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Die Ärztliche Begutachtung
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Publiziert am: 31.07.2022

Gastrointestinale Funktionsdiagnostik – Bedeutung für die Begutachtung

Verfasst von: Thorsten Brechmann
Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts oder des Pankreas führen zu Nahrungsverwertungsstörungen, die unter dem Begriff der Malassimilation zusammengefasst werden. Die Ursache kann einerseits in der mangelnden Aufschlüsselung der Nahrung in resorbierbare Bestandteile (Maldigestion) oder andererseits in einer Störung der Aufnahme über die Mukosa (Malabsorption) liegen. Funktionsprüfungen der Verdauung dienen einerseits der ätiologischen Zuordnung, aber auch der Einschätzung des Schweregrades einer Funktionsstörung. Der gastrointestinalen Funktionsdiagnostik kommt daher eine besondere Bedeutung im Rahmen der Begutachtung zu.

Einleitung

Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts oder des Pankreas führen zu Nahrungsverwertungsstörungen, die unter dem Begriff der Malassimilation zusammengefasst werden. Die Ursache kann einerseits in der mangelnden Aufschlüsselung der Nahrung in resorbierbare Bestandteile (Maldigestion) oder andererseits in einer Störung der Aufnahme über die Mukosa (Malabsorption) liegen. Funktionsprüfungen der Verdauung dienen einerseits der ätiologischen Zuordnung, aber auch der Einschätzung des Schweregrades einer Funktionsstörung. Der gastrointestinalen Funktionsdiagnostik kommt daher eine besondere Bedeutung im Rahmen der Begutachtung zu.

Anamnese und körperliche Untersuchung

Einen integrierenden Überblick gibt das Verhalten des Körpergewichts, das speziell erfragt werden muss. Gewichtsabnahme trotz normaler Nahrungszufuhr macht ein organisches Leiden, u. a. auch ein Malassimilationssyndrom, wahrscheinlich. Durch gezieltes Befragen hinsichtlich des Stuhlverhaltens (Tab. 1) lassen sich bereits wichtige Hinweise eruieren. Voluminöse Fettstühle lassen ein Malassimilationssyndrom vermuten. Blutbeimengungen weisen auf eine entzündliche Erkrankung hin. Störungen der Hauttrophik, Nagelveränderungen (Uhrglasnägel), Ödeme, Nachtblindheit, petechiale Blutungen oder Angabe von Blutergüssen und verstärkte Blutungsneigung weisen auf Protein- oder Vitaminmangel hin und geben Anlass für weitere Untersuchungen. Eine sorgfältige Medikamenten-, Unfall- und Operationsanamnese kann mitunter die Ursache einer chronischen Diarrhö klären.
Tab. 1
Anamnestisch-/klinische Eingrenzung einer Diarrhö
Zeichen/Symptom
Dünndarmtyp
Dickdarmtyp
Frequenz
3–8/Tag
3–30/Tag
Volumen
Variabel, oft groß
Klein
Intervall
Variabel
Regelmäßig
Geformter Stuhl
Selten
Nie
Blut im Stuhl
(–)
Okkult
Tenesmen
(−)
(−/+)
(−)
(+)
Krankheitsgefühl
Leicht bis mittel
Mittel bis schwer
Appetit
Gering bis gut
Gering bis schlecht
Pathophysiologie
Malabsorption (osmotisch)
Entzündung (sekretorisch)

Stuhluntersuchungen

Die Betrachtung und Untersuchung des Stuhls führen zu einer gezielteren weiteren Diagnostik und Differenzialdiagnostik. Die mikroskopische Untersuchung gefärbten oder ungefärbten Stuhls dient dem Nachweis von Parasiten oder deren Eier. Darüber hinaus sind kulturelle und biochemische Verfahren etabliert.

Stuhlbetrachtung

Trotz aller apparativen Möglichkeiten bleibt die Stuhlbetrachtung auch heute ein wichtiger Bestandteil und erster Schritt in der Differenzialdiagnostik. Mittels Bristol Stool Scale gelingt eine semiquantitative Einschätzung des Stuhlverhaltens. Neben den hierbei zu berücksichtigenden Parametern Konsistenz und Volumen sind auch die Färbung und Blutbeimengungen zum Stuhl von Relevanz. Voluminös-breiige, fettglänzende Stühle sind charakteristisch für Malassimilationssyndrome. Daneben sind acholisch helle und schwarze Verfärbungen (Teerstuhl, Melaena) von Bedeutung. Blutbeimengungen weisen auf eine inflammatorische Genese hin, wobei auch neoplastische Veränderungen in Betracht gezogen werden müssen. Bei interenterischen Fisteln können auch unverdaute Speisen wieder ausgeschieden werden.

