notfallkontrazeption ist indiziert. Aufgrund der besonderen Tragweite einer unbeabsichtigten Schwangerschaft ist jedoch bei jedwedem Zweifel die Verschreibung eines hormonalen Notfallkontrazeptivums der richtige Weg.
Ein „wirklicher Notfall“ besteht jedoch oft dann, wenn weder ein zugelassenes Medikament zur Notfallkontrazeption zur Verfügung steht noch ein Arzt erreichbar ist. In diesem Falle kann die Einnahme von Pillen eines normalen oralen Kombinationspräparates (s. unten) jeweils im Abstand von 12 h das Risiko einer unbeabsichtigten Schwangerschaft signifikant reduzieren, z. B. aus der Pillenpackung einer Freundin. Bei Übelkeit und Erbrechen muss ggf. die zweite Gabe wiederholt werden.
Beispiel
Von einer Einphasenpille mit mindestens 30μg Ethinylöstradiol werden 3 Pillen auf einmal und 12 h später nochmals 3 Pillen auf einmal genommen. Je näher der ungeschützte Verkehr zum vermuteten Eisprung hin stattgefunden hat bzw. je später die postkoitale Notfallkontrazeption stattfindet (sinnvoll bis max. 24 h post coitum), desto höher ist die Versagerquote; in diesen Ausnahmefällen können sogar jeweils 4 Pillen auf einmal genommen werden.
Sollte es trotz Notfallkontrazeption zu einer Schwangerschaft kommen, ist das Risiko für einen Abort nicht erhöht.
In einigen Fällen stellt sich die Frage nach einer Notfallkontrazeption in der Stillphase. In diesem Falle sollte die Milch für 8 h verworfen werden, in denen Hormonpräparate eingenommen wurden.
In einem normalen Zyklus muss man bei Verkehr in der fruchtbaren Zeit mit 25–30 Schwangerschaften pro 100 Frauen rechnen. Bei korrekter Anwendung der Notfallkontrazeption sinkt dieser Wert auf 1–2 Schwangerschaften (Taylor et al. 2014).

Orale hormonale Kontrazeption

Pillentypen

Orale Kontrazeptiva werden grundsätzlich in Einphasen- und Zweiphasenpräparate unterteilt. Einphasenpräparate enthalten in allen Pillen ein Östrogen und ein Gestagen. Die Zweiphasenpräparate starten mit einer reinen Östrogengabe, und erst in der 2. Phase wird das Gestagen hinzugefügt. In Deutschland sind nur noch Einphasenpräparate verfügbar, die entweder dieselbe Östrogen- und Gestagendosierung über den gesamten Zyklus enthalten können (Einstufenpräparat), oder aber die Östrogen- und Gestagenkomponente in unterschiedlichen Dosierungen enthalten (Zweistufen- und Dreistufenpräparate). Das Östradiolvalerat-haltige orale Kontrazeptivum Qlaira® ist ein Vierphasenpräparat, welches Östradiolvalarat und Dienogest als Gestagen enthält.
Die Ersteinstellung einer Patientin sollte, wenn möglich, immer mit einem einstufigen Einphasenpräparat erfolgen, um eine möglichst hohe kontrazeptive Sicherheit und eine gute Zykluskontrolle zu erreichen.
Darüber hinaus gibt es reine Gestagenpräparate als sog. Minipillen, die meistens 75μg Desogestrel beinhalten. Sie wirken im Gegensatz zu den Kombinationspräparaten nicht ovulationshemmend, sondern über eine Hemmung der Tubenmotilität und eine Veränderung des endometrialen Milieus. Diese sog. Minipillen müssen sehr verlässlich und pünktlich eingenommen werden, und die Blutungsstabilität ist nicht immer gegeben.
Die allermeisten kombinierten Kontrazeptiva enthalten als Östrogenkomponente Ethinylöstradiol. In Deutschland kennen wir zwei zugelassene Präparate mit einem natürlichen Östrogen (Qlaira®: Östradiolvalarat; Zoely®: mikronisiertes Östradiol).
Die Östrogenkomponente hat die Aufgaben der negativen Rückkopplung auf die Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse zur Zykluskontrolle und – mit Einschränkungen – zur Ovulationshemmung. Die meisten kombinierten Kontrazeptiva enthalten 20–35μg Ethinylöstradiol. Ethinylöstradiol wirkt stark auf die Leber, was sich u. a. in dem unter oraler Kontrazeption deutlich ansteigenden Sexualhormon-bindenden Globulin (SHBG) zeigt. Auch das Thyroxin-bindende Globulin (Pseudohypothyreose) und das Kortisol-bindende Globulin steigen an.
In der älteren Systematik werden orale Kombinationspräparate mit weniger als 50μg Ethinylöstradiol auch als sog. Mikropillen bezeichnet.
Der Gestagenanteil hat die wesentliche ovulationshemmende Wirkung. Dazu kommt die lokale Wirkung auf das Endometrium (Transformation), die Tubenmotilität und Zervixfaktoren. Auf dem Markt existieren zahlreiche Gestagene der 1. bis 3. Generation, in die die synthetischen Gestagene gemäß ihrer zeitlichen Einführung in die Therapie eingeteilt werden. Die Gestagene zeichnen sich vor allem entweder durch eine hohe antiandrogene Wirkung oder durch eine deutliche androgene Restaktivität aus. Manche Autoren rechnen Abkömmlinge des Spironolactons, das Dienogest und das Nomegestrolacetat einer 4. Generation der synthetischen Gestagene zu.
Neben den oralen Kombinationspräparaten gibt es auch andere Applikationsformen wie Verhütungspflaster (z. B. Evra®) und Vaginalring (Nuva-Ring®). Beide Formen weisen Unterschiede in ihren pharmakologischen Eigenschaften auf. Der Verhütungsring setzt pro Tag lediglich 15μg Ethinylöstradiol und 120μg Etonogestrel frei. Es entstehen nach wenigen Tagen relativ konstante Serumhormonspiegel ohne tägliche Schwankungen. Hierdurch wird trotz der niedrigen Östrogendosis ein stabiler Zyklus erreicht. Der Ring bleibt 3 Wochen liegen, gefolgt von einer 7-tägigen Pause. Die monatliche, systemische Ethinylöstradiol-Gesamtexposition anhand der Area Under the Curve ist bei Verwendung des Verhütungspflasters höher als bei oralen Kombinationspräparaten oder dem Verhütungsring (van den Heuvel et al. 2005).
Die wichtigsten antiandrogenen Gestagene in absteigender Stärke sind: Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat, Dienogest und Drospirenon. Die antiandrogene Wirkung eines Kombinationspräparates wird auch durch die SHGB-Erhöhung erzielt. Die Androgenrezeptoren können durch einen Langzyklus optimal blockiert werden.

