Skip to main content
Die Urologie
Info
Publiziert am: 09.02.2022

Retroperitoneale Tumoren

Verfasst von: Alexander Sascha Brandt, Daniel Goedde, Lars Kamper, Oliver Schmalz, Patrick Haage, Stephan Störkel und Stephan Roth
Primär retroperitoneale Tumoren sind seltene Tumorentitäten, die primär nicht von den retroperitoneal gelegenen Organsystemen ausgehen, sondern entweder neuraler, mesodermaler, lymphatischer oder embryonaler Herkunft sind. Die Mehrzahl dieser Tumorentitäten ist maligne. Während bei Lymphomen und Keimzelltumoren primär ein medikamentöser Ansatz gewählt wird, so steht insbesondere bei der kurativen Therapie der retroperitonealen Sarkome die komplette Resektion des Tumors im Vordergrund. Als eigenständige Erkrankung gilt die Retroperitoneale Fibrose (Morbus Ormond), die durch eine gutartige Vermehrung von Bindegewebe im Retroperitoneum gekennzeichnet ist und zu den seltenen Erkrankungen gezählt wird. Eine Beteiligung des Retroperitoneums ist ebenfalls bei seltenen Histiozytosen (Erdheim-Chester-Erkrankung) und Pannikulitiden (Weber-Christiansche-Erkrankung) beschrieben. Die Gemeinsamkeit der retroperitonealen Raumforderungen besteht in der Eigenschaft, dass diese häufig mit einer Beteiligung der Organe im Urogenitaltrakt und nicht selten mit einer Verdrängung der Ureteren und damit mit einer obstruktiven Uropathie einhergehen, weshalb der Urologe oftmals mit diesen Erkrankungen in Kontakt kommt. Nicht selten ergibt sich bei den Tumoren im Retroperitoneum in der weiteren Diagnostik jedoch eine seltene Diagnose, was eine interdisziplinäre Planung notwendig macht, da sich der Therapieansatz grundlegend ändert. Dieses Kapitel gibt eine Übersicht über primäre retroperitoneale Tumore, retroperitoneale Metastasen anderer Primärtumoren sowie seltene gutartige Erkrankungen mit Beteiligung des Retroperitoneums. Im Gegensatz zu anderen urologischen Lehrbüchern soll hier der Vollständigkeit wegen auch ein Überblick über die malignen Lymphome gegeben werden, insbesondere auch da Urologen oftmals im interdisziplinären Therapiekonzept dieser Erkrankungen integriert sind. Primär retroperitoneale Keimzelltumoren werden lediglich in der bildgebenden Diagnostik als wichtige Differenzialdiagnose ansonsten jedoch gesondert im Kapitel über Hodentumore beschrieben.

Primär retroperitoneale Tumoren

Epidemiologie und Ätiologie

Primär retroperitoneale Tumoren sind mit weniger als 0,5 % aller Tumorerkrankungen seltene Tumoren. Die Inzidenz liegt bei ca. 1–3/100.000 Patienten und die Mortalitätsrate bei ca. 0,6–0,8/100.000 Patienten pro Jahr (Leyvraz und Jelic 2005). In Deutschland werden ca. 2500 neue Weichteilsarkome pro Jahr diagnostiziert (Schimmack et al. 2009).
Die Mehrzahl der retroperitonealen Tumoren ist maligne, nur ca. 15–20 % sind gutartige Läsionen. Ca. 1/3 der Tumoren sind den Weichteilsarkomen zuzuordnen. Die anderen Tumorentitäten verteilen sich insbesondere auf maligne Lymphome und Keimzelltumoren. Ca. 10–20 % der Tumoren sind bereits bei Diagnosestellung metastasiert, wobei die primären Metastasen in Lunge und Leber gefunden werden. Bei multifokalem Tumorwachstum von retroperitonealen Sarkomen mit mehr als 7 Einzelherden spricht man von einer Sarkomatose.
Der Altersgipfel der Erkrankung liegt hauptsächlich zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Es besteht jedoch eine weite Altersspanne und die Geschlechtsverteilung ist ausgesprochen variabel. Während in Deutschland im Jahr 2000 mehr Frauen an retroperitonealen Tumoren erkrankten, waren in den USA mehr Männer betroffen.
Über die Entstehung insbesondere retroperitonealer Sarkome ist bisher nur wenig bekannt. Verschiedene genetische Syndrome wie die Neurofibromatose, die familiäre adenomatöse Polyposis und das Li-Fraumeni-Syndrom werden mit der Entstehung von retroperitonealen Sarkomen in Verbindung gebracht. Darüber hinaus ist die Entstehung eines Sarkoms in ca. 0,1 % der Patienten mit therapeutischer Strahlenexposition beschrieben. Das Sarkomrisiko steigt durch die Strahlenexposition ca. um den Faktor 50 an. Neben genetischen und radiogenen Ursachen werden insbesondere eine Toxinexposition gegenüber Pestiziden, Herbiziden, Vinylchlorid und alkylierenden Substanzen als mögliche Auslöser beschrieben.

Pathologie und Klassifikation

Zu den retroperitonealen Tumoren werden, neben Karzinommetastasen und Lymphomen, benigne und maligne mesenchymale Tumore sowie entzündliche Pseudotumore gerechnet. Hierbei ist allein die Gruppe der Sarkome, welche nur ca. 1 % aller Malignome des Menschen ausmachen und in ca. 70 Entitäten und Subtypen unterteilt wird, aus pathologischer Sicht sehr heterogen und diagnostisch schwer zu charakterisieren. Retroperitoneale Sarkome werden nach der WHO klassifiziert, wobei die derzeit gültige Klassifikation aus 2002 neben der histologischen Evaluation der mesenchymalen Ursprungszelle zusätzlich auf immunhistochemischen und molekularen Analysen basiert.
An dieser Stelle sei, für eine vollständige Übersicht der mesenchymalen Tumoren, auf die entsprechende pathologische Fachliteratur, z. B. „Soft Tissue Tumors“ von Enzinger & Weiss, verwiesen.
Die korrekte histopathologische Diagnose der retroperitonealen Proliferation ist für die onkologische Therapie, einerseits für die Operation mit vollständiger Tumorresektion, andererseits für eine neo- oder adjuvante Radio- Chemotherapie, essenziell. Neben der laparoskopischen besteht hier auch die Möglichkeit der stanzbioptischen Probengewinnung für die morphologische Diagnostik, die durch immunhistochemische und molekulargenetische Untersuchungen ergänzt wird. Bei stanzbioptisch gewonnenem Gewebe ist jedoch, neben der Frage der Repräsentativität, die Gewebemenge limitierend für die Vielzahl der notwendigen Untersuchungen. Eine Aussage im Hinblick auf die Tumorart (mesenchymaler Tumor vs. entzündlicher Pseudotumor vs. Lymphom vs. Karzinommetastase.) ist in der Regel jedoch möglich, wenngleich eine exakte histopathologische Zuordnung mesenchymaler Tumore erst am Resektat möglich sein kann. Da es sich gerade bei mesenchymalen Tumoren um seltene Entitäten handelt, ist es ggfs. ratsam, bei der Diagnostik ein Referenzzentrum hinzu zu ziehen.
In einer prätherapeutischen interdisziplinären Tumorkonferenz unter Beteiligung der involvierten Fachdiziplinen sollte das Vorgehen für Diagnose und Therapie festgelegt werden.
Tumore des Retroperitoneums
Eine Übersicht über die primären Tumoren des Retroperitoneums gibt Tab. 1.
Tab. 1
Primäre und sekundäre Tumore des Retroperitoneums
Mesenchymale Tumore des Retroperitoneums
Gutartig
Bösartig
Lipom
Liposarkom
Fibrom
Fibrosarkom
Lymphangiom
Myxom
Myxosarkom
Hämangiom
Malignes Hämangioperizytom
Neurofibrom, Schwannom, Ganglioneurom, Ganglioneuroblastom
Maligner peripherer Nervenscheidentumor, Neuroblastom
 
Undifferenziertes Sarkom NOS
(sog. malignes fibröses Histiozytom)
 
Rhabdomyosarkom
Nicht-mesenchymale Tumore des Retroperitoneums
Gutartig
Bösartig
Extra-gastrointestinaler Stromatumor*
Malignes Paragangliom
Xanthogranulome
 