Stuhlgewicht

Die Messung des über 24 h gesammelten Stuhls ist eine einfache und kostengünstige Methode zur Objektivierung von Malassimilationsstörungen. Als pathologisch gilt ein mehrfach gemessenes Stuhlgewicht von mehr als 250 g/Tag. Mehrfach normales Stuhlgewicht bei normaler Nahrungszufuhr spricht gegen ein Malassimilationssyndrom.

Stuhlkultur

Mikroskopische und bakteriologische Untersuchungen durch Anlegen und Bebrüten von Kulturen sind zum Nachweis von bakteriellen oder parasitären Erkrankungen geeignet. Da einige Erreger temperaturempfindlich sind, sollte der Stuhl möglichst warm verarbeitet werden. Auch virale Erreger können im Stuhl nachgewiesen werden. Der Nachweis des Toxins von Clostridium diffizile legt das Vorliegen einer pseudomembranösen Kolitis nahe. Neben den weniger sensitiven Antigentests bieten sich insbesondere PCR-basierte Nachweisverfahren an.

Stuhlfettbestimmung

Die quantitative Stuhlfettbestimmung bedingt einen hohen apparativen und personellen Aufwand und ist ohne praktische Bedeutung. Eine Ausscheidung von mehr als 15 g Fett pro Tag gilt jedoch als pathologisch.

α1-Antitrypsin-Clearance und Calprotectin im Stuhl

Über den enteralen Verlust an α1-Antitrypsin in den Stuhl kann das Ausmaß einer exsudativ-inflammatorischen Enteropathie abgeschätzt werden. Als besonders aussagekräftig hat sich die Bestimmung der Clearance erwiesen, wobei neben der Konzentration an α1-Antitrypsin im Stuhl auch diejenige des Serums eingeht. Das Calprotectin ist ein Protein aus den neutrophilen Granulozyten, das bei nahezu allen organischen Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts im Stuhl erhöht zu messen ist und daher zur Differenzialdiagnostik zwischen inflammatorischen und nichtinflammatorischen Erkrankungen des unteren Gastrointestinaltrakts verwendet wird. Anhand der Konzentration kann auch eine Verlaufsbeurteilung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen erfolgen, wodurch prognostische Abschätzungen und therapeutische Entscheidungen begründet werden können.

Biochemische Parameter des Blutes

Biochemische Parameter des Blutes tragen zur Differenzierung von Malabsorption und Maldigestion im Allgemeinen wenig bei. Es können vor allem Parameter bestimmt werden, die das Vorliegen eines Malassimilationssyndroms wahrscheinlich machen. Wichtig in diesem Sinne sind eine verminderte Kalziumkonzentration (Verluste durch Kalkseifenbildung bei Steatorrhoe) sowie Mangel an fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K). Darüber hinaus haben das Blutbild (makrozytäre Anämie, Eisenmangelanämie) und die Bestimmung der Ferritin-, Vitamin-B12- und Folsäurespiegel und die Gesamteiweiß-/Albuminkonzentration (exsudative Enteropathie, Proteinmalassimilation) klinische Relevanz. Eine Verminderung der β-Karotinkonzentration im Serum erlaubt die serologische Erfassung einer Steatorrhoe, das Plasma-Citrullin eine Abschätzung der durch die Enterozyten gebildeten Resorptionsfläche.

Spezielle Untersuchungen der Magen- und Dünndarmfunktion

Fastenversuch

Bei Vorliegen einer chronischen, d. h. seit mindestens 4 Wochen bestehender Diarrhö kann durch 72-stündiges Fasten zwischen osmotischer, malabsorptiver Genese einerseits und sekretorischer, inflammatorisch-exsudativer oder hypermotiler Genese andererseits differenziert werden (Tab. 2). Auch bei Vorliegen einer Nahrungsmittelallergie darf mit dem Sistieren der Durchfälle gerechnet werden, obschon es sich pathophysiologisch um eine inflammatorische Erkrankung handelt.
Tab. 2
Differenzialdiagnostik durch Fastenversuch
Ansprechen auf Fasten
Kein Ansprechen auf Fasten
Osmotische Diarrhö
Sekretorische Diarrhö
Hypermotile Diarrhö
Inflammatische Diarrhö
Kohlenhydratmalabsorption (z. B. Laktose-, Fruktoseintoleranz)
Laxantien mit sekretorischem Mechanismus (insbes. Anthrachinone, Bisacodyl)
Bakterielle Übersiedlung des Dünndarms
Chologene Diarrhö
Autonome (diabetische) Neuropathie
NSAR-Kolitis
Sprue/Zöliakie
Villöses Adenom des Kolons bzw. daraus entstandenes Karzinom
Ischämische Kolitis
Neuroendokrine Tumoren des Pankreas mit Hormonsekretion (insbes. VIPom)
 