Erstverordnung

Grundsätzlich empfiehlt sich für die meisten jungen Patientinnen ein Einphasenpräparat. Präparate mit einer Ethinylöstradioldosis von 20μg haben ein geringeres kardiovaskuläres Risiko als solche mit 30μg Ethinylöstradiol. Allerdings ist bei den niedriger dosierten Präparaten das Risiko von Blutungsunregelmäßigkeiten deutlich höher.
Entscheidend für die Verordnung ist die Gestagenkomponente. Aufgrund der Diskussion um das unterschiedliche thrombogene Risiko bei verschiedenen Gestagenen ist zunächst ein Präparat mit Levonorgestrel zu bevorzugen. Allerdings hat Levonorgestrel eine androgene Restwirkung, sodass bei bereits bestehenden Androgenisierungserscheinungen besser Gestagene mit einer deutlichen antiandrogenen Aktivität verordnet werden sollten. Ob die Empfehlungen der nationalen und europäischen Arzneimittelbehörden zur bevorzugten Wahl von Levonorgestrel bei der Erstverschreibung wissenschaftlich wirklich zu halten sind, ist fraglich (s. unten). Nach entsprechender Aufklärung der Patientin kann durchaus auch ein Gestagen der Pillen der 3. oder 4. Generation gewählt werden (Gestoden, Norgestimat [Prohormon des Levonorgestrels], Desogestrel oder: Drospirenon, Dienogest, Nomegestrolacetat).
Eine Pille mit 35μg Ethinylöstradiol und dem partiell androgen wirkenden Gestagen Norethisteron ist vor dem Hintergrund des thrombogenen und kardiovaskulären Risikos wenig geeignet, da Norethisteron nach oraler Verabreichung teilweise zu Ethinylöstradiol metabolisiert wird. Diese Konversion führt zu einer äquivalenten Dosis von ungefähr 4–6μg Ethinylöstradiol pro 1 mg oral verabreichtem Norethisteronacetat.
Bei Risikopatientinnen, die eine orale hormonale Kontrazeption wünschen bzw. benötigen, sollte im Zweifelsfalle immer einem oralen Gestagenmonopräparat der Vorzug gegeben werden.

Rechtliche Aspekte

Bei jeder Erstverordnung eines hormonalen Kontrazeptivums ist eine ausführliche Aufklärung der Patientin zu dokumentieren und eine eingehende Anamnese hinsichtlich der Risiken (am besten anhand einer Checkliste) zu dokumentieren. Eine unterschriebene Einverständniserklärung gehört in die Krankenkarte und sollte den Hinweis enthalten, dass entsprechendes Informationsmaterial der Patientin mitgegeben wurde. Letzteres sollte Informationen darüber enthalten, wann eine Patientin unbedingt den Arzt kontaktieren muss.
Medizinisch ist es wichtig, die Patientin darüber aufzuklären, dass eine hormonale Kontrazeption nicht vor sexuell übertragbaren Erkrankungen schützt. Unter 14-jährige Patientinnen dürfen nur mit Einverständnis der Eltern ein Rezept über hormonale Kontrazeptiva bekommen. Zwischen 14 und 16 Jahren ist eine Verordnung nach Dokumentation des Verantwortungsbewusstseins der jungen Patientin möglich. Erst ab 16 Jahren ist die Verschreibung keinen rechtlichen Einschränkungen mehr unterworfen. Bis zum 20. Geburtstag sind hormonale Kontrazeptiva Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Sollten orale Kontrazeptiva an sehr junge Mädchen mit noch nicht einreguliertem Zyklusgeschehen verordnet werden müssen, sind besondere Gesichtspunkte wichtig (s. unten), die insbesondere die Knochengesundheit betreffen.

