Grundlagen
Chirurgisch relevante Infektionen
werden überwiegend durch
Bakterien hervorgerufen. Als Krankheitserreger müssen aber auch Viren, Pilze, Protozoen sowie Würmer in Betracht gezogen werden. Davon abzugrenzen sind entzündliche Reaktionen, die durch
Toxine anderer Organismen wie Insekten oder Schlangen hervorgerufen werden. Die Besiedlung einer Wunde mit pathogenen Keimen führt nicht zwangsläufig zu einer Infektion. Dieser Vorgang wird allgemein als
Kolonisation bezeichnet und erfolgt meist als Schmierinfektion, selten aerogen oder hämatogen. Entscheidend für den Übergang in eine krankheitsrelevante Wundinfektion sind:
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Art, Menge und Virulenz der pathogenen Keime,
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Beschaffenheit der Wunde,
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Abwehrkraft des Organismus.
Die Zeitspanne zwischen der stattfindenden Kolonisation und der klinischen Manifestation einer Wundinfektion wird als Inkubationszeit bezeichnet. Ihre Länge hängt wiederum von Art, Virulenz und Zahl der Erreger, aber auch von der Beschaffenheit der Wunde sowie der Abwehrsituation des Wirtsorganismus ab.
Häufig imponieren Infektionen als
Mischinfektionen, bei der Keime unterschiedlicher Erregergruppen beteiligt sind. So können in einer Wunde aerob wachsende
Bakterien durch ihren Verbrauch von Sauerstoff die Vermehrung anaerober Bakterien fördern und somit parallel die Infektion unterhalten. Sind verschiedene Bakterien im infizierten Gewebe nachweisbar, die allerdings einer Erregergruppe angehören, so spricht man von einer
Polyinfektion. Dagegen liegt eine
Monoinfektion vor, wenn nur ein Erreger nachgewiesen wird.
Das
klinische Erscheinungsbild einer lokalen Infektion wird in den meisten Fällen durch die klassischen Kardinalsymptome einer Entzündung charakterisiert: Rötung (rubor), Schwellung (tumor), Überwärmung (calor),
Schmerz (dolor) sowie Funktionsstörung (functio laesa). Während bei einer akuten bakteriellen Infektion diese Symptome meist ausgeprägt sind, können sie bei chronischen Infektionen oder aber auch bei speziellen Infektionen (bakteriell-toxische Infektion wie
Tetanus oder Pilzinfektionen) weniger eindrucksvoll auftreten oder aber sogar ganz fehlen.
Beschaffenheit der Wunde
Neben dem Verschmutzungsgrad einer Wunde und den vorhandenen Gewebetrümmern infolge einer traumatischen Verletzung spielt auch die lokale Durchblutung der Wunde eine wesentliche Rolle. Das heißt, Risswunden sind für Infektionen empfänglicher als Wunden mit glatten Wundrändern. In situ verbleibende Nekrosen und Gewebetrümmer begünstigen das Auftreten von Infektionen. Auch die Lokalisation der Wunden spielt eine wesentliche Rolle. So heilen Wunden in besser durchbluteten Bereichen wie Gesicht oder Kopfhaut außerordentlich gut, dagegen an der weniger perfundierten Fußsohle wesentlich schlechter. Außerdem steigt die Keimzahl, die zur Infektion einer Wunde führen kann, um mehrere Zehnerpotenzen, wenn sich in der Wunde Fremdkörper befinden. Dies gilt nicht nur für solche, die durch eine mögliche Verletzung von außen eingetragen wurden, sondern auch für solche, die durch chirurgische Maßnahmen in die Wunde gelangt sind (Nahtmaterial, Drainagen oder Katheter).
Abwehrkraft des Organismus
Bei
immunsupprimierten Patienten ist durch die entsprechend durchgeführte Therapie die allgemeine Abwehrlage
des Patienten verschlechtert. Auch bekannte
Nebenerkrankungen wie
Diabetes mellitus führt zu vermehrten Wundinfektionen bzw. zu chronischen
Wundheilungsstörungen. Ebenso verhindert eine intakte anatomische Barriere, d. h. eine intakte Haut bzw. Schleimhaut, das Eindringen von pathogenen Keimen. So vermindern der niedrigere pH-Wert (ca. 5,5) auf unserer Haut sowie die um ca. 5 °C niedrigere Temperatur auf unserer
Körperoberfläche im Vergleich zur physiologischen Körperkerntemperatur das Wachstum der
Bakterien.
Eine wichtige Voraussetzung für die Vermeidung von Infektionen stellt die im menschlichen Organismus natürlich existierende
Homöostase der saprophytisch kolonisierenden Keime dar. Wird diese durch meist medizinisches Eingreifen – beispielsweise durch eine Antibiotikagabe – verändert, kann dies wiederum eine Infektion induzieren. Als Beispiel sei die nahezu ausnahmslos im Zusammenhang mit einer Antibiotikatherapie auftretende Infektion mit toxinbildendem
Clostridium difficile genannt, die in bis zu 20 % aller antibiotikaassoziierten Diarrhoeen und in 90 % aller antibiotikaassoziierten pseudomembranösen
Kolitiden die Ursache darstellt. Nahezu jedes in Verwendung befindliche Antibiotikum kann diese Erkrankung auslösen. Nur in Einzelfällen können diese
Bakterien auch bei nicht antibiotisch vorbehandelten Kindern eine Kolitis auslösen, jedoch haben diese Patienten in aller Regel eine andere Grunderkrankung wie den Morbus Hirschsprung. Problematisch ist das weite klinische Spektrum der durch Clostridium difficile ausgelösten Erkrankungen, das von einer milden, selbstlimitierenden Diarrhoe über eine behandlungsbedürftige Enterokolitis bis hin zum schweren toxischen Megakolon mit Darmperforation reicht, wobei letztere in 35–50 % der Fälle wegen eines septischen Multiorganversagens letal verlaufen kann (Mc Laughlin et al.
