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Periphere arterielle Verschlusskrankheiten

Verfasst von: Joachim Dissemond
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) bezeichnet eine chronische Störung der arteriellen Durchblutung, die vor allem die Gefäße des Beckens und der unteren Extremität betrifft. Zugrunde liegt meist eine Arteriosklerose; es kommt zu Stenosen und Okklusion der betroffenen Gefäße. Die pAVK wird anhand klinischer Symptome nach Fontaine in vier Stadien eingeteilt. Andere Krankheiten mit der Folge einer arteriellen Durchblutungsstörung sind beispielsweise die diabetische Angiopathie, die Thrombangiitis obliterans und die arterielle Embolie. In diesem Kapitel werden zudem die Krankheitsbilder Ulcus cruris hypertonicum und das Blue-toe-Syndrom beschrieben.

Periphere arterielle Verschlusskrankheit

(Lobstein 1833; Virchow 1856)
Synonym
Definition
Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) handelt es sich um eine Störung der arteriellen Durchblutung, die überwiegend die Gefäße der Becken-Bein-Region betrifft. Die pAVK ist eine chronische Erkrankung der Arterien und entsteht durch Stenose oder Okklusion.
Epidemiologie
Die pAVK ist weltweit die am häufigsten vorkommende, periphere arterielle Gefäßerkrankung. In Deutschland leiden aktuell mindestens 4,5 Mio. Menschen an einer pAVK. Die Gesamtprävalenz der pAVK wird mit 3–10 % angegeben; ab dem 70. Lebensjahr steigt die Prävalenz auf 15–20 % an und ist ab dem 75. Lebensjahr bei Frauen höher als bei Männern. Das Verhältnis von asymptomatischen Patienten zu symptomatischen Patienten liegt altersunabhängig bei etwa 4:1.
Die Prävalenz der Claudicatio intermittens, synonym auch als intermittierendes Hinken oder Schaufensterkrankheit bezeichnet, steigt von 3 % bei den 40-jährigen Patienten auf 6 % bei den 60-jährigen Patienten an. In jüngeren Altersgruppen ist die Claudicatio intermittens bei Männern häufiger, im höheren Lebensalter bestehen kaum noch geschlechtsspezifische Unterschiede.
Ätiopathogenese
Die häufigste Ursache einer pAVK in den westlichen Industrienationen ist mit etwa 95 % die Arteriosklerose. Daneben sind es zu einem geringen Anteil entzündliche, genetische oder traumatische Ursachen, die zu einer pAVK führen.
Der wesentlichste Risikofaktor für die Entstehung der pAVK ist das Rauchen. Weitere unabhängige Risikofaktoren sind ein insuffizient eingestellter Diabetes mellitus, arterieller Hypertonus, erhöhte Gesamtcholesterinkonzentrationen, erhöhte LDL-Cholesterinspiegel, Erhöhung der Triglyzeride und Lipoprotein a.
Klinik
Bei der pAVK der Beine können nach Fontaine et al. (1954) vier Stadien differenziert werden (Tab. 1) (Abb. 1). Nebenbefundlich bestehen bei den Patienten mit pAVK an den kaum behaarten Unterschenkeln oft eine Xerosis cutis, Nageldystrophien mit subungualen Hyperkeratosen und Fußmykosen.
Tab. 1
Einteilung der klinischen Symptome der pAVK nach Fontaine et al.
Stadium
Symptome
Bemerkung
I
Keine Beschwerden
Im Stadium I besteht trotz nachgewiesener Einengung oder Verschluss von Arterien eine Beschwerdefreiheit, da die Blutversorgung auch unter Belastung durch Kollateralen gesichert ist.
II
IIa
IIb
Claudicatio intermittens
Gehstrecke ≥200 m
Gehstrecke <200 m
Im Stadium II treten unter Belastung Schmerzen in Form einer Claudicatio intermittens auf. Diese Schmerzen machen sich als Muskelschmerzen klinisch bemerkbar und bessern sich in Ruhe rasch. In Abhängigkeit von der Lokalisation der Gefäßerkrankung kann jede Beinregion von diesen Schmerzen betroffen sein; besonders oft treten sie aber in den Waden auf. Eine weitere Unterteilung erfolgt in Abhängigkeit der maximalen Gehstrecke in das Stadium IIa bei ≥200 m und Stadium IIb <200 m.
III
Ruheschmerz
Im Stadium III hat der Patient bereits in Horizontallage auch ohne Belastung Schmerzen. Eine Hochlagerung der Beine verursacht eine Zunahme der subjektiven Beschwerden, eine Beintieflage lindert die Schmerzsymptomatik.
IV
Nekrose, Gangrän, Ulkus
Im Stadium IV treten zusätzlich meist an den Zehen zusätzlich Nekrosen, Ulzera und/oder Gangrän auf, die von kühler Haut umgeben sind. Bei einer Lokalisation am Unterschenkel als Ulcus cruris arteriosum ist häufiger die Region um den Malleolus lateralis oder die Tibiakante nach Minimaltrauma betroffen.
Differenzialdiagnose
Thrombangiitis obliterans, Vaskulitis, Blue-toe-Syndrom, Erythromelalgie, Raynaud-Syndrom sind abzugrenzen.
