Nosokomiale Pneumonien betreffen überwiegend intubierte und maschinell beatmete Patienten. Die Pathogenese ist komplex, und deshalb müssen zur Prävention mehrere Einzelmaßnahmen wirksam werden, um das Eindringen von Erregern in die Lunge zu verhindern. Die Aspiration von erregerhaltigem Sekret gilt als Hauptmechanismus. Darüber hinaus sind andere, in der Bedeutung untergeordnete Wege der Pneumoniepathogenese möglich, beispielsweise die Inhalation erregerhaltiger Aerosole, exogene Ursachen bei unsachgemäßem endotrachealen Absaugen oder
Bronchoskopie, hämatogene Ausbreitung bis hin zur Translokation von
Bakterien aus dem Intestinaltrakt. Die Aspiration findet auch bei intubierten Patienten statt, im Sinne einer Mikroaspiration entlang der Blockermanschette des Tubus. Der entscheidende Unterschied zur Aspiration, wie sie auch bei Gesunden im Schlaf vorkommt, ist jedoch, dass bei kritisch kranken Patienten häufig eine bakterielle Fehlbesiedelung des Mund-Rachen-Raums mit gramnegativen Stäbchenbakterien vorliegt. Dieser bereits vor Jahrzehnten erkannte Zusammenhang (Johanson et al.
1972) wird durch spätere Arbeiten gestützt, die auf molekularbiologischem Wege bewiesen, dass Pneumonieerreger zuvor den Mund-Rachen-Raum besiedelt hatten (El Solh et al.
2004). Dies erklärt zumindest teilweise die große Bedeutung der gramnegativen Stäbchenbakterien bei nosokomialen
Pneumonien, während sie bei
ambulant erworbenen Pneumonien vergleichsweise selten vorkommen. Auch wenn die Ursachen der abnormen oropharyngealen Kolonisation nicht vollständig geklärt sind, ist der Zusammenhang mit verschiedenen Krankheitsbildern, wie beispielsweise
Niereninsuffizienz, komatösem Zustand, Leukopenie,
Diabetes mellitus,
Alkoholismus und auch dem Schweregrad der Krankheiten in zahlreichen Arbeiten belegt.
Die Society for Healthcare Epidemiology of America (SHEA) hat in Zusammenarbeit mit der Infectious Diseases Society of America (IDSA), der American Hospital Association (AHA) und weiteren amerikanischen Fachgesellschaften im Jahre 2014 „A Compendium of Strategies to Prevent Healthcare-Associated Infections“ publiziert und darin auch die wichtigsten Maßnahmen zur Prävention beatmungsassoziierter
Pneumonien empfohlen (Yokoe et al.
2014). Detailliert wurden die „Strategies to Prevent Ventilator-Associated Pneumonia in Acute Care Hospitals“ gesondert veröffentlicht und deren Stellenwert anhand der Literatur bewertet (Klompas et al.
2014a). Ebenso liegen aus Deutschland Empfehlungen des
Robert Koch-Instituts (RKI) zur Prävention
nosokomialer Pneumonien vor (KRINKO
2013). In den meisten Aspekten stimmen die genannten Leitlinien überein, es gibt jedoch auch graduelle Unterschiede in der Bewertung der publizierten Maßnahmen. Es ist nicht das Ziel dieses Buchkapitels, den gesamten Inhalt dieser Leitlinien wiederzugeben. Vielmehr soll dem Leser ein an der klinischen Praxis orientierter Zugang ermöglicht werden, indem die wichtigsten Empfehlungen aus dem Blickwinkel des Hygienikers und Intensivmediziners betrachtet und ggf. durch weitere Literatur ergänzt werden. Eine Zusammenfassung der Leitlinien mit Empfehlungsgraden findet sich in Abschn.
7.
