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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 24.04.2015

Myeloproliferative Neoplasien

Verfasst von: Andreas Reiter und Georgia Metzgeroth
Myeloproliferative Neoplasien (MPN) sind eine heterogene Gruppe von Stammzellerkrankungen. Durch klonale Proliferation einer oder mehrerer myeloischer Zelllinien (Megakaryopoese, Granulopoese und/oder Erythropoese) im Knochenmark kommt es im peripheren Blut zu einer unterschiedlich stark ausgeprägten Vermehrung assoziierter Zellreihen (Thrombozytose, Leukozytose, Polyglobulie) mit entsprechender klinischer Symptomatik, z. B. Thrombosen, Embolien und Mikrozirkulationsstörungen. Einzelne Subtypen sind primär oder sekundär von einer Fibrosierung des Knochenmarks begleitet, die in fortgeschrittenen Fällen, neben einer unter Umständen exzessiven Splenomegalie, zu einer unterschiedlich starken Reduktion der Zellreihen (Thrombozytopenie, Leukopenie, Anämie) mit entsprechend assoziierten Komplikationen und Allgemeinsymptomen (Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Fieber) führen können. Die primäre Diagnostik besteht aus peripherem Blutbild, Knochenmarkpunktion, molekulargenetischen Analysen und bildgebenden Verfahren. Myeloproliferative Neoplasien haben immer einen chronischen Verlauf. Die Prognose einer myeloproliferativen Neoplasie ist vom Subtyp, dem Stadium bei Diagnosestellung und genetischen Parametern abhängig. Die heute zur Verfügung stehenden medikamentösen Therapien für myeloproliferative Neoplasien sind nicht kurativ. Die primären Therapieziele sind Verminderung der Zellzahl, Reduktion der Milzgröße, Verbesserung der klinischen Symptome und Vermeidung von thromboembolischen Komplikationen. Der einzige Therapieansatz mit kurativer Intention ist die allogene Stammzelltransplantation.

Definition

Myeloproliferative Neoplasien (MPN) sind eine heterogene Gruppe von Stammzellerkrankungen. Durch klonale Proliferation einer oder mehrerer myeloischer Zellreihen (Megakaryopoese, Granulopoese und/oder Erythropoese) im Knochenmark kommt es im peripheren Blut zu einer unterschiedlich stark ausgeprägten Vermehrung assoziierter Zelen (Thrombozytose, Leukozytose, Polyglobulie) mit entsprechender klinischer Symptomatik, z. B. Thrombosen, Embolien und Mikrozirkulationsstörungen. Einzelne Subtypen sind primär oder sekundär von einer Fibrosierung des Knochenmarks begleitet, die in fortgeschrittenen Fällen, neben einer unter Umständen exzessiven Splenomegalie, zu einer unterschiedlich starken Reduktion der Zellreihen (Thrombozytopenie, Leukopenie, Anämie) mit entsprechend assoziierten Komplikationen und Allgemeinsymptomen (Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Fieber) führen können.

Nomenklatur

Nach der aktuellen WHO-Klassifikation aus dem Jahr 2008 (Abb. 1) zählen zu den myeloischen Neoplasien die akuten myeloischen Leukämien (AML), die myelodysplastischen Syndrome (MDS), die myeloproliferativen Neoplasien (MPN), die Übergangsformen zwischen MDS und MPN (MDS/MPN) und die myeloischen/lymphatischen Neoplasien mit Eosinophilie und Rearrangierung von PDGFRA, PDGFRB oder FGFR1 (MLN-eo). Die MPN werden weiter subtypisiert in die BCR-ABL-positive chronische myeloische Leukämie (CML), die Polycythaemia vera (PV), die essenzielle Thrombozythämie (ET), die primäre Myelofibrose (PMF), die chronische Eosinophilenleukämie (CEL), die systemische Mastozytose (SM), die chronische Neutrophilenleukämie (CNL) und die unklassifizierbare MPN (MPNu). Die MDS/MPN werden unterteilt in die chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML), die juventile myelomonozytäre Leukämie (JMML), die atypische BCR-ABL-negative CML (aCML) und die unklassifizierbare MDS/MPN (MDS/MPNu)(Vardiman 2010).

Epidemiologie

Bei Diagnosestellung beträgt das mediane Alter der Patienten mit myeloproliferativen Neoplasien bei 60–70 Jahren, die Inzidenz liegt zwischen 0,5–2/100.000 Einwohnern pro Jahr.

