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Klinische Neurologie
Info
Publiziert am: 31.03.2020

Primäre Hirntumoren: Grundlagen

Verfasst von: Martin Glas, Björn Scheffler und Sied Kebir
Primäre intrakranielle Tumoren gehen vom Gehirn, den Hirnhäuten (Meningen) und seinen Anhangsgebilden (Hypophyse, Epiphyse) aus. Sie lösen durch Kompression, Infiltration, Ischämie oder Irritation neurologische Symptome aus. Sekundäre Hirntumoren sind Metastasen eines extrazerebralen Primärtumors, dessen Tochterzellen in der Regel hämatogen ins Gehirn gelangen.
Primäre intrakranielle Tumoren gehen vom Gehirn, den Hirnhäuten (Meningen) und seinen Anhangsgebilden (Hypophyse, Epiphyse) aus. Sie lösen durch Kompression, Infiltration, Ischämie oder Irritation neurologische Symptome aus. Sekundäre Hirntumoren sind Metastasen eines extrazerebralen Primärtumors, dessen Tochterzellen in der Regel hämatogen ins Gehirn gelangen.
Häufigkeit und Vorkommen
Die Inzidenz primärer intrakranieller Tumoren beträgt in den westlichen Industrienationen bei Erwachsenen etwa 20/100.000 Einwohner. Unter ihnen machen die Meningeome und die Gliome (hier insbesondere die Glioblastome) den größten Anteil aus. Es folgen Hypophysenadenome, Tumoren der Hirnnerven und paraspinalen Nerven (z. B. Vestibularis-Schwannom bzw. Akustikusneurinom), primäre ZNS-Lymphome, embryonale Tumoren (z. B. Medulloblastome) und andere. Eine Reihe von ZNS-Tumoren weist eine Altersabhängigkeit auf: Medulloblastome, pilozytische Astrozytome und intrakranielle Ependymome werden gehäuft bei Kindern beobachtet, während Glioblastome und Meningeome Erkrankungen des mittleren und höheren Lebensalters darstellen. Die Zahl intrakranieller Metastasen übersteigt die der primären intrakraniellen Tumoren möglicherweise um ein Vielfaches (Ostrom et al. 2017).
Klassifikation
Die Befundung und Beurteilung der Hirntumoren erfolgt nach der WHO-Klassifikation in ihrer revidierten Fassung von 2016 (Louis et al. 2016) (Tab. 1).
Tab. 1
Ausgewählte ZNS-Tumoren nach der WHO-Klassifikation 2016
 
WHO-Grad
Diffuse astrozytäre und oligodendrogliale Tumoren
 
Diffuses Astrozytom, IDH-mutiert
II
Anaplastisches Astrozytom, IDH-mutiert
III
Glioblastom, IDH-Wildtyp
IV
Glioblastom, IDH-mutiert
IV
Diffuses Mittelliniengliom, H3-K27M-mutiert
IV
Oligodendrogliom, IDH-mutiert und 1p/19q kodeletiert
II
Anaplastisches Oligodendrogliom, IDH-mutiert und 1p/19q kodeletiert
III
Andere astrozytäre Tumoren
 
Pilozytisches Astrozytom
I
Subependymales Riesenzellastrozytom
I
Pleomorphes Xantroastrozytom
II
Anaplastisches pleomorphes Xantroastrozytom
III
Ependymale Tumoren
 
Subependymom
I
Myxopapilläres Ependymom
I
Ependymom
II
Ependymom, RELA-Fusion positiv
II oder III
Anaplastisches Ependymom
III
Andere Gliome
 
Angiozentrisches Gliom
I
Chordoides Gliom des 3. Ventrikels
II
Tumoren des Plexus choroideus
 
Plexuspapillom
I
Atypisches Plexuspapillom
II
Plexuskarzinom
III
Neuronale und gemischt neuronal-gliale Tumoren
 
Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor (DNT)
I
Gangliozytom
I
Gangliogliom
I
Anaplastisches Gangliogliom
III
Dysplastisches Gangliozytom des Kleinhirns (Lhermitte-Duclos)
I
Desmoplastisches infantiles Astrozytom/Gangliogliom
I
Papillärer glioneuronaler Tumor (PGNT)
I
Rosettenbildender glioneuronaler Tumor (RGNT)
I
Zentrales Neurozytom
II
Extraventrikuläres Neurozytom
II
Zerebelläres Liponeurozytom
II
Tumoren der Pinealisregion
 
Pineozytom
I
Pinealisparenchymtumor intermediärer Differenzierung
II oder III
Pineoblastom
IV
Papillärer Tumor der Pinealisregion
II oder III
Embryonale Tumoren
 
Medulloblastom (alle Subtypen)
IV
Embryonaler Tumor mit mehrschichtigen Rosetten (ETMR), mit C19MC-Alteration
IV
Medulloepitheliom
IV
Embryonaler Tumor des ZNS, NOS
IV
Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor des ZNS (ATRT)
IV
Embryonaler Tumor mit rhabdoiden Merkmalen
IV
Tumoren der kranialen und paraspinalen Nerven
 
Schwannom
I
Neurofibrom
I
Perineuriom
I
Maligner peripherer Nervenscheidentumor (MPNST)
II, III oder IV
Tumoren der Meningen
 
