Bei der Chorea handelt es sich um unwillkürliche, abrupt einschießende, nichtrepetitive, distal betont am ganzen Körper auftretende Hyperkinesen, die auf eine Läsion des Striatums zurückzuführen sind. Man kann genetische Formen, deren wichtigster Vertreter die Huntington-Erkrankung (HD) ist, von symptomatischen Formen, wie z. B. der Sydenham-Chorea, unterscheiden (s. Übersicht).
Huntington-Erkrankung
Initial zeigt sich eine organische Wesensänderung mit vermehrter Reizbarkeit, Aggressivität, unmotivierten Impulshandlungen, sexueller Enthemmung oder Gehemmtheit und Ängstlichkeit. Ein Gefühl der Unlust, Verlust an Spontaneität und Initiative und eine erhöhte Ablenkbarkeit sowie eine progressive
Demenz, besonders mit Störungen bei visuell-räumlichen Aufgaben sowie Beeinträchtigung exekutiver Funktionen und sequenzieller Leistungen, sind typisch.
Klinisch ist die Chorea nicht immer leicht von anderen Hyperkinesen abzugrenzen (s. Übersicht). Die Chorea ist durch unwillkürlich auftretende, abrupt einschießende, nichtrepetitive, distal betonte, am ganzen Körper auftretende Hyperkinesien kurzer Dauer und geringer Amplitude gekennzeichnet, welche initial in scheinbar sinnvolle Bewegungen eingebaut und so verschleiert werden (Parakinesie). Dadurch wirken Mimik und Gestik oft übertrieben und maniriert. Die Bewegungsstörung wird durch emotionale Belastung, Zuwendung oder innere Anspannung gesteigert, sistiert dagegen im Schlaf vollständig. Willkürliche Bewegungen werden seltener (Hypokinese) und deutlich langsamer (Bradykinese) als bei Gesunden durchgeführt. Die Patienten sind nicht mehr in der Lage, tonische Muskelkontraktionen aufrechtzuerhalten. Die Zunge kann nicht über längere Zeit herausgestreckt werden (Chamäleonzunge) und bei dem Versuch, die Faust zu schließen, kommt es zu dem sog. Melkergriff. Der Veitstanz kommt durch die Hyperkinesen des Rumpfes und der Extremitäten mit dem charakteristischen tänzelnden Gangbild zustande. Wird der Patellarsehnenreflex im Sitzen ausgelöst, verharrt das Bein oft in gestreckter Haltung (Gordon-Kniephänomen). Die Sprache wird dysarthrisch, zögerlich, durch die Hyperkinesen der Mund-, Schlund- und Atemmuskulatur abgehackt, die Laute werden oft explosionsartig ausgestoßen. Störungen der Kau-, Schluck- und Atemmuskulatur führen zu Beeinträchtigungen der Nahrungsaufnahme und zur Gefahr der Aspiration. Im Verlauf tritt die Chorea in den Hintergrund, und es resultiert ein Parkinsonoid mit muskulärer Rigidität, Akinese oder athetotisch-dystonen Hyperkinesen. Die Blickmotorik bietet sowohl choreatische (erhöhte Fixationsdistraktibilität) als auch parkinsonähnliche (verlangsamte Blicksakkaden und Blickfolgebewegungen) Störungen.
Bei der akinetisch-rigiden Westphal-Variante
der Erkrankung mit Beginn vor dem 20. Lebensjahr steht von Anfang an ein parkinsonoides Bild mit Akinese und Rigor im Vordergrund. Hinzu treten bei zwei Dritteln der juvenilen Patienten
epileptische Anfälle auf.
Andere genetische Choreaerkrankungen
Huntington-ähnliche Erkrankungen („Huntington disease-like syndrome“, HDL)
Dabei handelt es sich um Patienten mit den Symptomen einer HD, aber negativem molekulargenetischem Befund auf
Chromosom 4p16.3. Sie sind insgesamt selten und machen 1–7 % der Patienten mit Symptomen einer Huntington-Chorea aus (Martino et al.
2013).
HDL1
Bei der sehr seltenen, autosomal-dominant vererbten HDL1 liegt eine Oktapeptidrepeatexpansion in dem das Prionprotein (PRNP) kodierenden Gen auf
Chromosom 20p vor. Das Erkrankungsalter liegt bei 20–45 Jahren. Klinisch bestehen neben choreatischen Hyperkinesen, Rumpf- und Extremitätenataxie,
Demenz, Persönlichkeitsänderungen, psychiatrischen Auffälligkeiten auch Dysarthrie und
epileptische Anfälle. Die Krankheit verläuft benigner als andere Prionerkrankungen, führt aber innerhalb von 1–10 Jahren zum Tode.