 
Chordome
 
Fibromatosen
 
 
Lymphome
Sekundäre Tumore des Retroperitoneums/Metastasen
Häufige Lokalisation des Primarius: Zervix, Kolon, Prostata, Harnblase
Seltene Lokalisation des Primarius: Pankreas, Ovar, Uterus, Magen, Mamma, Lunge, Hoden
*neben einem gutartigem biologischen Verhalten wird in der Literatur auch ein intermediäres und malignes biologische Potenzial beschrieben
Als häufigster mesenchymaler Tumor des Retroperitoneums wird in der Literatur das Liposarkom (ca. 42 %) beschreiben, gefolgt vom Leiomyosarkom (ca. 23 %) wohingegen Fibrosarkome (ca. 8 %), Sarkome NOS – ehemals maligne fibröse Histiozytome (ca. 7 %), Hämangioperizytome (ca. 4 %), maligne periphere Nervenscheidentumoren (ca. 3 %) und andere (zusammen ca. 13 %) seltenere Sarkomentitäten darstellen.
Lipome und Liposarkome
Lipome sind uniforme Proliferationen reifen Fettgewebes und die häufigsten mesenchymalen Tumore des Menschen, wobei sie im Retroperitoneum selten auftreten. Sie kommen bevorzugt zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr sowohl im oberflächlichen als auch im tiefen Gewebe vor. Von den zahlreichen benignen Entitäten finden sich insbesondere das Lipoblastom bei Kindern sowie das Myolipom beim Erwachsenen im Retroperitoneum. Histologisch weist das Myolipom neben Fettgewebe zusätzlich auch eingelagerte glatte Muskelzellen auf. Eine Dedifferenzierung in ein high grade Sarkom wurde bislang für diesen Lipomsubtyp nicht beschrieben.
Liposarkome bestehen aus atypischen Adipozyten und Lipoblasten auf und können aufgrund ihres morphologischen Erscheinungsbildes in 4 histologische Subtypen unterteilt werden: Hoch differenzierte Liposarkome (syn. atypischer lipomatöser Tumor) (Abb. 1a), dedifferenzierte Liposarkome (Abb. 1b), myxoide Liposarkome und rundzellige Liposarkome. Obwohl gut differenzierte und dedifferenzierte Liposarkome sowohl morphologische als auch genetische Charakteristika teilen, zeigen sie ein unterschiedliches biologisches Verhalten. Während gut differenzierte Liposarkome in der Regel keinen Übergang in einen high-grade Sarkome zeigen, rezidivieren dedifferenzierte Liposarkome teils multifokal und erzeugen Fernmetastasen. Diese Gegensätze unterstützen die Theorie, dass es sich hierbei um zwei unterschiedliche Erkrankungen handelt, welche jeweils einen eigenen Therapieansatz bedürfen (Lahat et al. 2008).
Mittels molekulargenetischer Untersuchungen, z. B. mittels real-time PCR als Methode der Wahl oder Fluoreszenz in situ Hybridisierung, kann ein myxoides Liposarkom über eine Translokation (t12,16)(q13;p11), welche in über 90 % der Fälle auftritt und zu einer Fusion der CHOP- (DDIT3) und FUS- (TLS) Gene führt, sicher diagnostiziert werden.
Leiomyome und Leiomyosarkome
Leiomyome (Abb. 2a) des Retroperitoneums treten fast ausschließlich bei Frauen in der Perimenopause auf. Es ist davon auszugehen, dass diese Tumoren aus hormonsensitiven, proliferationsinaktiven und atypiefreien glatten Muskelzellen aufgebaut werden, da sich immunhistochemisch eine Expression von Östrogen- und Progesteronrezeptoren nachweisen lässt. Diese gut umschriebenen Tumore können, aufgrund ihrer Lokalisation, bereits bei der Diagnose eine signifikante Größe erreicht haben, welche neben Schmerzen für die klinische Symptomatik verantwortlich ist. Wie auch Leiomyome des Uterus können sie regressive Veränderungen wie eine zystische Degeneration und Blutungen zeigen. Ätiologisch muss diskutiert werden ob retroperitoneale Leiomyome iatrogen nach Hysterektomie oder laparoskopische Operation induziert werden.
Leiomyosarkome (Abb. 2b) treten im Retroperitoneum sowie im Becken bei Frauen zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr am häufigsten auf und werden aus in Faszikeln angeordneten glatten atypischen Muskelzellen aufgebaut. Vaskuläre Leiomyosarkome, welche eine Assoziation mit Blutgefäßen zeigen (in ca. 7 %), haben eine verkürztes mittleres und metastasenfreies Überleben (2.1 Jahre bzw. 0.25 Jahre) im Vergleich mit Leiomyosarkomen anderen Ursprungs (7.0 Jahre bzw. 9.6 Jahre) (Italiano et al. 2010).
Fibrosarkom
Das Fibrosarkom zeigt ein typisches fischgrätenartiges Wuchsmuster, wohingegen zytologische und immunhistochemische Charakteristika der atypischen Fibroblasten, die es gegen andere Sarkome sicher abgrenzen, fehlen. Obwohl Fibrosarkome in allen Körperregionen auftreten können, kommen sie im Retroperitoneum eher selten vor. Neben dem klassischen/adulten Typ werden noch das juvenile Fibrosarkom mit günstiger Prognose als auch der sklerosierende epitheloide und der myxoide Subtyp unterschieden.
Undifferenzierte Sarkome NOS (Malignes fibröses Histiozytom)
Der Begriff/das Synonym des malignen fibrösen Histiozytoms ist heute obsolet, stattdessen werden diese Tumore heute als undifferenzierte Sarkome (NOS) bezeichnet, da sie weder histologisch oder immunhistochemisch eine Liniendifferenzierung aufweisen. Diese Sarkome zeigen eine storiforme-pleomorphe Wuchsform mit anaplastischen, bizarren und teils multinukleären Tumorzellen.
Rhabdomyosarkom
Das sich aus quer gestreiften Muskelzellen sich entwickelnde Rhabdomyosarkom ist das häufigste Sarkom bei Kindern und Jugendlichen, zählt bei den retroperitonealen Sarkomen jedoch zu den seltenen Entitäten. Ca. 50– 60 % der retroperitonealen Rhabdomyosarkome gehören zum embryonalen Subtyp neben alveolären, pleomorphen und anderen Subtypen. Die Diagnose eines alveolären Rhabdomyosarkoms kann über spezifische Translokation (t(2;13)(q35;q14) oder t(1;13)(p36;q14)), welche zu einem Fusionsprotein PAX3/FKHR bzw. PAX7/FKHR führt molekulargenetisch gesichert werden.
Hämangioperizytom
Hämangioperizytome, welche von der WHO dem solitären fibrösen Tumor gleichgestellt werden, gehören zu den seltenen vaskulären Tumoren und treten in ca. 25 % im Retroperitoneum auf. Zumeist handelt es sich um gutartige vaskuläre Tumore wobei auch Tumore mit unsicherem malignem Potenzial sowie maligne Formen, welche in ca. 15–20 % metastasieren, in der Literatur beschrieben werden. Als Kriterien für die Dignität werden der Grad der zellulären Atypie, der Zellreichtum, Nekrosen und die mitotische Aktivität herangezogen.
Inflammatorischer myofibroblastärer Tumor/Entzündlicher Pseudotumor
Zu den entzündlichen Pseudotumoren werden mehrere Läsionen unterschiedlicher Ätiologie, wie z. B. reparative und postoperative Entzündungsprozesse, mykobakterielle Infektionen und der inflammatorische myofibroblastäre Tumor gezählt. Gemeinsam ist diesen Entitäten, dass sie aus Entzündungszellen und zytologisch monomorphen Spindelzellen in einem myxoiden oder hyalinen Stroma gebildet werden. Erst der zusätzliche Nachweis, z. B. mykobakterieller DNA bei einer tumorbildenden Mykobakteriose oder der Translokation t(2,19)(p23;p13.1) beim inflammatorischen myofibroblstären Tumor sichert dann die Diagnose. Differenzialdiagnostisch ist bei entzündlichen Pseudotumoren im Retroperitoneum neben Sarkomen auch an eine Histiozytose oder dem M. Ormond zu denken.
Bemerkungen zum Staging und Grading sowie zur Prognose
Für die Graduierung von Weichteiltumoren hat sich neben dem Grading-System des National Cancer Insitutes (NCI) insbesondere das Grading-System nach Coindre des FNCLCC (Fédération Nationale de Centres de Luette Contre le Cancer) etabliert. Beide Systeme kombinieren die Quantifizierung von Mitoserate und Tumornekrose mit der histologischen Tumordifferenzierung zu einer Punktescore, nach dem der Differenzierungsgrad vergeben wird. Dieses Grading kann jedoch nur verlässlich am Resektat und nicht an der diagnostischen Stanze erhoben werden. Welche Bedeutung die Mitoserate für die Graduierung aufweist, zeigt sich daran, dass sich die Überlebensrate umgekehrt proportional zur mitotischen Aktivität verhält.
Ein weiterer wichtiger prognostischer Faktor retroperitonealer Tumore ist beim Staging der makroskopisch und mikroskopisch tumorfreie Resektionsrand. Eine makroskopisch vollständige Exzision ist mit einer geringeren lokalen Rezidivrate und Fernmetastasierung verbunden sowie einer günstigeren Prognose. Zudem ist der mikroskopisch tumorfreiere Resektionsstatus ein positiver Prädiktor für ein längeres tumorfreies Intervall, wobei die lokale Rezidivrate hiervon nicht beeinflusst wird. Weiterhin weisen retroperitoneale Sarkome, trotz ihres makroskopisch plump-invasiv imponierenden Wachstums, häufig eine Infiltration viszeraler Organe auf. Das infiltrative Wuchsmuster von high-grade Sarkomen kann auch bei gut differenzierten Sarkomen (z. B. dem Liposarkom) gefunden und muss bei der Resektion bedacht werden.
In der Regel wird die Prognose bei retroperitonealen Sarkomen mit wenigen Ausnahmen durch den Differenzierungsgrad unabhängig vom histologischen Typ bestimmt. Nur bei wenigen Sarkomen ist der histologische Subtyp zusätzlich prognosebestimmend. Hierzu zählen z. B. das Liposarkom als Beispiel für ein Sarkom mit guter Prognose sowie das Rundzellsarkom als Beispiel für ein Sarkom mit sehr schlechter Prognose. Einzelne seltene Sarkome, wie z. B. das Klarzellsarkom, können nicht graduiert werden.