Allgemeine Maßnahmen
Die generelle Herangehensweise in der
Intensivmedizin hat sich in den letzten Jahren und schon Jahrzehnten deutlich gewandelt. Mit großer Selbstverständlichkeit wurden Patienten in der Vergangenheit nach großen Operationen nachbeatmet, zur Ermöglichung programmierter Lavagen bei
Peritonitis oft wochenlang. Bei ARDS („acute respiratory distress syndrome“) wurde auf Spontanatmung verzichtet, und teils war die Indikation zur Analgosedierung die Ermöglichung der
Beatmung selbst. Heute liegt der Fokus eher darauf, die großen Nachteile zu umgehen, die aus einer Langzeitbeatmung und Langzeitsedierung resultieren können. Neben potenziell tödlich verlaufenden Device-assoziierten Infektionen sind dies muskuläre Schwäche im Sinne einer „Critical Illness Polyneuropathy/Myopathy“ (CIP/CIM) mit Weaning-Versagen, kognitives Defizit und langdauerndes
Delir bis hin zu
posttraumatischen Belastungsstörungen, aber auch thrombembolische Komplikationen. Die Medizin ist differenzierter und weniger invasiv geworden, sodass auch die Sedierung eines Intensivpatienten einer streng gestellten Indikation bedarf: Der Intensivpatient soll unter guter Analgesie und Anxiolyse wach und kooperativ bleiben. Auch wenn im DRG-System falsche Anreize durch die hohe Bewertung langzeitbeatmeter Patienten gesetzt werden, versuchen verantwortungsbewusste Intensivmediziner die Intubation wenn irgend möglich zu vermeiden. Beim rein hypoxämischen Lungenversagen kann dies oft mit nasaler High-Flow-Therapie und beim hyperkapnischen Versagen mit nicht invasiver Ventilation (NIV) erreicht werden.
Diese entscheidenden Verbesserungen der Intensivtherapie spiegeln sich systembedingt jedoch nicht automatisch in einer Reduktion Device-assoziierter Infektionen wider – da ja gerade die Zahl im Nenner des Quotienten der Inzidenzdichte, nämlich die Device-Anwendungsrate niedrig gehalten wird. Das verbleibende Patientenklientel, bei dem diese weniger invasiven Ansätze fehlschlagen, setzt sich vermutlich aus schwerer erkrankten Patienten mit multiplen Risikofaktoren zusammen. Trotz der skizzierten Nachteile bleibt die Intubation die wichtigste Maßnahme zur Prävention der Aspiration, vor allem bei bewusstseinsgetrübten Patienten (im Allgemeinen indiziert bei Glasgow-Koma-Score <9), bei Patienten mit Schluckstörungen oder zur Ermöglichung adäquater Analgesie und Sedierung. Die Erläuterungen zu Maßnahmen zur Pneumonieprävention beziehen sich deshalb vor allem auf intubierte bzw. tracheotomierte Patienten.
Mundpflege und subglottische Sekretdrainage
Mundpflege und orales Absaugen von Sekret sind elementare und wichtige Maßnahmen, die dazu beitragen, die Aspiration von erregerhaltigem Sekret zu vermindern. Aus verständlichen Gründen ist es nicht möglich, eine vergleichende Studie ohne jegliche Mundpflege durchzuführen. Womit und wie häufig Zähne und Mundhöhle gepflegt werden, unterliegt jedoch erheblicher Variabilität (Rello et al.
2007). Bislang gibt es keinen Beweis, dass die Verwendung elektrischer Zahnbürsten mit einer niedrigeren Pneumonieinzidenz assoziiert ist. Unbestritten ist jedoch, dass eine sorgfältige Mundpflege erheblich dazu beiträgt, die Erregerlast im Mund und damit auch die potenziell aspirierten Infektionserreger zu reduzieren.
Dennoch sammelt sich regelmäßig zwischen den Stimmbändern und der Blockermanschette (im subglottischen Raum) Sekret an, das beim oralen Absaugen nicht entfernt wird. Mittlerweile liegt eine größere Anzahl von Untersuchungen zur intermittierenden oder kontinuierlichen subglottischen Sekretdrainage vor, die über spezielle Tuben mit zusätzlichem dorsalen Lumen verwirklicht wird. Zusammenfassend lässt sich aus den Studien eine Reduktion der Inzidenz beatmungsassoziierter
Pneumonien ablesen. Die Ergebnisse sollten aber vorsichtig interpretiert werden. Denn wie oben ausgeführt gibt es bei der Diagnose der beatmungsassoziierten Pneumonie etlichen Fehlerquellen. Häufig wurde in den Studien die Menge und Beschaffenheit des Trachealsekrets als diagnostisches Kriterium verwendet. Der positive Effekt der subglottischen Sekretdrainage könnte deshalb auch bedeuten, dass vor allem die aufgrund unscharfer Diagnosekriterien falsch-positiven Pneumoniefälle reduziert wurden (Klompas
2010). Die Verwendung derartiger Tuben wird vom RKI als IA-Empfehlung für Patienten gegeben, die mehr als 72 Stunden beatmet sind (KRINKO
2013), und von den CDC und SHEA als moderate Empfehlung Grad II (Yokoe et al.
