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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 23.11.2018

Geruchs- und Geschmacksstörungen

Verfasst von: Peter Berlit
Störungen des Geruchs- und Geschmackssinnes werden zweckmäßigerweise gemeinsam besprochen: Beide Sinnesmodalitäten werden über Chemorezeptoren vermittelt, Störungen der einen führen oft subjektiv zu Beeinträchtigungen der anderen Sinnesmodalität, differenzierte Leistungen (z. B. Abschmecken von Speisen beim Kochen) sind an die Intaktheit von Geschmacks- und Geruchssinn geknüpft. Wenn von der Berufstätigkeit in der Gastronomie abgesehen wird, stellen weder die Anosmie (Verlust des Riechsinnes) noch die Ageusie (Verlust des Geschmackssinnes) für sich genommen ein schwerwiegendes Handikap dar; sie mindern jedoch die Lebensqualität deutlich, und es fällt auch die Schutzfunktion der rechtzeitigen Wahrnehmung schädlicher Dämpfe (Gas) oder vergifteter/verdorbener Speisen fort. Im klinischen Alltag spielen Störungen des Geruchssinnes vor allem nach Virusinfektionen und in der Neurotraumatologie eine Rolle; die aromatische Anosmie stellt auch ein Frühsymptom neurodegenerativer Erkrankungen (Demenzen, Parkinson) dar. Geschmacksstörungen kommen bei Läsionen der Hirnnerven VII und IX sowie medikamenteninduziert am häufigsten vor.
Störungen des Geruchs- und Geschmackssinnes werden zweckmäßigerweise gemeinsam besprochen: Beide Sinnesmodalitäten werden über Chemorezeptoren vermittelt, Störungen der einen führen oft subjektiv zu Beeinträchtigungen der anderen Sinnesmodalität, differenzierte Leistungen (z. B. Abschmecken von Speisen beim Kochen) sind an die Intaktheit von Geschmacks- und Geruchssinn geknüpft. Wenn von der Berufstätigkeit in der Gastronomie abgesehen wird, stellen weder die Anosmie (Verlust des Riechsinnes) noch die Ageusie (Verlust des Geschmackssinnes) für sich genommen ein schwerwiegendes Handikap dar; sie mindern jedoch die Lebensqualität deutlich, und es fällt auch die Schutzfunktion der rechtzeitigen Wahrnehmung schädlicher Dämpfe (Gas) oder vergifteter/verdorbener Speisen fort. Im klinischen Alltag spielen Störungen des Geruchssinnes vor allem nach Virusinfektionen und in der Neurotraumatologie eine Rolle; die aromatische Anosmie stellt auch ein Frühsymptom neurodegenerativer Erkrankungen (Demenzen, Parkinson) dar. Geschmacksstörungen kommen bei Läsionen der Hirnnerven VII und IX sowie medikamenteninduziert am häufigsten vor.