Einnahmeschemata

Früher wurden grundsätzlich Einphasenpräparate nach dem Schema 21 + 7 eingenommen, d. h. 21 Tage Einnahme einer wirkstoffhaltigen Pille mit anschließend 7-tägiger Pause. Damit sollte ein natürlicher Zyklus imitiert werden. Dieses Schema lässt sich modifizieren, indem an einnahmefreien Tagen Placebos eingenommen werden bzw. das einnahmefreie Intervall auf 4 Tage verkürzt wird. Grund dafür waren Strategien gegen das „Vergessen der Pille“ und Verminderung der Beschwerden in der Pillenpause.
Inzwischen setzt sich zunehmend der Langzyklus durch, in dem auf ein einnahmefreies Intervall komplett verzichtet wird. 3–4 Blister (oder sogar bis zu 12) werden ununterbrochen genommen. Eine Pause wird dann erst nach z. B. ½ bis 1 Jahr eingelegt. Inzwischen gibt es gute Daten, die zeigen, dass ein solcher Langzyklus medizinisch keine Nachteile hat (Hee et al. 2013). Das Endometrium zeigt keine Tendenz zu Proliferationen bzw. Atypien. Ein Langzyklus verbessert die Symptome eines prämenstruellen Syndroms und – sehr wichtig – einer Endometriose. Es gibt keine Hinweise, dass die Fertilität nach Beendigung einer Langzeiteinnahme reduziert ist. Ein sehr wesentlicher Vorteil des Langzyklus ist die höhere kontrazeptive Sicherheit, sodass auch ein Vergessen einzelner Pillen nicht so entscheidend ins Gewicht fällt (Wiegratz et al. 2011). In den ersten Monaten können Zwischenblutungen auftreten, die jedoch in der Regel keine Bedeutung haben. Nach 6–12 Monaten ist in 80–100 % eine komplette Amenorrhö erreicht.

Absolute Kontraindikationen der Einnahme oraler Kontrazeptiva

Die WHO gibt absolute Kontraindikationen für orale Kontrazeptiva und kombinierte orale Kontrazeptiva an.
Absolute Kontraindikationen für kombinierte hormonale Kontrazeptiva (WHO 2015)
  • Alter über 35 Jahre und Nikotinabusus mit über 15 Zigaretten pro Tag
  • Arterielle Hypertonie (systolisch über 160 mmHg, diastolisch über 100 mmHg)
  • Zustand nach Angina pectoris
  • Zustand nach Apoplex
  • Komplizierte Herzklappenerkrankung
  • Migräne mit Aura
  • Zustand nach Mammakarzinom
  • Komplizierter Diabetes mellitus
  • Virale Hepatitis
  • Leberzellkarzinom
  • Leberadenome
  • Stillen in den ersten 6 Wochen post partum
Nicht immer sind die Abgrenzungen zwischen absoluten und relativen Kontraindikationen eindeutig. Die Kategorien der WHO gehen von 1 (keine Anwendungsbeschränkung) bis 4 (nicht akzeptables Gesundheitsrisiko). Insofern dient die Liste der hier genannten absoluten Kontraindikationen lediglich als Orientierung und erspart nicht den Blick in das WHO-Handbuch.

