Epidemiologie und Ätiologie
Primär retroperitoneale Tumoren
sind mit weniger als 0,5 % aller Tumorerkrankungen seltene Tumoren. Die Inzidenz liegt bei ca. 1–3/100.000 Patienten und die Mortalitätsrate bei ca. 0,6–0,8/100.000 Patienten pro Jahr (Leyvraz und Jelic 2005). In Deutschland werden ca. 2500 neue Weichteilsarkome pro Jahr diagnostiziert (Schimmack et al. 2009).
Die Mehrzahl der retroperitonealen Tumoren ist maligne, nur ca. 15–20 % sind gutartige Läsionen. Ca. 1/3 der Tumoren sind den
Weichteilsarkomen zuzuordnen. Die anderen Tumorentitäten verteilen sich insbesondere auf maligne
Lymphome und
Keimzelltumoren. Ca. 10–20 % der Tumoren sind bereits bei Diagnosestellung metastasiert, wobei die primären Metastasen in Lunge und Leber gefunden werden. Bei multifokalem Tumorwachstum von retroperitonealen Sarkomen mit mehr als 7 Einzelherden spricht man von einer Sarkomatose.
Der Altersgipfel der Erkrankung liegt hauptsächlich zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Es besteht jedoch eine weite Altersspanne und die Geschlechtsverteilung ist ausgesprochen variabel. Während in Deutschland im Jahr 2000 mehr Frauen an retroperitonealen Tumoren erkrankten, waren in den USA mehr Männer betroffen.
Über die Entstehung insbesondere retroperitonealer Sarkome ist bisher nur wenig bekannt. Verschiedene genetische Syndrome wie die
Neurofibromatose, die
familiäre adenomatöse Polyposis und das
Li-Fraumeni-Syndrom werden mit der Entstehung von retroperitonealen Sarkomen in Verbindung gebracht. Darüber hinaus ist die Entstehung eines Sarkoms in ca. 0,1 % der Patienten mit therapeutischer Strahlenexposition beschrieben. Das Sarkomrisiko steigt durch die Strahlenexposition ca. um den Faktor 50 an. Neben genetischen und radiogenen Ursachen werden insbesondere eine Toxinexposition gegenüber
Pestiziden, Herbiziden, Vinylchlorid und alkylierenden Substanzen als mögliche Auslöser beschrieben.
Pathologie und Klassifikation
Zu den retroperitonealen Tumoren werden, neben Karzinommetastasen und
Lymphomen, benigne und maligne mesenchymale Tumore sowie entzündliche Pseudotumore gerechnet. Hierbei ist allein die Gruppe der Sarkome, welche nur ca. 1 % aller Malignome des Menschen ausmachen und in ca. 70 Entitäten und Subtypen unterteilt wird, aus pathologischer Sicht sehr heterogen und diagnostisch schwer zu charakterisieren. Retroperitoneale Sarkome werden nach der WHO klassifiziert, wobei die derzeit gültige Klassifikation aus 2002 neben der histologischen Evaluation der mesenchymalen Ursprungszelle zusätzlich auf immunhistochemischen und molekularen Analysen basiert.
An dieser Stelle sei, für eine vollständige Übersicht der mesenchymalen Tumoren, auf die entsprechende pathologische Fachliteratur, z. B. „Soft Tissue Tumors“ von Enzinger & Weiss, verwiesen.
Die korrekte histopathologische Diagnose der retroperitonealen Proliferation ist für die onkologische Therapie, einerseits für die Operation mit vollständiger Tumorresektion, andererseits für eine neo- oder adjuvante Radio- Chemotherapie, essenziell. Neben der laparoskopischen besteht hier auch die Möglichkeit der stanzbioptischen Probengewinnung für die morphologische Diagnostik, die durch immunhistochemische und molekulargenetische Untersuchungen ergänzt wird. Bei stanzbioptisch gewonnenem Gewebe ist jedoch, neben der Frage der Repräsentativität, die Gewebemenge limitierend für die Vielzahl der notwendigen Untersuchungen. Eine Aussage im Hinblick auf die Tumorart (mesenchymaler Tumor vs. entzündlicher Pseudotumor vs. Lymphom vs. Karzinommetastase.) ist in der Regel jedoch möglich, wenngleich eine exakte histopathologische Zuordnung mesenchymaler Tumore erst am Resektat möglich sein kann. Da es sich gerade bei mesenchymalen Tumoren um seltene Entitäten handelt, ist es ggfs. ratsam, bei der Diagnostik ein Referenzzentrum hinzu zu ziehen.