Diagnostik

Da sowohl maligne Lymphome als Keimzelltumoren im Retroperitoneum auftreten können, sollte zur Diagnostik immer eine umfassende Anamnese zu Lymphom-assoziierten Symptomen (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust) erfolgen. Insbesondere bei jungen Männern wird darüber hinaus eine Palpation und Ultraschalluntersuchung der Hoden dringend empfohlen.
Die radiologische Diagnostik primär retroperitonealer Tumore hat ihren Stellenwert bei der Beurteilung des Ursprungsgewebes und des Ursprungsorgans. Mittels Schnittbildgebung kann die Tumorgröße und Ausdehnung bestimmt und die Möglichkeit einer Tumorresektion beurteilt werden. Die radiologischen Befunde der verschiedenen Tumorentitäten sind dabei oft unspezifisch. Charakteristische Tumormerkmale wie z. B. die Ausbreitung, Begrenzung, Vaskularisation und Gewebszusammensetzung erlauben dennoch eine differenzialdiagnostische Eingrenzung, bereits vor der definitiven histologischen Diagnose (Tab. 2) (Nishino et al. 2003). Die Computertomografie ist hierbei das am häufigsten eingesetzte Verfahren, mittels MRT und PET-CT ist eine weitere Einordnung möglich.
Tab. 2
Radiologische Merkmale retroperitonealer Tumore
Charakteristikum
Mögliche Tumorentität
Homogen lipomatös
• Gut-differenziertes Liposarkom (irreguläre, solide Septen mit Kontrastmittelaufnahme),
• Lipom (selten)
Heterogen lipomatös
• Entdifferenziertes Liposarkom
• Angiomyolipom (Gefäßreichtum und Hämorrhagien)
• Teratom (Zystische Tumore mit Fett und Verkalkungen oder Zähnen, sowie Fett-Flüssigkeitsspiegel)
Myxoid
• Myxoides Liposarkom,
• Neurogene Tumore,
• Myxoides malignes fibröses Histiozytom
Nekrosen
Leiomyosarkom (Bei großer Tumormasse zum Teil ausgeprägte Nekrosen und Gefäßinfiltration);
• Non-Seminom
Ausbreitung zwischen normalen Strukturen
Paragangliom/Ganglioneurom (Ausbreitung entlang des Sympathischen Grenzstranges).
• Lymphom (Verlagerung von Aorta und Vena cava nach ventral sowie paravaskuläres Weichteilgewebe (ggf. floating Aorta)
Kontrastmittel-Aufnahme
• Paragangliom/Hämangioperizytome (starkes Enhancement)
• Maligne fibröse Histiozytom, Leiomyosarkom und andere Sarkome (moderates Enhancement)
• Lymphom, gut differenziertes Liposarkom und gutartige Tumore (geringes Enhancement)
Verkalkungen
• Teratom
• Malignes fibröses Histiozytom,
• Entdifferenziertes Liposarkom und
• Osteosarkommetastasen
Eine histologische Sicherung mittels ct-gesteuerter Feinnadelbiopsie sollte bei allen unklaren Tumoren und vor Einleitung einer Chemo- oder Strahlentherapie erfolgen. Die Trans-Atlantic RPS Working Group (TARPSWG), eine transatlantische Zusammenarbeit von spezialisierten Sarkom-Zentren, betont in Ihren Konsensus-Leitlinien die Wichtigkeit der histologischen Sicherung vor Einleitung einer Therapie (Trans-Atlantic RPS Working Group 2018). Die Komplikationsrate und die Gefahr einer möglichen Tumoraussaat sind bei einer Nadelbiopsie ausgesprochen gering. Der Informationsgewinn durch die histologische Sicherung kann jedoch für den Patienten in der Therapieplanung einen erheblichen Vorteil darstellen, so dass nur bei klaren Befunden mit primärer Indikation zur Operation auf eine Nadelbiopsie verzichtet werden sollte.
Liposarkome
Das gut-differenzierte Liposarkom stellt sich im CT als überwiegend hypodense, fett-isodense Raumforderung dar (Abb. 3a). Auch im MRT zeigt sich ein fett-isointenses Verhalten mit hohem T1 und intermediärem T2-Signal mit entsprechendem Signalverlust in fettunterdrückten Sequenzen (Rajiah et al. 2011). Das gut-differenzierte Liposarkom ist teilweise nur schwierig von einem gutartigen Lipom zu differenzieren. Häufig finden sich aber dickere, irreguläre Septen und noduläre Verdichtungen mit auffälliger Kontrastaufnahme im CT und MRT, die beim vergleichsweise selteneren Lipom nicht zu finden sind (Craig et al. 2009). Bei den gut differenzierten Liposarkomen finden sich im Normalfall keine Metastasen, sie neigen aber zu Rezidiven. Ein Liposarkom kann multifokal rezidivieren und im CT höhere Dichtewerte im Vergleich zum normalen retroperitonealen Fettgewebe zeigen. Selten kann es zu einer Entdifferenzierung der Liposarkome mit insgesamt schlechterer Prognose kommen.
Entdifferenzierte Liposarkome stellen sich in der Bildgebung als inhomogene Raumforderung mit Fett- und soliden Tumoranteilen dar (Abb. 3b). Lokale Lymphknotenmetastasen finden sich in weniger als 10 % der Fälle. Fernmetastasen werden in Leber und Lunge beobachtet. Die Höhe der FDG Aufnahme im PET korreliert mit dem histologischen Subtyp, wobei das gut differenzierte Liposarkom die geringste FDG-Aufnahme zeigt (Brenner et al. 2006). Eine höhere FDG-Aufnahme soll mit einem entsprechend kürzeren rezidivfreien Intervall und vermehrten Metastasierung assoziiert sein.
Leiomyosarkome
Das Leiomyosarkom entsteht aus retroperitonealen glatten Muskelzellen aus Blutgefäßen oder Überbleibseln des Wolff’schen Ganges und kann bei Diagnosestellung eine beachtliche Größe erreichen. Überwiegend finden sich extravaskuläre Manifestationen, allerdings sind auch intravaskuläre und Mischformen möglich. Ein Leiomyosarkom der Vena cava hat üblicherweise einen großen extravaskulären Anteil, wodurch die Differenzierung von einem anderen Malignom mit sekundärer kavaler Infiltration erschwert wird. Die radiologischen Befunde sind abhängig von der Tumorgröße, während kleine Tumore als homogene, solide Raumforderungen auffallen (Abb. 4a), werden bei größeren Tumoren (>10 cm) häufig große Nekrosen, Hämorrhagien und zystische Areale beobachtet (Abb. 4b). Verkalkungen entstehen allerdings nur sehr selten. Weitere Befunde wie z. B. Thrombosen, Umgehungskreisläufe oder Gefäßdilatationen entstehen durch die vaskuläre Obstruktion. In späten Tumorstadien kann es zu lymphogenen, hepatischen und pulmonalen Metastasen kommen (Rajiah et al. 2011).
Undifferenzierte Sarkome NOS (Maligne fibröse Histiozytome)
Das undifferenzierte Sarkom NOS entwickelt sich aus primitiven mesenchymalen Zellen und weist keine Ausdifferenzierung im Sinne eines Liposarkoms, Leiomyosarkoms oder Angiosarkoms auf. Bei insgesamt schlechter Prognose finden sich häufig pulmonale Metastasen. Die radiologischen Befunde sind unspezifisch. Üblicherweise zeigt sich eine große inhomogene Raumforderung mit infiltrativem Wachstum und inhomogener Kontrastmittelaufnahme. Gelegentlich auftretende Verkalkungen können die Abgrenzung zum Leiomyosarkom erleichtern (Rajiah et al. 2011).
Neurogene Tumore
Im Vergleich zu den mesenchymalen Tumoren sind die neurogenen Tumore häufiger benigne und haben eine entsprechend bessere Prognose. Radiologisch finden sich die neurogenen Tumore als Schwannom (synonym: Neurinom) oder Neurofibrom paravertebral im Bereich der Neuroforamina (Abb. 5), als Paragangliom oder Ganglioneurinom entlang des sympathischen Grenzstranges oder im Falle des Phäochromozytoms innerhalb des Nebennierenmarkes.
Keimzelltumore
Die radiologische Differenzierung von primär extragonadalen Keimzelltumoren zu einer primär gonadalen Läsion ist teilweise erschwert, da diese in bis zu 30 % retroperitoneale Lymphknotenmetstasen zeigen. Eine streng in der Mittellinie liegende Raumforderung ist eher verdächtig auf einen primär extragonadalen Keimzelltumor im Vergleich zu einer Metastase. Die radiologischen Befunde sind überwiegend unspezifisch. Das Seminom stellt sich als scharf abgrenzbare, lobulierte und solide Raumforderung dar (Abb. 6). Gelegentlich finden sich gesprenkelte Kalzifizierungen. Im MRT zeigen sich hypointense Septierungen auf den T2-gewichteten Bildern (Abb. 7a) mit nachweisbarer Kontrastmittelaufnahme in T1-gewichteten Bildern (Abb. 7b). Nicht-Seminome werden als heterogene Tumore mit Einblutungen, Nekrosen und heterogener Kontrastmittelaufnahme und infiltrativem Wachstum abgebildet.
Teratome stellen sich in der Bildgebung überwiegend zystisch dar. Dabei zeigen sich häufig Fett-Flüssigkeitsspiegel, klar abgrenzbare Kalzifikationen und ggf. Zähne (Abb. 8a). Innerhalb der Zysten zeigen sich in bis zu 80 % solide villiforme Komponenten, die als Rokitansky-Vorwölbung (Abb. 8b) bezeichnet werden. Für reife Teratome werden Malignitätsraten von 2–3 % beschrieben. Die malignen Formen zeigen dann irreguläre Begrenzungen und eine Infiltration der Nachbarorgane (Rajiah et al. 2011).
Lymphome
Non-Hodgkin-Lymphome zeigen in bis zu 55 % einen Befall der retroperitonealen Lymphknoten, wobei beim Hodgkin-Lymphom in etwa 25 % eine retroperitoneale Manifestation beschrieben ist (Tateishi et al. 2010). Im CT zeigt sich das Lymphom als gut abgrenzbare, homogene Raumforderung mit geringer Kontrastmittelaufnahme, die die normalen retroperitonealen Strukturen ummauert und verlagert, aber nicht infiltriert. Die großen Gefäße können verlagert werden, was den Eindruck der sogenannten „floating Aorta“ vermittelt (Abb. 9).
Auf T1-gewichteten MRT Aufnahmen wird ein Lymphom als muskelisointense Raumforderung mit Kontrastmittelaufnahme abgebildet (Abb. 10a) und auf T2-gewichteten Aufnahmen (Abb. 10b) zeigt sich ein moderates Signal. Zusätzlich kann die eine eventuelle Obstruktion der Ureteren und der Vena cava mit konsekutiver Thrombosierung diagnostiziert werden. Im PET zeigt sich eine hohe FDG Aufnahme im vitalen Tumorgewebe und keine Aufnahme in posttherapeutischen, narbigen Residuen. Aufgrund der funktionellen Aussage können ein Therapieansprechen oder die Notwendigkeit einer weiteren Therapie mittels PET häufig besser beurteilt werden (Hutchings und Barrington 2009).
Differenzialdiagnosen
Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen retroperitonealer Sarkome zählen sowohl gutartige mesenchymale Tumore bzw. solche mit einer intermediären Malignität als auch reaktive proliferative Läsionen, Fibromatosen, Histiozytosen und lymphoproliferative Erkrankungen.