Infektiöse bzw. bakterielle Durchfallerkrankungen mit Darmwandschädigung
Amyloidose
Karzinoidsyndrom
 
Yersiniose, Amöbiasis, Clostridium difficile, Giardiasis, Darmtuberkulose
Kurzdarmsyndrom bei Resektionen von Teilen des Dünndarms
Medikamente (z. B. Diuretika, Colchicin, Theophyllin)
 
Insbes. auch opportunistische gastrointestinale Infektionen bei HIV
Chologene Diarrhö
Systemische Mastozytose bzw. eosinophile Kolitis
 
Nach Kolektomie (unzureichende Wasserresorption)
Aflatoxine
  
Schleimhautschäden durch Zytostatika bzw. Strahlentherapie
  
Histaminintoxikation
  
HIV-Enteropathie
   
Common variable Immunodefiency
   
Nahrungsmittelallergie*
   
*Besserung durch Fasten, pathophysiologisch jedoch inflammatorischer/sekretorischer Mechanismus

H2-(CH4-)Atemteste

Die mikrobielle Flora des Gastrointestinaltrakts bildet zahlreiche flüchtige Metabolite, die über die intestinale Mukosa in die Kapillaren gelangen und über die Lungen abgeatmet werden. Hierzu gehören neben kurzkettigen Fettsäuren auch Wasserstoff (H2) und Methan (CH4). Beide Gase werden im menschlichen Metabolismus nicht generiert und sind somit Folge bakterieller Vergärung eines Substrates. Das Ausmaß und der Zeitpunkt der H2- und CH4-Bildung hängen dabei unter anderem von der Zusammensetzung und der Menge der zugeführten Substrate sowie dem Standort der stoffwechselaktiven Flora ab. Die Messung der H2- und CH4-Konzentration erfolgt in der Ausatemluft zu verschiedenen Zeitpunkten durch hochselektive elektrochemische Zellen. Ein Anstieg über 20 ppm H2 gilt als pathologisch. Ein geringer Teil der Menschen beherbergen jedoch keine H2-bildende bakterielle Flora (Non-Hydrogen-Producer) und sind diesem Testprinzip daher nicht zugängig. Der Grenzwert für CH4 ist bislang nicht klar definiert, liegt jedoch deutlich niedriger bei etwa 8–10 ppm.

Laktulose-H2-(CH4-)Atemtest

Laktulose wird im Gastrointestinaltrakt des Menschen nicht metabolisiert und gelangt somit vollständig in das Kolon. Da erst hier H2-(CH4-)bildende Mikroorganismen erwartet werden, steigt die Gasexhalation mit Übertritt in das Kolon an. Bei frühzeitigem Anstieg kann zwischen einer bakteriellen Übersiedlung des Dünndarms oder schnellen orozökalen Transitzeit nicht unterschieden werden. Ein fehlender Anstieg der H2-Exhalation deckt Non-Hydrogen-Producer auf; die Fähigkeit der H2-Bildung kann jedoch substratspezifisch variieren.

Glukose-H2-(CH4-)Atemtest

Der H2-/CH4-Atemtest mit Glukose prüft das Vorliegen einer bakteriellen Übersiedlung des Dünndarms. Bei pathologischem Laktulose-H2-(CH4-)Atemtest durchgeführt werden. Der proximale Dünndarm ist als gering kolonisiert anzusehen, es kann jedoch bei prädisponierenden Faktoren zu einer bakteriellen Überwucherung kommen. Hierbei sind vor allem postoperative Zustände nach Traumata, wie sie im Rahmen berufsgenossenschaftlich versicherter Tätigkeiten vorkommen – etwa Adhäsionen, Strikturen und Stenosen, aber auch Fisteln oder Motilitätsstörungen – zu nennen. Auch die säuresuppressive Therapie und Hypothyreose bzw. L-Thyroxinsubstitution werden als Risikofaktoren diskutiert.