Meningeom
I
Atypisches Meningeom
II
Anaplastisches Meningeom
III
Mesenchymale, nichtmeningotheliale Tumoren
 
Solitärer fibröser Tumor/Hämangioperizytom
I, II oder III
Hämangioblastom
I
Tumoren der Sellaregion
 
Kraniopharyngeom
I
Granularzelltumor
I
Pituizytom
I
Spindelzell-Onkozytom (SCO)
I
Die WHO-Klassifikation beruhte bisher überwiegend auf einer morphologischen Einteilung, die histogenetische Prinzipien wie Zelldifferenzierung und vermuteten Zellursprung (z. B. astrozytär, oligodendroglial, meningeal) berücksichtigt und die sich zahlreicher immunhistochemischer Marker zum Nachweis zelltypspezifischer Antigene bedient. Durch Markierung zellzyklusassoziierter Kernantigene kann darüber hinaus die Proliferationsfraktion eines Tumors beurteilt werden. Vereinfacht formuliert werden bei der morphologischen resp. histologischen Beurteilung insbesondere Parameter wie Zelldichte, Mitoseraten, nukleäre Atypien, Nekrosen und Gefäßproliferate beurteilt.
Bei der neuen WHO-Klassifikation finden nun aber molekulare Parameter im Sinne von genetischen Veränderungen eine Berücksichtigung. Es handelt sich daher erstmalig um eine kombinierte histologisch-molekulare Klassifikation. Die Hinzunahme der molekularen Parameter erhöht die diagnostische und prognostische Aussagekraft (Reuss et al. 2015) der Klassifikation. Hier spielen insbesondere der IDH1/2-Mutationsstatus (Isocitratdehydrogenase) und eine Kodeletion des kompletten kurzen Arms des Chromosoms 1 und des kompletten langen Arms des Chromosoms 19 (1p/19q-Co-Deletion) eine entscheidende Rolle.
Die Einteilung der Tumoren nach ihrem Malignitätsgrad in 4 Grade (Grad I entspricht einem differenzierten Tumor mit niedriger Wachstumstendenz, Grad II einem formal bereits bösartigen [niedrig malignen] Tumor, Grad III [anaplastische Tumoren] bereits einem intermediär bis hochmaligen Tumor mit eindeutigen Zeichen von Malignität, wie Anaplasie, Gefäßneubildung, Proliferationsrate >5 %, und Grad IV einem hochmalignen, entdifferenzierten Tumor) erfolgt nach histopathologischen und zytopathologischen Kriterien wie Anaplasiezeichen, Mitoserate, Gefäßproliferationen, Nekrosen u. a. und gestattet eine gewisse Vorhersage des biologischen Verhaltens. Die Gradierung war bisher für die Prognoseabschätzung und für die Therapieplanung von elementarer Bedeutung, rückt aber seit der neuen WHO-Klassifikation etwas mehr in den Hintergrund, da vermehrt molekulare Parameter über Prognose und Therapie entscheiden.
In die prognostische Bewertung der Hirntumorerkrankung müssen neben dem histopathologischen Malignitätsgrad und den molekularen Markern jedoch auch der klinische Allgemeinzustand (quantifiziert mittels des Karnofsky-Index), das Lebensalter des Patienten, die Dauer der Krankheitssymptome, der Tumorlokalisation und radiologische Parameter eingehen.
So kann ein hochdifferenzierter, „benigner“ Tumor dadurch einen malignen Verlauf bedingen, wenn die Lokalisation eine operative Entfernung nicht erlaubt.
Pathogenese
Die Entstehungsmechanismen, die der Entwicklung von Gehirntumoren zugrunde liegen, sind mit wenigen Ausnahmen ungeklärt. Ein statistisch signifikanter Zusammenhang von kraniellen Bestrahlungen im Kindesalter mit dem Auftreten bestimmter Gehirntumoren nach mehrjähriger Latenz ist zwar gesichert, darüber hinaus gibt es jedoch keine wissenschaftlich belegten Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von hirneigenen Tumoren und stattgehabten Schädel-Hirn-Traumata, Infektionserkrankungen, der Benutzung von mobilen Telefonen oder der Exposition mit biologischen und chemischen Noxen (DeAngelis 2001). Die überwiegende Mehrheit der Gehirntumoren tritt sporadisch auf. Verwandte ersten Grades von Patienten mit Gliomen haben möglicherweise ein zweifach erhöhtes Risiko für Hirntumoren, insbesondere wenn der betroffene Familienangehörige im jungen Alter erkrankt ist (Goodenberger und Jenkins 2012). Es gibt seltene familiäre Tumorsyndrome (<5 %), in deren Verlauf auch Gehirntumoren gehäuft auftreten, so z. B. bei
Wenngleich die Ursache oder besser die multikausalen Entstehungsbedingungen von Gehirntumoren nicht bekannt sind, ist die Molekularpathogenese dieser Tumoren umfangreich untersucht.