Diagnostisches Vorgehen
Klinische Untersuchungen
An beiden Beinen sollte mindestens die A. dorsalis pedis an den Fußrücken und die A. tibialis posterior hinter den Innenknöcheln palpiert werden. Zusätzlich können die A. fibularis hinter den Außenknöcheln, die A. poplitea bei leicht gebeugten Kniegelenken und die A. femoralis communis in den Leisten klinisch untersucht werden.
Durch eine Auskultation lassen sich Stenosen distal oft durch Strömungsgeräusche und arteriovenöse Fisteln durch ein Schwirren diagnostizieren.
Bei der Lagerungsprobe nach Ratschow (1953) liegt der Patient auf dem Rücken, streckt beide Beine senkrecht in die Höhe und bewegt die Füße mit Roll- oder Tretübungen über 2 min. Bei arteriellen Verschlüssen kommt es rasch zu einer Abblassung der Fußsohlen und/oder zu Schmerzen. Nach der Beinhochlagerung setzt sich der Patient aufrecht hin und lässt die Beine hängen, ohne diese weiter zu bewegen; es entsteht reaktiv eine Hyperämie. Bei Patienten mit pAVK kommt es zu einer Verzögerung dieser Hyperämie (normal 5–10 s) und zu einer verspäteten Venenfüllung (normal bis 20 s). Neben der Zeitmessung ist auch die klinische Beurteilung im Seitenvergleich wichtig.
Die objektive Bestimmung der Gehstreckeneinschränkung erfolgt auf einem Laufband beispielsweise mit 3,2 km/h und einer Steigung von 12 % (Constant-Load-Test). Wenn kein Laufband verfügbar ist, geht der Patient auf ebener Strecke mit 90–120 Schritten/Minute. Gemessen wird die maximale Gehstrecke, bis Schmerzen in Form einer Claudicatio intermittens auftreten.
Apparative Untersuchungen
Bei jedem Patienten mit Verdacht auf pAVK sollte der Knöchel-Arm-Index (ankle brachial index, ABI) bestimmt werden. Am liegenden Patienten wird nach einer Ruhephase von mindestens 10 min. dopplersonografisch der systolische Druck vergleichend an beiden Oberarmen an der A. brachialis sowie beidseits an den Füßen an der A. tibialis anterior oder A. dorsalis pedis und der A. tibialis posterior gemessen. Wichtig ist es, die Blutdruckmanschette möglichst distal an den Unterschenkeln anzulegen. Für jedes Bein separat wird der höchste Knöchelarteriendruck geteilt durch den höheren Armarteriendruck berechnet und so der ABI ermittelt (Übersicht).
Berechnung des Knöchel-Arm-Index (Ankle-Brachial-Index, ABI)
ABI = \( \frac{H\ddot{o} herer\ systolischer\ Fu\mathit{\ss arteriendruck}}{H\ddot{o} herer\ systolischer\ Armarteriendruck} \)
Beweisend für eine arterielle Verschlusskrankheit ist eine Erniedrigung des Quotienten <0,9. Eine kritische Ischämie ist neben der klinischen Symptomatik durch einen ABI von <0,5 gekennzeichnet. Ein ABI >1,3 weist darauf hin, dass falsch hohe Werte insbesondere bei Diabetikern aufgrund einer Mönckeberg-Mediasklerose vorliegen und somit eine weiterführende Diagnostik notwendig ist (siehe Diagnosekriterien). Eine Alternative insbesondere auch für Patienten mit Mediasklerose ist die Druckmessung an den Großzehen. Der systolische Zehenarteriendruck liegt physiologisch etwa 30 mmHg unter dem systolischen Knöchelarteriendruck.
Die Interpretation des Knöchel-Arm-Index ist in Tab. 2 dargestellt.
Tab. 2
Interpretation des Knöchel-Arm-Index (ABI)
ABI
Interpretation
>1,3
Falsch hohe Werte (Verdacht auf Mediasklerose)
0,9–1,3
Normalbefund
0,5–0,89
<0,5
Kritische Ischämie
Die Duplexsonografie ermöglicht eine exakte Lokalisation und morphologische Charakterisierung von Strombahnhindernissen, die auch mit abgeleiteten Doppler-Frequenzspektren quantifiziert werden können. Durch die Messung der Intima-Media-Dicke können zudem auch arteriosklerotische Veränderungen frühzeitig diagnostiziert werden.
Als nachgeschaltete Untersuchungen stehen insbesondere vor invasiven Eingriffen verschiedene Methoden zur Verfügung, die sehr unterschiedliche Vor- und Nachteile bieten und somit individuell für den jeweiligen Patienten gezielt ausgewählt werden sollten.
Die intraarterielle digitale Subtraktionsangiografie (DSA) ermöglicht eine hohe Bildschärfe und dynamische Darstellung zeitlicher Abläufe der Vaskularisation. Zudem kann bereits während der Untersuchung eine Intervention durchgeführt werden. Die Nachteile sind die Invasivität und die Notwendigkeit eines Kontrastmittels.
Die computertomografische Angiografie (CTA) ermöglicht eine hochqualitative, multiplanare und dreidimensionale Darstellung des Gefäßsystems und seiner umliegenden anatomischen Strukturen. Bei einer kurzen Untersuchungszeit können somit auch therapierelevante Begleiterkrankungen diagnostiziert werden. Die Nachteile sind die Strahlenexposition und die Notwendigkeit der Verabreichung jodhaltiger Kontrastmittel.