HDL2
Die autosomal-dominant vererbte HDL2 macht etwa 30 % der molekulargenetisch negativen Huntington-ähnlichen Patienten aus, kommt aber überwiegend bei Schwarzafrikanern vor. Es liegt eine Expansion einer
CTG/CAG-Trinukleotid-Wiederholungsrate im
Junctophilin-3(JPH3)-Gen auf
Chromosom 16q24.3 vor. Normalpersonen haben eine Wiederholungsrate von 6–28, Patienten 44–57. Der Effekt von 29–43 Wiederholungen ist noch unklar. Instabilität der Wiederholungsrate besteht bei Vererbung von der Mutter. Die Erkrankung beginnt in der 3. oder 4. Lebensdekade und imitiert das Bild einer HD im Erwachsenenalter, obwohl besonders bei frühem Beginn Parkinson-ähnliche Symptome wie bei der Westphal-Variante beschrieben sind. Die Erkrankung führt innerhalb von 10–20 Jahren zum Tode. 10 % der Patienten zeigen Akanthozyten im
Blutausstrich.
HDL3
Die sehr seltene autosomal-rezessive Variante ist in Saudi-Arabien beschrieben. Die Erkrankung beginnt im Alter von 3–4 Jahren und zeigt früh geistige Retardierung, Dysarthrie,
Dystonie, Pyramidenbahnzeichen, Ataxie und Gangstörungen. Die Zuordnung zum
Chromosom 4p15.3 wird kontrovers diskutiert.
HDL4
Die HDL4 ist die häufigste Huntington-ähnliche Erkrankung. Es handelt sich um die spinozerebelläre Ataxie 17 (SCA17) mit einem durch eine erhöhte CAA/CAG-Wiederholungsrate bedingten verlängerten Polyglutaminabschnitt im TATA-bindenden Protein TBP, das einen wichtigen Transkriptionsfaktor darstellt. Das Gen liegt auf
Chromosom 6q27. Die Wiederholungsrate beträgt bei Normalpersonen 25–42, bei Patienten ≥49. Bei 43–48 Wiederholungen besteht eine reduzierte
Penetranz. Die Erkrankung beginnt zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr, wobei wie bei der HD eine inverse Korrelation zwischen Wiederholungsrate und Erkrankungsbeginn sowie eine Antizipation bei väterlicher Vererbung besteht. Neben der zerebellären Ataxie imponieren extrapyramidale und pyramidale Schädigungszeichen,
Epilepsie,
Demenz oder psychiatrische Symptome. Nuklearmedizinische Untersuchungen zeigen im Striatum eine Reduktion der Aktivität des DA-Transporters, des Glukosemetabolismus und der DA-Rezeptorbindung. Elektrophysiologisch sind lediglich die somatosensorisch evozierten Potenziale auffällig (P14 und P31).
Benigne hereditäre Chorea
Die benigne hereditäre Chorea (BHC) ist eine mit einer
Prävalenz von 1:500.000 sehr seltene autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die sich mit zunehmendem Lebensalter tendenziell bessert. Das zugehörige Gen
NKX2-1 (früher
TITF-1) ist wichtig für die Organogenese von Schilddrüse, Lunge und Basalganglien, weshalb die Patienten ein „Hirn-Lunge-Schilddrüsen-Syndrom“ mit wechselnder Ausprägung von Chorea, Lungen- und Schilddrüsenfunktionsstörung aufweisen (Peall und Kurian
2015). Die
Penetranz wird bei Männern mit 100 %, bei Frauen mit 75 % angenommen. Bei frühem Beginn der Chorea im Alter von 2–3 Jahren fallen die Kinder durch eine Muskelschwäche und eine verzögerte motorische Entwicklung auf (Gras et al.
2012). Die choreatischen und dystonen Hyperkinesen betreffen alle Körperregionen einschließlich Gesicht, Zunge, Extremitäten und Rumpf. Die Hyperkinesen nehmen mit dem Alter nicht zu, gelegentlich lassen sie auch nach. An deren Stelle tritt manchmal ein zuweilen behindernder Myoklonus. Darüber hinaus sind zusätzliche neurologische Symptome beschrieben: Ataxie, Intentionstremor,
Dystonie des Rumpfes und der Extremitäten, motorische und vokale Tics, Dysarthrie und
Stottern. Obwohl selten, wurde auch über Lernbehinderung, Entwicklungsverzögerungen und
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (
ADHS) berichtet. Wegen des eher gutartigen Verlaufes der Chorea und der üblicherweise geringeren kognitiven Defizite gilt diese Chorea im Gegensatz zur HD als benigne.