2014; Klompas et al.
2014a).
Die subglottische Sekretdrainage hat aber auf Intensivstationen bislang nur wenig Verbreitung gefunden, nicht zuletzt, weil Fragen der Praktikabilität offenbleiben und unklar ist, ob die subglottische Drainage kontinuierlich oder intermittierend angewendet werden soll. Auch wurde in den Publikationen vereinzelt über schwere Komplikationen wie Stridor nach Extubation berichtet, vermutlich durch Schleimhautödem nach längerer Anwendung des Sogs im subglottischen Raum verursacht. Ein weiteres Problem ist logistischer Natur. Die SHEA-Guidelines weisen darauf hin, dass es nicht gerechtfertigt ist, einen Patienten dem Risiko der Umintubation und damit verbundenen Aspirations- und Atemwegskomplikationen auszusetzen, nur um die marginalen Vorteile eines Spezialtubus mit subglottischem Lumen zu nutzen. Somit muss die Verwendung des Spezialtubus so organisiert werden, dass er zur Verfügung steht, wenn Patienten mit voraussichtlich prolongierter Beatmungsdauer intubiert werden; bei dieser Patientengruppe stellt sich jedoch gleichzeitig die Frage nach einer frühzeitigen Tracheotomie.
Die zurückhaltende Empfehlung der SHEA mit der Kategorie II bedeutet in den Ausführungen zum Grading-System, dass der erwünschte Effekt wahrscheinlich ist, dass aber auch die Möglichkeit besteht, dass der Effekt grundlegend anders ist (Yokoe et al.
2014). Für die Praxis kann dies so interpretiert werden, dass man zunächst andere etablierte Maßnahmen zur Pneumonieprävention ausschöpfen sollte, um dann im Falle einer weiterhin erhöhten Pneumonieinzidenz die subglottische Sekretdrainage als weitere Maßnahme zu implementieren.
Spezielle Endotrachealtuben und Cuffdruck-Kontrolle
Auch wenn massive Aspirationen durch die Intubation verhindert werden können, kann dennoch Sekret aus dem Mund in die Trachea gelangen – vor allem bei langzeitbeatmeten Patienten. Um die Mikroaspiration von Sekret aus den oberen Atemwegen zu verhindern, wurden verschiedene Ansätze verfolgt, die das Tubusdesign oder die verwendeten Materialien zu betreffen. Um zu verhindern, dass es zur Sekretaspiration innerhalb der Faltungen der Blockermanschette kommt, wurden Tubuscuffs aus dünnwandigem Polyurethan konstruiert, das weniger Falten wirft, oder auch Cuffs mit birnenförmigem Design geschaffen, die zumindest in einem begrenzten Bereich der Trachea glatt anliegen. In klinischen Studien konnte dadurch kein Vorteil gezeigt werden, weshalb derartige Tuben weder in den deutschen noch den amerikanischen Leitlinien empfohlen werden. Aus intensivmedizinischer Sicht ist anzumerken, dass es allein durch die atemsynchrone Bewegung des Tubus innerhalb der Trachea nie zu einer vollständigen Abdichtung kommen kann. Außer den etwas erhöhten Kosten sind aber keine Nachteile durch Verwendung derartiger Tuben erkennbar. Es kann deshalb sinnvoll sein, sie auf der Intensivstation für Patienten bereit zu halten, die dort für voraussichtlich mehr als 48 Stunden intubiert werden. Eine generelle Verwendung, etwa im OP, ist kaum gerechtfertigt.
Wichtiger scheint, den Druck am Pilotballon regelmäßig oder besser kontinuierlich mit einem Manometer zu kontrollieren, um Aspirationen durch ungewollte Entleerung der Blockermanschette zu verhindern. Der Zielbereich liegt zwischen 20–30 cmH
2O, zumal im Sinne einer lungenprotektiven
Beatmung auch keine höheren Drucke in den Atemwegen herrschen sollten. Bei hörbarer Undichtigkeit oder gar sichtbaren Luftblasen im Mund des Patienten muss mehr Luft insuffliert werden, ebenso bei anderen Hinweisen auf Leckage, beispielsweise anhand der Kapnographiekurve oder anhand der Leckagemesswerte am Beatmungsgerät. Andererseits sind auch Schleimhautschädigungen durch einen zu prall aufgeblasenen Cuff möglich. So überzeugend und sinnvoll diese Überlegungen auch sind: Bislang fehlen belastbare Daten aus klinischen Studien, dass die kontinuierliche Cuffdruckmessung einen protektiven Einfluss auf die Pneumonieinzidenz hat. Deshalb sind die Empfehlungen in den Leitlinien diesbezüglich zurückhaltend. Es wird schwierig sein, den Stellenwert dieser Einzelmaßnahme in klinischen Studien zu zeigen; dennoch gehört die engmaschige Messung und Adjustierung des Cuffdrucks ganz sicher zur guten intensivmedizinischen Praxis.