Laktose-H2-(CH4-)Atemtest

Der H2-(CH4-)Atemtest mit Laktose testet das Vorliegen einer Laktoseintoleranz. Eine primäre Laktoseintoleranz betrifft etwa 10 % der kaukasischen Rasse und ist als Berufskrankheit nicht anzuerkennen. Eine sekundäre Laktoseintoleranz kann im Rahmen einer Sprue oder nach ausgedehnten Dünndarmresektionen auftreten.

13C-/14C-Atemteste

Eine mittels 13C oder 14C markierte Substanz wird oral oder intravenös appliziert. Durch eine substanzspezifische Metabolisierung entsteht unter anderem 13CO2 bzw. 14CO2. Das abgeatmete CO2 kann durch Massenspektrometrie oder nichtdispersive Infrarotspektroskopie in die verschiedenen Isotope aufgeschlüsselt werden. Während das 13C ein stabiles und somit unproblematisch zu behandelndes Isotop ist, ist mit dem Einsatz von 14C-markierten Substanzen eine geringe Strahlenbelastung verbunden, was die klinische Anwendung eingrenzt. Eine ganze Reihe verschiedener Testsubstanzen stehen kommerziell für verschiedene Funktionstests zur Verfügung (Tab. 3).
Tab. 3
Anwendung 13C- und 14C-markierter Substanzen
Gastrointestinale/pankreatische Funktionstests
Leberfunktionstests
13C-/14C-Glykocholat
Bakterielle Überwucherung des Dünndarms, Gallensäuremalabsorption
13C/14C-Aminopyrin
13C-Urea
Besiedlung mit Helicobacter pylori
13C-Koffein
Cytochrom P448
13C-/14C-Laktose
Laktoseintoleranz
14C-Diazepam
Cytochrom P450 2C19
14C-Taurocholat
Gallensäuremalabsorption
13C-Galaktose
13C-Acetat
Magenentleerung flüssige Phase
13C-Methacetin
Cytochrom P450
13C-Octanoat
Magenentleerung feste Phase
13C-Phenacetin
Cytochrom P450 1A2/2E1
13C-Triolein/13C-Hiolein
Pankreasfunktion (Lipase)
13C-Ketisocapronsäure
Decarboxylase
13C-Cholesteryloctanoat
Pankreasfunktion (Cholesterylesterase)
13C-Octanoat
β-Oxidation
13C-Stärke
Pankreasfunktion (Amylase)
13C-Erythromycin
Cytochrom P450 3A

D-Xylosetest

Die D-Xylose wird als Pentose über das Hexosecarriersystem träge resorbiert und nicht weiter metabolisiert. Die Konzentration im Serum oder im Sammelurin lässt daher Rückschlüsse auf die Resorptionskapazität insbesondere des proximalen Dünndarms zu.

SeHCAT-Test

Gallensäuren werden wie Vitamin B12 nur im terminalen Ileum resorbiert. Bei entzündlichen Veränderungen in diesem Bereich (z. B. bei Morbus Crohn) oder nach operativer Entfernung kann es zur verminderten Reabsorption der Gallensäuren kommen. Im Rahmen des vermehrten Verlustes treten zum Teil erhebliche Durchfälle und u. U. auch Steatorrhoe auf. Der 23-75Selen-25-Homotaurocholsäure-Test ist eine nuklearmedizinische Methode zur Evaluation des enterohepatischen Kreislaufs der Gallensäuren. Nach oraler Gabe der 23-75Selen-25-Homotaurocholsäure kann die Aktivität des Substrats zeitabhängig mittels unkollimierter Gammakamera gemessen und so das Ausmaß des Gallensäureverlusts quantifiziert werden. Dazu können Messungen über 7 Tage notwendig werden.

Magenentleerungsszintigrafie

Die szintigrafische Untersuchung der Magenentleerung gilt als Referenzmethode zur Bestimmung der Magenentleerungszeit. Es wird eine mit einem radioaktiv markierten Tracer versehene Testmahlzeit eingenommen. Durch Bestimmung der Halbwertszeit und der Lag-Phase, die durch Anpassung des zeitlichen Verlaufs der Restaktivität an eine Power-Exponentialfunktion durch nichtlineare Regression berechnet werden kann, wird die Kinetik der Magenentleerung beschrieben. Als sehr gute alternative Methoden ohne Strahlenbelastung stehen 13C-basierte Atemteste und die sonografische Antrumplanimetrie zur Verfügung.