Vaskuläre Komplikationen: Thrombosediskussion, Myokardinfarkt, Schlaganfall

Venöse Thromboembolie
Das Risiko einer Thrombose und nachfolgender Embolie (venöse Thromboembolie, VTE) ist abhängig vom Geschlecht und ganz wesentlich auch vom Alter (Tab. 3).
Tab. 3
Risiko für eine Thrombose/Embolie Tab. 3 Risiko für eine Thrombose/Embolie
Alter
Risiko für eine Thrombose/Embolie pro Jahr
<20. Lebensjahr
1:100.000
20–40. Lebensjahr
1:10.000
40.–75. Lebensjahr
oder Schwangerschaft
1:1000
>75. Lebensjahr
1:100
Durch die Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazeptiva wird das Risiko eines thromboembolischen Ereignisses etwa um den Faktor 2–3 erhöht.
Das Risiko für einer VTE unter oraler Kontrazeption ist vor allem im ersten halben Jahr erhöht und 3 Monate nach Absetzen der Therapie wieder auf den Basiswert gesunken (Rosendaal et al. 2003). Das Risiko ist dabei in erster Linie von der Östrogendosis abhängig (Bergendal et al. 2014). Besonders in der letzten Zeit wird zusätzlich von einem additiven Effekt der enthaltenen Gestagene gesprochen. Vor allem Gestagene der 3. Generation sollen ein höheres Thromboserisiko bedingen.
Eine 2013 veröffentlichte Metaanalyse zum Thromboserisiko kombinierter Kontrazeptiva – stratifiziert nach Dosis des Ethinylöstradiols und unterschiedlicher Gestagene – konnte zeigen, dass das Thromboserisiko in der Tat am stärksten durch die Dosis des Ethinylöstradiols beeinflusst wird (Stegeman et al. 2013). Inwieweit das in neueren kombinierten Kontrazeptiva verwendete Östradiol das Thromboserisiko beeinflusst, ist noch etwas unklar. Die hepatische Aktivierung der Gerinnungsparameter ist beim Östradiol auf jeden Fall deutlich niedriger als beim Ethinylöstradiol. Dinger et al. (2016) berichten für Östradiolvalerat-/Dienogest-haltige Kontrazeptiva geringere kardiovaskuläre Risiken gegenüber den Goldstandardpräparat Ethinlyöstradiol/Levonorgestrel. Sicherlich kommt es auch auf die verschiedenen Östrogen-/Gestagenkombinationen an. Gegenüber dem Standard Levonorgestrel zeigten nämlich die Gestagene Gestoden, Desogestrel, Norgestimat, Cypoteronacetat und Drosperinon ein zusätzlich gering erhöhtes Risiko. Die europäische Arzneimittelbehörde (www.ema.europa.eu) schätzt auf der Basis von 2 venösen Thromboembolien pro 10.000 Frauen, die keine orale Kontrazeption durchführen, das Risiko einer VTE auf
  • zusätzliche 3–5 Fälle bei kombinierten Kontrazeptiva, die Levonorgestrel, Norgestimat und Norethisteron enthalten,
  • zusätzliche 4–10 Fälle bei kombinierten Kontrazeptiva, die Etonogestrel und Norelgestromin enthalten,
  • zusätzliche 7–10 Fälle bei kombinierten Kontrazeptiva, die Desogestrel, Gestoden oder Drospirenon enthalten.
Man vermutet, dass die erhöhte Thrombosegefahr bei der Anwendung oraler Kontrazeptiva nicht nur auf eine stärkere Aktivierung des hepatischen Gerinnungssystems (Östrogene und v. a. antiandrogene Gestagene), sondern auch auf eine unspezifische Gefäßentzündung zurückzuführen ist (Cauci et al. 2008).
Bezüglich der neuen Gestagene Dienogest und Nomegestrolacetat liegen noch keine endgültigen Ergebnisse vor. Nomegestrolacetat scheint die Gerinnungsparameter nicht zu beeinflussen (Gaussem et al. 2011).
Die derzeit verfügbaren Daten lassen allerdings noch keine allgemein anerkannten Schlüsse zu, da sie möglicherweise durch einen Kollektiv- bzw. Verschreibungsbias verzerrt sind. Auch der Langzyklus führt nach derzeitiger Datenlage trotz der höheren kumulativen Östrogendosis nicht zu einem erhöhten Thromboserisiko (Wiegratz et al. 2008).
Orale Gestagenmonopräparate erhöhen nach derzeitigem Wissensstand das Thromboserisiko nicht (Mantha et al. 2012). Selbst nach einer Thrombose können orale Gestagenmonopräparate als Form der hormonalen Kontrazeption in Betracht gezogen werden, auch Desogestrel zum Beispiel. Diese Tatsache ist ein weiteres Argument in der Diskussion gegen das erhöhte VTE-Risiko durch Gestagene der 3. Generation (Sitruk-Ware 2016).
Ein weiterer Faktor, der im Zusammenhang mit einer oralen Kontrazeption das VTE-Risiko wesentlich erhöht, ist das Rauchen: Bei bis zu 10 Zigaretten täglich steigt das Risiko auf das 1,3-fache, bei mehr als 20 Zigaretten auf das Doppelte. Auch ein erhöhtes Körpergewicht ist ein unabhängiger Risikofaktor mit einer Verdoppelung des Thromboserisikos bei einem BMI von über 30 kg/m2 (Bergendal et al. 2014).
Rauchen und orale Kontrazeption sind für eine Thromboembolie und kardiovaskuläre Komplikationen die gefährlichste Risikokombination!
Demgegenüber ist die Risikoerhöhung einer VTE bei einer Patientin mit negativer Eigen- bzw. Familienanamnese hinsichtlich thromboembolischer Ereignisse bei der häufigen heterozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation gering (De Stefano et al. 2002; van Vlijmen et al. 2007), und in Einzelfällen kann ein Kombinationspräparat nach ausführlicher Aufklärung und strenger Indikationsstellung erwogen werden (van Vlijmen et al. 2011).
Weitere Einzelheiten zu den Risiken einer VTE und oralen Kontrazeptiva sowie der Bedeutung der verschiedenen Thrombophilien dabei sind in dem WHO-Handbuch und bei de Bastos et al. (2014) sowie Bergendal et al. (2014) nachzulesen.
Bei Patientinnen mit positiver Eigenanamnese eines thromboembolischen Ereignisses sind orale Kombinationspräparate grundsätzlich kontraindiziert.
Hier kann die Gabe eines Gestagenmonopräparates erwogen werden. Es gibt allerdings Situationen – z. B. bei sehr jungen Frauen mit polyfollikulären Ovarien und dem klinischen Bild eines polyzystischen Ovarialsyndroms mit Amenorrhö und Androgenisierung – in denen anders entschieden werden muss. Hier kann nach detaillierter Risikoaufklärung und strenger Indikation ein Kombinationspräparat gewählt werden, welches vorzugsweise eine natürliche Östrogenkomponente enthalten sollte (Gaussem et al. 2011; Raps et al. 2013). Dieses Vorgehen ist bisher durch keine klinisch-epidemiologische Studie abgedeckt und erfordert die enge Zusammenarbeit zwischen gynäkologischen Endokrinologen und Hämostaseologen außerhalb der Empfehlungen der WHO.
Grundsätzlich ist ein labormedizinisches Thrombophilie-Screening aller Frauen vor Erstverordnung einer hormonalen Kontrazeption nicht gerechtfertigt (O’Brien 2014). Entscheidend ist die Eigen- und Familienanamnese (De Stefano et al. 2002).
Myokardinfarktrisiko
Das Risiko eines Myokardinfarkts wird durch die Einnahme oraler Kontrazeptiva erhöht (Baillargeon et al. 2005). Je niedriger die Ethinylöstradiol-Dosis, desto niedriger das Myokardinfarktrisiko. Interessanterweise ist das Risiko für Präparate mit Gestagenen der 3. Generation offenbar geringer. Zusammengefasst ist von einem zweifach erhöhten Risiko für einen Myokardinfarkt unter oralen Kombinationspräparaten auszugehen. Die Absolutzahlen sprechen allerdings für ein insgesamt sehr geringes Risiko. Anders sieht es aus, wenn zusätzliche Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, Übergewicht oder ein Diabetes mellitus hinzukommen.
Schlaganfallrisiko
Hier ist die Situation ähnlich wie beim Myokardinfarkt. Die Zunahme des absoluten Risikos ist gering. Zu beachten ist, dass eine Migräne mit Aura ein isolierter Risikofaktor für einen Schlaganfall unter oralen Kombinationspräparaten ist. Auch für den Schlaganfall gilt, dass die Ethinylöstradioldosis den entscheidenden Einfluss auf das Risiko hat und die Gestagentypen eher eine geringe Rolle spielen.