In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl von chromosomalen, genetischen und epigenetischen Defekten identifiziert, die an der Entstehung und malignen Progression von Tumoren des Nervensystems beteiligt sind. Aufbauend auf diesen Befunden konnten erste Modelle zur molekularen Pathogenese der astrozytären und oligodendroglialen Tumoren, der Medulloblastome und der Meningeome abgeleitet werden. Aus der Vielzahl der in diesen Tumoren nachgewiesenen molekularen Veränderungen haben sich inzwischen drei Parameter von klinischer Bedeutung herauskristallisiert. Dies sind der Promotor-Methylierungsstatus des MGMT-Gens insbesondere in Glioblastomen, Deletionen auf dem kurzen Arm von Chromosom 1 (1p) und dem langen Arm von Chromosom 19 (19q) in oligodendroglialen Tumoren und Mutationen im IDH1- oder IDH2-Gen.
MGMT-Promotormethylierung in Glioblastomen
Gegenwärtiger Therapiestandard beim Glioblastom ist die kombinierte Behandlung aus Operation, lokaler Strahlentherapie und systemischer Chemotherapie mit der als DNA-Alkylans wirkenden Substanz Temozolomid. Die Überlebenszeit so behandelter Glioblastom-Patienten ist signifikant besser, wenn in den Tumorzellen das Gen für das DNA-Reparaturprotein O6-Methylguanin-Methyltransferase (MGMT) durch eine DNA-Methylierung in seiner Promotorsequenz inaktiviert ist (Hegi et al. 2005). Dies ist bei ca. 35–45 % der primären Glioblastome der Fall (Hegi et al. 2005). Die MGMT-Promotormethylierung führt dazu, dass in den Tumorzellen keine MGMT-mRNA und konsekutiv auch kein Protein mehr gebildet werden. MGMT kann die Wirkung von alkylierenden Chemotherapeutika, darunter auch Temozolomid, durch Reparatur der therapeutisch induzierten DNA-Alkylierung verhindern, d. h. es wirkt als zellulärer Chemotherapieresistenzfaktor. Glioblastomzellen mit einer MGMT-Promotormethylierung können chemotherapieinduzierte DNA-Schäden nicht mehr effektiv reparieren und sprechen deshalb besser auf die Therapie an. Der MGMT-Promotorstatus stellt somit einen prädiktiven molekularen Marker für das Ansprechen auf eine alkylierende Chemotherapie dar. Interessanterweise ist der MGMT-Promotormethylierungsstatus nicht nur prädiktiv, sondern auch prognostisch relevant. Patienten mit einem methyliertem MGMT-Promotor haben eine bessere Prognose. Mit gewissen Einschränkungen gelten diese Beobachtungen auch bei astrozytären Grad II und III Tumoren, insbesondere dann, wenn keine IDH Mutation nachgewiesen wurde.
Deletionen der Chromosomenabschnitte 1p und 19q
Molekulargenetisch unterscheiden sich oligodendrogliale Tumoren von den Astrozytomen durch das Vorkommen von Deletionen auf den Chromosomenarmen 1p und 19q (Reifenberger und Louis 2003; Louis et al. 2016; Weller et al. 2017). Diese Deletionen treten zumeist gemeinsam als Folge einer unbalancierten Translokation zwischen den beiden Chromosomen auf (Jenkins et al. 2006) und finden sich in etwa 30 % der Gliome mit WHO-Grad II–III (Cancer Genome Atlas Research et al. 2015). Klinisch bedeutsam ist der inzwischen in zwei großen prospektiven Therapiestudien der Phase III bestätigte Befund, dass 1p/19q-Deletionen bei Patienten mit anaplastischen oligodendroglialen Tumoren hochsignifikant mit einer günstigeren Prognose assoziiert sind (Cairncross et al. 2013; van den Bent et al. 2013). Diese genetische Veränderung stellt somit einen unabhängigen prognostischen Marker dar. Für eine Verwendung als prädiktiver Marker zur Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Form der adjuvanten Therapie (z. B. Radiotherapie vs. Radiotherapie + Chemotherapie) bei Patienten mit anaplastischen Gliomen scheint dieser molekulare Parameter darüber hinaus ebenfalls geeignet zu sein. Patienten mit einem anaplastischen Gliom (WHO Grad III) sowie möglicherweise auch Patienten mit einem diffusen Gliom (WHO Grad II) und einer 1p/19q-Kodeletion, also einem Oligodendrogliom oder einem anaplastischen Oligodendrogliom, profitieren durch die Hinzunahme einer Chemotherapie nach dem PCV-Schema zur Strahlentherapie mit deutlich längeren Überlebenszeiten (Cairncross et al. 2013; van den Bent et al. 2013; Buckner et al. 2016). Methodisch erfolgt der Nachweis der 1p/19q-Deletionen entweder am Schnittpräparat mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) oder über eine auf Polymerase-Kettenreaktion (PCR) basierenden Analyse von Mikrosatellitenpolymorphismen. Letztere Methode bedarf zusätzlich zum Tumorgewebe einer Blutprobe (5 ml EDTA-Blut) des Patienten zur Extraktion von Referenz-DNA.
Mutationen im IDH1- oder IDH2-Gen
