Hepatische Glykogenosen
Bei hepatischen
Glykogenosen steht die Kompensation der verminderten Glukoseproduktion der Leber im Vordergrund. So werden
Hypoglykämien bei der GSD I durch häufige kohlenhydratreiche Mahlzeiten (60–70 % der Kalorien) und durch die kontinuierliche nächtliche Zufuhr von Kohlenhydraten in Form von
Oligosacchariden über eine Magensonde, ein perkutanes Gastrostoma oder – alternativ – durch die Gabe ungekochter Maisstärke verhindert (Tab.
4). Zielsetzung ist die Normalisierung der Serumlaktatwerte, eine Normalisierung der Urinausscheidung von
Laktat sowie Blutzuckerwerte über 70–80 mg/dl
1 sollen angestrebt werden. Die nächtliche Glukosezufuhr muss, um alle diese Ziele zu erreichen, höher als die altersabhängige, endogene Glukoseproduktion sein. Durch Gabe von Maisstärke während des Tages kann die Häufigkeit der Mahlzeiten reduziert werden. Ungekochte Maisstärke kann etwa ab dem Alter von 1 Jahr gegeben werden, wenn ausreichend Pankreasamylase synthetisiert wird. Hierdurch ist eine Normoglykämie bis zu 6 Stunden zu erreichen. Langzeituntersuchungen an GSD-I-Patienten zeigten die besondere Wichtigkeit strenger diätetischer Maßnahmen während der Phase des Wachstums. Nur wenn eine weitgehende Suppression der Laktatproduktion erreicht wird, zeigt sich kein Unterschied bei der Behandlung mit nächtlicher Oligosaccharidgabe über eine Magensonde gegenüber der nächtlichen Gabe von Maisstärke.
Die Zufuhr von
Fruktose und
Galaktose führt bei der GSD I, im Gegensatz zu anderen hepatischen Glykogenspeicherkrankheiten, zur vermehrten Laktatbildung, da diese Zucker nicht in freie
Glukose überführt werden können. Der Ausschluss dieser Zucker aus der Nahrung führt zu diätetischen Einschränkungen, die eine breite Vitaminsubstitution und bei jungen Patienten die Supplementierung der Säuglingsnahrung (in der Regel einer Sojamilch) mit Kalzium erforderlich machen.
Die diätetische Behandlung führt bei GSD-I-Patienten in über 90 % der Fälle zu einer Verbesserung des Längenwachstums, zu einer Rückbildung der Hepatomegalie und einer evtl. bestehenden hämorrhagischen Diathese sowie zur Verbesserung anderer laborchemischer Veränderungen. Diese diätetischen Maßnahmen sind der wesentliche Grund, warum auch Typ-I-Patienten heute in der Regel das Erwachsenenalter erreichen und von kinderärztlicher in internistische Betreuung übergehen. Eine Normalisierung der Hyperlipidämie gelingt aber auch bei konsequenter Einstellung selten. Viele Patienten weisen auch unter diätetischer Behandlung eine Hyperurikämie auf, sodass zusätzlich eine Allopurinolbehandlung durchgeführt werden muss. Eine frühe und optimale diätetische Einstellung wirkt sich positiv auf die Entwicklung von Adenomen und die Nierenfunktion aus.
Bei Entwicklung einer persistierenden Albuminurie, großen Proteinurie und/oder
Hypertonie wird bei GSD-I-Patienten, in Analogie zum
Diabetes mellitus, eine Behandlung mit Angiotensin-converting-Enzym(ACE)-Hemmern oder Angiotensin-II(ATII)-Rezeptorantagonisten empfohlen. Eine gute diätetische Einstellung in Kombination mit ACE-Inhibitor-Behandlung wirkt sich positiv auf die Progredienz der Nierenerkrankung aus.
Auch Patienten mit GSD III, VI, den hepatischen Formen von Typ IX und FBS bedürfen einer diätetischen Behandlung. Indikationen sind
Hypoglykämien, deutliche Wachstumsretardierung und Hepatomegalie mit deutlicher Transaminasenerhöhung, vor allem im Kleinkindalter. Die Behandlung erfolgt prinzipiell nach dem gleichen Schema, wenngleich etwas weniger streng als bei GSD I. Eine Einschränkung der Galaktose- und Fruktosezufuhr ist bei diesen Typen nicht erforderlich, außer beim FBS, bei dem eine Kataraktentwicklung auf Grund hoher Serumgalaktosekonzentration beschrieben wurde. Speziell für Patienten mit FBS gilt auch, dass renale Verluste im Rahmen der Tubulopathie ersetzt werden müssen (Rehydrierung, Substitution von
Elektrolyten, Pufferung) und dass eine Therapie der renalen Rachitis mit Vitamin-D-Analoga und
Phosphat erforderlich ist.