Medizinische Indikation für eine orale Kontrazeption

Inzwischen konnten viele Studien und Metaanalysen auch einen hohen nichtkontrazeptiven Nutzen oraler Kontrazeptiva zeigen. Die Tab. 4 gibt einen Überblick über wichtige Vorteile bei der Anwendung oraler Kombinationspräparate.
Tab. 4
Nichtkontrazeptiver Nutzen oraler Kombinationspräparate
Indikation
Effekt
Heranwachsende Frauen
Stabile Zyklen bei Regeltempostörungen
PCO-Syndrom
Verbesserung des Glukosestoffwechsels
Regelmäßige Endometriumtransformation antiandrogener Effekt, Ovarschutz (Anderson et al. 2014; Yildiz 2008, 2015)
Verringerung von Dysmenorrhöen, Progressionshemmung bei gestagenbetonten Pillen im Langzyklus (Dienogest und natürliches Östrogen) (Seracchioli et al. 2010)
Verminderung der Hypermenorrhöen, Zyklus, Stabilisierung, Hemmung des Myomwachstums bei gestagenbetonten Pillen im Langzyklus
Androgenisierungserscheinungen
Verbesserung des Hautbildes bei Akne, Verbesserung bei androgenetischem Haarausfall, Verminderung von Hirsutismus, Verminderung der androgenetischen Alopezie
Perimenopause
Zyklusstabilisierung, Zystenprotektion, Verbesserung von Hormonausfallerscheinungen („window of opportunity“), Verminderung des Myomwachstums, Verbesserung Knochengesundheit
Neoplasien
Prämature Ovarialinsuffizienz
Linderung der negativen Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System, Behandlung von Hormonausfallerscheinungen, Verbesserung der Knochengesundheit
PCOS polyzystisches Ovarialsyndrom

Orale Kontrazeptiva als Lifestyle-Medikament

Aus den in Tab. 4 zusammengefassten medizinischen Indikationen für eine orale Kontrazeption ergibt sich ihr Einsatz als Medikament zur Verbesserung des Lifestyles. Dazu gehört in erster Linie der Langzyklus mit mehrmonatigen, blutungsfreien Intervallen und der positive Effekt auf Haut und Haare (sog. „Beautypillen“). Aufgrund der Nebenwirkungen sind orale Kombinationspräparate sicherlich keine harmlosen Lifestyle-Produkte, sondern die Verschreibung gehört in die Hand erfahrener Ärzte, die die Verordnung risikoadaptiert vornehmen. Dann aber kann nach Abwägen des Nutzen-Risiko-Verhältnisses ein orales Kombinationspräparat durchaus rezeptiert werden, wenn keine Verhütungsnotwendigkeit besteht. Die detaillierte Aufklärung muss dokumentiert werden.