In einer prätherapeutischen interdisziplinären Tumorkonferenz unter Beteiligung der involvierten Fachdiziplinen sollte das Vorgehen für Diagnose und Therapie festgelegt werden.
Diagnostik
Da sowohl maligne
Lymphome als
Keimzelltumoren im Retroperitoneum auftreten können, sollte zur Diagnostik immer eine umfassende Anamnese zu Lymphom-assoziierten Symptomen (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust) erfolgen. Insbesondere bei jungen Männern wird darüber hinaus eine Palpation und Ultraschalluntersuchung der Hoden dringend empfohlen.
Die radiologische Diagnostik primär retroperitonealer Tumore hat ihren Stellenwert bei der Beurteilung des Ursprungsgewebes und des Ursprungsorgans. Mittels Schnittbildgebung kann die Tumorgröße und Ausdehnung bestimmt und die Möglichkeit einer Tumorresektion beurteilt werden. Die radiologischen Befunde der verschiedenen Tumorentitäten sind dabei oft unspezifisch. Charakteristische Tumormerkmale wie z. B. die Ausbreitung, Begrenzung, Vaskularisation und Gewebszusammensetzung erlauben dennoch eine differenzialdiagnostische Eingrenzung, bereits vor der definitiven histologischen Diagnose (Tab.
2) (Nishino et al.
2003). Die Computertomografie ist hierbei das am häufigsten eingesetzte Verfahren, mittels MRT und PET-CT ist eine weitere Einordnung möglich.
Tab. 2
Radiologische Merkmale retroperitonealer Tumore
Homogen lipomatös | • Gut-differenziertes Liposarkom (irreguläre, solide Septen mit Kontrastmittelaufnahme), • Lipom (selten) |
Heterogen lipomatös | • Entdifferenziertes Liposarkom • Angiomyolipom (Gefäßreichtum und Hämorrhagien) • Teratom (Zystische Tumore mit Fett und Verkalkungen oder Zähnen, sowie Fett-Flüssigkeitsspiegel) |
Myxoid | • Myxoides Liposarkom, • Neurogene Tumore, • Myxoides malignes fibröses Histiozytom |
Nekrosen | • Leiomyosarkom (Bei großer Tumormasse zum Teil ausgeprägte Nekrosen und Gefäßinfiltration); • Non-Seminom |
Ausbreitung zwischen normalen Strukturen | • Paragangliom/Ganglioneurom (Ausbreitung entlang des Sympathischen Grenzstranges). • Lymphom (Verlagerung von Aorta und Vena cava nach ventral sowie paravaskuläres Weichteilgewebe (ggf. floating Aorta) |
Kontrastmittel-Aufnahme | • Maligne fibröse Histiozytom, Leiomyosarkom und andere Sarkome (moderates Enhancement) • Lymphom, gut differenziertes Liposarkom und gutartige Tumore (geringes Enhancement) |
Verkalkungen | • Teratom • Malignes fibröses Histiozytom, • Entdifferenziertes Liposarkom und • Osteosarkommetastasen |
Eine histologische Sicherung mittels ct-gesteuerter Feinnadelbiopsie sollte bei allen unklaren Tumoren und vor Einleitung einer Chemo- oder
Strahlentherapie erfolgen. Die Trans-Atlantic RPS Working Group (TARPSWG), eine transatlantische Zusammenarbeit von spezialisierten Sarkom-Zentren, betont in Ihren Konsensus-Leitlinien die Wichtigkeit der histologischen Sicherung vor Einleitung einer Therapie (Trans-Atlantic RPS Working Group
2018). Die Komplikationsrate und die Gefahr einer möglichen Tumoraussaat sind bei einer Nadelbiopsie ausgesprochen gering. Der Informationsgewinn durch die histologische Sicherung kann jedoch für den Patienten in der Therapieplanung einen erheblichen Vorteil darstellen, so dass nur bei klaren Befunden mit primärer Indikation zur Operation auf eine Nadelbiopsie verzichtet werden sollte.