Die Vorteile der Magnetresonanzangiografie (MRA) liegen in der schnellen und einfachen Erstellung aussagekräftiger und übersichtlicher angiografischer Bilder ohne Kontrastmittel und ohne Strahlenexposition. Die Nachteile sind die Kontraindikationen eines MRT, wie beispielsweise magnetische Metallimplantate oder Herzschrittmacher sowie die eingeschränkte Bildqualität bei Bewegungsunruhe.
Weiterführende diagnostische Verfahren bei Patienten mit pAVK sind die dopplersonografische Oszillografie, akrale arterielle Photoplethysmografie, transkutane Sauerstoffpartialdruckmessung oder Laser-Doppler-Fluxmetrie.
Histopathologie
Bei der Arteriosklerose ist das Lumen der Arterien durch lipidreiche Plaques, Fibrose und Schaumzellen eingeengt. Oft ist zudem die Membrana elastica interna zerstört und die Media verkalkt.
Labor
Die Diagnose einer pAVK kann durch Laboruntersuchungen nicht gestellt werden. Dennoch ist es sinnvoll bei allen Patienten mit pAVK, serologisch die behandelbaren Risikofaktoren wie Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen ebenso Organschäden wie die Nieren- oder Herzfunktion frühzeitig zu untersuchen.
Therapie
Die Therapie der Patienten mit pAVK sollte immer mit der Beseitigung relevanter Risikofaktoren beginnen. Die Basisbehandlung umfasst unter anderem Gewichtsreduktion bei Adipositas, Nikotinkarenz sowie die Optimierung der Therapie der arteriellen Hypertonie, Hypercholesterinämie und des Diabetes mellitus.
Bei symptomatischen Patienten mit Claudicatio intermittens ist das strukturierte Gehtraining in Ergänzung zu der konsequenten Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren die wichtigste nichtmedikamentöse Behandlung. Dieses Gehtraining sollte mindestens 3-mal/Woche über mindestens 30 min. in Intervallen von 5–15 min. mit einer Intensität bis zu dem Auftreten von Belastungsschmerzen durchgeführt werden. Erst wenn diese Maßnahmen keinen Erfolg bringen oder die klinische Symptomatik bereits weiter fortgeschritten ist, sollte eine Therapie mit vasoaktiven Pharmaka wie beispielsweise Prostanoiden oder Pentoxyfillin erfolgen. Sollten sich der Patienten auch unter der pharmakologischen Therapien behandlungsrefraktär zeigen, so kann eine Revaskularisation durch interventionelle Vorgehensweisen mittels perkutaner transluminaler Angioplastie (PTA) oder Bypass-Chirurgie angestrebt werden.
Prophylaxe
Da Rauchen den wichtigsten Risikofaktor der pAVK darstellt, kommt der Nikotinkarenz die größte Bedeutung in der primären Prävention zu. Für die Sekundärprävention von kardio- und zerebrovaskulärer Ereignissen ist die Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern wie ASS 100 mg/Tag oder Clopidogrel 75 mg/Tag und Cholesterinsyntheseenzym (CSE)-Hemmern indiziert. Zudem kann die Gabe von Fibraten oder Niacin bei erhöhten Triglyzeridwerten und erniedrigten HDL-Cholesterinwerten erwogen werden.

Diabetische Angiopathie

Epidemiologie
Eine Angiopathie tritt bei Diabetikern mindestens 10-mal häufiger und 10 Jahre früher als bei Gesunden auf. Gemeinsam mit der diabetischen Neuropathie ist die diabetische Angiopathie für das diabetische Fußsyndrom verantwortlich, für das eine Prävalenz von bis zu 15 % und eine jährliche Inzidenz von bis zu 5 % bei Diabetikern beschrieben wird.
Ätiopathogenese
Unter dem Begriff diabetische Angiopathie werden verschiedene pathologische Veränderungen des Gefäßsystems bei Patienten mit Diabetes mellitus zusammengefasst: Angiopathien sind eine Langzeitfolge chronischer Hyperglykämien. Diese vaskulären Veränderungen können bei den Patienten entsprechend der betroffenen Gefäßabschnitte in Mikro- und Makroangiopathien unterteilt werden (Kap. Endokrinologische Erkrankungen).
Die diabetische Mikro angiopathie beginnt schon bei prädiabetischer Stoffwechsellage. Die Gefäßstenosen und Gefäßokklusionen der Endstromgefäße sind Folge einer nichtenzymatischen Glykierung von Proteinen der extrazellulären Matrix sowie der Ablagerung von glykierten Proteinen und Blutzellen mit konsekutiver Schädigung des Gefäßendothels. Bei gleichzeitig bestehender diabetischer Neuropathie ist die reflektorische Steuerung der Gefäßdurchmesser aufgehoben. Die Mikrozirkulationsstörungen werden zudem durch die bei Diabetikern typischen Viskositätssteigerungen und Hyperkoagulabilität des Bluts begünstigt.
Die pathologischen Veränderungen im Rahmen der diabetischen Makroangiopathie sind nicht diabetesspezifisch, da sie klinisch und morphologisch einer Arteriosklerose entsprechen. Diese resultiert aus der Glykierung und Oxidation von LDL und der Lipolyse durch Insulinmangel. Typisch ist das Auftreten als Mehretagentyp. Die Becken- und Beinarterien sind 6-mal häufiger betroffen. Bei fast 70 % der Patienten manifestiert sich die diabetische Makroangiopathie an den Unterschenkelarterien.