Therapie

Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und der Komplexität der Behandlung sollte die Therapie in spezialisierten Zentren interdisziplinär geplant werden. Die einzig kurative Option stellt jedoch die komplette Resektion des Tumors mit allseits negativen Schnitträndern dar.
Auf eine prätherapeutische Histologiegewinnung sollte nur bei klaren Befunden mit primärer Indikation zur Operation verzichtet werden, da der Informationsgewinn durch die histologische Sicherung für den Patienten in der Therapieplanung einen erheblichen Vorteil darstellt. Methode der Wahl ist die perkutane oder endosonografische Feinnadelbiopsie, welche weitergehende immunhistochemisch und molekulare Untersuchungen erlaubt.
Wenn ein malignes Lymphom, ein Keimzelltumor oder eine sekundäre Metastasierung im Retroperitoneum ausgeschlossen werden konnte, so richtet sich die weitere Therapieplanung nach Ausdehnung, Metastasierung und Differenzierung des Primärbefundes.
Bei resektablen Tumoren sollte insbesondere bei retroperitonealen high grade-Tumoren die Möglichkeit einer neoadjuvanten Chemotherapie und/oder einer präoperativen oder intraoperativen Strahlentherapie (IORT) in einer interdisziplinären Tumorkonferenz besprochen werden. Bei nicht resektablen Tumoren ist die weitere Therapiestrategie abhängig von der zugrundeliegenden Diagnose.

Operative Therapie

Die operative Entfernung des gesamten Tumors stellt traditionell den Goldstandard in der kurativen Therapie von lokal begrenzten retroperitonealen Tumoren dar. Durch die frühere Detektion von teilweise asymptomatischen Patienten durch den vermehrten Einsatz von Ultraschall- und CT-Untersuchungen ist der Anteil der potenziell resektablen Tumoren deutlich gestiegen. Die Operation sollte dabei zeitnah erfolgen, um eine weitere Tumorausdehnung zu verhindern.
Eine sorgsame präoperative Planung ist essenziell. Eine Komplettierung der Ausbreitungsdiagnostik, eine ausreichende Darmvorbereitung und präoperativer Hydratation ist vor jedem Eingriff obligat. Je nach Organbeteiligung muss im Vorfeld ein interdisziplinäres Team zusammengestellt werden.
In mehreren multivarianten Analysen konnte eindrücklich gezeigt werden, dass die komplette Resektion des Tumors mit allseits negativen Schnitträndern das wichtigste Therapieziel darstellt. Weder die Tumorgröße noch die histologische Differenzierung oder das Patientenalter hatten signifikanten Einfluss auf das rezidivfreie und Gesamtüberleben (Anaya et al. 2009; Singer et al. 1995). Der Resektionsrand sollte mindestens 1 cm vom Tumor entfernt sein. Die Rate der kompletten Resektionen wird in der Literatur zwischen 38–78 % angegeben (Lewis et al. 1998).
Der klassische operative Zugangsweg erfolgt transperitoneal entweder durch eine Längslaparotomie in der Mittellinie oder durch einen Chevronschnitt, um einen möglichst sicheren Zugang zu den großen retroperitonealen Gefäßen zu gewährleisten. Ein retroperitonealer Zugangsweg sollte nur in Ausnahmefällen gewählt werden.
Intraoperativ ist es entscheidend, die Resektabilität des Tumors einzuschätzen. Der Tumor gilt in der Regel als nicht vollständig resektabel, wenn der Tumor bereits in die spinalen Foramina oder sogar ins Rückenmark eingebrochen ist. Eine vollständige operative Tumorentfernung bei multifokalem Tumorwachstum ist in der Regel ebenfalls nicht möglich.
Alle Organe, in die der Tumor eingebrochen ist, müssen intraoperativ en-bloc reseziert werden. Die Entfernung eines Organs ist dabei in bis zu 75 % der Operationen beschrieben. Die häufigste Organbeteiligung ist die Niere, so dass in bis zu 50 % der Fälle eine Nephrektomie durchgeführt werden muss, obwohl eine Infiltration der Niere ausgesprochen selten ist. In Fällen von Darmbeteiligung (ca. 20 %) sollte das gesamte Darmsegment entfernt werden. Weitere Organmanifestationen sind Leber, Milz, Gallenblase, Pankreas, Magen und Zwerchfellanteile (Tab. 3). In Fällen einer Infiltration der großen retroperitonealen Gefäße müssen diese ggf. intraoperativ rekonstruiert werden. Eine Lymphknotendissektion ist bei makroskopisch unauffälligen Lymphknoten im Hinblick auf die onkologische Operation nicht notwendig, da sich bei retroperitonealen Tumoren eine lymphogene Metastasierung nicht findet (Schimmack et al. 2009).
Tab. 3
In der Literatur beschriebene Häufigkeiten der Resektion von Nachbarorganen bei Resektion von malignen retroperitonealen Tumoren
Organ
Häufigkeit
Niere
32–56 %
Kolon
20–25 %
Nebenniere
18–20 %
Milz
10–15 %
Große retroperitoneale Gefäße
3–15 %
Pankreas
9–15 %
Dünndarm
6–9 %
Magen
3–6 %
Die Mortalität des Eingriffes wird in der Literatur mit 2–7 % angegeben. Die Morbidität des Eingriffes liegt bei ca. 6–25 %. Die häufigsten Komplikationen sind Blutungen, Wundheilungsstörungen, postoperative respiratorische Probleme, Darmatonie, intraabdominelle Abszesse und die Ausbildung von enterokutanen Fisteln sowie Nervenschädigungen von Leitungsbahnen der unteren Extremität.
In mehreren Studien wurde die Durchführung einer aggressiveren operativen Technik mit intraoperativer Entfernung auch makroskopisch gesunder Nachbarorgane (Gronchi et al. 2009). Obwohl die Rate der Lokalrezidive durch dieses Verfahren gemindert wurde, zeigte sich keine Veränderung des Gesamtüberlebens bei deutlich erhöhter Morbidität, so dass eine aggressive Technik bisher nicht generell empfohlen wird.
Bei nicht resektablen Tumoren sollte sich die Therapie nach der Symptomatik der Patienten richten. Lediglich beim Liposarkom ist die partielle Resektion ein sinnvolles Vorgehen, da dieses zu keinen Fernmetastasen führt und durch Eindämmung des lokalen Prozesses eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit erreicht werden kann.
Die Lokalrezidivrate wird in der Literatur zwischen 37–82 % angegeben. Durch eine Re-Operation mit Resektion der Lokalrezidive konnte in Studien das Gesamtüberleben gesteigert werden. Das Risiko einen erneuten Tumorrückfall zu erleiden, bleibt jedoch auch nach chirurgischer Entfernung der Lokalrezidive hoch. Zur Therapieentscheidung kann die Wachstumsrate des Lokalrezidivs Hilfestellung leisten. Insbesondere Patienten mit einem geringen Tumorwachstum profitieren prognostisch von einer Tumorresektion.