Bei Neutropenie mit schweren bakteriellen Infektionen und/oder chronischer Darmerkrankung erhalten Patienten mit GSD I non-a Granulozyten-koloniestimulierenden Faktor (
G-CSF; Beginn mit 2–3 μg/kg KG/Tag). Bei lang anhaltender Anwendung ist auf Nebenwirkungen durch Makrophagenaktivierung zu achten (Splenomegalie, Knochenschmerzen, erhöhte Kalziumausscheidung im
Urin).
Die
Lebertransplantation ist eine therapeutische Option bei Patienten mit progredienter
Leberzirrhose (GSD III, IV, IXc). Hierbei führt die Transplantation nicht zur Korrektur des Defektes in der (Herz-) Muskulatur. Eine Lebertransplantation ist bei Patienten mit GSD I nur beim Verdacht auf die Entwicklung maligner Tumoren oder bei Blutungen in Adenome absolut indiziert. Hinsichtlich der Korrektur der metabolischen Störung, der Verbesserung der
Lebensqualität und der Verminderung von Langzeitkomplikationen wird sie nur selten eingesetzt. Hierbei handelt es sich um eine relative Indikation, wobei die individuelle Abwägung von Nutzen und Risiko sehr schwierig ist. So kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Lebertransplantation die Entwicklung einer chronischen Nierenerkrankung völlig vermeidet.
Die Anwendung ethylierter
Östrogene ist bei GSD I kontraindiziert, da durch sie die Entwicklung von Leberadenomen gefördert wird. Gegen die Anwendung rein gestagenhaltiger Kontrazeptiva, der sog. Minipille, bestehen dagegen keine Bedenken.
Myopathische Glykogenosen
Auch bei den myopathischen
Glykogenosen gibt es erfolgreiche Therapieansätze. Eine Enzymersatztherapie mit humaner rekombinanter α-Glukosidase ist bei Patienten mit klassischer und muskulärer Form des
Morbus Pompe zugelassen. Bei Patienten mit klassischer Verlaufsform kommt es zu einer deutlichen Abnahme der Kardiomegalie und zur Verbesserung der kardialen Funktion. Der positive Behandlungseffekt auf die Skelettmuskulatur ist variabler und weniger ausgeprägt. Eine Normalisierung der Muskelkraft wird nicht erreicht. Die Überlebenszeit wird verlängert, aber viele Patienten werden beatmungspflichtig und versterben bis zum 5. Lebensjahr. Unter der Therapie treten neurologische Symptome (z. B.
Hörstörungen) auf, die man beim Morbus Pompe früher nicht kannte.
Bei nachweisbarer Restaktivität des
Enzymes und damit immunologischem Nachweis des Enzymproteins (positiver CRIM-Status) wird die Enzymsubstitution im Allgemeinen gut vertragen. CRIM-negative Patienten entwickeln häufig
Antikörper gegen das Enzym, weshalb eine zusätzliche Immunmodulation erforderlich sein kann. Das Therapieergebnis dieser Patientengruppe ist schlechter. Auch Patienten mit der späten, muskulären Form einer GSD II profitieren von dieser Therapieform, u. a. durch Verlängerung der Gehstrecke, Verbesserung der Lungenfunktion und Reduktion der Mortalität.
Für Patienten mit Danon disease steht die
Herztransplantation als einzige Therapiemaßnahme zu Verfügung.
Bei GSD V und VII besteht die Behandlung zum einen in der Vermeidung zu starker körperlicher Anstrengungen, zum anderen lässt sich die Ausdauer durch Muskeltraining verbessern. Die Cochrane-Analyse ergab, dass Therapieversuche mit eiweißreicher Ernährung, Supplementierung von verzweigtkettigen
Aminosäuren, Vitamin B
6 und
Kreatin sowie Injektion von
Glukagon vor körperlicher Belastung zu keiner klinischen Besserung führt. Die Gabe von
Glukose vor körperlicher Tätigkeit führt bei GSD V nachweislich zu einer verbesserten Ausdauer; sie führt aber oft zur Gewichtszunahme. Beim Typ VII führt die Gabe von Kohlenhydraten vor körperlicher Belastung eher zu einer Exazerbation der Symptome.