Klinik
Die diabetische Makroangiopathie kann durch die abgeschwächte Schmerz- und Temperaturperzeption der Patienten nach Bagatelltraumen oder durch Druckschädigungen zu Nekrosen und diabetischer Gangrän führen. Gefürchtete Komplikationen sind dann durch die Ausbreitung bakterieller Infektionen Osteomyelitien und Osteolysen. Zudem ist die diabetische Makroangiopathie hauptverantwortlich für das erhöhte Risiko der Patienten für Apoplexe und Herzinfarkte.
Die diabetische Mikroangiopathie kann zu akralen Hautnekrosen führen. Zudem wird ein kausaler Zusammenhang mit der Necrobiosis lipoidica diabeticorum diskutiert. Viszerale Veränderungen, die durch die diabetische Mikroangiopathie verursacht werden können sind Nephropathie, Retinopathie und Neuropathie.
Differenzialdiagnose
Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Thrombangiitis obliterans und Blue-toe-Syndrom sind abzugrenzen.
Diagnostisches Vorgehen
Bei der Diagnostik stehen die Untersuchungen der Gefäßfunktionen wie bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und des Diabetes mellitus im Vordergrund.
Histopathologie
Bei der diabetischen Makroangiopathie findet sich im fortgeschrittenen Verlauf meist eine ausgeprägte Mönckeberg-Mediasklerose (Möncheberg 1903), die zu einer Verkalkung der Tunica media führt, ohne die Gefäßlumina einzuengen.
Die diabetische Mikroangiopathie führt zu ausgeprägten hyalinen Verdickungen der Basalmembran von Arterien, Venolen und Kapillaren mit einer Endothelproliferationen und Einengung der Lumina.
Labor
Serologische Kontrolle der Diabeteswerte ist angezeigt.
Verlauf
Der Verlauf der Erkrankung ist chronisch progredient. Gefürchtet sind die Komplikationen an multiplen viszeralen Organen sowie das Auftreten akraler Gangrän. So werden etwa 70 % der 60.000 Amputationen/Jahr in Deutschland bei Diabetikern durchgeführt.
Therapie
Die Basis der Behandlung der Patienten mit diabetischer Angiopathie ist die optimierte Therapie des zugrunde liegenden Diabetes mellitus. Ansonsten erfolgt die Therapie entsprechend der diagnostizierten Krankheitsbilder, die aus der diabetischen Angiopathie resultieren.

Thrombangiitis obliterans

(Friedländer 1876; von Winiwarter 1879; Buerger 1908)
Synonyme
Endangiitis obliterans, Morbus Winiwarter-Buerger, Buerger-Krankheit
Epidemiologie
Bei der erstmalig von Leo Buerger und Felix von Winiwarter beschriebenen Thrombangiitis obliterans (TAO) handelt es sich um eine seltene, segmentale, nichtarteriosklerotische Gefäßentzündung der kleinen und mittleren Arterien und Venen. Betroffen sind überwiegend junge Raucher zwischen dem 20. und 45. Lebensjahr. Die Manifestation wird bei Männern bis zu 10-mal häufiger als bei Frauen beschrieben. In Mitteleuropa werden eine Prävalenz von 0,5–5,6 % und eine Inzidenz von 7–10 Patienten pro 100.000/Jahr beschrieben, allerdings mit deutlich abnehmender Tendenz in den letzten beiden Jahrzehnten. Wesentlich höherer Prävalenzen von bis zu 16–66 % finden sich im Orient, in Südostasien und Osteuropa.
Ätiopathogenese
Bei der TAO handelt es sich um eine Vaskulitis unklarer Ätiologie. Im Gegensatz zu anderen Vaskulitiden bleibt die Architektur der Gefäßwand erhalten. Fibrinoide Medianekrosen werden nicht beobachtet und die Lamina elastica interna bleibt intakt. Immunhistochemische Analysen zeigen eine Infiltration von zytotoxischen T-Lymphozyten ebenso wie von T-Helfer-Lymphozyten. Zusätzlich finden sich lineare Ablagerungen von Immunglobulinen vom Typ IgG, IgA und IgM und Komplementfaktoren C3d und C4c entlang der erhaltenen Lamina elastica interna.
Die Gefäßveränderungen finden sich zumeist im Bereich der distalen Abschnitte der Beine. Auch wenn die exakte Ätiologie immer noch unbekannt ist, so ist die sehr gehäuft auftretende Assoziation mit einem ausgeprägten Tabakkonsum auffällig. Es wird diskutiert, dass ein im Tabak enthaltenes Glykoprotein als Antigen im Rahmen einer Autoimmunreaktion agieren könnte. Als ein Kofaktor wurde über eine genetische Prädisposition berichtet. In anderen Untersuchungen fanden sich beispielsweise durch den Nachweis von Autoantikörpern gegen Elastin oder Kollagen Typ I und III Hinweise auf das Vorliegen einer autoimmunologischen Genese der TAO.