Ein weiterer Ansatz ist die Verwendung von Tuben, die mit antibakteriell wirksamem
Silber beschichtet sind. Als Ergebnis einer multizentrischen randomisierten Studie wurde publiziert, dass dadurch die Inzidenz der beatmungsassoziierten
Pneumonie im Vergleich zu regulären Tuben signifikant gesenkt wird, während die Letalität unbeeinflusst blieb (Kollef et al.
2008). Die genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass dieser Unterschied nur deshalb als signifikant berechnet werden konnte, da auch der Nachweis von
Enterokokken,
Candida spp., Neisserien, koagulasenegativen
Staphylokokken und anderen
Bakterien im Trachealsekret der Kontrollgruppe mit regulärem Tubus als Pneumonie gewertet wurde. In aktuellen Leitlinien besteht Einigkeit darüber, dass der Nachweis dieser Mikroorganismen in aller Regel als Kolonisation gewertet werden muss, die keiner Therapie bedarf. Vielmehr stellt sich die Frage, ob durch den antibakteriellen Effekt des Silbers der Nachweis von Pneumonieerregern erschwert ist. In einer Folgepublikation der oben genannten Studie wurde über eine Gruppe von Patienten mit erhöhter Letalität, aber ohne Nachweis von Erregern im Trachealsekret berichtet (Afessa et al.
2010). Die Verwendung derartig beschichteter Tuben wird in keiner aktuellen Leitlinie empfohlen und ist aufgrund der potenziellen Interferenzen mit dem Erregernachweis aus unserer Sicht klar abzulehnen.
Lagerung
Neben Vorteilen für die Belüftung dorsobasaler Bereiche der Lunge sollen durch die Hochlagerung
Regurgitationen
mit nachfolgender Aspiration vermieden werden. Experimentelle Arbeiten zeigten, dass der gastro-oro-pulmonale Reflux bei flacher Rückenlage stärker ausgeprägt ist als bei angehobenem Oberkörper. Eine klinische Arbeit zum Vergleich der Pneumonieinzidenz unter flacher Rückenlage gegenüber einer 45-Grad-Oberkörperhochlagerung vervollständigte dieses Bild (Drakulovic et al.
1999), sodass die Oberkörperhochlagerung zunächst in den Leitlinien mit Nachdruck empfohlen wurde. Die positiven Effekte der genannten Arbeit konnten jedoch nicht reproduziert werden. Vielmehr zeigte sich, dass es schwierig ist, die geforderte Lagerung von 30–45° überhaupt dauerhaft zu erreichen (van Nieuwenhoven et al.
2006). Darüber hinaus wurde kritisiert, dass die flache Rückenlage
ohnehin nicht praktiziert wird und ein Teil der Patienten studienbedingt benachteiligt wurde (van Nieuwenhoven et al.
2006).
Auch wenn der Stellenwert der Oberkörperhochlagerung für die Prävention von
Pneumonien derzeit unklar ist, soll die flache Rückenlage speziellen Indikationen vorbehalten bleiben, wie beispielsweise bei Patienten mit einem Trauma im Bereich der Wirbelsäule. Aufgrund der Einfachheit der Maßnahme wird in aktuellen Leitlinien das Anheben des Oberkörpers empfohlen, allerdings mit niedrigem Evidenzgrad (Yokoe et al.