Strahlentherapie

Die Strahlentherapie wird bei Sarkomen der Extremitäten erfolgreich angewendet und ist deshalb auch in die Behandlung von retroperitonealen Tumoren übernommen worden. Die Strahlentherapie retroperitonealer Tumore ist jedoch dadurch erschwert, dass es sich oftmals um großflächige Befunde handelt und strahlensensible Nachbarorgane geschont werden müssen.
Prinzipiell wird eine neoadjuvante, intraoperative und adjuvante Strahlentherapie unterschieden, die oftmals auch in Kombination durchgeführt wird. Durch die relativ schlechte Studienlage aufgrund der geringen Patientenzahlen und diverser unterschiedlicher Studienprotokolle konnte bisher die Überlegenheit eines bestimmten Verfahrens jedoch nicht bewiesen werden. Insgesamt zeigte sich jedoch ein Vorteil des Gesamtüberlebens sowohl für die neoadjuvante als die adjuvante Strahlentherapie bei Sarkomen (Nussbaum et al. 2016).
Die präoperative Strahlentherapie hat den Vorteil, dass strahlensensible Organe wie der Darm oftmals durch den Tumor aus dem Strahlenfeld verdrängt werden. Dadurch kann trotzt einer geringer gewählten Gesamtdosis lokal ein höherer Effekt erzielt werden. Die Praktikabilität der neoadjuvanten Strahlentherapie konnte in mehreren Studien gezeigt werden. Dabei kam es bei einer mittleren Dosis von 25–45 Gy zu keiner Akuttoxizität durch die Therapie und die bei Behandlung von Extremitäten gefürchteten Wundheilungsstörungen traten in diesen Serien nicht auf (Jones et al. 2002; Pawlik et al. 2006). Die bisher berichteten Langzeitergebnisse nach präoperativer Bestrahlung sind günstiger als nach ausschließlich chirurgischer Behandlung, jedoch konnten diese Ergebnisse bisher noch nicht verifiziert werden.
Die intraoperative Strahlentherapie (IORT) bietet den Vorteil, dass eine hohe Einzeldosis bis 25 Gy verabreicht werden kann, ohne dass sensible Nachbarorgane ins Strahlenfeld geraten. Die Anwendung kann dabei sowohl als Brachytherapie als auch über eine externe Strahlenquelle erfolgen. In mehreren Studien konnte durch eine intraoperative Strahlentherapie eine signifikant erhöhte Tumorkontrolle und eine verminderte Anzahl an Lokalrezidiven bei jedoch ebenfalls deutlich vermehrter Toxizität erreicht werden (Gieschen et al. 2001).
Die Durchführung einer adjuvanten Strahlentherapie wird kontrovers diskutiert. Während einige Untersuchungen darauf hinweisen, dass das rezidivfreie Überleben durch eine adjuvante Strahlentherapie verlängert werden kann, fanden andere Studien keinen signifikanten Unterschied. Bisher gibt es keine Studien, die eine verlängerte Überlebenszeit feststellen konnte. Es gibt jedoch Hinweise, dass eine adjuvante Therapie insbesondere bei high-grade Tumoren und bei positiven Schnitträndern einen positiven Effekt auf das rezidivfreie Überleben haben kann. Die Kurz- und Langzeittoxizitäten sind jedoch gegenüber einer präoperativen Bestrahlung erhöht, so dass die Anwendung eine Einzelfallentscheidung bleibt, die individuell mit dem Patienten besprochen werden sollte.

Medikamentöse Therapie

Weichteilsarkome des Retroperitoneums werden aufgrund der unspezifischen Symptomatik meist erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Die Anwendung der Chemotherapie erfolgt daher hauptsächlich bei nicht-resektablen oder bereits metastasierten Tumoren sowie beim Auftreten von Rezidiven. Eine optimale Behandlungsstrategie erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche bereits bei Diagnosestellung und sollte vorwiegend in klinischen Studien durchgeführt werden (Dumitra und Gronchi 2018).
Aufgrund der großen morphologischen Heterogenität bei insgesamt seltener Tumorentität gibt es bisher keine größeren prospektiven Studien, die gezielt nur retroperitoneale Sarkome eingeschlossen haben. Von diesen scheinen am ehesten endifferenzierte Liposarkome, Leiomyosarkome und undifferenzierte pleomorphe Sarkome chemosensitiv zu sein (Almond et al. 2018). Die Substanzgruppe, für die die meisten Erfahrungen vorliegen, sind die Anthrazykline (Doxorubicin, Epirubicin). Die bisherigen Studienergebnisse zur adjuvanten Chemotherapie zeigten Ansprechraten der Monotherapie zwischen 16–36 %, was in den meisten Studien jedoch zu keiner Verlängerung des Gesamtüberlebens geführt hat. In Metaanalysen aus den Jahren 2002 und 2008 konnte jedoch eine Reduktion von tumorassoziierten Todesfällen und Rezidiven durch die Anwendung von Doxorubicin-haltigen Therapieschemata gezeigt werden (Gilbeau et al. 2002; Pervaiz et al. 2008). Dies führte insgesamt zu einer Steigerung der Gesamtüberlebensrate von 4 %.
Bei metastasierten Tumoren ist Doxorubicin ebenfalls Mittel der Wahl und zeigt Ansprechraten von 20–25 %. Komplette Remissionen sind jedoch ausgesprochen selten. Das mittlere Überleben bei metastasierten Tumoren beträgt 7,7–12 Monate.
Neben Doxorubicin wurden Dacarbazine, Ifosfamid, Trophosphamid und Gemcitabin eingesetzt. Bei einzelnen Subentitäten sind auch Taxane wirksam. In mehreren Phase-III-Studien konnte jedoch keine Überlegenheit einer Kombinationstherapie gegenüber Doxorubicin nachgewiesen werden (Blum et al. 1993). Darüber hinaus zeigte eine Metaanalyse von 8 randomisierten Studien (2281 Patienten), dass kein signifikanter Unterschied bezüglich der Ansprechrate und dem Gesamtüberleben zwischen Doxorubicin-Monotherapie und Doxorubicin-haltiger Kombinationstherapie besteht (Bramwell et al. 2000).
Als Zweitlinientherapiebei Versagen der Standardtherapien wird Ifosphamid eingesetzt. Auch durch die Kombination von Gemcitabine und Docetaxel konnten Ansprechraten von 53 % mit einer Rate von kompletten Remissionen von 10 % bei inoperablen Leiomyosarkomen erreicht werden (Hensley et al. 2002). In der Drittlinientherapie wird häufig Trabectedin eingesetzt, das zu einer weiteren Verlängerung des progressionsfreien und Gesamtüberlebens (insbesondere bei Leiomyo- oder Liposarkom) führen kann (Fayette et al. 2010). Für DTIC sind nach dem Versagen von Anthrazyklinen/Ifosphamid Ansprechraten von 8–17 % beschrieben.

Nachsorge und Prognose

Aufgrund der hohen Anzahl an Rezidiven und der hohen Letalität der Erkrankung wird eine engmaschige Tumornachsorge empfohlen. Insbesondere bei Rezidiven ist die Zeit vom Auftreten des Rezidivs bis zur erneuten operativen Therapie der größte Prädiktor für das Gesamtüberleben (MacNeill et al. 2017; Raut et al. 2019). Die Durchführung eines CT-Thorax und Abdomens sowie eine vollständige Blutbildanalyse sollten alle 3–6 Monate für die ersten 2–3 Jahre erfolgen. Eine Verlängerung der Intervalle wird frühestens nach 3 Jahren erfolgen.
Die Gesamtüberlebensrate für Patienten mit retroperitonealen Sarkomen ist insgesamt gering. Das 2-, 5- und 10-Jahresüberleben liegt bei 56 %, 34 % und 18 %. Darüber hinaus nimmt die Überlebensrate bei Patienten mit multifokalem Wachstum noch einmal deutlich ab (Anaya et al. 2009). In neueren Studien wird eine 2-Jahresüberlebensrate von 70 % und eine 5-Jahresüberlebensrate von 50–60 % bei kompletter Resektion des Primärtumors angegeben. Darüber hinaus zeigen diese Studien, dass die Gesamtüberlebensrate insbesondere vom Grad der Differenzierung des Tumors und vom Einbruch des Tumors in Organsysteme abhängt (Fairweather et al. 2017). Low-grade Tumoren zeigen einen 50 % Überlebensvorteil gegenüber intermediate und high-grade Tumoren nach 5 Jahren (74 % gegenüber 24 %) und einen 30 % Überlebensvorteil nach 10 Jahren.