Pathophysiologie

In den letzten Jahren sind eine Reihe von pathogenetisch relevanten genetischen Aberrationen in für Tyrosinkinasen kodierenden Genen identifiziert worden: Fusionsgene (z. B. BCR-ABL, FIP1L1-PDGFRA, ETV6-PDGFRB) oder Punkt- und Längenmutationen (z. B. JAK2 V617F, JAK2 Exon 12, MPL W515, KIT D816V, CALR Exon 9). Dadurch ist die Abgrenzung der einzelnen Entitäten untereinander und auch gegenüber reaktiven Veränderungen substanziell erleichtert worden(Tefferi und Vainchenker 2011). Ihnen gemeinsam ist eine Dysregulation der Signaltransduktion von Zytokinen und Wachstumsfaktoren, die entscheidenden Einfluss auf Proliferation, Differenzierung und Apoptose einer oder mehrerer Zellreihen hat.
In Abgrenzung zur ersten, durch eine molekulargenetische Aberration klar definierten myeloproliferativen Neoplasie, der Philadelphia-Chromosom- (Ph-) bzw. BCR-ABL-positiven chronischen myeloischen Leukämie, werden im klinischen Alltag alle anderen myeloproliferativen Neoplasien unter dem Begriff der Ph-negativen oder BCR-ABL-negativen myeloproliferativen Neoplasien zusammengefasst, obwohl sie inzwischen selbst durch molekulare Marker charakterisiert sind (z. B. sind 60–70 % der Patienten mit Polycythaemia vera, essenzieller Thrombozythämie und primärer Myelofibrose JAK2 V617F-positiv). Die neu entdeckten Mutationen in Calretikulin (CALR, Deletionen und Insertionen in Exon 9) findet sich in 60–80 % der JAK2 V617F-negativen essentiellen Thrombozythämien und primären Myelofibrosen, bisher wurden sie bei der Polycythaemia vera nicht nachgewiesen (Nangalia et al. 2013; Klampfl et al. 2013).
Klinische Symptome
  • Konstitutionelle Symptome (Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Fieber)
  • Andere Symptome (Fatigue, Juckreiz, Knochenschmerzen)
  • Splenomegalie (extramedulläre Hämatopoese, Zytokindysregulation)
  • Thromboembolische Komplikationen (Thrombosen an ungewöhnlichen Orten, z. B. Mesenterialvene, Milzvene, Pfortader, Lebervenen [Budd-Chiari-Syndrom])
  • Embolien großer Gefäße (z. B. Myokardinfarkt, Apoplex)
  • Mikrozirkulationsstörungen
  • In fortgeschrittenen Stadien Anämie, Blutungen und Infektionen