2014). Spezielle Lagerungsmaßnahmen wie das kontinuierliche Schwenken in kinetischen Betten sind sehr aufwendig, bergen das Risiko der Diskonnektion von Gefäßzugängen und erfordern in aller Regel eine tiefe Sedierung der Patienten mit dem Nachteil, dass druckunterstützte Spontanatmung kaum möglich ist. Die bisherige Datenlage reicht nicht aus, um einen Vorteil hinsichtlich der Prävention von Pneumonien zu erkennen. Eine Therapie mit kinetischen Betten zur Prävention einer VAP kann zurzeit daher nicht empfohlen werden (KRINKO
2013)
Stressblutungsprophylaxe
Anfang der 1990er-Jahre deuteten mehrere experimentelle und klinische Arbeiten auf eine erniedrigte Pneumonieinzidenz unter
Stressblutungsprophylaxe mit Sucralfat
im Vergleich zu alkalisierenden Substanzen hin (Prod’hom et al.
1994). Die Erklärung hierfür war, dass Antazida, H
2-Antagonisten oder Protonenpumpeninhibitoren ein annähernd pH-neutrales Milieu im Magenlumen schaffen, sodass sich
Bakterien rasch vermehren können. Demgegenüber entfaltet das ebenfalls zur Stressblutungsprophylaxe eingesetzte Sucralfat Schleimhaut- und zytoprotektive Eigenschaften, ohne den pH-Wert im Magenlumen wesentlich anzuheben. So können durch den sauren
Magensaft Mikroorganismen weiterhin abgetötet oder zumindest an der Vermehrung gehindert werden (mit Ausnahme von
Candida spp., die auch im sauren Milieu wachsen). Da Magensonden gleichermaßen als Leitschiene für oro-gastralen oder gastro-oralen Sekretfluss dienen können, kommt dem Magen eine Bedeutung als Erregerreservoir und Amplifikator von Bakterien zu. Zusammen mit der oben erläuterten bakteriellen Fehlbesiedelung des Oropharynx bei kritisch kranken Patienten und der Abfolge von Regurgitation und Aspiration ergaben die Arbeiten ein geschlossenes Bild, das für die Verwendung von Sucralfat als Stressblutungsprophylaxe sprach. In späteren
Metaanalysen und großen klinischen Arbeiten konnte der Vorteil von Sucralfat hinsichtlich einer niedrigeren Pneumonieinzidenz allerdings nicht mehr gezeigt werden (Cook et al.
1998a). Vielmehr stellte sich heraus, dass Sucralfat gegenüber Ranitidin zur Stressblutungsprophylaxe unterlegen ist und bei Patienten mit hohem Risiko für gastrointestinale Blutungen nicht verwendet werden sollte.
Aus Pneumonie-präventiver Sicht gibt es deshalb heute keine spezielle Empfehlung mehr für oder gegen die Verwendung bestimmter Substanzen zur
Stressblutungsprophylaxe. Wie jedes andere Medikament muss auch die Stressblutungsprophylaxe indiziert sein und darf nicht generell bei allen beatmeten Patienten angesetzt werden. Ebenso kann das routinemäßige Ansäuern der enteralen Ernährungslösung nicht empfohlen werden. Eine mögliche Interpretation des Paradigmenwechsels ist, dass sich seit den anfänglichen Studien viele Vorgehensweisen in der
Intensivmedizin geändert haben, was die Bedeutung der
Stressblutungen und der bakteriellen Überwucherung des Magens relativiert (z. B. frühe und konsequente enterale Ernährung, moderne Beatmungsformen mit weniger tiefer Analgosedierung, deshalb geringer ausgeprägte gastrointestinale Motilitätsstörungen, Elevation des Oberkörpers etc.). Generelles Ziel sollte stets sein, bei guter Analgesie die Sedierung nur nach Bedarf einzusetzen und dadurch die Beatmungsdauer zu verkürzen (KRINKO
2013).
Orale Antiseptika
Aufgrund der abnormen mikrobiellen Kolonisation des Mund-Rachen-Raums bei kritisch kranken Patienten mit nachfolgender Mikroaspiration ist es ein kausaler Ansatz, die Erregerlast zu reduzieren und vor allem der Kolonisation mit gramnegativen Stäbchenbakterien entgegen zu wirken. Zu den oralen Antiseptika liegen umfangreiche Studien vor allem für Chlorhexidin
vor, das in Konzentrationen von 0,1–2 % zur Mundpflege verwendet wurde. Weniger umfangreich ist die Literatur zu Polyvidon-Jod-Lösung
und dem vor allem in Deutschland erhältlichen Octenidin
. Die SHEA-Guidelines geben aufgrund der Literatur lediglich eine moderate Empfehlung zur Verwendung von Chlorhexidin ab, da sich in den Studien zwar eine Senkung der Pneumonieinzidenz zeigte, jedoch kein Vorteil hinsichtlich eindeutig messbarer Parameter wie Letalität, Beatmungs- oder Liegedauer (Yokoe et al.