Die Isocitrat-Dehydrogenase (IDH) ist ein Katalysator der oxidativen Decarboxylierung von Isocitrat zu α-Ketoglutarat (α-KG). Insgesamt sind 5 Gene bekannt, die für IDH kodieren. Das IDH1-Gen kodiert für eine im Zytosol vorkommende Variante, die für die Bereitstellung von NADPH (reduziertes Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid-Phosphat) u. a. für die Lipidsynthese wichtig ist. Das IDH2-Gen kodiert für eine im Mitochondrium vorkommende IDH-Form.
Bei mutiertem IDH geht man davon aus, dass in Gliomzellen α-KG in 2-Hydroxygltarat (2-HG) umgewandelt wird. 2-HG wirkt als Onkometabolit und kann eine genomweite Histon- und DNS-Methylierung in Gang setzen (Noushmehr et al. 2010). Des Weiteren soll 2-HG indirekt über HIF (Hypoxia-inducible factor) eine Proliferation von Astrozyten bewirken. Punktmutationen im IDH1-Gen oder seltener im IDH2-Gen finden sich in der Mehrheit (ca. 80 %) der diffusen astrozytären und oligodendroglialen Tumoren sowie der sekundären Glioblastome. In primären Glioblastomen sind diese Mutationen sehr selten (ca. 5–10 %) (Hartmann et al. 2009; Yan et al. 2009). Patienten mit einem IDH mutiertem Gliom haben eine bessere Prognose als Patienten ohne Mutation und möglicherweise profitieren überwiegend diese Patienten von einer kombinierten Radiochemotherapie im Vergleich zur reinen Strahlentherapie. Die Bestimmung des IDH1/2-Mutationsstatus erfolgt mittels direkter Sequenzierung oder mittels Immunhistochemie durch Einsatz mutationsspezifischer Antikörper.
Klinik
Kopfschmerzen sind das häufigste Symptom bei intrakraniellen Tumoren. Weitere Symptome einer intrakraniellen Druckerhöhung sind Nausea, Nüchternerbrechen und Visusminderung als Folge einer Papillenschwellung. Abhängig von der Lokalisation, von der Histologie, von der Wachstumsgeschwindigkeit und von der Ausbildung eines peritumoralen Ödems können Gehirntumoren initial durch neurologische fokale Zeichen symptomatisch werden: Neurologische fokale Symptome werden verursacht durch die Infiltration neuronaler Strukturen, durch deren unmittelbare Kompression und Druckschädigung oder durch eine Ischämie als Folge einer Kompression der das Parenchym versorgenden Blutgefäße. Fokale oder fokal beginnende, sekundär generalisierte epileptische Anfälle treten bei 30–70 % aller Patienten mit Gehirntumoren auf (Vecht und van Bremen 2006). Uncharakteristisch anmutende Symptome wie vermehrte Reizbarkeit, erhöhte Erschöpfbarkeit, Schlafbedürfnis und Persönlichkeitsänderung können ohne nachweisbare neurologische fokale Symptome auf eine Gehirntumorerkrankung hindeuten. Mitunter führen typische psychische Störungen, die häufig eher den Angehörigen als den Betroffenen selbst auffallen, zum Arztbesuch. Im Gefolge einer Gehirntumorerkrankung auftretende endokrine Störungen und Gerinnungsstörungen bedürfen oftmals der gezielten Therapie. Charakteristische hormonelle Funktionsstörungen und Gesichtsfeldstörungen im Rahmen von Tumoren der Sellaregion werden im Kap. „Tumoren der Sellaregion“. besprochen.
Diagnostik
Bildgebung
Die bildgebende Diagnostik zerebraler Raumforderungen ist die Domäne der Magnetresonanztomografie (MRT) und Computertomografie (CT), digitaler Schichtbildverfahren mit der Möglichkeit dreidimensionaler Rekonstruktionen. Moderne Bildverarbeitungstechniken ermöglichen die Fusion von morphologischen Daten aus CT- und MRT-Untersuchungen mit funktionellen Darstellungen wie dem funktionellen MRT (fMRT), der Single-Photon-Emissionscomputertomografie (SPECT) und der Positronenemissionstomografie (PET) (s .unten).
Computertomografie (CT)
Die CT-Bildgebung ermöglicht eine Bilddarstellung von knöchernen Schädelstrukturen sowie von Gehirn und Ventrikelsystem. Ihr Vorteil ist ihre leichte Verfügbarkeit und der unproblematische Einsatz bei Patienten mit Metallimplantaten und beim anästhesiologischen Monitoring. Vor allem bei akuten Krankheitsbildern ist sie das primäre diagnostische Verfahren und gibt Hinweise auf das Ausmaß einer Massenverschiebung, des Begleitödems und der Auswirkung auf die Liquorpassage.
Magnetresonanztomografie (MRT)