Klinik
Typische, jedoch nicht spezifische Symptome für die meist männlichen Patienten mit TAO sind die einseitige Claudicatio intermittens, Ruheschmerzen, Parästhesien, rezidivierende, oberflächliche Thrombophlebitiden, Thrombophlebitis migrans oder auch Raynaud-Syndrom. Klinisch kommt es oft schon vor dem 40. Lebensjahr an den kühlen Zehenkuppen zu Erythemen, Plaques und Noduli, bis sich schließlich Nekrosen und Ulzerationen mit Osteolysen ausbilden (Abb. 2), die zu Spontanmutilationen führen können. Das Hautkolorit der Akren ist livide oder zyanotisch; zudem besteht oft eine Hyperhidrose. Im weiteren Verlauf der Erkrankung können die Hautveränderungen auch an Zehenballen, Fersen, Fußrücken und Unterschenkeln auftreten. Sehr selten besteht zudem eine Mitbeteiligung der Arme oder der Koronar-, Zerebral- und Mesenterialarterien.
Typische aber unspezifische Symptome für die Diagnose der TAO entsprechend der klinischen Kriterien nach Shionoya.
  • Tabakkonsum
  • Beginn der Symptome vor dem 50. Lebensjahr
  • Infrapopliteale Arterienverschlüsse
  • Vorangehende oder begleitende Thrombophlebitis migrans
  • Ausschluss anderer Arteriosklerose-Risikofaktoren außer Tabakkonsum
Differenzialdiagnose
Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Blue-toe-Syndrom, andere Vaskulitis-Formen, Erythromelalgie, Raynaud-Syndrom sind abzugrenzen.
Diagnostisches Vorgehen
Die diagnostischen Kriterien der TAO sind bis heute nicht standardisiert. Am weitesten verbreitet sind die klinischen Kriterien nach Shionoya. Eine sichere klinische Diagnosestellung setzt die Erfüllung aller fünf Kriterien voraus. Der duplexsonografische oder angiografische Nachweis sogenannter Korkenzieherkollateralen stützt zudem die Diagnose. Es existieren keine spezifischen Laborveränderungen und auch eine Biopsie hilft nur bei Nachweis der typischen frühen Veränderungen. Selten können auch Gefäße viszeraler Organe betroffen sein.
Histopathologie
In den Frühstadien der TAO kommt es zu einer Invasion von Neutrophilen in die ödematös aufgelockerten Arterienwände. In späteren Stadien finden sich Lymphozyten, Makrophagen, einzelne Riesenzellen und eine Endothelproliferation. Oft bestehen zudem zellreiche Thromben mit feiner Rekanalisation und eine Fältelung der Membrana elastica interna.
Labor
Spezifische Laborveränderungen bestehen nicht. Serologisch können als Hinweis auf die Krankheitsaktivität die Akutphaseproteine BSG, CRP, Fibrinogen und α2-Globuline sowie Antikörper gegen Elastin und Kollagen bestimmt werden.
Verlauf
Der Verlauf der Erkrankung ist meist chronisch-schubweise, gelegentlich auch fulminant mit rasch fortschreitendem Auftreten von Nekrosen und Gangrän. Bezüglich der Lebenserwartung ist die Prognose von Patienten mit TAO nahezu unverändert gegenüber der Normalbevölkerung. Allerdings wird bei etwa 20 % der Patienten eine Amputation der Zehen und des Vorfußes, bei weiteren 20 % unterhalb des Kniegelenks notwendig.
Therapie
Die wichtigste Maßnahme in der Prophylaxe und Therapie der Patienten mit TAO umfasst den kompletten Verzicht auf jede Form des Tabakkonsums. Zudem müssen Kälte und Traumata unbedingt gemieden werden. Zusätzlich zu einem Gehtraining sollte medikamentös eine rheologische Behandlung möglichst in Form einer intermittierenden Infusionstherapie mit Prostanoiden eingeleitet werden. Nur in Einzelfällen kann eine gefäßchirurgische oder endovaskuläre Therapie sinnvoll sein. Vielversprechende Ergebnisse zeigen auch erste Studien zu der Immunapharese, Endothelin-Rezeptorblockade und Phosphodiesterase-V-Inhibitoren.

Arterielle Embolie

Ätiopathogenese
Arterielle Embolien sind bei 80–90 % der Patienten kardialer Genese. Diese Thrombembolien werden insbesondere bei Patienten mit Herzklappenvitien, Herzrhythmusstörungen, Endokarditiden oder Herzwandaneurysmen gefunden. Die Risikofaktoren entsprechen denen für die Ausbildung von Thrombosen, wie die Einnahme von Kontrazeptiva insbesondere in Verbindung mit Nikotinabusus. Zudem spielen koronare Herzkrankheit, Polyglobulie, Arteriosklerose, arterieller Hypertonus, Diabetes mellitus, hohes Lebensalter und weibliches Geschlecht eine prädisponierende Rolle.
Paradoxe Emboli stammen aus den Venen und gelangen bei Patienten mit offenem Foramen ovale in das arterielle Gefäßsystem. Die Cholesterinembolie kann nach Manipulation an atheromatösen Gefäßen durch Koronarangiografie, gefäßchirurgische Eingriffe oder Traumata sowie unter Antikoagulation durch Cholesterinkristalle entstehen. Bakterielle Embolien, die synonym auch als septische Metastasen bezeichnet werden, entstehen, wenn sich Bakterienkolonien von Herzklappen oder großen Gefäßen lösen. Weitere Ursachen für arterielle Embolien können Verschlüsse durch Fett, Tumorzellen, Fremdkörper, Fruchtwasser oder Gase sein.