Hinton-Test

Der Hinton-Test dient der Objektivierung und Differenzierung einer Obstipation. Es werden über 6 Tage hinweg 10 oder 20 röntgendichte, in einer Kapsel verpackten Pellets eingenommen. Am 7. Tag wird eine Röntgenübersichtsaufnahme angefertigt. Durch die Anzahl und die Verteilung der Pellets gelingen die Bestimmung der Transitzeit und die Einteilung in Beckenauslassstörung und langsamen Transit.

Manometrie und pH-Metrie

Im Rahmen der Begutachtung dienen manometrische Methoden am ehesten noch der Evaluation nach Traumata und operativen Interventionen im Rahmen von berufsgenossenschaftlich versicherten Tätigkeiten.
Die pH-Metrie kann pathologischen Säurereflux, die Impedanzmessung jegliches Refluat in den Ösophagus evaluieren. Die Manometrie vermag Motilitätsstörungen des tubulären Ösophagus und den Druck des unteren Ösophagussphinkters darzustellen, die anorektale Manometrie kann insbesondere die Intaktheit des rektoanalen Inhibitionsreflexes und den Ruhe- und Kneifdruck des inneren wie äußeren Sphincter ani prüfen.

Bildgebende Verfahren

Die bildgebenden Verfahren dienen der Erkennung von Ursachen für Funktionseinschränkungen des Magen-Darm-Traktes und der Bauchspeicheldrüse.

Sonografie

Die Abdomensonografie stellt insbesondere die parenchymatösen Organe in Echtzeit ohne wesentliche Belastung für den Patienten dar und vermag entzündliche Läsionen des Dünn- und Dickdarms ebenso zu erkennen wie Konglomerattumoren oder enterische Fisteln. Auch Strikturen und Stenosen können sichtbar gemacht werden. Besser als jede andere Untersuchung lässt die Sonografie eine Beurteilung der Darmperistaltik zu. Außerdem kann durch eine geeignete Testmahlzeit im Rahmen der Antrumplanimetrie eine Aussage über die Magenentleerung erfolgen.
Endosonografisch gelingt die Darstellung des Ösophagus, des Magens, des Duodenums und der umliegenden parenchymatösen Organe wie dem Pankreas. Mit hoher Sicherheit können Tumoren, Verkalkungen oder Zysten dargestellt werden. Auch Punktionen zur Gewinnung zytologischer oder histologischer Präparate oder Drainageeinlage sind möglich. Anorektal kann neben Tumoren und den pararektalen Lymphknoten auch die Integrität des Sphincter ani (z. B. nach Becken oder Pfählungsverletzungen) geprüft werden.

Endoskopie

Endoskopisch-morphologische Untersuchungen (Ösophagogastroduodenoskopie, Ileokoloskopie, Prokto-, Rekto-, Sigmoideoskopie) bieten über die direkte Betrachtung weiter Teile des Gastrointestinaltrakts hinaus den Vorteil, durch feingewebliche Untersuchungen entnommener Gewebeproben eine weitere Abklärung von Verdauungsstörungen nach ihren Ursachen herbeiführen zu können.
Der Dünndarm ist der endoskopischen Untersuchung mit größerem Aufwand ebenfalls zugängig. Über die proximale Intestinoskopie ist das Vorgehen bis in das Duodenum, durch Push-Enteroskopie die Inaugenscheinnahme des proximalen Jejunums möglich. Im Rahmen der Ileokoloskopie kann das terminale Ileum über die Valvula ileocoecalis hinweg intubiert und über einige Zentimeter verfolgt werden. Der dazwischen gelegene Dünndarm kann durch Videokapseluntersuchung visualisiert werden, die aber die Nachteile der fehlenden Steuerbarkeit und Unmöglichkeit der Biopsieentnahme aufweist.
Die Push-und-Pull-Enteroskopie (z. B. Ballonenteroskopie) erlaubt die direkte Endoskopie des Dünndarms und ermöglicht auch eine Probenentnahme. Durch Kombination mit radiologischen Verfahren können durch die endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP) neben Veränderungen der Gallenwege auch Kaliberunregelmäßigkeiten oder Stenosen des Ductus pancreaticus dargestellt werden.