Die MRT ist grundsätzlich sensitiver in der Detektion pathologischer Veränderungen im Gehirn und deshalb bei der präoperativen Planung unverzichtbar. Durch Wahl verschiedener Untersuchungsparameter und Bildgenerierungstechniken ist eine differenzierte Beurteilung verschiedener biologischer Gewebe möglich. Wie in der CT sind Blut-Hirn-Schrankenstörungen durch die Verwendung von Kontrastmittel erfassbar. Der Vorteil der MRT liegt darin, dass die Schichtführung beliebig veränderbar und eine hohe Auflösung auch kleinster anatomischer Strukturen, z. B. von Hirnnerven, möglich ist. Funktionelle MR-Tomografie und Diffusions-Tensor-Bildgebung („diffusion tensor imaging“, DTI) sind spezialisierte Untersuchungsmethoden, die eine Lokalisationsdiagnostik von „eloquenten“ Hirnregionen bzw. von Bahnsystemen in anatomischer Beziehung zu Gehirntumoren erlauben. Mit der funktionellen MRT (fMRT) wird die lokale Änderung der Hirndurchblutung nach gezielter Stimulation (z. B. motorisch, sensorisch, visuell) gemessen und zur Lokalisation der getesteten Funktion verwendet. Vor einer Operation in eloquenten Hirnarealen werden die an einer entsprechenden Hirnfunktion beteiligten Hirnregionen mittels entsprechender Paradigmen dargestellt. Idealerweise erfolgt die Koregistrierung mit einem T1-gewichteten isotropen Datensatz, der Basis für eine Operation mithilfe eines Navigationssystems ist. Die DTI macht sich die Tatsache eines leichteren Protonenstroms entlang anatomischer Bahnen zunutze und erlaubt deshalb die Darstellung von Bahnsystemen und deren Nachbarschaftsbeziehung zu Tumoren. Mithilfe der MR-Spektroskopie kann der Metabolismus eines Hirnvolumenelements (Voxel) untersucht werden. Gliome und andere intraaxiale Hirntumoren haben typischerweise einen erhöhten Cholin- und einen erniedrigten N-Acetylaspartat(NAA)-Peak. Cholin ist ein Zellmembranbestandteil. Die Höhe des Cholin-Peaks gibt Hinweise auf die Proliferationsaktivität und den Entdifferenzierungsgrad. Mithilfe der spektroskopischen Bildgebung kann u. a. eine Biopsie geplant werden. Eine weitere klinische Anwendung für Einzelvolumenspektroskopie und spektroskopische Bildgebung ist die Unterscheidung zwischen Tumorrezidiv und Therapiefolgen (Strahlentherapie, Chemotherapie). Auch hier weist eine Cholin-Erhöhung auf ein Tumorrezidiv hin. Eine Unterscheidung zwischen Tumorrezidiv und Strahlennekrose über sog. Nekrosemarker (Laktat, Lipide) hingegen ist schwierig, da Laktat und Lipide unter beiden Bedingungen erhöht sein können.
Bei V. a. Gliom im CT sind mindestens folgende MRT-Sequenzen erforderlich: T1 nativ und nach Kontrastmittel, T2/FLAIR („fluid-attenuated inversion recocery“), Schichtdicke ≤5 mm, mehrere Schichtebenen.
Nuklearmedizinische Methoden
Die Positronenemissionstomografie (PET) verwendet radioaktive Isotope von Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Fluor, die nach intravenöser Gabe in den Hirnmetabolismus eingeschleust werden, bzw. von radioaktiv markierten Aminosäuren (11C-Methionin, 18F-Tyrosin), die in proliferierende Gewebe aufgenommen werden. In den letzten Jahren hat sich überwiegend der Einsatz von Aminosäuren, insbesondere dem 18F-Tyrosin durchgesetzt. PET-Scanner sind sehr kostenintensiv und nur an wenigen Zentren verfügbar. Diese nuklearmedizinischen Methoden werden zur Identifizierung und Darstellung hypermetaboler Tumorregionen eingesetzt und sind daher u. U. hilfreich bei der Differenzierung von Narbengewebe, Strahlennekrose und zur Differenzierung eines sog. Pseudoprogresses von einem tatsächlichen Tumorprogress/-rezidiv. Die mit der 11C-Methionin-PET oder mit 18F-Tyrosin-PET (FET-PET) nachweisbare Region pathologischer Tracer-Aufnahme muss nicht zwangsläufig mit dem MRT-Bild deckungsgleich sein. Die PET-Untersuchung kann dazu beitragen, einen anaplastischen Fokus, z. B. bei V. a. ein niedriggradiges Gliom bei einer im MRT nicht kontrastmittelaufnehmenden Läsion, zu identifizieren und eine noch gezieltere Biopsie zu ermöglichen. Sie liefert somit zusätzliche Informationen zu CT und MRT.
Stereotaktische Biopsie
Bei infiltrativen, nicht resezierbaren Hirntumoren kann eine Gewebeentnahme mittels stereotaktischer Biopsie erfolgen. Konventionelle Rahmensysteme wurden im letzten Jahrzehnt durch rahmenlose Navigationssysteme ergänzt. Durch die interaktive Korrelation von Bilddaten mit dem Operationssitus hat sich vor allem in der Gliom- und Metastasenchirurgie die Zugangsplanung der mikrochirurgischen Operationsverfahren verbessert. Gemeinsam ist allen stereotaktischen Techniken die Möglichkeit, die räumliche Beziehung zwischen einem Instrument und einer beliebigen Struktur im Gehirn exakt zu berechnen und darzustellen. Da die Genauigkeit im Bereich von 1 mm liegt, sind auch kleinste Läsionen angehbar. Mithilfe kleiner Biopsiezangen oder spezieller Aspirationsnadeln lässt sich aus einem oder (bei Tumoren in der Regel) mehreren Zielpunkten Gewebe zur Histologie entnehmen. Der Vorteil der stereotaktischen Biopsie liegt darin, dass prinzipiell jede Region mit dem minimalen Eingriff einer kleinen Bohrlochtrepanation erreichbar ist. Besonders geeignet sind nicht resezierbare intraaxiale Tumoren, während Zugänge zu Läsionen nahe oder im Subarachnoidalraum wie z. B. suprasellär oder im Kleinhirnbrückenwinkel wegen der fehlenden Möglichkeit einer adäquaten Blutstillung riskant sind. Hier ist der offenen mikrochirurgischen Biopsie der Vorrang zu geben.