Fällt der mittlere arterielle Blutdruck distal der akut verschlossenen Arterie unter den kritischen Druck von 40–50 mmHg ab, ist die Kapillarperfusion nicht mehr gewährleistet.
Klinik
Von arteriellen Embolien sind bei etwa 85 % der Patienten die Beine und bei etwa der Hälfte der Patienten die Gefäße der Femoralisgabel betroffen. Danach folgen in der Häufigkeit die A. poplitea und die Unterschenkeltrifurkation. Seltener sind ortständige Thromben bei meist atherosklerotisch bedingter Stenose oder nach Gefäßrekonstruktionen. Wenn bei den Patienten noch eine Minimaldurchblutung gewährleistet ist, besteht eine inkomplette statt einer kompletten Ischämie-Symptomatik (Tab. 3).
Tab. 3
Klassifikation der akuten Extremitätenischämie (entsprechend der Einteilung) der Society for Vascular Surgery (SVS) und der International Society for Cardio Vascular Surgery (ISCVS)
Kategorie
Prognose
Sensibilität
Muskelschwäche
Dopplersignal
Arteriell
Venös
I. Lebensfähig
Nicht unmittelbar gefährdet
Fehlt
Fehlt
Hörbar
Hörbar
II. Gefährdet
a. Gering
Restitutio ad integrum bei sofortiger Behandlung
Minimal (Zehen) oder fehlt
Fehlt
Oft hörbar
Hörbar
b. Unmittelbar
Restitutio ad integrum bei unverzüglicher Revaskularisation
Mehr als Zehen- und Ruheschmerz
Gering bis mäßig
Nicht hörbar
Hörbar
III. Irreversibel
Amputation erforderlich oder unvermeidbare Nervenschädigung
Anästhesie
Paralyse (Rigor)
Nicht hörbar
Nicht hörbar
Das klinische Kardinalsymptom einer kompletten Ischämie-Symptomatik ist der als peitschenartig beschriebene Extremitätenschmerz. Von Pratt (1954) wurden die typischen klinischen Symptome als „6 P“ zusammengefasst:
  • Pain (Schmerz)
  • Pallor (Blässe)
  • Pulselessness (Pulslosigkeit)
  • Paresthesia (Sensibilitätsstörung)
  • Paralysis (Bewegungsunfähigkeit)
  • Prostration (Schock)
Insbesondere bei Cholesterinembolien kann es an der Haut zu Livedo racemosa, Akrozyanose, Gangrän, Nekrosen oder Ulzera kommen. Viszerale Komplikationen sind Nierenversagen, zerebrale Insulte oder Mesenterialischämien. Das klinische Gesamtbild ist von der Lokalisation des Verschlusses und der Kompensationsfähigkeit des Kollateralsystems abhängig. Die Ischämietoleranz für die Haut beträgt 12 h, für die Muskulatur 6–8 h und für Nervengewebe 2–4 h. Bei einer Ischämiezeit von mehr als 6 h droht ein Tourniquet-Syndrom mit Myoglobulinämie, Azidose, Volumenverlust und Nierenversagen.
Differenzialdiagnose
Akute Ischämie, akute Venenthrombose, Phlegmasia coerulea dolens, Raynaud-Syndrom, Ergotismus, Muskelriss sind zu differenzieren.
Diagnostisches Vorgehen
Neben Anamnese, klinischer Inspektion, Palpation, Temperaturvergleich der Extremitäten, Pulsstatus und Auskultation sollten eine Lagerungsprobe nach Ratschow, Faustschlussprobe und Gehtest durchgeführt werden. In der apparativen Diagnostik ist die Angiografie aktuell die wichtigste Untersuchung. Insbesondere für den Nachweis von Dissektionen und Aneurysmen könnte auch die Doppler- oder Duplexsonografie, Computertomografie oder Magnetresonanztomografie erforderlich sein. Für die weitere Klärung der Genese sollte Elektromyogramm, Röntgen-Thorax-Aufnahme sowie Echokardiografie durchgeführt werden.
Labor
Serologisch sollte eine Blutgerinnungsstörung als Ursache für die Thrombenbildung ausgeschlossen werden.
Verlauf
Der weitere Verlauf der Erkrankung ist von Lokalisation, Ausdehnung und potenziell vorhandenen Kollateralkreisläufen abhängig. Die Prognose ist bei akuten Verschlüssen der Aorta, der A. iliaca communis und der A. femoralis ungünstig, falls nicht kurzfristig desobliteriert wird. Ein günstigerer Verlauf ist bei thrombotischen Verlegungen von Arterien der Arme, der A. iliaca externa oder der Unterschenkelarterien zu erwarten. Nach der ischämischen Phase muss unbedingt eine adäquate Behandlung der Grunderkrankung erfolgen, um Rezidiven vorzubeugen. Die Überlebensrate von Patienten mit akuten Arterienverschlüssen beträgt nach einem Jahr 79 %.