Die Zusatzdiagnostik ist meist unauffällig. Neuropathologisch fanden sich keine Auffälligkeiten, in einem Fall wurde immunzytochemisch eine Reduktion von striatalen Interneuronen beschrieben, deren
Migration durch das
NKX2-1-Gen vermittelt wird.
Therapeutisch lässt sich die Chorea nur bedingt verbessern. Es liegen Hinweise auf eine Wirksamkeit von Tetrabenazin vor.
Eine wichtige Differenzialdiagnose bei Auftreten der Chorea in der frühen Kindheit stellt die ebenfalls autosomal-dominant vererbte Mutation der Adenylatzyklase 5
(ADCY5) dar (Mencacci und Carecchio
2016). Auffällig ist eine initial „froschartige“ Fortbewegung und eine Zunahme der Chorea bei Müdigkeit. Auch diese Patienten zeigen eine motorische Entwicklungsstörung und muskuläre Hypotonie. Mutationen im
PDE10A-Gen, das eine vorzugsweise in den striatalen mittelgroßen fortsatzreichen Projektionsneuronen vorhandene Phosphodiesterase kodiert, führen auch zu einer früh beginnenden Chorea.
Ein zweiter genetischer Defekt für die benigne Chorea (BHC2) wurde auf dem
Chromosom 8q21.3–q23.3 gefunden (Shimohata et al.
2007). Allerdings liegt das Erkrankungsalter bei diesen Patienten im Mittel bei 54 Jahren, und die Chorea ist langsam progredient.
Choreoakanthozytose
Diese sehr seltene Erkrankung tritt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf. Das verantwortliche
VPS13A genannte Gen liegt auf
Chromosom 9q21 und kodiert das Protein Chorein (Ueno et al.
2001). Die Erkrankung beginnt mit perioralen Hyperkinesen, die anders als bei anderen Erkrankungen häufig zu Selbstverletzungen im Lippen-Zungen-Bereich führen, sowie früh auftretenden Schluckstörungen und einer Dysarthrie. Dystones Herausstrecken der Zunge beim Essen ist typisch für die Erkrankung, obwohl dieses Symptom auch bei der tardiven Dyskinesie, dem McLeod-Syndrom und der Pantothenatkinase-assoziierten Neurodegeneration (PKAN) vorkommen kann. Heftige Beugungen des Halses und des Rumpfes („head drops“) sind ebenfalls typisch. Im Verlauf treten dann choreatische Hyperkinesen an den Extremitäten und bei einem Teil der Patienten eine Wesensveränderung mit Initiativverlust,
Gedächtnisstörungen,
Zwangsstörungen und gelegentlich auch ein demenzielles Syndrom auf. Etwa 40 % der Patienten leidet an
epileptischen Anfällen, besonders Temporallappenanfällen. Elektroneurografisch und elektromyografisch finden sich Zeichen einer axonalen, vorwiegend motorischen
Polyneuropathie. Klinisch zeigen sich eine distal betonte Muskelatrophie und Hohlfußbildung sowie erhöhte Serumenzyme (
Kreatinkinase [CK], Glutamat-Oxalacetat-Transaminase [GOT], Glutamat-Pyruvat-Transaminase [GPT] und
Laktatdehydrogenase [LDH]). Die Prognose ist ungünstig; die Erkrankung führt innerhalb von etwa 15 Jahren zum Tode.
Diagnostisch wegweisend, aber nicht pathognomonisch (!) ist der Nachweis von mehr als 15 % gekerbten bzw. stacheligen
Erythrozyten, sog. Akanthozyten, in frischen
Blutausstrichen. Akanthozyten
werden auch bei dem McLeod-Syndrom, der NBIA1 („neurodegeneration with brain iron accumulation“), der
Bassen-Kornzweig-Krankheit und der HDL2 gefunden.
Neuropathologisch betreffen Neuronenverluste die Basalganglien, besonders Striatum und GP. Der Kortex ist im Gegensatz zur HD völlig intakt. Das MRT zeigt eine Atrophie des Nucleus caudatus und des Putamen und die FDG-PET einen striatalen Hypometabolismus.