Primär retroperitoneale Keimzelltumore

Zu den primär retroperitonealen Keimzelltumoren siehe die Einzelkapitel zu „Hodentumor“.

Primäre Lymphome

Die Erstmanifestation eines malignen Lymphoms erfolgt in bis zu 15 % der Fälle im Urogenitaltrakt. (Lewis et al. 1998). Maligne Lymphome werden prinzipiell in zwei Gruppen unterteilt: das Hodgkin Lymphom (HL) und das Non-Hodgkin-Lymphom (NHL). Das HL ist eine maligne lymphatische Systemerkrankung, die histologisch durch wenige Tumorzellen („Hodgkin“-Zellen und mehrkernige „Sternberg-Reed“-Riesenzellen (Abb. 11a)) sowie Granulationsgewebe („Lymphogranulomatose“) gekennzeichnet ist. Das NHL ist eine neoplastische Transformation lymphatischer Zellen, ausgehend vom B-Zell-System (B-NHL) (Abb. 11b) oder T-Zell-System (T-NHL). Nach klinischem Verlauf Unterscheidet man die NHL in indolente (niedrig maligne), intermediär-malige und hoch-maligne (aggressive) Lymphome.

Das Hodgkin Lymphom (Morbus Hodgkin)

Epidemiologie
Beim HL gibt es zwei Altersgipfel der erste liegt bei 20–30 Jahren der zweite bei >60Jahren. Die Inzidenz beträgt 2–4/100.000 pro Jahr. Männer erkranken mit 3:2 häufiger als Frauen.
Ätiologie
Die Pathogenese der HL ist ungeklärt. Neben einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (Kapatai und Murray 2007) werden retrovirale Infektionen mit einer Störung der Apoptose diskutiert.
Pathologie
Die Klassifikation des HL erfolgt nach der WHO Klassifikation (Tab. 4).
Tab. 4
WHO Klassifikation des Hodgkin Lymphoms
Klassisches Hodgkin Lymphom
Noduläre Sklerose
 
Mischtyp
 
Lymphozytenarmer Typ
 
Klassischer lymphozytenreicher Typ
 
Nicht klassifizierbar
 
Lymphom mit Charakteristika des M. Hodgkin und des großzellig anaplatischen Lymphoms
 
Lymphozytenprädominantes Hodgkin Lymphom
Noduläres Paragranulom
 
Noduläres und diffuses Paragranulom
 
Diffuses Paragranulom
 
Aufgrund der heterogenen Gruppe der Lymphome ist eine herkömmliche Betrachtung der Histologie nicht ausreichend. Zur Charakterisierung der Lymphome kommen die Immunhistologie, die Immunzytologie und die Immunphänotypisierung zum Einsatz. Diese erlauben eine Charakterisierung und Einordnung der Oberflächeneigenschaften der Zellen. Beim HL hat die histologische Subklassifikation innerhalb der Diagnose bislang keine therapeutische Konsequenz.
Klinik
Die Patienten stellen sich häufig mit Lymphknotenschwellungen vor, die in den meisten Fällen schmerzlos sind. Diese Lymphknotenschwellungen sind in der Mehrzahl der Fälle zervikal können jedoch auch abdominal vorliegen (ca. 5 % der Fälle) (Abb. 12). Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust oder Juckreiz können als begleitende Symptome auftreten. Weitere Symptome sind Leistungsschwäche, Müdigkeit und Appetitlosigkeit. Bei bis zu einem Viertel der Patienten liegt eine Hepatosplenomegalie vor.
Diagnostik
Die histologische Diagnosesicherung erfolgt durch eine Lymphknotenbiopsie, eine Zytologie ist nicht ausreichend. Da die Therapie des Hodgkin Lymphoms Stadien abhängig erfolgt, ist eine präzise Festlegung des Stadiums notwendig (Tab. 5)
Tab. 5
Diagnostik des Hodgkin Lymphoms
Untersuchung
Anmerkungen
Anamnese
B-Symptome
Fieber
• Nachtschweiß
• Ungewollter Gewichtsverlust (>10 % des KG in 6 Wochen)
Körperliche Untersuchung
• Tastbare nicht druckschmerzhafte Lymphknoten
• Hepatosplenomegalie
Laboruntersuchungen
• Blutbild mit Differenzialblutbild
• BSG
• LDH, GOT, GPT, AP, Gamma-GT, Harnsäure und Kreatinin
Bildgebung
• PET-CT
• Aspirat (Zytologie)
• Biopsie (Histologie)
Weitere Diagnostik zur Überwachung möglicher Nebenwirkungen der Therapie
• Lungenfunktion
EKG
• Echo
• Hormonstatus/Reproduktionsmedizin
Stadieneinteilung
Die Stadieneinteilung erfolgt nach der Ann-Arbour-Klassifikation: (Tab. 6)
Tab. 6
Stadieneinteilung nach der Ann-Arbour-Klassifikation
Stadien
Definition
I
Befall einer einzigen Lymphknotenregion (IN) oder eines einzigen lokalisierten extranodalen Herdes (IE)
II
Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells (IIN) oder lokalisierte extranodale Herde und Befall einer oder mehrerer Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells (IIE)
III
Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells (IIIN) oder lokalisierte extranodale Herde auf beiden Seiten des Zwerchfells (IIIE)
IV
Verbreiteter (disseminierter) Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne Befall von Lymphknoten
A
Keine Allgemeinsymptome
B
Allgemeinsymptome: Fieber >38 °C, Nachtschweiß, Gewichtsverlust
E
Umschriebene Beteiligung von extraplymphatischem Gewebe
Zum lymphatischen System gehören: Lymphknoten, Milz, Thymus, Waldeyer’scher Rachenring
Nach den Risikofaktoren:
  • Befall von 3 oder mehr Lymphknotenarealen (Abb. 13)
  • Hohe BSG
  • Großer Mediastinaltumor
  • Extranodaler Befall
erfolgt eine Zusammenfassung der Gruppen nach Lymphomausbreitung in Risikogruppen (Abb. 14).
Differenzialdiagnose
Therapie
Das Hodgkin Lymphom sollte, wenn möglich, im Rahmen von Studien in spezialisierten Zentren erfolgen. Die Therapie sollte unmittelbar nach Diagnosestellung und Stadieneinteilung starten, um eine weitere Ausbreitung der Erkrankung zu verhindern. Die Behandlung ist kurativ, sodass eine Dosisreduktion der Therapie nur in Ausnahmefällen erfolgen sollte (Abb. 15).
Nachsorge
Da Rezidive erneut mit kurativer Zielsetzung behandelt werden können, ist die engmaschige Nachsorge obligat. Im ersten Jahr Kontrolle 3,6 und 12 Monate nach Abschluss der Therapie im 2. bis 4. Jahr alle 6 Monate, nach dem 5. Jahr einmal jährlich. Ziele der Nachsorge beinhalten die Rezidiverkennung sowie die Beurteilung der Therapietoxizität. Folgende Untersuchungen sollten durchgeführt werden:
  • Anamnese
  • Klinische Untersuchung
  • Labor
  • Röntgen-Thorax
  • Abdomensonogrfie