Diagnostik

Peripheres Blutbild

Gemeinsames Kennzeichen der myeloproliferativen Neoplasien ist die Proliferation einer oder mehrerer hämatopoetischer Zellreihen, je nach Subentität mit einer absoluten Erhöhung der Granulozyten-, Erythrozyten- und Thrombozytenzahlen im peripheren Blutbild (Tab. 1). Die überschießende Proliferation ist mit einer relativ normalen Ausreifung verbunden.
Tab. 1
Differenzialdiagnose der myeloproliferativen Neoplasien
Pathologische Parameter
Ursache, diagnostischer Hinweis
Differenzialdiagnose
Bei allen MPN unspezifisch erhöht, am höchsten bei der CML (bis 400 × 109/l)
Infektion, akute Leukämie
Pathologische Linksverschiebung
Blasten, Promyelozyten und Myelozyten im peripheren Blut (relativ spezifisch für MPN, am ehesten auf CML und PMF hinweisend)
Infektionen, dann in der Regel Linksverschiebung, aber keine Blasten und Promyelozyten
Pathologische Linksverschiebung + rote Vorstufen (Normoblasten) im peripheren Blutbild
Relativ spezifisch für primäre und sekundäre Myelofibrose
Typisch für PV, eher selten bei anderen MPN
Reaktiv (z. B. COPD), selten hereditär (z. B. Erythropoetinrezeptormutation)
Bei allen MPN unspezifisch erhöht, am höchsten bei der ET (bis 4000 × 109/l), auch bei PMF
Eisenmangel, chronische Infektion
Eosinophile
Bei allen MPN möglich, am ausgeprägtesten bei MPN-eo, insbesondere auch bei CML und SM
Reaktiv (Infektionen, Autoimmunerkrankungen)
Basophile
Am häufigsten bei CML, seltener bei Myelofibrose
Relativ spezifisch für MPN
Untypisch für MPN
CMML (>1 × 109/l)
LDH und Harnsäure
Unspezifisch bei allen MPN durch gesteigerten Zellumsatz
Malignome
Unspezifisch bei allen MPN durch Erhöhung der Vitamin-B12-Transportproteine Transcobalamin I und III
Überdosierung
Bei der PV durch klonale Erythropoese erniedrigt
Klonale Erythropoese durch andere Ursachen, z. B. Mutationen im Erythropoetinrezeptor
>20 μg/l (Norm <11,4 μg/l) bei allen MPN, häufig bei MLN-eo erhöht (bis 100 μg/l), diagnostisch hinweisend bzw. besonders hohe Werte (>1000 μg/l) bei SM
Alle myeloischen Neoplasien, leichte Erhöhung bei Allergien
CML chronische myeloische Leukämie, CMML chronische myelomonozytäre Leukämie, COPD chronisch obstruktive Lungenerkrankung, ET essenzielle Thrombozythämie, LDH Laktatdehydrogenase, MLN-eo myeloische/lymphatische Neoplasien mit Eosinophilie und Rearrangierung von PDGFRA, PDGFRB oder FGFR1, MPN myeloproliferative Neoplasien, MPN-eo Eosinophilie-assoziierte myeloproliferative Neoplasie, PMF primäre Myelofibrose, PV Polycythaemia vera, SM systemische Mastozytose
Die Leukozytose ist zumeist pathologisch linksverschoben (Vorkommen von Blasten, Promyelozyten und Myelozyten). Wenn gleichzeitig auch kernhaltige Vorstufen der Erythropoese (z. B. Normoblasten) zu finden sind, wird dies als leukoerythroblastisches Blutbild (typischer Befund der primären Myelofibrose oder sekundärer Myelofibrosen wie der Post-Polycythaemia vera-Myelfibrose bzw. Post-essenzielle Thrombozythðmie-Myelofibrose) bezeichnet. Neben der pathologischen Linksverschiebung findet sich im Differenzialblutbild unter Umständen eine Vermehrung von eosinophilen und basophilen Granulozyten sowie von Monozyten. Die Basophilie ist mit Ausnahme der chronischen myeloischen Leukämie meist nur mäßig ausgeprägt. Der wichtigste Einzelbefund der chronischen Eosinophilenleukämie bzw. Eosinophilie-assoziierter myeloproliferativen Neoplasie ist die anhaltende reifzellige Eosinophilie (Normwert <0,5 × 109/l) im peripheren Blut und Knochenmark. Eine Vermehrung von Blasten im peripheren Blut ist Ausdruck einer fortgeschrittenen Erkrankung, Werte ≥20 % sind hinweisend für eine Transformation in eine Blastenphase. Bei einer absoluten Monozytenzahl von über 1,0 × 109/l ist differenzialdiagnostisch die Diagnose einer chronischen myelomonozytären Leukämie zu diskutieren.
Eine Zunahme der Erythrozytenzahl mit entsprechender Steigerung des Hämatokrits (Hkt) über 45 % (Polyglobulie) sowie des Hämoglobinwertes (Hb) >18,5 g/dl bei Männern und >16,5 g/dl bei Frauen ist verdächtig auf das Vorliegen einer Polycythaemia vera. Eine signifikante Thrombozytose findet sich bei vielen myeloproliferativen Neoplasien, insbesondere aber bei der essenziellen Thrombozythämie (bis über 4000 x109/l), aber auch bei chronischer myeloischer Leukämie und primärer Myelofibrose. Eine Thrombozytenzahl von ≥450 × 109/l ist nach WHO ein diagnostisches Kriterium für die essenzielle Thrombozythämie, die Differentialdiagnosen, z. B. Eisenmangel oder chronische Infektion, sind zu beachten. Eine periphere Zytopenie mit assoziierten klinischen Symptomen und Komplikationen (z. B. Anämie, Blutung, Infektion) kommt bei den myeloproliferativen Neoplasien bei Diagnosestellung selten vor. Wenn sie auftritt, ist sie meist Ausdruck einer hämatopoetischen Insuffizienz (z. B. fibrotisches Stadium der primären Myelofibrose) bzw. einer bereits bei Diagnosestellung fortgeschrittenen myeloproliferativen Neoplasie.
Bei der indolenten systemischen Mastozytose (geringe Mastzellinfiltration des Knochenmarks) ist das periphere Blut normalerweise unauffällig. Erst bei fortgeschrittener Erkrankung (aggressive systemische Mastozytose, Mastzellenleukämie) entwickelt sich eine Zytopenie und andere so genannte „C-findings“ (Hypalbuminämie, erhöhte Leberwerte, portale Hypertension, Aszites, signifikanter Gewichtsverlust). Monozytose oder Eosinophilie finden sich bei systemischen Mastozytose mit assoziierter hämatologischer Nichtmastzellerkrankung (SM-AHNMD). Bei einer Mastzellenleukämie finden sich unter Umständen atypische Mastzellen im peripheren Blut.
Weitere diagnostisch hilfreiche Parameter im Serum sind Laktatdehydrogenase (LDH), Harnsäure, Erythropoetin, Vitamin B12 und Tryptase (Tab. 1).