Therapie
Die betroffene Extremität sollte tief gelagert werden, um den Perfusionsdruck zu verbessern, und mit einem Watteverband gepolstert werden. Wegen der Schmerzen werden Analgetika, bei Schocksymptomatik Flüssigkeitssubstitution gegeben. Bei peripheren Embolien wird Heparin intravenös eingesetzt. Bei weniger peripheren oder multiplen Embolien ist innerhalb der ersten 12 h nach Arterienverschluss die fibrinolytische Therapie mit Streptokinase, Urokinase oder Plasminogenaktivator (rtPA) indiziert. Bei einer kompletten Ischämie sollte umgehend operativ desobliteriert werden. Bei zentral gelegenen Verschlüssen erfolgt die chirurgische Embolektomie mittels Fogarthy-Katheter.
Cave: Bei den Patienten dürfen keine Druckverbände, vasodilatierende Substanzen, intramuskuläre Injektionen oder örtliche Wärmebehandlung eingesetzt werden.

Ulcus cruris hypertonicum

(Martorell 1945)
Synonyme
Martorell Ulkus, hypertensives Ulkus
Epidemiologie
Als Ulcus cruris hypertonicum wurde erstmalig durch Fernando Martorell das Auftreten ischämischer, sehr schmerzhafter Nekrosen und Ulzerationen bei Patienten mit arterieller Hypertonie bezeichnet.
Bislang existieren keine größeren epidemiologischen Untersuchungen zu diesem Krankheitsbild. Man geht davon aus, dass Frauen häufiger als Männer mit einem Altersgipfel zwischen dem 50. und 75. Lebensjahr betroffen sind.
Ätiopathogenese
Definitionsgemäß liegt bei allen Patienten mit Ulcus cruris hypertonicum ein arterieller Hypertonus zugrunde, der meist seit vielen Jahren besteht und oft mit arteriellen Blutdruckwerten, die typischerweise dauerhaft über 95 mmHg liegen, insuffizient eingestellt ist. Zudem soll bei mehr als der Hälfte der Patienten ein Diabetes mellitus Typ 2 vorliegen.
Es wurde diskutiert, dass kausal eine stenosierende Arteriosklerose der dermalen und subkutanen Arteriolen durch eine subendotheliale Intimafibrose und reaktiv eine Hyalinose der Media zugrunde liegt. Diese Veränderungen sind bei Frauen östrogenbedingt vermehrt zu finden.
Die bei Patienten mit Ulcus cruris hypertonicum beschriebenen pathologischen vaskulären Befunde können bei vielen Patienten mit arteriellem Hypertonus im Laufe der Erkrankung auftreten und sind keinesfalls spezifisch. Daher ist der primäre kausale Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Ulcus cruris und einem arteriellen Hypertonus ebenso wie die Eigenständigkeit des Krankheitsbildes weiterhin umstritten.
Klinik
Die äußerst schmerzhaften Ulzerationen haben einen polyzyklischen, violett-schwarzen Wundrand, finden sich meist an den distalen Partien der Unterschenkel oberhalb oder hinter dem Malleolus lateralis und sind bei der Hälfte der Patienten beidseitig lokalisiert (Abb. 3). Bei einem kleineren Teil der Patienten treten Ulzerationen über der Achillessehne, vereinzelt auch an den Fußrücken auf. Initial beschreiben die Patienten das spontane Auftreten einer lividen Macula oder eines Nodus; seltener tritt ein Ulcus cruris hypertonicum auch nach einem Minimaltrauma auf. Die sich rasch ausbildenden Nekrosen reichen bis in die Subkutis und bei einigen Patienten auch bis zu den Faszien. Zudem wurde das nahezu obligate Auftreten begleitender Ödeme beschrieben.
Differenzialdiagnose
Abzugrenzen sind Pyoderma gangraenosum, Kalziphylaxie, ulzerierende Vaskulitis, Livedo-Vaskulopathie.
Diagnostisches Vorgehen
Bei einem Ulcus cruris hypertonicum handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose bei Patienten mit einem lange bestehenden, meist insuffizient eingestellten, arteriellen Hypertonus und typischen klinischen Befunden. Auch der histopathologische Befund ist nicht beweisend, kann die klinische Verdachtsdiagnose aber unterstützen und Differenzialdiagnosen ausschließen. Da bei vielen Patienten auch eine periphere arterielle Verschlusskrankheit und ein Diabetes mellitus vorliegt, sollten beide Krankheitsbilder untersucht werden.
Histopathologie
Es findet sich eine stenosierende Arteriosklerose der dermalen und subkutanen Arteriolen mit einem inversen Wand-zu-Lumen-Verhältnis. Teilweise kommt es zu einer vollständigen Obliteration des Lumen durch Thromben oder Intimaproliferationen. Bei der Mehrzahl der Patienten besteht zudem eine Mediasklerose der subkutanen Arteriolen.
Labor
Es existiert keine spezifische Diagnostik, die ein Ulcus cruris hypertonicum sichern kann. Serologisch sollte aber immer eine oft assoziierte bakterielle Superinfektion ausgeschlossen werden.
Verlauf
Es wurde eine Mortalität von etwa 10 % beschrieben, die allerdings oft durch eine Sepsis bei nicht notwendiger Immunsuppression begünstigt wurde.
Therapie
Bei den Patienten mit Ulcus cruris hypertonicum muss unbedingt eine adäquate Schmerztherapie eingeleitet werden. Ansonsten sollten die Patienten entsprechend einer modernen feuchten Wundbehandlung nach einem chirurgischen Débridement und Wundgrundkonditionierung möglichst mit einer Spalthauttransplantation versorgt werden.