Risiko Pille und Alter

Das Alter alleine stellt inzwischen keine Kontraindikation für die Verordnung eines oralen Kombinationspräparates mehr dar. Die WHO stuft ab einem Alter von 40 Jahren kombinierte Pillen nach Stufe 2 ein, bei der der Nutzen im Allgemeinen größer ist als die theoretischen oder nachgewiesenen Risiken. In der Praxis heißt das, dass Nutzen und Risiken noch einmal ausführlich gegeneinander abgewogen werden müssen, da sich mit zunehmendem Alter weitere Faktoren wie Hypertonus oder auch metabolische Störungen abzeichnen können. Sollte dies nicht der Fall sein, ist die Verordnung grundsätzlich bis weit in die 40er-Jahre hinein möglich (Bassuk und Manson 2015).

Risiko Pille und Adipositas

Die Datenlage zur Sicherheit von oralen Kontrazeptiva bei Adipositas ist unklar. Ab einem Body-Mass-Index oberhalb von 35 kg/m2 scheint die Rate ungewollter Schwangerschaften erhöht zu sein. Das gilt offenbar für orale Kontrazeptiva ebenso wie für das Verhütungspflaster und den Verhütungsring. Im Vordergrund stehen bei Adipositas sicherlich die Begleiterkrankungen, die die Verordnung von Kombinationspräparaten einschränken (Hypertonus, Hyperlipidämie oder ein Diabetes mellitus). Hier sollte eine Intrauterinspirale Mittel der Wahl sein.

Risiko Pille und Rauchen

Die Kombination von Pille und Rauchen führt ohne Zweifel zu einer deutlichen Erhöhung des Risikos für thromboembolische Ereignisse. Somit addieren sich zwei Risiken bei der gleichzeitigen Einnahme von Kombinationspräparaten, vor allem wenn mehr als 15 Zigaretten bei Patienten über 35 Jahre geraucht werden. Die WHO stuft die Situation als Gruppe 3 ein, d. h. eine Verschreibung sollte nur in Ausnahmesituationen erfolgen bzw. ist kontraindiziert bei mehr als 15 Zigaretten täglich. Vor allem das Risiko für einen Myokardinfarkt bzw. einen Apoplex ist bei Raucherinnen deutlich erhöht. Auch werden bei Raucherinnen gehäuft Blutungsstörungen unter Pilleneinnahme gefunden, da der hepatische Steroidmetabolismus beschleunigt wird.

Risiko Pille und Operation

Bei einer geplanten Operation sollten orale Kontrazeptiva mindestens 6 Wochen vorher abgesetzt werden; dies sollte vor allem bei Eingriffen mit einem hohen Thromboserisiko (z. B. Endoprothesenoperationen) obligat sein. Bei kleineren operativen Eingriffen bei ansonsten gesunden Patientinnen kann die Antibabypille weitergenommen werden, vorausgesetzt, eine entsprechende Thromboseprophylaxe findet statt. Das gilt auch für den Fall, dass ein Absetzen 6–8 Wochen vor dem Eingriff nicht möglich ist.

Risiko Pille und Diabetes mellitus

Ein Diabetes mellitus ist keine Kontraindikation für das Verschreiben von Kombinationspräparaten, sofern noch keine kardiovaskulären Komplikationen eingetreten sind. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfiehlt die Rezeptierung von Kombinationspräparaten mit möglichst niedriger Ethinylöstradioldosis und einem antiandrogenen Gestagen aufgrund der bei einem Hyperinsulinismus oft auftretenden erhöhten Androgenproduktion im Ovar (PCOS) (Nader und Diamanti-Kandarakis 2007; Yildiz 2015). Sind vaskuläre Folgeerkrankungen oder eine Neuropathie aufgetreten, sollte einer intrauterinen Verhütung der Vorzug gegeben werden.

Risiko Pille und Hypertonie

Ein Bluthochdruck ist ebenfalls eine relative, manchmal auch eine absolute Kontraindikation für das Verschreiben von Kombinationspräparaten. Bei jungen Patientinnen mit einem medikamentös gut eingestellten Bluthochdruck sollten Präparate mit niedriger Ethinylöstradioldosis bevorzugt oder ein Präparat mit einem natürlichen Östrogen ausgewählt werden. Der Blutdruck sollte engmaschig überprüft werden. Kommen, wie es oftmals der Fall ist, weitere Probleme hinzu, ist die Verordnung eines oralen Kontrazeptivums kontraindiziert, da das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse überproportional steigt.