Erweiterte Diagnostik

Die Knochenmarkpunktion mit Beurteilung des Knochenmarkausstrichs nach Aspiration (Aspirationszytologie) und die Knochenmarkhistologie nach Knochenmarkstanze (Jamshidi-Punktion) sind in Ihrer Wertigkeit nicht für alle myeloproliferativen Neoplasien gleich und werden in einigen Ländern bei anderweitig eindeutiger Diagnose nicht immer routinemäßig durchgeführt. In Deutschland zählt sie aber immer noch zum diagnostischen Standard (Tab. 2).
Tab. 2
Erweiterte Diagnostik der myeloproliferativen Neoplasien
Methode
Klinische Wertigkeit
Knochenmarkaspiration
- Geeignet zur Abgrenzung zu akuten Leukämien (Blasten) und MDS (Dysplasien)
- Eisenfärbung (Eisenmangel bei der PV, hilfreich in der Differenzialdiagnose zu MDS – hier ggf. Nachweis von Ringsideroblasten)
- Zytogenetik (siehe unten)
Knochenmarkhistologie
- Hyperzelluläres Knochenmark mit starker, häufig kompletter Verdrängung des Fettmarks bei CML, MF und PV (weniger stark oder sogar nur gering ausgeprägt bei ET) durch unterschiedlich stark gesteigerte und normal ausreifende Zellreihen
- Einzige Methode zur relativ sicheren Abgrenzung der einzelnen Entitäten untereinander, z. B. durch Morphologie der Megakaryozyten (bei ET diffuse Vermehrung sehr großer und reifer Megakaryozyten, bei MF dysplastische und in Clustern gelagerte Megakaryozyten) oder Nachweis einer Retikulin- und Kollagenfibrose (primäre und sekundäre MF)
Zytogenetik
- Aus Knochenmarkaspirat oder peripherem Blut (nur bei Vorkommen von Blasten und Promyelozyten >10 %) oder aus der Knochenmarkstanze (bei Punctio sicca, dann in physiologischer Kochsalzlösung ins Labor versenden)
- Cave: als Antikoagulans stabilisatorfreies Heparin verwenden, z. B. wie für intravenöse Applikation
- Nachweis von spezifischen chromosomalen Veränderungen, z. B. reziproke Translokationen wie t(9;22) bei CML (Philadelphia-Chromosom = verkürztes Chromosom 22) oder sehr viel selteneren reziproken Translokationen bei MLN-eo, z. B. t(5;12) oder t(8;13)
Molekulargenetik
- Peripheres Blut ausreichend, kein Knochenmark unbedingt erforderlich
- BCR-ABL (PCR, FISH-Analyse) bei >95 % der CML-Patienten
- Mutationen (PCR mit Sequenzierung) in JAK2 (JAK2 V617F, Exon 12), CALR (Exon 9) und MPL (W515) bei PMF, PV und ET
- JAK2 Exon 12 nahezu ausschließlich bei PV (etwa ein Drittel der JAK2-V617-negativen Fälle), CALR bei 20-30 % mit PMF und ET, MPL W515 bei ET und MF (5–10 %)
- KIT-D816V-Mutation bei >80–90 % der SM-Patienten im Knochenmark, meist auch im peripheren Blut (50–70 %)
Sonographie, Computertomographie, Magnetresonanztomographie
- Größe von Leber und insbesondere Milz
- Lymphadenopathie (außer bei SM untypisch für MPN)
- Extramedulläre Blutbildung
- Thrombosen (einschließlich Doppler)
- Weitere Organbeteiligung ungewöhnlich, mit Ausnahme der chronischen Eosinophilenleukämie /MPN-eo (z. B. Herz, Lunge, Haut) und der SM (Gastrointestinaltrakt, Knochen – Osteoporose und Osteolysen)
CML chronische myeloische Leukämie, ET essenzielle Thrombozythämie, MDS myelodysplastische Syndrome, MF Myelofibrose, MPN myeloproliferative Neoplasien, PMF primäre Myelofibrose, PV Polycythaemia vera, SM systemische Mastozytose, MPN-eo, Eosinophilie-assoziierte myeloproliferative Neoplasie
Basierend auf den von der WHO festgelegten Diagnosekriterien sind die Diagnose einer myeloproliferativen Neoplasien sowie die Unterscheidung der verschiedenen Entitäten durch körperliche Untersuchung, Blut-/Knochenmarkmorphologie, und Zytogenetik/Molekulargenetik mit relativ geringem Aufwand möglich (Tab. 3 und 4) (Vardiman 2010).
Tab. 3
Klinische, laborchemische, histologische und molekulargenetische Charakteristika bei BCR-ABL-negativen myeloproliferativen Neoplasien (Polycythaemia vera, essenzielle Thrombozythämie und primäre Myelofibrose)
Parameter
Polycythaemia vera
Essenzielle Thrombozythämie
Primäre Myelofibrose
Splenomegalie
++
+
+++
Leukozytose
+
+
++
Thrombozytose
+
+++
+
+++
  