Das Non-Hodgkin-Lymphom

Epidemiologie
Das Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) sind seltene Erkrankungen, deren Auftreten in den letzten Jahrzehnten jedoch im Vergleich zum HL stetig zugenommen hat. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen in Deutschland wird auf 10–15/100.000 geschätzt. Männer erkranken auch hier häufiger als Frauen. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten und steigt mit zunehmendem Alter, der Median liegt bei 60 Jahren.
Ätiologie
Neben chromosomalen Mutationen, die mit steigendem Alter häufiger beobachtet werden gibt es Hinweise, dass Immunsuppression und Autoimmunerkrankungen ein erhöhtes Risiko für die Entstehung der NHL darstellen. Virale und bakterielle Infektionen gelten als Kofaktoren und/oder Auslöser an der Entstehung. Auch eine Exposition gegenüber spezifischen chemischen Stoffen, wie Herbizide und Insektizide, sowie UV-Strahlung scheint, wie seltene genetische Dispositionen zur Entstehung eines Lymphoms beizutragen.
Pathologie
Hinter der Bezeichnung NHL verstecken sich ungefähr 40 unterschiedliche Erkrankungen die alle von entarteten B- und T-Zellen ausgehen. Die Mehrzahl der NHL (ca. 90 %) geht von B-Zellen aus. Je früher im Rahmen der Entwicklung einer lymphatischen Entwicklung eine Zelle transformiert wird desto undifferenzierter ist ihr Erscheinungsbild und desto aggressiver (hochmaligne) ihr Wachstumsverhalten. Das histologische Bild ist geprägt durch große, unreife Zellen. Bei niedrigmalignen Lymphomen (indolent) wird das Bild von kleinen reifen Zellen beherrscht (Nogai et al. 2011). Das Verhältnis indolent – hoch maligne liegt bei 7:3.
Die WHO Klassifikation stellt den internationalen Standard der Klassifikation dar. Die Einteilung basiert auf klinischen, morphologischen, immunologischen und molekulargenetischen Kriterien. Die Einordnung in Lymphomentitäten ist die Grundlage für standardisierte Therapieprotokolle. Die Klassifikation der B-NHL ist in Tab. 7, die der T-NHL in Tab. 8 dargestellt. Die Stadieneinteilung erfolgt nach der Ann-Arbour-Klassifikation (Tab. 6).
Tab. 7
B-Zell Non-Hodgkin-Lymphome: WHO Klassifikation nach klinischem Verlauf
Indolente Lymphome
Chronisch lymphatische Leukämie (B-CLL)
 
Prolymphozytenleukämie (B-PLL)
 
Kleinzelliges lymphozytisches Lymphom
 
Lymphoplasmozytisches Lymphom
 
Plasmozytom
 
Haarzellleukämie (HCL)
 
Follikuläres Lymphom (Grad I, II)
 
Splenisches Marginalzonenlymphom
 
Marginalzonenlymphom
 
Aggressive Lymphome
Follikuläres Lymphom (Grad III)
 
Diffus-großzelliges Lymphom (DLCL)
 
Intravaskuläres großzelliges Lymphom
 
Mantelzelllymphom (MCL)
 
Primär mediastinales großzelliges Lymphom
 
Hochmalignes Lymphom, Burkitt like
 
Primäres Erguss Lymphom
 
Hochaggressive Lymphome
Burkitt-Lymphom
 
Prä-B-lymphoblastische Leukämie (B-ALL)
 
Prä-B-lymphoblastisches Lymphom
 
Tab. 8
T-Zell Non-Hodgkin-Lymphome: WHO Klassifikation nach klinischem Verlauf
Indolente Lymphome
Prolymphozytenleukämie (T-PLL)
 
T-/NK-Leukämie großer granulärer Lymphozyten (LGL-Leukämie)
 
Mycosis fungoides/Sézary Syndrom
 
Lymphomatoide Papulose
 
„Smoldering“ und chronische adulte T-Zell-Leukämie/Lymphom
 
Aggressive Lymphome
Peripheres T-Zell-Lymphom
 
Angioimmunoblastisches T-Zell-Lymphom
 
Primär kutanes anaplastisches großzelliges Lymphom
 
T-/Null-Zell-anaplastisches großzelliges Lymphom
 
T-/NK-Zell-Lymphom
 
Hochaggressive Lymphome
Prä-T-lymphoblastische Leukämie
 
Prä-T-lymphoblastisches Lymphom
 
Adultes T-Zell-Lymphom
 
Aggressives T-Zell-Lymphom
 
Enteropathisches T-Zell-Lymphom
 
Hepatosplenisches T-Zell-Lymphom
 
Subkutanes pannikulitisartiges T-Zell-Lymphom
 
Peripheres T-Zell-Lymphom
 
Blastisches NK-Zell-Lymphom
 
Klinik
Erste Symptome eines NHL sind fast immer eine schmerzlose Lymphknotenvergrößerung. Lymphome verursachen keine spezifischen und manchmal nur sehr geringe Beschwerden. Dazu zählen Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Sodbrennen sowie eine erhöhte Infektanfälligkeit. Über einen Befall des Knochenmarks kann es zur Anämie oder Thrombopenie kommen. Sogenannte B-Symptome wie Fieber, Nachtschweiß oder Gewichtsverlust finden sich wesentlich seltener als beim Hodgkin Lymphom.
Diagnostik (Tab. 9)
Tab. 9
Diagnostik des Non-Hodgkin-Lymphoms
Untersuchung
Anmerkungen
Anamnese
• B-Symptome
• Dynamik der Lymphknotenschwellung
Körperliche Untersuchung
• Tastbare nicht druckschmerzhafte Lymphknoten
• Hepatosplenomegalie
Laboruntersuchungen
• Blutbild mit Differenzialblutbild
• BSG
• LDH, GOT, GPT, AP, Gamma-GT, Harnsäure und Kreatinin
Bildgebung
• Sonografie des Abdomens
• CT Thorax und Abdomen
• CT Hals
• PET-CT
• Aspirat (Zytologie)
• Biopsie (Histologie)
Histologiegewinnung
Immunzytologie und -histologie
Immunphänotypisierung
Molekulargenetik
• Aus Lymphknoten, Knochenmark
• Am nicht fixierten und fixiertem Material
• Am nicht fixierten Material
• Am nicht fixierten Material
Differenzialdiagnose
Prognostische Faktoren
Für die Entitäten der NHL gibt es eine Vielzahl von klinischen Prognosescores, unterschiedlichen Genexpressionen sowie unterschiedlichen genetischen Läsionen mit deren Hilfe die Prognose abgeschätzt werden kann. Inwieweit Patienten von entsprechend angepassten Therapien profitieren ist Gegenstand der aktuellen Forschung.
Therapie
Die Behandlung erfolgt entsprechend dem Alter und Allgemeinzustand des Patienten sowie nach Histologie und Stadium des Lymphoms. Häufig werden unterschiedliche Therapien miteinander kombiniert um optimale Ergebnisse zu erreichen. Die Kombinationen sind für jedes Lymphom unterschiedlich, so dass man nicht von einem generellen Standard sprechen kann. Neben „watch and wait“ stehen Strahlen-, Chemo-, Zytokin-, Immun-, Antikörper-, Radioimmun- und Hochdosistherapien mit peripherer Stammzelltransplantation zur Verfügung. Von besonderer Bedeutung sind:
1.
Kurative und palliative Therapieansätze:
  • Kurative Situation immer bei aggressiven NHL
  • Palliative Situation überwiegend bei indolenten NHL
 
2.
Differenzierung lokalisierter und generalisierter Erkrankungsstadien:
  • Lokale Therapieform (Radiatio) bei indolenten NHL; bei aggressiven Lymphomen immer systemische Therapie
  • Fortgeschrittene Stadien, systemische Therapie
 
3.
Nach Möglichkeit Behandlung im Rahmen von Studien (http://www.lymphome.de; https://www.german-lymphoma-alliance.de/)
 

Retroperitoneale Metastasen anderer Primärtumoren

Metastasen im Retroperitoneum können sich bei verschiedenen Tumoren ausbilden. So entwickeln sich aus dem urologischen Formenkreis systemische Metastasen bei circa 20 % der testikulären Keimzelltumoren, bei 25–30 % der Prostatakarzinome, bei 30 % der muskelinvasiven Urothelkarzinome und bei etwa 50 % der Nierenzellkarzinome.
Der Prozess der Metastasierung von Tumoren läuft über den lymphatischen oder den Blutweg und ist in verschiedene Phasen aufgeteilt. Nach Bildung des Primärtumors müssen die Tumorzellen die Fähigkeit zur Invasion und zur Intravasation in einen der beiden Wege entwickeln. Nach dem Transport durch die Zirkulation kommen sie in den kleinen Gefäßen anderer Organe zum Stillstand. Hier müssen sie die Extravasation schaffen und zu Mikrometastasen und schließlich zu Makrometastasen „anwachsen“. Bei jedem dieser Schritte ist die Tumorzelle im Kontakt mit Zellen des umgebenden Bindegewebes, Immunzellen und zirkulierenden Blutzellen (Robert 2013; Valastyan und Weinberg 2011).
Metastasen im Retroperitoneum können sich unter anderem auch bei Rektumkarzinomen, Magenkarzinomen (Abb. 16), gynäkologischen Tumoren, Neuroblastomen und Tumoren finden bei denen der Primärtumor nicht detektiert wird (CUP-Syndrom (Abb. 17)) (siehe auch Tab. 1).
Die klinische Untersuchung und die Sonografie liefern erste Hinweise auf die Ursache. Im CT kann die Ausdehnung erfasst werden. Trotz erheblicher Fortschritte in der bildgebenden Diagnostik kann zur definitiven Abklärung einer Raumforderung eine Biopsie notwendig werden. Die Indikation zur Biopsie hängt vor allem von der therapeutischen Konsequenz ab.