Andere diagnostische Maßnahmen
Für Medulloblastome, andere primitive neuroektodermale Tumoren (PNET) und Ependymome gehört die Liquordiagnostik mit zytomorphologischem Nachweis von Tumorzellen zum Staging. Bei der Meningeosis neoplastica ist sie die wesentliche Untersuchungsmethode, wobei der Nachweis von Tumorzellen bei der ersten Punktion in lediglich 30–50 % der Fälle gelingt, mit Wiederholungspunktionen dann jedoch bei 80–90 %. Wesentlich ist, dass der Liquor bei einer Meningeosis neoplastica nur in 2 % der Fälle für alle Parameter (Zellzahl, Gesamteiweiß, Laktat, Xanthochromie etc.) unauffällig ist. Andere diagnostische Methoden sind von untergeordneter Bedeutung.
Therapie: Allgemeine therapeutische Maßnahmen
Hirndruck
Die meisten Patienten mit chronischem Hirndruck haben unspezifische Kopfschmerzen, gelegentlich wegen eines Tonsillentiefstands Nacken- oder Hinterhauptschmerzen, Druckgefühl auf den Ohren, Übelkeit, schwallartiges, häufig morgendliches Erbrechen und bei länger bestehendem Hirndruck eine Stauungspapille. Bei akutem Hirndruck finden sich die bereits genannten Symptome und zusätzlich eine Beeinträchtigung des Bewusstseins, eine Kompression des N. oculomotorius, schließlich Koma, Pupillenerweiterung, Beuge- und Strecksynergismen. Wenn ein Patient mit gesteigertem Hirndruck einen epileptischen Anfall erleidet, kann durch die Hypoxie, durch den postiktalen pH-Abfall und die konsekutive Hirnschwellung eine akute Einklemmung eintreten. Wenn klinisch der Verdacht auf eine Hirndruckerhöhung besteht, muss unverzüglich eine Bildgebung angefertigt werden. Eine Lumbalpunktion verbietet sich bei klinischen Hirndruckzeichen. Die medikamentöse Therapie einer Hirndrucksteigerung richtet sich nach den zugrunde liegenden Mechanismen und deren relativen Bedeutung für das Gesamtgeschehen.
Medikamentöse Therapie der Hirndrucksteigerung
  • Bei einer Hirndrucksteigerung durch Tumor mit Ödem oder Liquorpassagebehinderung wird zunächst eine Dexamethasonbehandlung begonnen (Bei ausgeprägter Symptomatik z.B. Bolus 40 mg i.v., dann z. B. 1-mal 8 mg p.o. einmal täglich, da wahrscheinlich höhere Dosierungen oder die Verteilung auf mehrere tägliche Gaben die Wirksamkeit nicht steigern; bei milderer Symptomatik kann ggf. auf die i.v. Gabe verzichtet werden).
  • Unter Umständen kann es bei einem massiven Ödem notwendig sein, mit intravenöser Gabe von Mannitol 20 %, 3-mal 125 ml pro Tag, zu entwässern. Die Diurese kann durch Furosemid gesteigert werden.
  • Bei diesen Maßnahmen sind die Elektrolyte engmaschig zu überwachen.
Sind die Patienten schon stark bewusstseinsgetrübt, kann eine Intubation mit Hyperventilation und Barbituratnarkose notwendig sein, wobei dann eine entlastende operative Maßnahme unverzüglich erfolgen muss. Bei behandelbaren Tumoren sollte nach der medikamentösen Stabilisierung möglichst rasch eine Operation erfolgen. In ausweglosen therapeutischen Situationen ist es gerechtfertigt, auf hirndrucksenkende Maßnahmen zu verzichten.
Epileptische Anfälle
Zerebrale Anfälle sind bei bis zu 60 % der Patienten mit primären Gehirntumoren das Erstsymptom der Erkrankung, im Verlauf treten bei weiteren 10–20 % Anfälle auf (Vecht und van Bremen 2006). Bestimmte Tumorhistologien sind häufiger mit Anfällen assoziiert als andere; sie betreffen mindestens 75 % der Patienten mit Oligodendrogliomen und Gangliogliomen, 60–70 % mit differenzierten Astrozytomen, etwa 50 % mit malignen Gliomen, 15–20 % mit zerebralen Metastasen und 15 % mit primären ZNS-Lymphomen. Innerhalb der Gruppe der Gliome ist das Risiko für einen epileptischen Anfall bei niedriggradigen Gliomen (WHO I/II) höher (ca. 85 %) als bei Glioblastomen (ca. 50 %). Bestimmte Tumorlokalisationen sind mit einer erhöhten Anfallsbereitschaft assoziiert: In absteigender Häufigkeit sind dies der Temporallappen, der Frontal- und Parietallappen und danach andere Hirnregionen. Insbesondere temporomesiale Tumorlokalisationen sind mit einer hohen Anfallsbereitschaft assoziiert. Kortexnahe Läsionen führen viel häufiger als Tumoren im Marklager zu zerebralen Anfällen. Die Zunahme eines peritumoralen Ödems unter Bestrahlung, die Gabe bestimmter Medikamente, z. B. unter den Zytostatika Methotrexat, unter den Antibiotika Gyrasehemmer und des Weiteren Neuroleptika, Zytokine und Narkotika sowie metabolische Entgleisungen und Elektrolytstörungen können die Anfallsschwelle senken.