Risiko Pille und Migräne

Die Verordnung eines oralen Kontrazeptivums an junge Frauen mit Migräne ist ein Alltagsproblem. Handelt es sich um zyklusabhängige Kopfschmerzen ohne Aura, können orale Kombinationspräparate, ggf. auch im Langzyklus, oder der Vaginalring die Anfallshäufigkeit sogar deutlich senken. Gestagenmonopräparate sind hier deutlich weniger effektiv. Neu auftretende Kopfschmerzen stellen eine Kontraindikation dar und müssen abgeklärt werden. Bei einer Patientin mit Migräne und Aura sind nach der WHO orale Kontrazeptiva kontraindiziert, da das Apoplexrisiko signifikant erhöht ist.

Pille und Medikamentenwechselwirkungen

Es gibt eine Reihe von Medikamenten, bei denen potenzielle Arzneimittelwechselwirkungen mit den Bestandteilen oraler Kombinationspräparate bekannt sind. Die Liste ist lang. Die Bioverfügbarkeit von Ethinylöstradiol liegt bei etwa 40 %, die der Gestagene bei 60–100 %. Problematisch sind alle Medikamente, die zu einer hepatischen Enzyminduktion (rund 50 % aller Medikamente werden im Cytochrom-P450-Enzymsystem metabolisiert) oder einer Veränderung der enteralen Resorption führen. Dazu gehören in erster Linie die Antiepileptika, Barbiturate, das Gichtmittel Phenylbutazon, Johanniskrautpräparate, Aktivkohle und viele Antibiotika, auch Penicilline. Die Dauer der Therapie ist entscheidend. Hier müssen vor jeder Verordnung weiterer Medikamente entsprechende Datenbanken zu Rate gezogen werden.

Pille und Malignome

Es kann heute als gesichert gelten, dass die Einnahme oraler Kombinationspräparate die Wahrscheinlichkeit von Ovarialkarzinomen bei 10-jähriger Einnahme um etwa 60–80 %, die Wahrscheinlichkeit eines Endometriumkarzinoms um 50–80 % und die Wahrscheinlichkeit eines Kolonkarzinoms um 60 % senkt (Gierisch et al. 2013; Hannaford et al. 2007).
Aufgrund der aktuellen Datenlage muss man allerdings von einem erhöhten Zervixkarzinomrisiko beim Einsatz hormonaler Kontrazeptiva ausgehen. Das Risiko bleibt niedrig, und es werden ursächlich eine höhere Zahl von Sexualpartnern bei Anwenderinnen hormonaler Kontrazeptiva und eine erleichterte Infektion des Zervixepithels für HPV-Viren mit längerer Persistenz der Erreger diskutiert.
Sehr kontrovers wird die Frage nach dem Risiko für ein Mammakarzinom diskutiert. Grundsätzlich erscheint nach der derzeitigen Datenlage ein gering erhöhtes Mammakarzinomrisiko bei langjähriger Einnahme von oralen Kombinationspräparaten nicht ausgeschlossen. Wahrscheinlich ist es absolut gesehen sehr gering (Vessey und Yeates 2013). Der Zustand nach Mammakarzinom ist jedoch eine Kontraindikation für die Verschreibung eines Kombinationspräparates. Eine Hormonspirale nach Mammakarzinom erscheint nach der derzeitigen Datenlage möglich, muss jedoch „off-label“ erfolgen und bleibt letztendlich eine individuelle Entscheidung nach ausführlicher Aufklärung.

Pille und Lebertumoren

Es gibt bisher keine epidemiologischen Daten zur Induktion von Lebertumoren durch hormonelle Kontrazeptiva. Das hepatozelluläre Adenom tritt aber vorwiegend bei Frauen in einem Alter auf, in dem hormonell verhütet wird (15–45 Jahre). Daten bezüglich eines Größenwachstums unter hormoneller Kontrazeption sind widersprüchlich (Kapp und Curtis 2009), weshalb zur Sicherheit eine hormonelle Kontrazeption beendet werden sollte.

Pille und Varizen

Sehr oft werden orale Kontrazeptiva in Zusammenhang mit der Entstehung von Krampfadern gebracht. Die Datenlage dazu ist erstaunlicherweise sehr klein und umfasst keine 100 Zitate in PubMed. Eine finnische Studie 2006 konnte keinen Anhalt für ein erhöhtes Risiko der Entstehung von oberflächlichen Krampfadern durch die Pille erbringen (Jukkola et al. 2006). Eine kleine Übersichtsarbeit 2015 identifizierte zwei Studien, die eine zusätzliche Risikoerhöhung für eine VTE unter oralen Kontrazeptiva bei Patientinnen mit Z. n. einer oberflächlichen Thrombophlebitis ergaben (Tepper et al. 2015). Damit sind symptomlose Varizen je nach Ausprägungsgrad eine relative Kontraindikation, aber der Zustand nach einer Thrombophlebitis eine absolute Kontraindikation für Kombinationspräparate; vor allem dann, wenn ein weiterer Risikofaktor wie Übergewicht oder Nikotinabusus dazukommt.