McLeod-Syndrom
Das McLeod-Syndrom
beruht auf Mutationen des X-chromosomal kodierten Proteins XK auf
Chromosom Xp21, das in den
Erythrozyten als Träger des Kell-Proteins wirkt. Männer erkranken im Alter von 40–60 Jahren mit psychiatrischen Auffälligkeiten, kognitiven Störungen und zunehmender motorischer Unruhe mit Chorea,
Dystonie und oft spät im Verlauf auftretendem Parkinsonoid. Eine
Polyneuropathie mit Areflexie und erhöhten Werten von CK im
Serum ist typisch. Letztere ist auch durch die oft subklinisch verlaufene Myopathie bedingt. Circa 50 % der Patienten leiden unter
epileptischen Anfällen. Gegenüber anderen Chorea-Erkrankungen ist die bei 2/3 der Patienten vorliegende
Kardiomyopathie mit unter Umständen lebensbedrohenden Rhythmusstörungen ein wichtiges differenzialdiagnostisches Symptom. Laborchemisch finden sich erhöhte Werte der Leberenzyme im Serum sowie fehlende XK- und reduzierte Kell-Antigen-Expression auf den Erythrozyten. Kernspintomografisch findet sich eine Atrophie des Nucleus caudatus und des Putamen.
Weitere genetische Choreaerkrankungen
Chorea wird gelegentlich beobachtet bei der in der Kindkeit (<6 Jahre) mit progressiver
Dystonie des Unterkiefers und der Zunge und Parkinsonoid symptomatisch werdenden neurodegenerativen Basalganglienerkrankung mit Eisenakkumulation vom Typ 1 (Synonyme: Pantothenatkinase-assoziierte Neurodegeneration
[PKAN], „neurodegeneration with brain iron accumulation 1“ [NBIA1]; früher: Hallervorden-Spatz-Krankheit), die auf Mutationen im
PANK2-Gen beruht, das die Pantothenatkinase 2 kodiert.
Die dentatorubral-pallidoluysiane Atrophie (DRPLA) ist eine vorwiegend in Japan vorkommende progressive autosomal-dominant vererbte Erkrankung mit choreatiformen Hyperkinesen, mentalen und emotionalen Problemen und kognitiven Defiziten. Die Erkrankung tritt zwischen dem Kindesalter und dem mittleren Erwachsenenalter auf. Wenn die Erkrankung nach dem 20. Lebensjahr beginnt, stehen Choreaathetose, psychiatrische Symptome und
Demenz im Vordergrund. DRPLA wird durch eine Mutation im
ATN1-Gen verursacht, das das Protein Atrophin 1 kodiert. Zugrunde liegt eine Verlängerung einer Trinukleotidsequenz CAG (Cytosin-Adenin-Guanidin). Normalerweise ist die Wiederholungsrate 6–35, bei Patienten ist sie mindestens 48. Wie bei HD korreliert das Erkrankungsalter invers mit der Anzahl der CAG-Wiederholungen, und es gibt eine Antizipation bei Vererbung vom Vater.
Die Neuroferritinopathie ist eine sehr seltene, autosomal-dominant vererbte Basalganglienerkrankung mit spätem Beginn (Median 40 Jahre, 13–63), die durch Mutationen des Gens für Ferritin-light chain auf
Chromosom 19q13.3 bedingt ist. Vermehrte Eisenablagerungen in den Basalganglien führen zu Chorea und
Dystonie. Letztere dominiert den späten Krankheitsverlauf und betrifft v. a. die Beine und das Gesicht, sodass die Patienten beim Sprechen wie erschreckt aussehen. Die Patienten entwickeln im Verlauf ein dysexekutives Syndrom.
Symptomatische Choreaerkrankungen
Sydenham-Chorea (Chorea minor)
Die Erkrankung kommt überwiegend im Kindesalter vor, 80 % der Kinder sind zwischen 5 und 15 Jahre alt (Zomorrodi und Wald
2006). Im Alter von >10 Jahren sind Mädchen doppelt so häufig betroffen wie Jungen. In den Industrieländern ist die Erkrankung durch die Antibiotikatherapie selten geworden.