Geruchsstörungen

Anatomie und Physiologie
Das Riechepithel befindet sich in der oberen Nasenmuschel dorsal auf einer umschriebenen Fläche von etwa 2,5 cm und ist mit einem Flüssigkeitsfilm bedeckt. In diesen ragen feine Sinneshärchen hinein, welche für die Reizperzeption zuständig sind. Die mit der Atemluft herangetragenen Duftmoleküle werden spezifisch gebunden und führen über die Bildung eines depolarisierenden Rezeptorpotenzials zu Nervenimpulsen, welche über die Fila olfactoria zum Bulbus olfactorius geleitet werden. Die Fila olfactoria, welche gemeinsam den I. Hirnnerven, den N. olfactorius, bilden, durchstoßen die Lamina cribrosa, um zum Bulbus olfactorius über dem Dach der Nasenhöhle zu gelangen. Der Bulbus selbst ist ein in die Peripherie verlagerter Bestandteil des Telenzephalons und mit diesem über den Tractus olfactorius verbunden. Auch beim Erwachsenen werden die etwa 30 Mio. Riechzellen aus Basalzellen kontinuierlich erneuert; die Duftinformationen aus etwa 1000 Axonen einzelner Riechzellen konvergieren ihre Information auf eine einzige Mitralzelle in den Glomeruli des Bulbus olfactorius.
Ein Hauptast des Tractus olfactorius kreuzt in der vorderen Kommissur zum Bulbus der Gegenseite, die anderen Fasern ziehen zum Riechhirn. Hierzu gehören zahlreiche Gebiete des Paleocortex, im Einzelnen das Tuberculum olfactorium vor dem Chiasma opticum, das Corpus amygdaloideum und die präpiriforme Rinde mit Verschaltungen zum limbischen System und den vegetativen Kernen von Hypothalamus und Formatio reticularis. Im neuronalen Netzwerk des Geruchssinns spielen hemmende Mechanismen mit einer efferenten Kontrolle der einlaufenden Erregung eine wesentliche Rolle.
Es werden 7 Duftklassen unterschieden (kampferartig, moschusartig, blumig, minzig, aetherisch, stechend, faulig). Physiologischerweise kommen in der Bevölkerung partielle Anosmien vor. So können bis zu 40 % der Bevölkerung nicht das Androstenon des Urins, 33 % kein Kampfer und 2 % keinen Schweißgeruch wahrnehmen. Offensichtlich fehlen bei diesen Menschen spezifische Rezeptormoleküle. Ausgeprägt sind die Adaptationsmechanismen des olfaktorischen Systems – so können bestimmte Gerüche (z. B. Zigarettenrauch) ausgeblendet werden. Potenzialschwankungen können als Elektroolfaktogramm von der Riechschleimhaut abgeleitet werden.
Die Geruchsschwelle ist für verschiedene Duftstoffe unterschiedlich hoch; sie wird modifiziert durch physiologische Faktoren wie Hunger, Lebensalter und Hormonspiegel (Menstruation, Schwangerschaft). Der genetisch determinierte Eigengeruch des Menschen ist an den Haupthistokompatibilitätskomplex gekoppelt und beeinflusst Partnerwahl und Inzestschranke. Die Pheromone sind Duftstoffe, die in der Sexualität eine Rolle spielen. Die engen Verschaltungen mit limbischem System und autonomen Zentren weisen auf die Bedeutung des Geruchssinnes für emotionales Erleben hin.
Sensibel wird die Nasenschleimhaut vom N. trigeminus versorgt; seine freien Nervenendigungen liegen u. a. auch in der Riechschleimhaut. Empfindungen wie stechend, beißend, brennend und scharf werden über die Erregung von Trigeminusfasern vermittelt und sind nicht an die Intaktheit des N. olfactorius geknüpft. Dies bedeutet, dass auch nach vollständiger Durchtrennung des N. olfactorius die Wahrnehmung für sog. Trigeminusreizstoffe (Ammoniak, Chlor, Salzsäure) erhalten bleibt. Stets sollten deshalb aromatische Geruchsstoffe (wie Zimt, Kaffee) und Trigeminusreizstoffe (wie Essig, Formalin) getestet werden. Für die Untersuchung des Geruchssinnes stehen standardisierte und validierte Testsets zur Verfügung, z. B. der „Sniffin-sticks-Test“ oder TDIT (Threshold Discrimination Identification Test; Kobal und Lang 2001).
Ätiologie und Klinik
Störungen des Riechsinnes lassen sich unterscheiden in quantitative Ausfälle (Hyposmie, Anosmie, selten: Hyperosmie) oder qualitative Störungen (Dysosmie oder Parosmie). Olfaktorische Halluzinationen und Verkennungen sind Ausdruck von Läsionen des Temporallappens oder psychiatrischer Erkrankungen, kommen aber auch bei älteren Frauen als Phantosmie ohne Krankheitswert vor. Sehr selten ist die olfaktorische Agnosie als Störung übergeordneter Zentren.
Die wichtigsten Ursachen einer Hyp- oder Anosmie sind in der folgenden Übersicht zusammengestellt. Weitaus häufigste Ursache ist die Virusgrippe mit Entzündung der oberen Luftwege, wobei typischerweise bei der Riechprüfung nicht nur aromatische Geruchsstoffe, sondern auch Trigeminusreizstoffe nicht wahrgenommen werden. Womöglich noch häufiger als die postvirale Anosmie ist die Riechstörung bei starken Rauchern. Jede Hypertrophie oder Hyperämie der Nasenschleimhaut kann zu einer Riechstörung führen (Entzündungen, Allergien, hormonelle, metabolische und toxische Störungen).
Ätiologie von Riechstörungen
1.
Ausfall von aromatischen Geruchsstoffen und Trigeminusreizstoffen
 