  
+
Erniedrigter Erythropoetinspiegel
+
  
Hyperzelluläres Knochenmark
++
+
++
Geclusterte, dysplastische Megakaryozyten
  
+
Locker vermehrte, große Megakaryozyten
 
+
 
Primäre Knochenmarkfibrose
+
 
++
Sekundäre Knochenmarkfibrose
+
+
 
JAK2 V617F-Mutation
++
+
+
JAK2-Exon-12-Mutation
+
  
MPL-W515-Mutation
 
+
+
CALR-Exon 9-Mutation
-
+ (JAK2 negativ)
+ (JAK2 negativ)
Übergang in terminale Blastenphase
+
+
++
+ typische Veränderung, ++ starke Ausprägung, +++ sehr starke Ausprägung
Tab. 4
WHO-Diagnosekriterien
Polycythaemia vera
Hauptkriterien
- Hämoglobin >18,5 g/dl bei Männern, >16,5 g/dl bei Frauen oder andere Evidenz einer gesteigerten Erythrozytenmasse
- Nachweis der JAK2 V617F-Mutation oder einer anderen funktionell ähnlichen Mutation (z. B. JAK2-Mutation im Exon 12)
Nebenkriterien
- Hyperzellularität mit gesteigerter Erythropoese, Granulopoese und Megakaryopoese
- Niedriger Serumerythropoetinspiegel
- Nachweis von endogenen erythroiden Kolonien in vitro
Diagnose: beide Hauptkriterien und ein Nebenkriterium oder erstes Hauptkriterium und zwei Nebenkriterien
Essenzielle Thrombozythämie
Kriterien
- Thrombozytenzahl anhaltend >450x109/l
- Knochenmarkhistologie mit Proliferation hauptsächlich der Megakaryozyten mit erhöhten Zahlen vergrößerter reifer Megakaryozyten; keine oder nur geringe Proliferation der granulozytären oder erythrozytären Reihe; Ausschluss einer Präfibrose oder Fibrose
- WHO-Kriterien für PV, PMF, CML, MDS nicht erfüllt
- Nachweis der JAK2 V617F-Mutation oder eines anderen klonalen Markers (MPL W515K/L), falls nicht nachweisbar ohne Hinweis auf reaktive Thrombozytose (CRP) oder einen Eisenmangel (Ferritin, löslicher Transferrinrezeptor)
Diagnose: alle vier Kriterien
Primäre Myelofibrose
Hauptkriterien
- Typische Knochenmarkhistologie mit geclusterten, dysplastischen Megakaryozyten und Fibrose unterschiedlicher Stärke oder falls keine Fibrose typische Megakaryopoese mit gesteigerter Granulopoese und verminderter Erythropoese
- WHO-Kriterien für PV, ET, CML, MDS nicht erfüllt
- JAK2 V617F-Mutation oder MPL-W515K/L-Mutation oder falls kein klonaler Marker kein Hinweis auf sekundäre Myelofibrose
Nebenkriterien
- Leukoerythroblastisches Blutbild
- Erhöhte LDH
- Palpable Splenomegalie
Diagnose: alle Hauptkriterien und zwei Nebenkriterien
Systemische Mastozytose
Hauptkriterien
- Multifokale dichte Infiltration des Knochenmarks oder von Organen durch Mastzellen (≥15 Mastzellen in Aggregate)
Nebenkriterien
- >25 % der Mastzellen sind spindelförmig, atypisch oder unreif
- KIT-D816V-Mutation
- CD2- und/oder CD25-Koexpression der Mastzellen
- Serumtryptase >20 ng/l
Diagnose: das Haupt- und ein Nebenkriterium oder alle drei Nebenkriterien
MLN-eo
Kriterien
- MPN mit Eosinophilie
- Nachweis des FIP1L1-PDGFRA-Funsionsgens oder einer PDGFRA-Rearrangierung (Zytogenetik, FISH)
- oder einer PDGFRB-Rearrangierung (Zytogenetik, FISH)
- oder einer FGFR1-Rearrangierung (Zytogenetik, FISH)
MPN-eo
Kriterien
- Eosinophilie ≥1,5 × 109/μl
- WHO-Kriterien für PV, ET, PMF, CML, MDS/MPN nicht erfüllt
- Ausschluss t(5;12)(q31-33;p13) oder PDGFRB-Rearrangierung
- Ausschluss des FIP1L1-PDGFRA-Fusionsgens oder einer anderen PDGFRA-Rearrangierung
- Ausschluss FGFR1-Rearrangierung
- Blasten im peripheren Blut/Knochenmark <20 %, keine inv(16)(p13;q22) oder t(16;16)(p13;q22), akute myeloische Leukämie
- Kein Hinweis auf Klonalität
CML chronische myeloische Leukämie, ET essenzielle Thrombozythämie, LDH Laktatdehydrogenase, MDS myelodysplastische Syndrome, MLN-eo myeloischen/lymphatischen Neoplasien mit Eosinophilie und Rearrangierung von PDGFRA, PDGFRB oder FGFR1, MPN myeloproliferative Neoplasien, MPN-eo Eosinophilie-assoziierte myeloproliferative Neoplasien, PMF primäre Myelofibrose, PV Polycythaemia vera
Die Frage warum ein und dieselbe Mutation bei morphologisch und klinisch unterschiedlichen Erkrankungen gefunden wird, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt.
Die Bedeutung weiterer, gerade erst in jüngster Vergangenheit identifizierter Mutationen, z. B. in den Genen TET2, SRSF2, EZH2, CBL, IDH, ASXL1 u. a. m. ist noch weitgehend unklar, sie scheinen aber zumindest prognostische Bedeutung zu haben (z. B. TET2, SRSF2, EZH2, ASXL1). Der Nachweis ist gegenwärtig noch aufwändig und erfolgt (noch) unter rein wissenschaftlichen Aspekten (Soriano und Heaney 2013).