Therapie
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und der Komplexität der Behandlung sollte die Therapie in spezialisierten Zentren interdisziplinär geplant werden. Die einzig kurative Option stellt jedoch die komplette Resektion des Tumors mit allseits negativen Schnitträndern dar.
Auf eine prätherapeutische Histologiegewinnung sollte nur bei klaren Befunden mit primärer Indikation zur Operation verzichtet werden, da der Informationsgewinn durch die histologische Sicherung für den Patienten in der Therapieplanung einen erheblichen Vorteil darstellt. Methode der Wahl ist die perkutane oder endosonografische Feinnadelbiopsie, welche weitergehende immunhistochemisch und molekulare Untersuchungen erlaubt.
Wenn ein malignes Lymphom, ein Keimzelltumor oder eine sekundäre Metastasierung im Retroperitoneum ausgeschlossen werden konnte, so richtet sich die weitere Therapieplanung nach Ausdehnung, Metastasierung und Differenzierung des Primärbefundes.
Bei resektablen Tumoren sollte insbesondere bei retroperitonealen high grade-Tumoren die Möglichkeit einer neoadjuvanten Chemotherapie und/oder einer präoperativen oder intraoperativen
Strahlentherapie (IORT) in einer interdisziplinären Tumorkonferenz besprochen werden. Bei nicht resektablen Tumoren ist die weitere Therapiestrategie abhängig von der zugrundeliegenden Diagnose.
Operative Therapie
Die operative Entfernung des gesamten Tumors stellt traditionell den
Goldstandard in der kurativen Therapie von lokal begrenzten retroperitonealen Tumoren dar. Durch die frühere Detektion von teilweise asymptomatischen Patienten durch den vermehrten Einsatz von Ultraschall- und CT-Untersuchungen ist der Anteil der potenziell resektablen Tumoren deutlich gestiegen. Die Operation sollte dabei zeitnah erfolgen, um eine weitere Tumorausdehnung zu verhindern.
Eine sorgsame präoperative Planung ist essenziell. Eine Komplettierung der Ausbreitungsdiagnostik, eine ausreichende Darmvorbereitung und präoperativer Hydratation ist vor jedem Eingriff obligat. Je nach Organbeteiligung muss im Vorfeld ein interdisziplinäres Team zusammengestellt werden.
In mehreren multivarianten Analysen konnte eindrücklich gezeigt werden, dass die komplette Resektion des Tumors mit allseits negativen Schnitträndern das wichtigste Therapieziel darstellt. Weder die Tumorgröße noch die histologische Differenzierung oder das Patientenalter hatten signifikanten Einfluss auf das rezidivfreie und Gesamtüberleben (Anaya et al.
2009; Singer et al.
1995). Der Resektionsrand sollte mindestens 1 cm vom Tumor entfernt sein. Die Rate der kompletten Resektionen wird in der Literatur zwischen 38–78 % angegeben (Lewis et al.
1998).
Der klassische operative Zugangsweg erfolgt transperitoneal entweder durch eine Längslaparotomie in der Mittellinie oder durch einen Chevronschnitt, um einen möglichst sicheren Zugang zu den großen retroperitonealen Gefäßen zu gewährleisten. Ein retroperitonealer Zugangsweg sollte nur in Ausnahmefällen gewählt werden.
Intraoperativ ist es entscheidend, die Resektabilität des Tumors einzuschätzen. Der Tumor gilt in der Regel als nicht vollständig resektabel, wenn der Tumor bereits in die spinalen Foramina oder sogar ins Rückenmark eingebrochen ist. Eine vollständige operative Tumorentfernung bei multifokalem Tumorwachstum ist in der Regel ebenfalls nicht möglich.