Auch wenn der kausale Zusammenhang zwischen einem Ulcus cruris und arterieller Hypertonie umstritten bleibt, ist es sinnvoll, bei diesen Patienten die antihypertensive Therapie und die Behandlung bestehender assoziierter Krankheitsbilder zu optimieren.

Blue-toe-Syndrom

(Feder und Auerbach 1961)
Synonyme
Syndrom der blauen Zehen, Lila-Zehen-Syndrom, purple toe syndrome
Ätiopathogenese
Als Blue-toe-Syndrom wird das spontane Auftreten einer blauen oder violetten Verfärbung von einem oder mehreren Zehen ohne diffuse Vorfußischämie bezeichnet. Dies ist Ausdruck einer primär transienten, fokalen Ischämie der Zehenendarterien. Neben den Cholesterinembolien sind es insbesondere Medikamente wie beispielsweise Cumarine, Imipramin oder Sunitinib, die zu dem Auftreten eines Blue-toe-Syndroms führen können. Die weiteren zugrunde liegenden Ursachen können sehr unterschiedlich sein und werden grundsätzlich in drei unterschiedliche Kategorien unterteilt (Übersicht).
Ursachen für ein Blue-toe-Syndrom
Verringerter Arterienfluss:
Gestörter venöser Abfluss:
Gestörte Blutzirkulation:
  • Kryofibrinogenämie
  • Myeloproliferative Erkrankungen, beispielsweise Polycythaemia vera, essenzielle Thrombozytämie
  • Paraproteinämie
Klinik
Es kommt rasch zu einer sehr schmerzhaften Verfärbung eines oder mehrerer Zehen. Diese Verfärbung ist initial durch Beinhochlagerung reversibel; im weiteren Verlauf der Erkrankung kann es aber auch zu einer persistierenden Verfärbung kommen. In fortgeschrittenen Stadien können zudem Purpura, Nekrosen, Ulzerationen und/oder Gangrän auftreten (Abb. 4). An den Extremitäten bestehen oft auch eine Livedo reticularis sowie Splitterhämorrhagien der Nägel. In Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Ursache können die Symptome bilateral auftreten. In seltenen Fällen sind auch die Finger betroffen; man spricht dann von einem Blue-finger-Syndrom.
Bei Patienten mit Blue-toe-Syndrom treten bei etwa 50 % nephrologische und bei 20 % gastrointestinale Krankheitssymptome auf. Zudem können auch ophthalmologische oder neurologische Krankheitsbilder mit den entsprechenden klinischen Symptomen assoziiert sein.
Differenzialdiagnose
Traumata, Congelatio erythematosa, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), Hypoxämie, Thrombangiitis obliterans, Erythromelalgie, Raynaud-Syndrom sind abzugrenzen.
Diagnostisches Vorgehen
Wenn die peripheren Pulse gut tastbar sind und andere Ursachen über die Anamnese ausgeschlossen werden konnten, wird die Diagnose Blue-toe-Syndrom nach klinischer Inspektion aufgrund des klinischen Befundes gestellt. Es sollte zudem eine Biopsie für die histopathologische Untersuchung entnommen werden. Fakultativ können für die Abklärung zugrunde liegender Krankheitsbilder noch folgende apparative Untersuchungen durchgeführt werden: Röntgen-Thorax-Aufnahme, Abdomen-Sonografie, MR-Angiografie, Echokardiografie und Duplex-Sonografie.
Histopathologie
In Abhängigkeit von der Ursache kann beispielsweise bei einer Cholesterinembolie der Verschluss von Arteriolen durch bikonvexe nadelförmige Spalten, aus denen die Cholesterinkristalle im Rahmen der Vorbereitung der Präparate für die Untersuchung gelöst wurden, nachgewiesen werden. Im weiteren Verlauf wandern Neutrophile und Eosinophile, später auch Monozyten und mehrkernige Riesenzellen in die verschlossenen Gefäße ein, bevor es schließlich zu einem narbigen Verschluss der Gefäße kommt.
Labor
Da eine Bluteosinophilie bei bis zu 80 % der Patienten mit Blue-toe-Syndrom gefunden werden kann, sollte in der Basisdiagnostik immer ein Differenzialblutbild bestimmt werden. Zudem bestehen oft neben einer Anämie auch eine Leukozytose sowie eine pathologische Erhöhung von CRP und BSG. In der weiterführenden Diagnostik sollten die potenziell zugrunde liegenden Krankheitsbilder abgeklärt werden. Somit kann fakultativ folgende Labordiagnostik veranlasst werden: Funktionsparameter für Leber und Niere, Elektrolyte, ANA, ANCA, dsDNA, Antiphospholipid-Antikörper, Blutkultur, Blutausstrich, Blutgerinnungstests, Kälteagglutinine, Kryofibrinogen, Kryoglobuline, Paraproteine, Hepatitis C, D-Dimere, TPHA/TPPA und Urinanalyse.
Therapie
Eine spezifische Therapie existiert nicht. Die Behandlung der Patienten orientiert sich an der Ursache des Blue-toe-Syndroms. Adjuvant kann eine systemische Behandlung mit Prostaglandinen versucht werden. Insbesondere bei Cholesterinembolien können Therapien mit Statinen und Thrombozytenaggregationshemmern eingeleitet werden. Der Einsatz von Glukokortikoiden oder Cyclophosphamid wird kontrovers diskutiert.
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