Bei einem erstmalig auftretenden epileptischen Anfall im Erwachsenenalter gilt eine intrakranielle Raumforderung so lange als mögliche Ursache des epileptischen Anfalls, bis das Gegenteil bewiesen ist. Dies impliziert die Durchführung eines zerebralen MRT bei erstmaligem epileptischem Anfall im Erwachsenenalter.
Die epileptischen Anfälle als Symptome einer zerebralen Tumorerkrankung sind fokale Anfälle; sie können als einfach-fokale, als komplex-fokale Anfälle oder als fokal beginnende, sekundär generalisierte Grands Maux auftreten. Die operative Resektion eines Gehirntumors allein kann die Anfallsituation eines betroffenen Patienten erheblich verbessern (Vecht et al 2006). Allerdings muss der Anfallsfokus nicht exakt mit der Tumorlokalisation übereinstimmen. Bei einem malignen und damit nicht kurablen Hirntumor oder bei lediglich Teilresektion eines gutartigen Tumors ist bei Nachweis eines epileptischen Anfalls von einer strukturell bedingten Epilepsie auszugehen. In dieser Konstellation ist eine dauerhafte antiepileptische Therapie empfehlenswert. Eine Sondersituation besteht bei perioperativen oder frühen postoperativen Anfällen oder bei klaren akut symptomatischen Anfällen (z. B. bei einer Elektrolytentgleisung). Hier muss individuell entschieden werden.
Die pragmatische pharmakologische Therapie neu aufgetretener epileptischer Anfälle bei Gehirntumoren muss zwischen der Akuttherapie des Status epilepticus (Kap. „Status epilepticus“) oder einer Anfallserie sowie einer medikamentösen sekundär-prophylaktischen Anfallsbehandlung unterscheiden. Für eine medikamentösen primäre Anfallprophylaxe (ohne dass ein Anfall aufgetreten ist) besteht bei Hirntumoren keine Indikation, obwohl hier das Risiko eines Anfalls erhöht ist. Die Wirksamkeit einer Prophylaxe konnte jedoch in Studien nie belegt werden. Zur medikamentösen Anfallsbehandlung werden bei neuroonkologischen Patienten wegen der fehlenden Interaktionen mit Zytostatika vom Verfasser sog. nichtenzyminduzierende Antiepileptika bevorzugt.
Medikamentöse Therapie epileptischer Anfälle bei Hirntumoren
  • Insbesondere auch wegen des raschen Wirkungseintritts, der schnellen Aufdosierbarkeit und der Möglichkeit einer oralen, aber auch intravenösen Applikation ist hier Levetiracetam Mittel der Wahl.
  • Zieldosis sind in der Regel 2-mal 1000 mg. Je nach Wirksamkeit und Verträglichkeit werden hier ggf. aber auch Dosierungen von 2-mal 750 mg bis 2-mal 1500 mg eingesetzt. Bei niereninsuffizienten und älteren Patienten ist die Dosis ggf. anzupassen.
  • Levetiracetam führt gerade in der Anfangsphase häufig zu Müdigkeit und bei älteren Patienten möglicherweise gehäuft zu Aggressionen und einer gesteigerten Reizbarkeit.
  • Mittel der zweiten Wahl, von einigen Kollegen auch als Mittel der ersten Wahl eingesetzt, ist Lacosamid. Weitere nichtenzyminduzierende Antiepileptika sind: z. B. Lacosamid, Lamotrigin und Zonisamid.
  • Eine preiswerte und wirksame Alternative ist Valproat, das bei unzureichender Wirksamkeit mit den o. g. Substanzen kombiniert werden kann. Valproat ist ein enzyminhibierendes Antiepileptikum. Insbesondere bei gleichzeitiger Gabe mit Lamotrigin muss dies bei der Aufdosierung von Lamotrigin berücksichtigt werden.
Psychische Störungen
Bei Patienten mit Hirntumoren finden sich Anpassungsstörungen mit Angst, depressiven Reaktionen, Trauer und Verzweiflung, wie sie von anderen onkologischen Patienten bekannt sind. Zusätzlich fürchten Patienten mit Hirntumoren, dass ihre Erkrankung und deren Behandlung zu schwerwiegenden neurologischen und psychischen Behinderungen mit Verlust ihrer persönlichen Integrität und Unabhängigkeit sowie zu sozialer Isolation führt. Eine psychoonkologische Beratung und ggf. Betreuung dieser Patienten ist daher von großer Wichtigkeit. Psychotherapeutische Hilfen und psychopharmakologische Ansätze zur Bewältigung sind jedoch dadurch eingeschränkt, dass die Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko für organisch bedingte psychische Störungen durch die direkte Beteiligung des ZNS aufweisen.