Alle Organe, in die der Tumor eingebrochen ist, müssen intraoperativ en-bloc reseziert werden. Die Entfernung eines Organs ist dabei in bis zu 75 % der Operationen beschrieben. Die häufigste Organbeteiligung ist die Niere, so dass in bis zu 50 % der Fälle eine
Nephrektomie durchgeführt werden muss, obwohl eine Infiltration der Niere ausgesprochen selten ist. In Fällen von Darmbeteiligung (ca. 20 %) sollte das gesamte Darmsegment entfernt werden. Weitere Organmanifestationen sind Leber, Milz, Gallenblase, Pankreas, Magen und Zwerchfellanteile (Tab.
3). In Fällen einer Infiltration der großen retroperitonealen Gefäße müssen diese ggf. intraoperativ rekonstruiert werden. Eine Lymphknotendissektion ist bei makroskopisch unauffälligen Lymphknoten im Hinblick auf die onkologische Operation nicht notwendig, da sich bei retroperitonealen Tumoren eine lymphogene Metastasierung nicht findet (Schimmack et al.
2009).
Tab. 3
In der Literatur beschriebene Häufigkeiten der Resektion von Nachbarorganen bei Resektion von malignen retroperitonealen Tumoren
Niere | 32–56 % |
Kolon | 20–25 % |
Nebenniere | 18–20 % |
Milz | 10–15 % |
Große retroperitoneale Gefäße | 3–15 % |
Pankreas | 9–15 % |
Dünndarm | 6–9 % |
Magen | 3–6 % |
Die Mortalität des Eingriffes wird in der Literatur mit 2–7 % angegeben. Die Morbidität des Eingriffes liegt bei ca. 6–25 %. Die häufigsten Komplikationen sind Blutungen,
Wundheilungsstörungen, postoperative respiratorische Probleme, Darmatonie, intraabdominelle
Abszesse und die Ausbildung von enterokutanen Fisteln sowie Nervenschädigungen von Leitungsbahnen der unteren Extremität.
In mehreren Studien wurde die Durchführung einer aggressiveren operativen Technik mit intraoperativer Entfernung auch makroskopisch gesunder Nachbarorgane (Gronchi et al.
2009). Obwohl die Rate der Lokalrezidive durch dieses Verfahren gemindert wurde, zeigte sich keine Veränderung des Gesamtüberlebens bei deutlich erhöhter Morbidität, so dass eine aggressive Technik bisher nicht generell empfohlen wird.
Bei nicht resektablen Tumoren sollte sich die Therapie nach der Symptomatik der Patienten richten. Lediglich beim Liposarkom ist die partielle Resektion ein sinnvolles Vorgehen, da dieses zu keinen Fernmetastasen führt und durch Eindämmung des lokalen Prozesses eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit erreicht werden kann.
Die Lokalrezidivrate wird in der Literatur zwischen 37–82 % angegeben. Durch eine Re-Operation mit Resektion der Lokalrezidive konnte in Studien das Gesamtüberleben gesteigert werden. Das Risiko einen erneuten Tumorrückfall zu erleiden, bleibt jedoch auch nach chirurgischer Entfernung der Lokalrezidive hoch. Zur Therapieentscheidung kann die Wachstumsrate des Lokalrezidivs Hilfestellung leisten. Insbesondere Patienten mit einem geringen Tumorwachstum profitieren prognostisch von einer Tumorresektion.
Strahlentherapie
Die
Strahlentherapie wird bei Sarkomen der Extremitäten erfolgreich angewendet und ist deshalb auch in die Behandlung von retroperitonealen Tumoren übernommen worden. Die Strahlentherapie retroperitonealer Tumore
ist jedoch dadurch erschwert, dass es sich oftmals um großflächige Befunde handelt und strahlensensible Nachbarorgane geschont werden müssen.
