Prinzipien der Chirurgie
Da die meisten kindlichen Lebertumoren entweder benigne sind und teilweise spontan regredieren oder gut auf Chemotherapie ansprechen, steht vor allem bei Säuglingen, Klein- und Schulkindern eine primäre Resektion nicht zwangsläufig im Vordergrund. Vielmehr sollte Tumormaterial zur Histologie über eine Biopsie entnommen werden, sofern ein Hepatoblastom nicht bereits klinisch diagnostiziert werden kann (s. oben).
Im Rahmen der 2018 angelaufenen globalen Hepatoblastomstudie (
PHITT-Studie) ist die chirurgische Therapieentscheidung klar geregelt und stellt einen eigenständigen Studienabschnitt dar (
PHITT-Studie). Eine initiale Resektion des Lebertumors ist bei Kindern nur dann indiziert, wenn ein Stadium PRETEXT I oder II vorliegt und der Tumor über eine einfache Lobektomie sicher entfernbar ist. Alle anderen Kinder unterziehen sich zunächst einer Biopsie und starten dann, sofern sich die Diagnose eines Hepatoblastoms bestätigt, mit 2 Zyklen Chemotherapie. Nach erneuter Bildgebung erfolgt dann die Resektion, sofern diese als einfache Lobektomie durchzuführen ist und den Tumor sicher entfernen kann. Ist dies nicht möglich, erfolgen 2 weitere Blöcke Chemotherapie, nämlich Blöcke 3 und 4. Während der Gabe der Blöcke 3 und 4 wird das Kind dann zur
Lebertransplantation vorbereitet, um auf diese Notwendigkeit ohne weitere Verzögerung nach Beendigung von Block 4 vorbereitet zu sein. In Einzelfällen kann sich bei Befundverbesserung nach Beendigung von Block 4 anstatt der Lebertransplantation auch für eine komplexe oder erweiterte Resektion entschieden werden, immer unter der Prämisse, dass der Tumor komplett entfernt werden kann. Die Aufarbeitung der entsprechenden Ergebnisse zu diesem Studienabschnitt der PHITT-Studie werden hoffentlich Klarheit dahingehend bringen, welche Patienten eher von einer erweiterten Resektion gegenüber einer Transplantation und umgekehrt profitieren. Zu dieser Fragestellung gibt es bisher nur unzureichende Daten.
Cave: Inkomplette Resektion beim Hepatoblastom und HCC ohne vorherige Chemotherapie führen zu rasch wachsenden Rezidiven und Lungenmetastasen, welche die Prognose deutlich verschlechtern!
Eine Resektion sollte grundsätzlich nur von Chirurgen vorgenommen werden, die Erfahrung mit Lebertumorchirurgie bei Kindern haben und die spezielle postoperative Betreuung dieser Patienten beherrschen. Wir wählen als Zugang eine breite quere Oberbauchlaparotomie, bei Bedarf mit T-förmiger Erweiterung in der Medianlinie bis zum Xyphoid. Die Leber wird komplett mobilisiert und das Ligamentum hepatoduodenale sowie die V. cava unter- und oberhalb der Leber angeschlungen. Nach Absetzen der zugehörigen zu- und abführenden Gefäße erfolgt die Resektion stumpf, mit dem Ultraschallmesser oder Ligasure unter Ligatur aller kreuzenden Gefäße. Wenn der Abstand zum Tumor groß genug ist, kann mit durchgreifenden Matratzennähten eine blutfreie Resektion ermöglicht werden. Wir vermeiden das Ausklemmen der Leber für die Resektion soweit wie möglich, da so die postoperative Funktion schneller regeneriert (Zimmermann et al.
2011).
Anatomische Resektionen wie Segmentresektion, Lobektomie oder erweiterte Lobektomie (Trisegmentresektion) sind unbedingt atypischen („wedge“) Resektionen oder Enukleationen vorzuziehen, da sie weniger Komplikationen nach sich ziehen und in der Regel radikalere Resektionen ermöglichen.
Spezielle Techniken für Tumoren mit Gefäßeinbruch wie Resektion unter Kreislaufarrest mit Herz-Lungen-Maschine oder Ex-situ-Resektionen sind heute nur noch sehr selten indiziert, da die orthotope
Lebertransplantation onkologisch bei derartigen Tumoren meist bessere Langzeitergebnisse erbringt. Eine Analyse von weltweit zusammengetragenen Daten zeigt, dass die Heilungsrate beim
Hepatoblastom mit Lebertransplantation gleich gut ist wie nach konventioneller Resektion kleinerer Tumoren (Meyers et al.