2014).
Eine intakte
humorale und eine zelluläre Abwehr sind unbedingt zur Infektionsprophylaxe erforderlich. So gilt allgemein eine Verminderung der Granulozyten
unter eine absolute Zahl von 0,5 Mpt/ml als infektionsgefährdend und bedingt eine systemische Antibiose als Infektionsprophylaxe. Da die Milz im Wesentlichen für die primäre Immunantwort verantwortlich ist, kann eine Infektion bei
asplenischem Zustand zu einer schweren systemischen Infektion (OPSI-Syndrom) führen (Reid
1994) (Kap. „Splenektomie bei Kindern und Jugendlichen mit hämatologischen Erkrankungen“). Die häufigsten Erreger für eine solche
Sepsis sind mit ca. 60 % Streptococcus pneumoniae und mit etwa 30 %
Haemophilus influenzae und Neisseria meningitidis. Dagegen spielen Staphylococcus aureus,
Escherichia coli und andere gramnegative Erreger eher eine untergeordnete Rolle. Erleiden asplenische Kinder eine
Malaria, verläuft diese wesentlich schwerer. Nach Hundebissverletzungen wurden bei diesen schwere Sepsisfälle, ausgelöst durch Capnocytophaga canimorsus, beobachtet. Deswegen ist dem Milzerhalt im Kindesalter uneingeschränkte Beachtung zu schenken. Nach erlittenem Trauma sollten alle konservativen und milzerhaltenden operativen Maßnahmen einschließlich der Teilresektion ausgeschöpft werden. Nach heutiger Ansicht reichen etwa 30 % erhaltenen Milzgewebes aus, um eine normale Milzfunktion zu ermöglichen,
Bei den
Immundefekten unterscheiden wir einen primären von einem sekundären Defekt. Erstmals beschrieb Bruton im Jahre 1952 eine Patientin mit einem Antikörpermangel. Laut aktueller Version der Europäischen Immundefektdatenbank (Knerr et al.
2008) sind 209 Immundefekte bekannt, wobei die Antikörpermangelerkrankungen mit einem Anteil von ca. 69 % in Deutschland die größte Gruppe einnehmen, gefolgt von Phagozyten/Wund-T-Zelldefekten. Die betroffenen Patienten sind anfällig für eine Vielfalt rezidivierender Infektionen. Die Ursachen für die primären Immundefekte
sind angeborener Natur, d. h. primär genetisch bedingt, die
sekundären Immundefekte werden erworben durch andere Krankheiten, Medikamente und auch Umwelteinflüsse. Für erworbene Immundefekte
seien als Beispiele die malignen
Lymphome, die
chronische lymphatische Leukämie, die bakterielle
Sepsis bei immunsupprimierten Patienten, die
HIV-Infektion, aber auch Hypogammaglobulinämien beim nephrotischen Syndrom oder schwere Verbrennungen genannt.
Im Gegensatz zum Erwachsenen ist das Immunsystem bei Kindern unreif. Sie weisen auch keinen großen Pool von
Plasmazellen auf. Aus dieser damit verbundenen relativen B-Zell-Defizienz, wobei das Spektrum der molekularen B-Zell-Defekte groß ist, resultiert ein erhöhtes bakterielles Infektionsrisiko.
Bei
kombinierten Immundefekten (SCID = „severe combined immunodefiency“ und
CVID = „common variable immunodeficiency“) ist auch im Kindesalter ein Antikörpermangel vorhanden. Einige Patienten verfügen nur über Vorläufer und keine reifen B-Zellen. Die Ursache dafür liegt in Mutationen verschiedener Gene, die in der Entwicklung und Differenzierung der B-Zellen von Bedeutung sind.
Klassische pathogene Erreger, die
infektassoziierte Immundefekte auslösen sowie das Immunsystem modulieren können, sind häufig Viren, z. B. Masernvirus, Zytomegalie-Virus, Ebstein-Barr-Virus, Rötelnvirus und natürlich das HI-Virus. Bei bakteriellen Infektionen stehen die Borrelien,
Pneumokokken und
Streptokokken im Vordergrund, seltener dagegen die Tuberkulose- und die Lepra-Erreger. Auch Parasiten wie
Plasmodien (
Malaria), Leishmanien und Trypanosomen, d. h. sog.
vektorassoziierte Erkrankungen, die im Rahmen der globalen Erwärmung zukünftig auch in Europa durchaus auftreten könnten, dürften zu Immundefekten führen.
Bei der
HIV-Infektion handelt es sich primär um einen T-Zell-Defekt, aber auch um ein sog.
Antikörperparadoxon. In diesem Fall liegt trotz einer Hypergammaglobulinämie (IgG und IgA) eine humorale
Immundefizienz vor. Diese Immunstörungen sind charakterisiert durch eine ungenügende Bildung von neutralisierenden
Antikörpern gegen
HIV und Zytomegalie-Virus, durch ein schlechtes Ansprechen auf Impfungen sowie durch eine gestörte De-novo-Immunantwort gegen neue Erreger. Eine Substitution mit IgG muss generell bei einer Serumkonzentration <200 mg/dl vorgenommen werden. Dabei sollte ein Plasmaspiegel von 600–800 mg/dl angestrebt werden (Bjorkander et al.
2006).