Prinzipiell wird eine neoadjuvante, intraoperative und adjuvante
Strahlentherapie unterschieden, die oftmals auch in Kombination durchgeführt wird. Durch die relativ schlechte Studienlage aufgrund der geringen Patientenzahlen und diverser unterschiedlicher Studienprotokolle konnte bisher die Überlegenheit eines bestimmten Verfahrens jedoch nicht bewiesen werden. Insgesamt zeigte sich jedoch ein Vorteil des Gesamtüberlebens sowohl für die neoadjuvante als die adjuvante Strahlentherapie bei Sarkomen (Nussbaum et al.
2016).
Die präoperative
Strahlentherapie hat den Vorteil, dass strahlensensible Organe wie der Darm oftmals durch den Tumor aus dem Strahlenfeld verdrängt werden. Dadurch kann trotzt einer geringer gewählten Gesamtdosis lokal ein höherer Effekt erzielt werden. Die Praktikabilität der neoadjuvanten Strahlentherapie konnte in mehreren Studien gezeigt werden. Dabei kam es bei einer mittleren Dosis von 25–45 Gy zu keiner Akuttoxizität durch die Therapie und die bei Behandlung von Extremitäten gefürchteten
Wundheilungsstörungen traten in diesen Serien nicht auf (Jones et al.
2002; Pawlik et al.
2006). Die bisher berichteten Langzeitergebnisse nach präoperativer Bestrahlung sind günstiger als nach ausschließlich chirurgischer Behandlung, jedoch konnten diese Ergebnisse bisher noch nicht verifiziert werden.
Die intraoperative
Strahlentherapie (IORT)
bietet den Vorteil, dass eine hohe Einzeldosis bis 25 Gy verabreicht werden kann, ohne dass sensible Nachbarorgane ins Strahlenfeld geraten. Die Anwendung kann dabei sowohl als Brachytherapie als auch über eine externe Strahlenquelle erfolgen. In mehreren Studien konnte durch eine intraoperative Strahlentherapie eine signifikant erhöhte Tumorkontrolle und eine verminderte Anzahl an Lokalrezidiven bei jedoch ebenfalls deutlich vermehrter Toxizität erreicht werden (Gieschen et al. 2001).
Die Durchführung einer adjuvanten
Strahlentherapie wird kontrovers diskutiert. Während einige Untersuchungen darauf hinweisen, dass das rezidivfreie Überleben durch eine adjuvante Strahlentherapie verlängert werden kann, fanden andere Studien keinen signifikanten Unterschied. Bisher gibt es keine Studien, die eine verlängerte Überlebenszeit feststellen konnte. Es gibt jedoch Hinweise, dass eine adjuvante Therapie insbesondere bei high-grade Tumoren und bei positiven Schnitträndern einen positiven Effekt auf das rezidivfreie Überleben haben kann. Die Kurz- und Langzeittoxizitäten sind jedoch gegenüber einer präoperativen Bestrahlung erhöht, so dass die Anwendung eine Einzelfallentscheidung bleibt, die individuell mit dem Patienten besprochen werden sollte.
Medikamentöse Therapie
Weichteilsarkome des Retroperitoneums werden aufgrund der unspezifischen Symptomatik meist erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Die Anwendung der Chemotherapie erfolgt daher hauptsächlich bei nicht-resektablen oder bereits metastasierten Tumoren sowie beim Auftreten von Rezidiven. Eine optimale Behandlungsstrategie erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche bereits bei Diagnosestellung und sollte vorwiegend in klinischen Studien durchgeführt werden (Dumitra und Gronchi
2018).
Aufgrund der großen morphologischen Heterogenität bei insgesamt seltener Tumorentität gibt es bisher keine größeren prospektiven Studien, die gezielt nur retroperitoneale Sarkome eingeschlossen haben. Von diesen scheinen am ehesten endifferenzierte Liposarkome,
Leiomyosarkome und undifferenzierte pleomorphe Sarkome chemosensitiv zu sein (Almond et al.