2.
Aromatische Hyp-/Anosmie (Trigeminusreizstoffe werden wahrgenommen)
 
Quantitative Störungen
Schädel-Hirn-Trauma
Beim geschlossenen Schädel-Hirn-Trauma tritt eine Anosmie bei 6 % aller Patienten auf, wobei bei einem Drittel der Kranken mit einer Besserung im Verlauf von Wochen bis zu 3 Jahren zu rechnen ist. Während die Mehrzahl aller Kranken mit einer Anosmie angibt, auch nicht schmecken zu können, ist eine bei der neurologischen Testung nachweisbare Ageusie für süß, sauer, salzig und bitter lediglich zu erwarten, wenn sowohl olfaktorische als auch gustatorische Zentren im Bereich des frontalen Operkulums durch eine Kontusion geschädigt worden sind. Ist hingegen die Geschmacksprüfung unauffällig, so kann es sich um den (meist irreversiblen) Abriss der Fila olfactoria an der Lamina cribrosa handeln. Da für eine differenzierte Geschmackswahrnehmung ein intakter Geruchssinn erforderlich ist (synästhetische Leistung), ist zur Differenzierung die Geschmacksprüfung unerlässlich.
Raumforderungen
Raumforderungen im Bereich der vorderen Schädelgrube können zu einer Hyp- oder Anosmie führen; hierzu zählen Meningeom, Glioblastom und Hypophysentumoren, Malignome des Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Fachbereichs, Metastasen, die Paget-Krankheit und granulomatöse Erkrankungen wie die Boeck-Sarkoidose und die Granulomatose mit Polyangiitis. Ein sehr seltener Tumor ist das Esthesioneuroblastom, welches vom Riechepithel selbst ausgeht und die aromatische Anosmie als Leitsymptom hat. Selten führen Meningoenzephalozelen und große Aneurysmen der A. cerebri anterior bzw. des R. communicans anterior zu einer Riechstörung.
Erkrankungen des Temporallappens
Auch Erkrankungen des Temporallappens können zu einer Hyposmie führen. Dies gilt für neurodegenerative Erkrankungen (idiopathisches Parkinson-Syndrom, Chorea Huntington, Demenz vom Alzheimer-Typ, FTD (Tonacci und Billeci 2018), frontotemporale Degeneration (Tonacci und Billeci 2018)), temporale Tumoren, das Wernicke-Korsakow-Syndrom und Zustandsbilder nach vorderer temporaler Lobektomie. Vermutlich sind Läsionen der medialen Thalamuskerne hierbei für die Riechstörung verantwortlich.
Autoimmunerkrankungen
Bei der multiplen Sklerose (MS) ist die Hyposmie mit Beeinträchtigung von Diskrimination und Identifizierung Folge der Neurodegeneration (Lucassen et al. 2016); v. a. bei der primär progredienten MS ist sie häufiger (Schmidt et al. 2017). Beim akuten MS-Schub kommt es zu einer vorübergehenden Änderung der Geruchsschwelle (Bsteh et al. 2018). Sowohl der systemische Lupus erythematodes (SLE) als auch das Sjögren-Syndrom gehen im Langzeitverlauf mit einer aromatischen Riechstörung einher (Bombini et al. 2018).