Verordnung der Pille an junge Mädchen vor Einregulierung eines regelmäßigen Zyklusgeschehens

Die Verordnung eines effektiven Verhütungsmittels bei jungen Heranwachsenden ist ein wichtiges Thema, da eine unbeabsichtigte Schwangerschaft eine Katastrophe darstellen kann. In der Beratung sehr junger Mädchen ist damit die sichere Kontrazeption, aber auch der Schutz vor sexuell übertragenen Erkrankungen sehr wichtig. Darüber hinaus spielen nicht selten Zyklusstörungen eine Rolle, die Ausdruck eines sich anbahnenden PCOS sind (Dinger 2011). Auch verunsichert eine erhebliche Regeltempostörung sowohl die betroffenen Patientinnen wie auch die Eltern. Grundsätzlich spricht nichts gegen die Einnahme eines oralen Kontrazeptivums zur Zyklusregulierung. Nach den bisher vorliegenden Daten wird die spätere Fertilität nicht negativ beeinflusst. Die wesentlichen Bedenken hinsichtlich gesundheitlicher Folgen betreffen die Knochengesundheit. Bereits früh zeigten Studien, dass unter niedrig dosierten Kombinationspräparaten die Knochendichte weniger stark zunahm und die Knochenspitzenmasse bei Pillenanwenderinnen deutlicher niedriger war als bei Patientinnen, die kein orales Kontrazeptivum eingenommen hatten (Cibula et al. 2012). Mit der geringeren Knochenspitzenmasse ist allerdings nach den derzeitigen Daten kein erhöhtes Frakturrisiko verbunden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass auch andere Faktoren, wie z. B. Nikotinabusus oder Ernährung (phosphorsäurehaltige Limonaden), eine bedeutende Rolle für die Knochengesundheit besitzen.
Praxistipp
Es empfiehlt sich bei jungen Mädchen mit noch nicht einreguliertem Zyklusgeschehen die Verordnung von Kombinationspräparaten mit mindestens 30μg Ethinylöstradiol, die eine gute Zyklusstabilität gewährleisten und zudem eine ausreichende Zunahme der Knochenmasse versprechen.
Gegebenenfalls kann an die zusätzliche Verordnung von Kalzium und Vitamin D gedacht werden. Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass Depotgestagene die Knochendichte signifikant reduzieren, diese nach Absetzen der Präparate aber langsam wieder zunimmt. Auch wegen der schlechteren Steuerbarkeit sind Depotgestagene nicht für junge Mädchen geeignet.

Rückkehr der Fertilität nach Absetzen der Pille

Die Fertilität nach Absetzen der hormonellen Kontrazeption ist offenbar nicht eingeschränkt (Wiegratz et al. 2006). Bis sich allerdings ein reguläres Zyklusgeschehen wieder einreguliert, können bis zu 18 Monate vergehen (Abb. 4).
Der Grund dafür liegt in der verlängerten Follikelreifung. In den ersten Zyklen ist diese gehäuft auch mit einer sich daraus ergebenden Corpus-luteum-Insuffizienz kombiniert. Nach den bisher veröffentlichten Daten ist nicht davon auszugehen, dass nach Absetzen oraler Kontrazeptiva das Abortrisiko erhöht ist (Ford und MacCormac 1995). Im Gegenteil: Bei Patientinnen mit einer ausgeprägten Hyper-LH-Ämie könnte das Abortrisiko bei Schwangerschaften unmittelbar nach Absetzen der Pille sogar reduziert sein (Regan et al. 1990).

Stopp der Konzeptionsnotwendigkeit

Etwa ab einem Alter von 40 Jahren nimmt die Aussicht auf eine Spontankonzeption rapide ab (Ludwig et al. 2011). Allerdings sind Spontankonzeptionen auch noch um den 50. Geburtstag beschrieben. Deshalb ist eine Konzeption erst 1 Jahr nach der letzten Periodenblutung, also mit der definitiven Menopause, nahezu vollständig ausgeschlossen. Diese Tatsache hilft in der Beratung betroffener Frauen allerdings wenig. Ein unterhalb der Nachweisgrenze liegendes AMH bedeutet ein Ausklingen der Ovarialfunktion und Eintritt in die Perimenopause in 80 % der Fälle innerhalb der nächsten 3–4 Jahre (van Rooij et al. 2004). Damit ist die Aussagefähigkeit auch dieses Laborparameters eingeschränkt, und es steht keine Laborbestimmung oder Ultraschalluntersuchung zur Verfügung, die das Ende der Verhütungsnotwendigkeit feststellen kann. Absolute Sicherheit für betroffene Patientinnen gibt es nicht. Es hilft die Information, dass etwa ab dem 47. Lebensjahr das Risiko einer unerwünschten Spontankonzeption pro Jahr etwa der Versagerquote der üblichen Verhütungsmittel entspricht. Mit dieser Information mag die betroffene Patientin selbst entscheiden.
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