Therapie

Die heute zur Verfügung stehenden medikamentösen Therapien für myeloproliferative Neoplasien sind nicht kurativ, auch ein positiver Einfluss auf Verlängerung des progressionsfreien Überlebens bzw. der Überlebenszeit ist nicht gesichert bzw. wird diskutiert. Indikation, Zeitpunkt und Art der Behandlung wird von Prognoseparametern für die jeweilige Erkrankung und individuellen Kriterien (z. B. Alter, Komorbiditäten) bestimmt. Die primären Therapieziele sind Verminderung der Zellzahl (Zytoreduktion), Reduktion der Milzgröße, Verbesserung der klinischen Symptome (z. B. konstitionelle Symptome) und Vermeidung von thromboembolischen Komplikationen (z. B. Thrombose, Embolie, Myokardinfarkt, Apoplex). Der einzige Therapieansatz mit kurativer Intention ist die allogene Stammzelltransplantation, die allerdings nur für geeignete Patienten (z. B. Alter, Komorbidität) mit verfügbarem Geschwister- oder Fremdspender infrage kommt.

Aderlass und supportive Therapie

Patienten mit Polycythaemia vera erhalten zur Reduktion der Blutviskosität regelmäßig einen isovolämischen Aderlass. Ziel ist ein Hämatokritwert <45 % (Marchioli et al. 2013). Acetylsalicylsäure (ASS) wird bei der Polycythaemia vera als Primärprophylaxe thrombembolischer Komplikationen eingesetzt, bei der essenziellen Thrombozythämie in Abhängigkeit vom kardiovaskulären Risikoprofil (z. B. arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Adipositas, Nikotinabusus) oder einem zusätzlich bestehendem Risiko für Thrombosen (Thrombophilie, orale Antikonzeption)(Patrono et al. 2013). Da sich bei Thrombozyten von über 1500 × 109/l ein erworbenes von-Willebrand-Syndrom (Ristocetinkofaktoraktivität <30 %) entwickeln kann, ist die ASS-Therapie bei diesen hohen Thrombozytenwerten wegen dem erhöhten Blutungsrisiko relativ kontraindiziert. In fortgeschrittenen Stadien (z. B. sekundäre Myelofibrose, Übergang in Blastenphase) machen Zytopenien die regelmäßige Gabe von Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten sowie eine konsequente antibiotische Therapie infektiöser Komplikationen erforderlich.
Zur Verbesserung der Anämie stehen neben der symptomorientierten Gabe von Erythrozytenkonzentraten medikamentöse Therapieversuche mit Androgenen (z. B. Danazol), Prednison, und Erythropoetin zur Verfügung. Ältere Patienten mit Myelofibrose ohne behandlungsbedürftige Anämie, Thrombozytopenie, Leukozytose oder Blastenvermehrung im peripheren Blut erhalten zumeist keine Therapie und werden häufig nur regelmäßig überwacht. Bei der systemischen Mastozytose steht die symptomatische Therapie mit H1-/H2-Blockern, Cromoglycinsäure und Steroiden im Vordergrund, um einer Freisetzung von Mediatorstoffen aus den Mastzellen entgegenzuwirken.