Im Rahmen des Diabetes mellitus treten Hyposmien v. a. unter Insulintherapie auf (Chan et al. 2018).
Migräne
Eine Hyperosmie kommt bei Migräneattacken vor. Darüber hinaus kann die individuelle Empfindlichkeit für bestimmte Gerüche deutlich variieren.
Qualitative Störungen
Par- und Dysosmien zeigen sich meist in Form der Wahrnehmung unangenehmer Gerüche (Kakosmie). Sie kommen vor bei eitrigen Entzündungen im Bereich der Nasennebenhöhlen und der Nase selbst und bei Depressionen. Derartige olfaktorische Parosmien dürfen nicht verwechselt werden mit den sog. Unzinatusanfällen. Hierbei handelt es sich um elementar partielle epileptische Anfälle, die ihren Ausgangspunkt im Temporallappen haben (symptomatische Epilepsien, z. B. bei Hirntumoren).
Fallbeispiel
Eine 58-jährige Bauersfrau wurde von ihrem erbosten Ehemann in die Klinik gebracht, weil sie zum wiederholten Male ihn und den Elektriker gebeten hatte, den Gasherd zu überprüfen, da sie überzeugt war, dass Gas austrat, und sie wegen der Brandgefahr nicht zu kochen wagte. Bei der in der klinisch-neurologischen Untersuchung unauffälligen Patientin fand sich rechts-temporal ein Astrozytom, welches Unzinatusanfälle mit Wahrnehmung von Gasgeruch ausgelöst hatte. Die Geruchshalluzinationen sistierten unter der Gabe von Levetiracetam.
Daneben kommen olfaktorische Halluzinationen bei psychiatrischen Erkrankungen (Schizophrenie, endogene Depression) vor. Mit einer Prävalenz von 4,9 % treten bei älteren Menschen, v. a. Frauen, Phantosmien auf (Phantomgeruch v. a. nach Verbranntem) – diese haben keinen Krankheitswert (Sjölund et al. 2017).
Eine Störung der Differenzierung von Gerüchen trotz intakter Wahrnehmung bzw. der Zuordnung von Gerüchen zu bildlich dargestellten Geruchsquellen kommt vor bei Schädigungen des dorsomedialen Thalamus (olfaktorische Agnosie). Beschrieben ist sie v. a. beim Korsakow-Syndrom.
Therapie
Die Behandlung von Riechstörungen ist problematisch. Bei Zuständen mit einer Schwellung der Nasenschleimhaut helfen lokale abschwellende Maßnahmen bzw. die Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung, ebenfalls versucht werden können intranasales Insulin-Gel (Rezaeian 2018) oder topisches Vitamin A (Hummel et al. 2017). Bei posttraumatischer Anosmie muss der natürliche Verlauf abgewartet werden. Bezüglich der gutachterlichen Einschätzung spielt die ergänzende Geschmacksprüfung (s. oben) eine entscheidende Rolle. Ein Therapieversuch kann mit Kortikoiden (80 mg in absteigender Dosierung über 10 Tage) oder Theophyllin (200–800 mg täglich) gemacht werden (Henkin et al. 2017). Während Unzinatusanfälle antikonvulsiv behandelt werden, kann bei Parosmien ein Therapieversuch mit Lokalanästhetika, Zink- und/oder Vitamin-A-Gabe erfolgen.