2011). Ähnliches gilt für auf die Leber beschränkte, jedoch nicht resektable HCC. Die Lebertransplantation sollte unbedingt immer als primäre Transplantation und nicht als „Rescue“-Transplantation nach fehlgeschlagener Resektion erfolgen, weil letztere eine erheblich schlechtere Prognose aufweist (Zimmermann et al.
2011). Die Lebertransplantation wird in der Regel bei diesen Kindern über eine Lebendspende z. B. von den Eltern durchgeführt. Aufgrund der Unreife des Immunsystems und der verbesserten Immunsuppression kann bis zum 1. Lebensjahr eine solche Transplantation auch ohne Risiko und im darauffolgenden Lebensjahr mit überschaubarem Risiko entgegen der Blutgruppenkompatibilität durchgeführt werden.
Neben der chirurgischen Versorgung des Primärtumors steht darüber hinaus bei der chirurgischen Behandlung des Hepatoblastoms immer auch die Resektion von ggf. vorhandenen pulmonalen Metastasen. Pulmonale Metastasen, welche nicht auf die neoadjuvante Chemotherapie ansprechen und nicht chirurgisch zugänglich sind, stellen für die
Lebertransplantation eine absolute Kontraindikation dar. Wenn irgend möglich sollten pulmonale Metastasen, welche nach neoadjuvanter Therapie weiter bestehen, chirurgisch saniert werden. Im Fall einer anstehenden Lebertransplantation ist es generell besser, diese Resektion vor der Transplantation durchzuführen. In Einzelfällen kann dies aber auch kurz nach der Transplantation erfolgen, nämlich z. B. dann, wenn kein Lebendspender zur Verfügung steht, aber nach Listung bei abgeschlossener Chemotherapie ein erstklassiges Organangebot vorliegt. Je nach Land und dessen Spenderaufkommen kann es daher in einer solchen Situation manchmal ratsam sein, ausnahmsweise die Transplantation der Resektion der Lungenmetastasen vorzuziehen, da dieses Vorgehen dann unter Umständen die einzige Überlebenschance des Kindes darstellt.
Bestehen nach Abschluss der neoadjuvanten Chemotherapie noch pulmonale Metastasen und es steht eine Resektion des Primärtumors und keine Transplantation an, müssen diese Metastasen unbedingt chirurgisch saniert werden. In unserem Zentrum führen wir diesen Schritt vor Beginn der postoperativen Chemotherapie und ca. 2 Wochen nach der Resektion des Primärtumors durch. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Kinder meist von der Leberresektion gut erholt. Die chirurgische Sanierung kann je nach Befund thorakoskopisch oder offen durch Thorakotomie erfolgen, wobei wir in unserem Zentrum im Zweifelsfall immer eher zur Thorakotomie tendieren. Die Erfahrung zeigt, dass sich durch dieses Vorgehen oft zusätzliche Herde finden, welche bildmorphologisch zunächst nicht ersichtlich waren, welche dann aber bei einem offenen Vorgehen ertastet werden können. Bei beidseitigem Befall operieren wir zunächst die stärker betroffene Seite und am Folgetag die weniger betroffene Seite. Andere Zentren operieren beide Seiten am selben Tag, wobei dies prinzipiell auch über eine Sternotomie möglich ist. Wieder andere Zentren operieren zweizeitig mit mehr Abstand zwischen den jeweiligen Operationen. Evidenzbasierte Richtlinien, welches Vorgehen bezüglich der pulmonalen Metastasen abschließend als am besten angesehen werden kann, gibt es nicht. Die Resektion von pulmonalen Metastasen ist als Fragestellung in der PHITT-Studie nicht vertreten.
Therapie anderer Malignome in der Leber
Viele der sehr seltenen nichtepithelialen Malignome der Leber im Kindesalter zeigen ein Ansprechen auf Chemotherapie. Dennoch sollte eine primäre Resektion angestrebt werden, solange dies radikal und ohne hohes Komplikationsrisiko möglich ist. Im anderen Fall, wie auch postoperativ adjuvant, wird eine Chemotherapie verabreicht. Dabei entspricht die Zytostatikakombination jeweils dem Therapieprotokoll der aktuellen multizentrischen Studie.
Für die
Lebersarkome sind dies die Medikamente Vincristin, Adriamycin, Cyclophosphamid bzw. Ifosfamid und Actinomycin D der Cooperative-Weichteilsarkom-Studie (CWS-Studie) der GPOH, ggf. auch kombiniert mit einer Bestrahlung (Kap. „Weichteiltumoren bei Kindern und Jugendlichen“). Die Rhabdomosarkome wie auch die undifferenzierten Sarkome zeigen ein mäßiges bis gutes Ansprechen auf diese Therapie und werden z. T. resektabel. So kann ein tumorfreies 5-Jahres-Überleben bei undifferenzierten Sarkomen von ca. 50–70 %, beim Rhabdomyosarkom trotz der oft ungünstigen zentralen Lage von >70 % erreicht werden (Meyers et al.