Dass psychiatrische Störungen bei Hirntumoren auftreten, ist zum einen durch die direkten Effekte des Tumors oder dessen Behandlung mit Auswirkungen auf das Gehirn zu erklären. Es kann zu Störungen von Bewusstsein, Kognition, Affekt, Psychomotorik und Persönlichkeit als Ausdruck einer organischen Hirnschädigung kommen. Zusätzlich entstehen ausgeprägte, reaktiv bedingte psychiatrische Störungen, bei denen es sich meist um affektive Störungen und Angsterkrankungen handelt. Im Einzelfall ist daher immer zu prüfen, ob es sich um eine eher organische oder reaktive Störung oder um eine Kombination von beidem bei dem betroffenen Patienten handelt, um dies bei der Therapie der psychischen Störungen zu berücksichtigen. In den folgenden Therapieempfehlungen sind Indikationen, Substanzen und Dosierungen einer psychopharmakologischen Therapie bei Gehirntumoren zusammengestellt. Dabei werden folgende Anforderungen an ein Psychopharmakon gestellt: Es soll die Anfallsschwelle nicht senken (oft muss dies allerdings in Kauf genommen werden), es soll keine zusätzlichen kognitiven Beeinträchtigungen verursachen, das Nebenwirkungsprofil muss aus neuroonkologischer Sicht günstig sein (z. B. keine Leukopenie), es soll rasch aufdosierbar sein, idealerweise in einer i.v.-Applikationsform zur Verfügung stehen und preiswert sein. Es ist offensichtlich, dass auch die unten aufgeführten Medikamente nicht all diesen Anforderungen genügen.
Medikamentöse Therapie psychischer Störungen
  • Akuter Erregungszustand
    • ohne psychotische Symptome:
      • Lorazepam 0,5–1 mg i.v./i.m. oder 1–2,5 mg s.l., ggf. Wiederholung alle 60 min, Höchstdosis 7,5 mg/24 h (stationär) oder
      • Diazepam 5–20 mg langsam, fraktioniert i.v. oder i.m., Höchstdosis 60 mg/24 h
    • mit psychotischen Symptomen:
      • Haloperidol i.m. 2–10 mg 1- bis 2-mal/Tag
      • + Lorazepam 0,5–1 mg i.v./i.m. oder 1–2,5 mg s.l., ggf. Wiederholung alle 60 min, Höchstdosis 7,5 mg/24 h oder
      • + Diazepam 5–20 mg langsam, fraktioniert i.v. oder i.m., Höchstdosis 60 mg/24 h
  • Psychomotorische Unruhe
    • mit produktiv psychotischen Phänomenen:
      Indikation für atypische Neuroleptika
      • Risperidon 1–2 mg/Tag p.o., verteilt auf zwei Einzeldosen (ED), höheres Lebensalter initial 0,25–0,5 mg, Höchstdosis 12 mg/24 h oder
      • Olanzapin 10–20 mg/Tag p.o. (Schmelztabletten), Anfangsdosis 10 mg, vorzugsweise zur Nacht, höheres Lebensalter initial 2,5–5 mg, Höchstdosis 20 mg/24 h oder
      • Quetiapin 50–400 mg/Tag p.o. (unretardiert), verteilt auf zwei ED, initial 25–50 mg, Steigerung in 50(−100) mg-Schritten (Cave: bei Kombination mit Lamotrigin im Mittel 50–60 % niedrigere Quetiapin-Plasmaspiegel)
      • Die sedierende Wirkung ist u. U. erwünscht!
    • ohne produktiv psychotische Phänomene
      • Lorazepam 2–4 mg/Tag p.o., verteilt auf 3–4 ED, initial (0,5)–1 mg p.o./s.l. oder
      • Diazepam 20(–40) mg/Tag p.o., verteilt auf 3–4 ED, initial 5–10 mg p.o. (Cave: Kumulationsgefahr durch aktive Metabolite. Lorazepam zu bevorzugen)
  • Depressive Zustände
    • ängstlich agitiert:
      • Mirtazapin 15–45 mg/Tag, abendliche Gabe
        (sedierende Komponente, Schlafinduktion ohne antidepressive Komponente 7,5–15 mg abends)
    • antriebsgemindert (nicht suizidal!):
      • Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI):
        morgendliche Gabe, ggf. wöchentliche Steigerung
        • Escitalopram 10–20 mg/Tag, initial 5–10 mg oder
        • Citalopram 20–40 mg/Tag initial10–20 mg oder
        • Sertralin 50–150 mg
      • Selektive Serotonin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (SNRI):
        bei unzureichender Wirkung von SSRI, morgendliche Gabe, ggf. Steigerung im Abstand 1–2 Wochen
        • Venlafaxin 75–225 mg/Tag (retard), initial 37,5 mg (therapienaiv), sonst 75 mg
Die Medikamente stellen eine Auswahl dar. Andere Substanzen der gleichen Gruppen können ebenso eingesetzt werden. Bei längerer Anwendung empfiehlt sich eine zusätzliche psychiatrische Mitbetreuung.

Facharztfragen

1.
Bei welchen primären intrakraniellen Tumoren ist die Liquordiagnostik Teil des Stagings?
 
2.
Nennen Sie prädiktive molekulare Marker bei Hirntumoren.
 
3.
Welche Bedingungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit epileptischer Anfälle bei Hirntumoren?
 
4.
Wie soll man psychische Störungen bei Hirntumoren medikamentös behandeln?
 
Literatur
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