Geschmacksstörungen

Anatomie und Physiologie
Geschmacksknospen befinden sich nicht nur auf der Zunge, sondern auch auf dem Gaumen, den Lippen, dem Pharynx, Larynx und dem Ösophagus. Für die vier Grundqualitäten (süß, sauer, salzig, bitter) existieren unterschiedliche Typen von Geschmacksknospen, welche auf der Zunge so verteilt sind, dass süß und sauer vornehmlich vorne und bitter besonders im hinteren Drittel wahrgenommen werden.
Die nervale Versorgung erfolgt für das hintere Zungendrittel durch den N. glossopharyngeus, für die vorderen zwei Zungendrittel durch die Chorda tympani, welche initial mit dem N. lingualis, einem Ast des N. trigeminus, nachfolgend jedoch mit dem Intermediusanteil des N. facialis verläuft (Abb. 1). Geschmacksempfindungen aus dem Larynx-/Pharynx-Bereich werden über sensorische Fasern des N. vagus geleitet. Die Gesamtheit aller Geschmacksfasern aus den Hirnnerven VII, IX und X gelangt zum langgestreckten Nucleus solitarius des Hirnstammes (kranial bis Höhe des pontinen Trigeminuskerns, kaudal bis zum Ende des 4. Ventrikels). Die zentrale Geschmacksbahn erfolgt mit Kreuzung zur Gegenseite zum Nucleus ventralis posteromedialis des Thalamus und von hier zur Repräsentation der Zunge am Gyrus postcentralis und der Inselrinde. Verschaltungen zu den Nuclei salivatorii und dem Nucleus dorsalis nervi vagi initiieren reflektorisch Speichel- und Magensaftsekretion. Verschaltungen mit dem Rhombenzephalon, dem Hypothalamus und dem limbischen System sind für die affektiven Auswirkungen der Geschmacksinformation verantwortlich.
An der eigentlichen Geschmackswahrnehmung sind neben dem Geschmackssinn andere Sinnesorgane beteiligt, insbesondere das trigeminale (scharf, beißend, stechend) und das olfaktorische (s. oben) System sowie thermo- und nozizeptive Afferenzen. Die Geschmackszellen selbst sind sekundäre Sinneszellen, die von einer afferenten Nervenfaser über eine chemische Synapse innerviert sind und kein eigenes Axon aufweisen. Die Sinneszellen der Geschmacksknospen des Menschen werden aus Basalzellen wöchentlich ersetzt. Mit zunehmendem Alter reduziert sich die Zahl der Geschmacksknospen auf weniger als ein Drittel der ursprünglichen Zahl. Ähnlich dem Geruchssinn konvergieren die gustatorischen Informationen bei Umschaltung auf das 2. Neuron der Geschmacksbahn im Nucleus tractus solitarii. Die Wechselwirkung zwischen chemischem Geschmacksstoff und Rezeptorprotein führt zu einer Permeabilitätsänderung der Membran, zur Zelldepolarisation mit Transmitterfreisetzung und Entstehung eines Aktionspotenzials. Während die Sensitivität der Geschmacksrezeptoren sehr hoch ist, sind diese nur relativ wenig spezifisch: Sie erkennen bevorzugt eine Geschmacksrichtung, sind jedoch auch in der Lage, andere Geschmacksrichtungen zu rezeptieren.
Untersuchung und Klassifikation
Die Untersuchung erfolgt, indem auf die herausgestreckte Zunge des Patienten Geschmacksstoffe aufgebracht werden, wobei die vom Kranken wahrgenommene Geschmacksrichtung auf einer Tafel angezeigt wird. Wichtig ist, dass während der Untersuchung die Zunge herausgestreckt gehalten wird, da sonst Geschmacksknospen anderer Zungenabschnitte bzw. der Wangen und des Rachens die gefragte Information liefern.
Ein Ausfall des Schmeckens wird als Ageusie, eine Minderung als Hypogeusie bezeichnet, Fehlwahrnehmungen als Dysgeusie bzw. Pargeusie. Daneben gibt es Hypergeusien und gustatorische Halluzinationen.
Ätiologie
Die folgende Übersicht fasst einige der wichtigsten Ursachen von Geschmacksstörungen zusammen. Insbesondere starkes Rauchen führt zu Beeinträchtigungen des Geschmackssinnes, eine Austrocknung der Zunge und eine Hyperviskosität des Speichels bedingen eine Geschmacksstörung, da die Wahrnehmung an die chemische Lösbarkeit im flüssigen Medium gebunden ist. Im Rahmen von Virusinfektionen resultiert meist sowohl eine Ageusie als auch eine Anosmie. Bei der idiopathischen Hypogeusie, bei der häufig Speisen als unangenehm schmeckend wahrgenommen werden (Kakogeusie), kann es sich um Folge eines Zinkmangels handeln; daneben ist an psychiatrische Erkrankungen zu denken. Beim Morbus Parkinson kann es nicht nur zu Riechstörungen, sondern auch zu Geschmackstörungen kommen (Ricatti et al 2017; Tarakad und Jankovic 2017). Stets ist eine gewissenhafte Medikamentenanamnese (s. folgende Übersicht) erforderlich.