Zusammenfassung

Retroperitoneale Tumoren
  • Primär retroperitoneale Tumore sind selten und überwiegend maligne
  • Für die zumeist schwierige histologische Diagnose wird ausreichend Gewebe für spezielle Untersuchungsmethoden benötigt
  • Genanalysen erlauben im Einzelfall eine Aussage hinsichtlich der Diagnose, des Therapieansprechens und der Prognose
  • Mittels radiologischer Diagnostik kann die Tumorgröße und Ausdehnung bestimmt und die Möglichkeit einer Tumorresektion beurteilt werden
  • Die Tumorbeurteilung in der Bildgebung erfolgt anhand des Wachstums (verdrängend versus infiltrativ) und charakteristischer Gewebszusammensetzungen (solide, lipomatös, myxoid, zystisch, nekrotisch).
  • Die Therapieplanung sollte in einer interdisziplinären Tumorkonferenz unter Beteiligung von Spezialisten erfolgen
  • Die korrekte histopathologische Diagnose ist für die Therapieplanung entscheidend
  • Die histologische Sicherung kann mittels Feinnadelbiopsie gefahrlos erfolgen
  • Die komplette chirurgische Sanierung des Tumors mit negativen Schnitträndern ist bei retroperitonealen Sarkomen die einzige kurative Therapieoption
  • Insbesondere bei high-grade Sarkomen sollte die Möglichkeit einer präoperativen Chemotherapie und prä- bzw. intraoperativen Strahlentherapie erwogen werden
  • Alle Organe, in die der Tumor eingebrochen ist, müssen intraoperativ en-bloc reseziert werden
  • Die Bedeutung einer adjuvanten Strahlen- oder Chemotherapie ist noch nicht geklärt
  • Aufgrund der hohen Anzahl an Rezidiven und dem Vorteil einer frühen Rezidivoperation muss eine engmaschige Tumornachsorge erfolgen
  • Die Prognose der primär retroperitonealen Sarkome bezüglich des Gesamtüberlebens ist gering
  • Lymphome manifestieren sich nicht selten im Urogenitaltrakt
  • Die Bildgebung hilft bei der Differenzial- und Stadiendiagnostik
  • Die histologische Diagnosesicherung ist unerlässlich
  • Biopsien vermeiden unnötige Operationen
  • Die interdisziplinäre Betreuung des Patienten ist essenziell
  • Metastasen anderer Primärtumoren können sich im Retroperitoneum manifestieren
  • Eine Biopsie sollte bei therapeutischer Konsequenz durchgeführt werden
Literatur
Almond LM, Gronchi A et al (2018) Neoadjuvant and adjuvant strategies in retroperitoneal sarcoma. Eur J Surg Oncol 44(5):571–579CrossRef
Anaya DA, Lahat G et al (2009) Multifocality in retroperitoneal sarcoma: a prognostic factor critical to surgical decision-making. Ann Surg 249(1):137–142CrossRef
Blum RH, Edmonson J et al (1993) Efficacy of ifosfamide in combination with doxorubicin for the treatment of metastatic soft-tissue sarcoma. The Eastern Cooperative Oncology Group. Cancer Chemother Pharmacol 31(Suppl 2):238–240
Bramwell VH, Anderson D et al (2000) Doxorubicin-based chemotherapy for the palliative treatment of adult patients with locally advanced or metastatic soft-tissue sarcoma: a meta-analysis and clinical practice guideline. Sarcoma 4(3):103–112CrossRef
Brenner W, Eary JF et al (2006) Risk assessment in liposarcoma patients based on FDG PET imaging. Eur J Nucl Med Mol Imaging 33(11):1290–1295CrossRef
Craig WD, Fanburg-Smith JC et al (2009) Fat-containing lesions of the retroperitoneum: radiologic-pathologic correlation. Radiographics 29(1):261–290CrossRef
Dumitra S, Gronchi A (2018) The diagnosis and management of retroperitoneal sarcoma. Oncology (Williston Park) 32(9):464–469
Fairweather M, Wang J et al (2017) Incidence and adverse prognostic implications of histopathologic organ invasion in primary retroperitoneal sarcoma. J Am Coll Surg 224(5):876–883CrossRef
Fayette J, Boyle H et al (2010) Efficacy of trabectedin for advanced sarcomas in clinical trials versus compassionate use programs: analysis of 92 patients treated in a single institution. Anti-Cancer Drugs 21(1):113–119CrossRef
Gieschen HL, Spiro IJ et al (2001) Long-term results of intraoperative electron beam radiotherapy for primary and recurrent retroperitoneal soft tissue sarcoma. Int J Radiat Oncol Biol Phys 50(1):127–131CrossRef
Gilbeau L, Kantor G et al (2002) Surgical resection and radiotherapy for primary retroperitoneal soft tissue sarcoma. Radiother Oncol 65(3):137–143CrossRef
Gronchi A, Lo Vullo S et al (2009) Aggressive surgical policies in a retrospectively reviewed single-institution case series of retroperitoneal soft tissue sarcoma patients. J Clin Oncol Off J Am Soc Clin Oncol 27(1):24–30CrossRef
Hensley ML, Maki R et al (2002) Gemcitabine and docetaxel in patients with unresectable leiomyosarcoma: results of a phase II trial. J Clin Oncol Off J Am Soc Clin Oncol 20(12):2824–2831CrossRef
Hutchings M, Barrington SF (2009) PET/CT for therapy response assessment in lymphoma. J Nucl Med 50(Suppl 1):21S–30SCrossRef
Italiano A, Toulmonde M et al (2010) „Metronomic“ chemotherapy in advanced soft tissue sarcomas. Cancer Chemother Pharmacol 66(1):197–202CrossRef
Jones JJ, Catton CN et al (2002) Initial results of a trial of preoperative external-beam radiation therapy and postoperative brachytherapy for retroperitoneal sarcoma. Ann Surg Oncol 9(4):346–354CrossRef
Kapatai G, Murray P (2007) Contribution of the Epstein Barr virus to the molecular pathogenesis of Hodgkin lymphoma. J Clin Pathol 60(12):1342–1349CrossRef
Lahat G, Tuvin D et al (2008) New perspectives for staging and prognosis in soft tissue sarcoma. Ann Surg Oncol 15(10):2739–2748CrossRef
Lewis JJ, Leung D et al (1998) Retroperitoneal soft-tissue sarcoma: analysis of 500 patients treated and followed at a single institution. Ann Surg 228(3):355–365CrossRef
Leyvraz S, Jelic S (2005) ESMO Minimum Clinical Recommendations for diagnosis, treatment and follow-up of soft tissue sarcomas. Ann Oncol 16(Suppl 1):i69–i70CrossRef
MacNeill AJ, Miceli R et al (2017) Post-relapse outcomes after primary extended resection of retroperitoneal sarcoma: a report from the Trans-Atlantic RPS Working Group. Cancer 123(11):1971–1978CrossRef
Nishino M, Hayakawa K et al (2003) Primary retroperitoneal neoplasms: CT and MR imaging findings with anatomic and pathologic diagnostic clues. Radiographics 23(1):45–57CrossRef
Nogai H, Dorken B et al (2011) Pathogenesis of non-Hodgkin’s lymphoma. J Clin Oncol 29(14):1803–1811CrossRef
Nussbaum DP, Rushing CN et al (2016) Preoperative or postoperative radiotherapy versus surgery alone for retroperitoneal sarcoma: a case-control, propensity score-matched analysis of a nationwide clinical oncology database. Lancet Oncol 17(7):966–975CrossRef
Pawlik TM, Pisters PW et al (2006) Long-term results of two prospective trials of preoperative external beam radiotherapy for localized intermediate- or high-grade retroperitoneal soft tissue sarcoma. Ann Surg Oncol 13(4):508–517CrossRef
Pervaiz N, Colterjohn N et al (2008) A systematic meta-analysis of randomized controlled trials of adjuvant chemotherapy for localized resectable soft-tissue sarcoma. Cancer 113(3):573–581CrossRef
Rajiah P, Sinha R et al (2011) Imaging of uncommon retroperitoneal masses. Radiographics 31(4):949–976CrossRef
Raut CP, Callegaro D et al (2019) Predicting survival in patients undergoing resection for locally recurrent retroperitoneal sarcoma: a study and novel nomogram from TARPSWG. Clin Cancer Res 25(8):2664–2671CrossRef
Robert J (2013) [Biology of cancer metastasis]. Bull Cancer 100(4):333–342
Schimmack S, Buchler MW et al (2009) [Surgical therapy of abdominal and trunk soft tissue sarcomas]. Chirurg 80(3):202–208
Singer S, Corson JM et al (1995) Prognostic factors predictive of survival for truncal and retroperitoneal soft-tissue sarcoma. Ann Surg 221(2):185–195CrossRef
Tateishi U, Terauchi T et al (2010) Nodal status of malignant lymphoma in pelvic and retroperitoneal lymphatic pathways: PET/CT. Abdom Imaging 35(2):232–240CrossRef
Trans-Atlantic Retroperitoneal Sarcoma Working Group (2018) Management of metastatic retroperitoneal sarcoma: a consensus approach from the Trans-Atlantic Retroperitoneal Sarcoma Working Group (TARPSWG). Ann Oncol 29(4):857–871CrossRef
Valastyan S, Weinberg RA (2011) Tumor metastasis: molecular insights and evolving paradigms. Cell 147(2):275–292CrossRef