Radiologie

Zur morphologischen Beurteilung des Dünndarms stehen neben dem konventionellen Enteroklysma nach Sellink (antegrader Kontrasteinlauf, Dünndarmdoppelkontrastuntersuchung) auch das MR-Enteroklysma oder die MR-Enterografie zur Verfügung, die ohne Strahlenbelastung auskommen und zudem eine Beurteilung der Darmwand und extraintestinaler Strukturen ermöglichen. Während intraluminale Läsionen wie Polypen oder Stenosen sehr gut dargestellt werden, bleiben in der Wand gelegene (z. B. Angiodysplasien) und kleine intraluminale Läsionen (z. B. kleine Aphthen) verborgen. Enterische Fisteln können mit einer hohen Sensitivität und Spezifität nachgewiesen und in ihrem Verlauf beschrieben werden.
Rektoanale Funktionsstörungen sind durch die Defäkografie, bei der der Defäkationsakt entweder konventionell radiologisch oder MR-tomografisch nach rektaler Füllung durch ein entsprechend geartetes Kontrastmittel aufgezeichnet wird, einer morphologisch-funktionellen Untersuchung zugängig. Zu beobachten sind vor allem das Verhalten des Sphincter ani, der Verlauf des anorektalen Winkels oder das Auftreten einer Rektozele oder Intussuszeption.

Biopsie und histologische Untersuchung

Bei intestinal begründeten Malassimilationssyndromen ist die Gewinnung einer Gewebeprobe zumeist unabdingbar. Da sich nicht alle Erkrankungen im Duodenum und proximalen Jejunum oder terminalen Ileum manifestieren, kann die Biopsie tiefer gelegener Darmabschnitte notwendig werden. Dies ist seit Entwicklung der Enteroskopie sicher durchführbar. Durch histologische Beurteilung mit gegebenenfalls immunhistochemischen Zusatzuntersuchungen kann die Ätiologie einer intestinalen Erkrankung weiter eingegrenzt werden.

Spezielle Untersuchungen der Pankreasfunktion

Endokrine Funktion

Störungen der endokrinen Funktion der Bauchspeicheldrüse äußern sich in der fehlerhaften Regulation des Blutzuckerhaushalts. Neben der regelmäßigen Bestimmung der Blutglukosekonzentration im Rahmen eines Tages- und Nachtprofils kommt dem oralen Glukosetoleranztest (oGTT) Bedeutung zu. Eine Aussage über das Verhalten der Blutglukosehomöostase in den vergangenen 3 Monaten kann über das HbA1c erfolgen.

Exokrine Funktion

Eine exokrine Pankreasinsuffizienz führt durch Maldigestion zu Steatorrhoe und Gewichtsabnahme. Zur Eingrenzung dieser Funktionsstörung stehen eine Reihe direkter und indirekter Tests zur Verfügung, die sich sowohl in ihrer Komplexität als auch in der Sensitivität und Spezifität unterscheiden.

Sekretin-Pankreozymintest

Hierbei handelt es sich um den sensibelsten Test zur Erfassung einer Pankreasinsuffizienz; er gilt daher als Referenzmethode. Nach intravenöser Gabe von Sekretin (oder in Abwandlung Caerulein, ein Analogon von Cholecystokinin) wird das von dem Pankreas sezernierte Sekret über eine spezielle Sonde aspiriert und auf seine Bestandteile hin untersucht. Aufgrund des hohen methodischen Aufwands ist dieses Verfahren jedoch kaum für das Begutachtungswesen geeignet.

Elastase/Chymotrypsin im Stuhl

Die Elastase und das Chymotrypsin sind in den Azinuszellen des Pankreas gebildete Enzyme. Die Aktivität im Stuhl spiegelt aufgrund der hohen Stabilität das Ausmaß einer exokrinen Pankreasinsuffizienz wider. Da Chymotrypsin ein wesentlicher Bestandteil von exogen zugeführten Enzympräparaten ist, kann die Aktivitätsbestimmung zur Überprüfung der Compliance herangezogen werden, während die Aktivität der Elastase durch entsprechende Zubereitungen nicht beeinflusst wird. Durch die Bestimmung des Chymotrypsins kann nur eine schwere Pankreasinsuffizienz zuverlässig detektiert werden, während die Elastase auch schon bei mittelgradigen Funktionsstörungen eine gute Sensitivität und Spezifität aufweisen; im flüssigen Stuhl sinkt die Spezifität jedoch deutlich ab, was immer wieder Anlass zu Fehlinterpretationen führt.

13C-basierte Tests

Die enzymatische Aktivität kann durch verschiedene 13C-basierte Testsubstanzen eingegrenzt werden. Von besonderer klinischer Bedeutung sind der 13C-Mixed-Triglycerid-Atemtest und der 13C-Stärketest.
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