Ursachen von Geschmacksstörungen (Ageusie, Hypogeusie)
  • Starkes Rauchen (v. a. Pfeife)
  • Exsikkose der Zunge, Xerostomie (Sjögren, trizyklische Thymoleptika)
  • Speichelhyperviskosität (zystische Fibrose, Strahlentherapie, Pandysautonomie, Riley-Day-Syndrom)
  • Influenza, andere Virusinfektionen (Hepatitis, Enzephalitis)
  • Medikamente (Allopurinol, Amphothericin B, Bleomycin, Captopril, Cisplatin, Dipyridamol, Enalapril, Ethambutol, Penicillin, Procarbazin, Vincristin, Vinblastin, Griseofulvin, Hydrochlorothiacid, Lithium, Losartan, Chlorambucil, MTX, Thyreostatika, Nifedipin, Amitryptilin, Cholestyramin, Selegilin)
  • Hirnnervenläsionen (N. facialis: vordere zwei Drittel; N. glossopharyngeus: hinteres Drittel; N. vagus: Larynx, Pharynx; N. mandibularis: fragliche Geschmacksbahn)
  • Vitaminmangelzustände (Vitamin A und B), Malnutrition
  • Malignome (oropharyngeale Karzinome)
  • Idiopathische Hypogeusie und Kakogeusie (Zinkmangel?)
  • Morbus Parkinson (Ricatti et al. 2017; Tarakad und Jankovic J 2017)
Zentrale Hypogeusie
Kontralateral bei Läsionen im Thalamus, frontoparietalen Kortex oder Uncus; ggf. gustatorische Halluzinationen bei rechtshemisphärischen Läsionen.
Umschriebene Geschmacksstörungen
Sie finden sich besonders häufig im Rahmen der idiopathischen Fazialisparese im Bereich der vorderen zwei Zungendrittel, bilateral beim Ramsay-Hunt-Syndrom (Pavlidis et al. 2018). Läsionen des N. facialis mit Geschmacksstörung kommen auch bei Tumoren und entzündlichen Prozessen der Schädelbasis, des Felsenbeins und des Kleinhirn-Brücken-Winkels vor. Mittelohrprozesse, Kiefergelenkfrakturen und der Zustand nach Elektrokoagulation des Ganglion Gasseri (zur Therapie einer Trigeminusneuralgie) bedingen gelegentlich eine isolierte Läsion der Chorda tympani. Eine Tonsillektomie kann über eine Läsion des N. lingualis zu einer Geschmacksstörung der vorderen zwei Zungendrittel und über eine Läsion des N. glossopharyngeus zu einer Schädigung der Bittergeschmacksempfindung im hinteren Zungendrittel führen. Auch Tonsillenabszesse und -tumoren können für eine Glossopharyngeusläsion verantwortlich sein (Dressler und Conrad 1989). Weitere mögliche Ursachen sind Prozesse im Bereich der Schädelbasis und insbesondere des Foramen jugulare bzw. des Hirnstamms.
Halbseitige Geschmacksstörungen
Halbseitige Geschmacksstörungen der Zunge, welche sowohl die vorderen als auch das hintere Zungendrittel betreffen, weisen auf eine Läsion der zentralen Geschmacksbahn hin, wobei es sich in der Regel um unilaterale Thalamus- und Parietallappenläsionen handelt. Ursächlich können zerebrale Ischämien, Blutungen, Traumafolgen, Tumoren und Entzündungen sein. Elementar partielle Anfälle mit gustatorischer Symptomatik nehmen ihren Ursprung im suprasylvischen, frontoparietalen Kortex (der Uncusregion). Sie sind wesentlich seltener als olfaktorische Auren, treten meist bei rechtshemisphärischen Läsionen auf und sind in jedem zweiten Fall sekundär generalisiert mit nachfolgenden tonisch-klonischen Entäußerungen.
Therapie
Therapeutisch entscheidend ist bei Geschmacksstörungen das Ausschalten von Noxen (Rauchen, Medikamente), die Normalisierung der Mund-Rachen-Verhältnisse (Mundhygiene, künstlicher Speichel, abschwellende Maßnahmen) und die Behandlung zugrunde liegender Erkrankungen. Bei der idiopathischen Hypogeusie sollte ein Therapieversuch mit Zink erfolgen, gustatorische Auren werden antikonvulsiv mit Carbamazepin therapiert. Eine Dysgeusie (unangenehme Geschmackswahrnehmung) kann sich unter Clonazepam bessern.

Facharztfragen

1.
Nennen Sie wichtige Ursachen einer aromatischen Anosmie.
 
2.
Was sind Unzinatusanfälle?
 
3.
Welche Hirnnerven sind an der Geschmackswahrnehmung beteiligt?
 
4.
Welche Medikamente führen zu Geruchs- oder Geschmackstörungen?
 
Literatur
Berlit P (2007) Basiswissen Neurologie, 5. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York/Tokio
Berlit P (2009) Memorix Neurologie, 5. Aufl. Thieme, Stuttgart
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