2011).
Angiosarkome und Rhabdoidtumoren sprechen sehr schlecht auf Chemotherapie an und haben meist nur nach einer kompletten Resektion eine Chance auf Heilung.
Die extrem seltenen, malignen
Keimzelltumoren, wie Dottersacktumoren, maligne
Teratome und das Chorionkarzinom beim Neugeborenen, reagieren meist günstig auf Chemotherapie gemäß einem Keimzelltumorprotokoll (MAKEI-GPOH, Kap. „Keimzelltumoren bei Kindern und Jugendlichen“) und lassen sich nach einer weitgehenden
Regression oft komplett resezieren. So ist hier meist, ähnlich wie beim Hepatoblastom, von einer guten Prognose auszugehen.
Therapie der benignen Lebertumoren
Hämangiome der Leber können angesichts ihrer spontanen Regressionstendenz in der Regel expektativ behandelt werden. Derzeit wird kontrovers diskutiert, ob in jedem Fall oder nur bei unklarer klinischer Situation eine histologische Sicherung der Diagnose nötig
ist. Wir sichern die Diagnose mit einer Histologie in unserem Zentrum nur dann, wenn tatsächlich Unklarheit herrscht. Ansonsten erfolgt die Diagnose rein durch die Zusammenschau der klinischen Befunde sowie der Röntgenbilder und später dann dem klinischen Verlauf. Wenn der Tumor nicht reseziert wird, muss er regelmäßig mittels Sonografie, ggf. auch CT oder MRT kontrolliert werden, bis die komplette Resolution gesichert ist. Bei noch relativ leichter klinischer Symptomatik können Propanolol oder auch
Kortikosteroide zur Förderung der
Regression eingesetzt werden, wobei sich Propanolol zuletzt als das deutlich wirksamere Medikament dargestellt hat. Stärkere Medikamente für eine Behandlung sind Interferon-2α oder orale Gabe von Zytostatika, wie Vincristin oder Cyclophosphamid, die jedoch alle erhebliche Nebenwirkungen aufweisen und meist nicht notwendig sind. Sichere positive Erfahrungen mit antiangiogenetischen Substanzen liegen für diese Tumoren bisher nicht vor. Eine allfällige Linksherzinsuffizienz wird symptomatisch, z. B. mit Digitalis und
Diuretika behandelt, bei klinisch relevantem Thrombozytenverbrauch und Koagulopathie sind entsprechende Transfusionen und Substitution von
Gerinnungsfaktoren indiziert.
Bei akuter schwerer Symptomatik kann eine invasive Therapie lebensrettend sein. Interventionell können zuführende arterielle Äste des Hepatica-Kreislaufs embolisiert werden. Wenn dies nicht möglich ist oder nicht gelingt, kann auch eine Operation mit Ligatur des zuführenden A.-hepatica-Asts oder eine Resektion des Tumors indiziert sein. Auch im Hinblick auf diese gelegentlich akuten Gefahren ist die Prognose mit einem Überleben von mindestens 80 % der jungen Säuglinge gut (Meyers et al.
2011).
Beim
mesenchymalen Hamartom ist die Therapie die Wahl die komplette Resektion, da über lange Zeit eine Entartung zu einem Sarkom nicht ausgeschlossen ist (Andrews
2010). Während der ersten Lebensmonate können mesenchymale Hamartome der Leber noch wachsen, bleiben aber dann – wie auch Hamartome in anderen Körperregionen – in der Größe gleichbleibend. Sehr ausgedehnte Leberhamartome können deshalb auch zunächst beobachtet und erst später einer Resektion zugeführt werden, wenn die relative Ausdehnung im Vergleich zur Leber und zum restlichen Abdomen geringer geworden ist (Meyers et al.
2011). Bei der Resektion kann es bei sehr ausgedehnten Hamartomen mit einer starken portalvenösen Blutzufuhr nach Absetzen der Gefäße ganz selten einmal zu einem intestinalen Blutstau mit nachfolgender Toxichemie und Ausbildung eines ARDS kommen.
Eine
fokale noduläre Hyperplasie entartet quasi nie und kann deshalb konservativ angegangen werden, zumal es nach einer Resektion in manchen Fällen zu einer rezidivierenden hepatozytären Hyperplasie kommt. Deshalb sollte die Operation nur bei entsprechenden klinischen Symptomen durchgeführt werden. Anders ist dies beim
Leberadenom, da dieses als ein Vorläufertumor für das HCC gilt. Deshalb ist beim Adenom eine komplette Entfernung anzustreben, soweit dies mit einem vertretbaren chirurgischen Risiko möglich ist (Andrews
2010).