Wochen bis Monate nach einer Infektion mit hämolysierenden
Streptokokken der serologischen Gruppe A (Streptococcus pyogenes) mit Gelenkrheuma, Pharyngitis und
Endokarditis treten die sehr raschen choreatischen Hyperkinesen mit Störungen der Konzentration und einer erhöhten Reizbarkeit auf. Im Gegensatz zur HD sind die Patienten unruhiger. Die Chorea verschlechtert sich über 1–4 Wochen und bildet sich bei 75 % der Patienten innerhalb von 6 Monaten spontan vollständig zurück. Allerdings können sich später – v. a. bei Frauen in der Schwangerschaft – erneut choreatische Hyperkinesen einstellen. Lebenslang bleibt eine Empfindlichkeit gegenüber dopaminergen Substanzen,
Phenytoin und Schilddrüsenhormon bestehen, deren Gabe die Chorea wieder auslösen kann. Ein Aktionstremor kann persistieren.
Es wird angenommen, dass die
Streptokokken die Bildung von
Antikörpern induzieren, die mit zytoplasmatischen
Antigenen von Neuronen, besonders des Striatums und des Nucleus subthalamicus, kreuzreagieren und eine Kalzium/Calmodulin-abhängige Proteinkinase II aktivieren. Neuropathologisch finden sich in diesen Strukturen, aber auch in anderen Kernen der Basalganglien, im Thalamus und zerebralen Kortex Zeichen der neuronalen Schwellung, Chromatolyse und Atrophie.
Die Diagnose wird klinisch aufgrund der choreatischen Hyperkinesen gestellt. Hilfreich sind zusätzlich die initialen Verhaltensauffälligkeiten und eine oft zu beobachtende Allgemeinveränderung im
EEG. Laborchemisch finden sich erhöhte Antistreptolysin-O-Titer oder Anti-Deoxyribonuklease-B-Titer, eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), ein erhöhtes
C-reaktives Protein (CRP), ein positives Streptozym oder der Nachweis von Streptococcus pyogenes im Rachenabstrich. Die FDG-PET zeigt im Gegensatz zu anderen Choreaerkrankungen einen transienten striatalen Hypermetabolismus.
Um die Induktion der Antikörperbildung zu verhindern, wird eine akute Penicillingabe über 10 Tage eingeleitet.
Neuroleptika sollten wegen der potenziellen Gefahr von Dyskinesien nur in Ausnahmefällen zur Behandlung der Chorea gegeben werden. Reichen symptomatische Maßnahmen wie Bettruhe nicht aus, wird die kurzzeitige Gabe von niedrig dosierten Sedativa oder
Valproinsäure empfohlen.
Chorea gravidarum und Chorea contrazeptivum
Besonders im ersten Drittel einer Schwangerschaft oder unter Einnahme östrogenhaltiger Medikamente kann es zu einer Chorea gravidarum oder contrazeptivum kommen. Bei etwa einem Drittel dieser Patientinnen lag anamnestisch eine Sydenham-Chorea vor. Es wird angenommen, dass die weiblichen Sexualhormone über eine veränderte Empfindlichkeit gegenüber Dopamin die choreatischen Hyperkinesen hervorrufen. Die Chorea sistiert spontan meist noch während der Schwangerschaft oder unmittelbar nach der Geburt. Eine erneute Schwangerschaft kann asymptomatisch verlaufen. Unbedingt auszuschließen ist die Erstmanifestation eines systemischen
Lupus erythematodes (
SLE) oder eines Antiphospholipid-AK-Syndroms.
Vaskulär bedingte Chorea
Ischämische oder hämorrhagische Läsionen von Nucleus subthalamicus, Nucleus caudatus, Putamen und Thalamus können kontralaterale choreatische und ballistische Hyperkinesen mit Rückbildung innerhalb weniger Tage bis Wochen hervorrufen.
Auch der
SLE zeigt einseitige oder generalisierte choreatische Hyperkinesen. Sie können in jedem Alter auftreten, meist sind die Patienten jünger als 30 Jahre, Frauen sind sehr viel häufiger als Männer betroffen (14:1). Die Chorea bildet sich meist innerhalb von Tagen bis zu 3 Jahren zurück, geht oft mit Antiphospholipid-Antikörper
n (Lupusantikoagulans, Antikardiolopin-Antikörper) und niedrigem ANA-Antikörper-Titer einher und bessert sich auf Kortikoidgabe. Pathophysiologisch wird eine Autoimmunvaskulitis oder ein zytotoxischer Effekt auf Neurone der Basalganglien angenommen.
Metabolisch induzierte Chorea
Facharztfragen
1.
Wie ist eine unauffällige Familienanamnese bei Chorea Huntington zu erklären?
2.
Welches sind die wichtigsten Zusatzuntersuchungen bei Chorea-Patienten mit negativem Huntington-Gen-Test?
3.
Welche Pharmaka sind zur Therapie der Chorea geeignet?
Literatur
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