Zytoreduktive Therapie

Hydroxyurea
Bei stark erhöhten Zellzahlen ist Hydroxyurea zur raschen Zytoreduktion das Medikament der ersten Wahl. Die Dosierung wird an Hämatokrit, Thrombozyten- und Leukozytenzahlen angepasst. Nebenwirkungen einer Dauertherapie mit Hydroxyurea sind vor allem Mukositis, Hautulzera an den unteren Extremitäten und die Entwicklung von Hauttumoren (Spinaliome, Basaliome). Ob Hydroxyurea eine Progression der myeloproliferativen Neoplasien in eine Blastenphase (leukämogen) begünstigt, ist strittig und nicht abschließend geklärt.
Anagrelid
Anagrelid ist in der Zweitlinientherapie bei Risikopatienten mit „essenzieller Thrombozythämie und“ Resistenz oder Intoleranz gegenüber Hydroxyurea zugelassen. Die empfohlene Anfangsdosis von Anagrelid beträgt 1 mg/Tag und wird im Verlauf an Effektivität und Verträglichkeit angepasst. Potenzielle kardiovaskuläre Nebenwirkungen sind zu beachten.
Interferon-α (IFN-α)
IFN-α ist für die Therapie der BCR-ABL-negativen myeloproliferativen Neoplasien nicht zugelassen, wird aber in Ermangelung effektiver Alternativen bei Resistenz oder Intoleranz gegenüber Hydroxyurea eingesetzt. Darunter erlangen Patienten mit essenzieller Thrombozythämie oder Polycythaemia vera in bis zu 80 % der Fälle eine hämatologische Remission (Normalisierung des Blutbildes und der Splenomegalie). Frauen im gebärfähigen Alter erhalten wegen seiner potenziellen teratogenen Wirkung kein Hydroxyurea, sondern bei Bedarf IFN-α, wobei die Nebenwirkungen (in der Anfangsphase grippeartige Symptome, langfristig Depression, Schilddrüsenfunktionsstörungen) den Einsatz von IFN-α begrenzen. Bei der aggressiven systemischen Mastozytose bzw. der Mastzellenleukämie werden das Zytostatikum Cladribin und IFN-α (nicht zugelassen) mit einer Remissionsrate von etwa 40–60 % eingesetzt.
Tyrosinkinaseninhibitoren
Durch eine konstitutive Aktivierung von Tyrosinkinasen (z. B. JAK2 V617F, BCR-ABL, FIP1L1-PDGFRA) kommt es über nachgeschaltete Signaltransduktionskaskaden zu einer vermehrten Zellproliferation. Tyrosinkinaseinhibitoren sind Medikamente, die solche aktivierten Tyrosinkinasen hemmen. Nach der Entdeckung der JAK2 V617F-Mutation ist in weniger als vier Jahren der erste JAK-Inhibitor klinisch eingesetzt worden. JAK-Inhibitoren hemmen nicht nur das mutierte JAK2-Protein, sondern in gleicher Weise auch normales JAK2-Protein. Aufgrund der zentralen Bedeutung von JAK2 für die Signalübermittlung aller hämatopetischer Wachstumsfaktoren (z. B. Erythropoetin oder Thrombopoetin) sind Zytopenien daher vorhersehbare Nebenwirkungen. JAK-Inhibitoren wirken unabhängig vom JAK2 V617F-Mutationsstatus, d. h., dass sie auch bei Patienten mit JAK2 V617F-negativer myeloproliferativer Neoplasie eingesetzt werden können (Verstovsek et al. 2012). Gegenwärtig sind bereits mehr als zehn verschiedene JAK-Inhibitoren in unterschiedlichen klinischen Studienphasen. Bei primärer und sekundärer Myelofibrose führen alle JAK-Inhibitoren zu einer deutlichen Reduktion der Splenomegalie und Verbesserung der konstitutionellen Symptome (Fatigue, Juckreiz, Nachtschweiß) bei mindestens jedem zweiten Patienten. In Deutschland ist aktuell Ruxolitinib bei der primären und sekundären Myelofibrose mit symptomatischer Splenomegalie zugelassen. Ruxolitinib ist sehr gut verträglich, die wichtigsten Nebenwirkungen umfassen Anämien und Thrombozytopenien, schwere nicht-hämatologische Nebenwirkungen sind selten (Verstovsek et al. 2012; Mesa et al. 2013). Ruxolitinib erzielt bei Hydroxyurea-resistenter/-intoleranter Polycythaemia vera hämatologische Remissionsraten bei bis zu 90 % der Patienten und ist zwischenzeitlich bei Hydroxyurea-resistenter oder -intoleranter Polycythaemia vera zugelassen (Vannucchi et al. 2015).
Patienten mit Eosinophilie-assoziierten myeloproliferativen Neoplasien und Nachweis eines Tyrosinkinasefusionsgens unter Beteiligung von PDGFRA (z. B. FIP1L1-PDGFRA) oder PDGFRB (z. B. ETV6-PDGFRB) zeigen selbst bei fortgeschrittener Erkrankung ein exzellentes Ansprechen auf eine Monotherapie mit Imatinib (100–400 mg/Tag)(Metzgeroth et al. 2013). Nahezu alle Patienten erreichen eine rasche und dauerhafte komplette klinische, hämatologische und molekulargenetische Remission. Primäre und sekundäre Resistenzen sind selten und zeigen trotz guter In-vitro-Ergebnisse klinisch mitunter kein Ansprechen auf Tyrosinkinaseinhibitoren der zweiten Generation (z. B. Nilotinib, Sunitinib, Sorafenib). Bei dafür geeigneten Patienten mit passendem Spender sollte bei sekundärer Resistenz eine allogene Stammzelltransplantation in Erwägung gezogen werden. Der Tyrosinkinaseinhibitor Midostaurin (PKC412) wird derzeit in Studien bei der systemischen Mastozytose geprüft. Er führt zu partiellen Remissionen und einer deutlichen Verbesserungen der klinischen Symptomatik.
Immunmodulatorische Substanzen (IMIDe)
Immunmodulatorische Substanzen (IMIDe; Thalidomid, Lenalidomid, Pomalidomid) zeigen alleine oder in Kombination mit Steroiden bei der primären und sekundären Myelofibrose in bis zu 30 % der Patienten in unterschiedlichem Ausmaß Verbesserungen der Anämie, Thrombozytopenie und Splenomegalie, sind aber nicht zugelassen.
Milzradiatio und Splenektomie
Bei trotz ausreichender zytoreduktiver Therapie nicht kontrollierbarer Splenomegalie (Thrombozytopenie, Schmerzen) kann eine Milzbestrahlung (z. B. 1–5 Gy Gesamtdosis in 5–10 Sitzungen) in Erwägung gezogen werden. Der erzielte Effekt ist in der Regel nur von kurzer Dauer (selten >6 Monate) und mit dem Risiko anhaltender Zytopenien assoziiert. Eine Splenektomie wird in Deutschland eher selten durchgeführt, nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Morbidität und Mortalität.