2018). Die Substanzgruppe, für die die meisten Erfahrungen vorliegen, sind die Anthrazykline (Doxorubicin, Epirubicin). Die bisherigen Studienergebnisse zur adjuvanten Chemotherapie zeigten Ansprechraten der Monotherapie zwischen 16–36 %, was in den meisten Studien jedoch zu keiner Verlängerung des Gesamtüberlebens geführt hat. In
Metaanalysen aus den Jahren 2002 und 2008 konnte jedoch eine Reduktion von tumorassoziierten Todesfällen und Rezidiven durch die Anwendung von Doxorubicin-haltigen Therapieschemata gezeigt werden (Gilbeau et al.
2002; Pervaiz et al.
2008). Dies führte insgesamt zu einer Steigerung der Gesamtüberlebensrate von 4 %.
Bei metastasierten Tumoren ist Doxorubicin ebenfalls Mittel der Wahl und zeigt Ansprechraten von 20–25 %. Komplette Remissionen sind jedoch ausgesprochen selten. Das mittlere Überleben bei metastasierten Tumoren beträgt 7,7–12 Monate.
Neben Doxorubicin wurden Dacarbazine, Ifosfamid, Trophosphamid und Gemcitabin eingesetzt. Bei einzelnen Subentitäten sind auch Taxane wirksam. In mehreren Phase-III-Studien konnte jedoch keine Überlegenheit einer Kombinationstherapie gegenüber Doxorubicin nachgewiesen werden (Blum et al.
1993). Darüber hinaus zeigte eine
Metaanalyse von 8 randomisierten Studien (2281 Patienten), dass kein signifikanter Unterschied bezüglich der Ansprechrate und dem Gesamtüberleben zwischen Doxorubicin-Monotherapie und Doxorubicin-haltiger Kombinationstherapie besteht (Bramwell et al.
2000).
Als Zweitlinientherapiebei Versagen der Standardtherapien wird Ifosphamid eingesetzt. Auch durch die Kombination von Gemcitabine und Docetaxel konnten Ansprechraten von 53 % mit einer Rate von kompletten Remissionen von 10 % bei inoperablen
Leiomyosarkomen erreicht werden (Hensley et al.
2002). In der Drittlinientherapie wird häufig Trabectedin eingesetzt, das zu einer weiteren Verlängerung des progressionsfreien und Gesamtüberlebens (insbesondere bei Leiomyo- oder Liposarkom) führen kann (Fayette et al.
2010). Für DTIC sind nach dem Versagen von Anthrazyklinen/Ifosphamid Ansprechraten von 8–17 % beschrieben.
Nachsorge und Prognose
Aufgrund der hohen Anzahl an Rezidiven und der hohen Letalität der Erkrankung wird eine engmaschige Tumornachsorge empfohlen. Insbesondere bei Rezidiven ist die Zeit vom Auftreten des Rezidivs bis zur erneuten operativen Therapie der größte Prädiktor für das Gesamtüberleben (MacNeill et al.
2017; Raut et al.
2019). Die Durchführung eines CT-Thorax und Abdomens sowie eine vollständige Blutbildanalyse sollten alle 3–6 Monate für die ersten 2–3 Jahre erfolgen. Eine Verlängerung der Intervalle wird frühestens nach 3 Jahren erfolgen.
Die Gesamtüberlebensrate für Patienten mit retroperitonealen Sarkomen ist insgesamt gering. Das 2-, 5- und 10-Jahresüberleben liegt bei 56 %, 34 % und 18 %. Darüber hinaus nimmt die Überlebensrate bei Patienten mit multifokalem Wachstum noch einmal deutlich ab (Anaya et al.
2009). In neueren Studien wird eine 2-Jahresüberlebensrate von 70 % und eine 5-Jahresüberlebensrate von 50–60 % bei kompletter Resektion des Primärtumors angegeben. Darüber hinaus zeigen diese Studien, dass die Gesamtüberlebensrate insbesondere vom Grad der Differenzierung des Tumors und vom Einbruch des Tumors in Organsysteme abhängt (Fairweather et al.
2017). Low-grade Tumoren zeigen einen 50 % Überlebensvorteil gegenüber intermediate und high-grade Tumoren nach 5 Jahren (74 % gegenüber 24 %) und einen 30 % Überlebensvorteil nach 10 Jahren.