Allogene Stammzelltransplantation

Eine allogene Stammzelltransplantation ist die einzige potenziell kurative Therapieoption und wird bei geeigneten Patienten mit Myelofibrose und hohem Risikoprofil, myeloproliferativer Neoplasie in Blastenphase und/oder Unwirksamkeit auf Tyrosinkinaseinhibitoren in Erwägung gezogen. Transplantationsassoziierte Mortalität, Rezidivrate und Überleben sind signifikant mit den etablierten Risikofaktoren assoziiert. Durch die Reduktion von Strahlendosis und medikamentöser Therapie, der so genannten dosisreduzierten Konditionierung, konnte die therapieassoziierte Sterblichkeit gegenüber der myeloablativen Konditionierung gesenkt werden. Bei der Myelofibrose wurde zur Abschätzung der transplantationsassoziierten Mortalität nach dosisreduzierter Konditionierung ergänzend zu den bisherigen Prognosescores (z. B. Lille-Score) ein weiterer Score eingeführt mit den Variablen Alter (≥57 Jahre), JAK2 V617F-Wildtyp und konstitutionelle Symptome (Fieber oder Nachtschweiß seit mehr als einem Monat, Gewichtsverlust von >10 % des Körpergewichts im letzten Jahr). Bei Vorliegen keines dieser Risikofaktoren liegt das 5-Jahres-Überleben nach allogener Stammzelltransplantation bei 90 %, während bei Vorhandensein aller drei Faktoren die Überlebensrate auf 25 % sinkt. In Abhängigkeit vieler Begleitfaktoren (z. B. Dauer der Erkrankung, Komorbidität) werden Patienten heute bis zum 70. Lebensjahr und vereinzelt auch darüber allogen transplantiert. Dabei besteht kein signifikanter Unterschied zwischen Transplantation von Stammzellen von Verwandten- oder Fremdspendern.

Verlauf und Prognose

Myeloproliferative Neoplasien haben praktisch immer einen chronischen Verlauf. Die Prognose ist vom Subtyp, dem Stadium bei Diagnosestellung und genetischen Parametern abhängig. Gesicherte Prognoseparameter sind bei der primärer Myelofibrose Alter >65 Jahre, konstitutionelle Symptome (Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß), Leukozyten >25x109/l, Anämie <10 g/dl, Blasten >1 % im peripheren Blut (IPSS) sowie zusätzlich Transfusionsabhängigkeit, Thrombozyten <100 × 109/l und/oder ungünstiger Karyotyp im Krankheitsverlauf (DIPSS-plus). Bewährte Prognoseparameter bei der essenziellen Thrombozythämie und Polycythaemia vera sind Alter und thromboembolische Ereignisse, für die essenzielle Thrombozythämie zusätzlich Thrombozyten >1500x109/l. Jüngste Erkenntnisse zeigen zunehmend eine erhebliche prognostische Bedeutung erhöhter Leukozyten (z. B. >12 × 109/l). Die prognostische Bedeutung der JAK2 V617F-Mutation ist unklar. Die beste Überlebenszeit hat die essenzielle Thrombozythämie ohne Risikofaktoren, die sich nicht wesentlich von der der Normalbevölkerung unterscheidet, während die Hochrisiko-Myelofibrose eine mediane Überlebenszeit von zwei Jahren hat. Eine Blastenphase kann nach einem unterschiedlich langen Zeitintervall (manchmal nach Jahrzehnten) auftreten, am häufigsten bei der primären Myelofibrose (15–30 %). Das 10-Jahres-Risiko für die Entwicklung einer sekundären Myelofibrose bzw. Blastenphase liegt für die essenzielle Thrombozythämie bei <1 % bzw. 1 % und für die Polycythaemia vera bei 10 % bzw. <3 %.
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