2014; Klompas et al.
2014a). Das RKI befürwortet die Anwendung von antiseptischen Substanzen zur Mundpflege mit nachgewiesener Wirksamkeit mit dem höchsten Empfehlungsgrad IA (KRINKO
2013).
Paradoxerweise zeigen neuere Daten, dass Chlorhexidin zwar
Pneumonien verhindert (oder zumindest das, was in den jeweiligen Studien als Pneumoniekriterien zugrunde gelegt wurde), doch insgesamt sogar negative Auswirkungen hat. So zeigte eine
Metaanalyse, dass die Anwendung von Chlorhexidin die Sterblichkeit von Intensivpatienten signifikant erhöht (Price et al.
2014). Eine weitere Metaanalyse differenzierte zwischen der Anwendung von Chlorhexidin bei kardiochirurgischen und nicht kardiochirurgischen Intensivpatienten (Klompas et al.
2014b). Bei ersteren wurde gezeigt, dass durch prä- und postoperative Anwendung von 0,12 %iger Chlorhexidin-Mundspülung die Inzidenz unterer Atemwegsinfektionen reduziert wird (DeRiso et al.
1996), was durch die Meta-Analyse bestätigt wurde. Diese Patienten sind in der Regel jedoch nur wenige Stunden postoperativ beatmet und können die Spüllösung selbstständig gurgeln, ohne sie dabei zu aspirieren. Bei allen anderen Intensivpatienten hatte die Anwendung von oralem Chlorhexidin keinen Vorteil hinsichtlich der Prävention von unteren Atemwegsinfektionen, und die Sterblichkeit war in dieser Gruppe tendenziell erhöht (relatives Risiko 1,13,
Konfidenzintervall 0,99–1,29) (Klompas et al.
2014b).
Keine der vorliegenden Publikationen kann eine schlüssige Erklärung für das Paradoxon geben, dass Chlorhexidin einerseits Infektionen verhindert und andererseits keinen Vorteil bringt hinsichtlich Beatmungs- oder Liegedauer (Shi et al.
2013) bis hin zur oben genannten Erhöhung der Letalität. Allergische Reaktionen sind zwar beschrieben, aber insgesamt selten. Ein potenzieller Nachteil des Chlorhexidin könnte jedoch sein, dass es
in vivo deutlich besser auf grampositive als auf gramnegative Erreger der Mundhöhle wirkt (Koeman et al.
2006). Dadurch könnte es zu einer Erregerverschiebung mit Selektion von
Pneumonien durch gramnegative Erreger kommen, die sich oft schlechter therapieren lassen. Ein weiterer Erklärungsansatz sind toxische Effekte durch Antiseptika. So wurden unter Anwendung einer 2 %igen Chlorhexidin-Lösung bei 9,8 % der Patienten orale Läsionen beschrieben, die in etwa der Hälfte der Fälle dazu führten, dass es nicht weiter angewendet werden konnte (Plantinga et al.
2016). Unter Anwendung von Povidon-Jod bei beatmeten Patienten wurde bei fehlendem Effekt auf beatmungsassoziierte Pneumonien oder Tracheobronchitiden eine erhöhte Inzidenz von ARDS beschrieben (p = 0,06), was mutmaßlich auf akzidentelle Aspiration des Desinfektionsmittels zurückgeführt wurde (Seguin et al.
2014).
Auch wenn die Diagnose der beatmungsassoziierten
Pneumonie mit großer Unschärfe gestellt wurde, müsste sich bei den mittlerweile umfangreichen Daten aus den Studien positive Effekte des Chlorhexidin hinsichtlich eindeutiger Parameter abzeichnen. Dies ist nicht der Fall und angesichts der neueren Literatur gehen wir davon aus, dass die orale Anwendung von Chlorhexidin und anderen Antiseptika nicht mehr in evidenzbasierten Leitlinien empfohlen werden kann.
Selektive Darmdekontamination und selektive orale Dekontamination
Ein weiterer Ansatz zur Reduktion der abnormen mikrobiellen Kolonisation des Mund-Rachen-Raums ist die lokale Anwendung von
Antibiotika, die nicht resorbiert werden. Gut untersucht ist ein Regime, das aus der 4× täglichen oralen Anwendung von
Tobramycin, Polymyxin E (Colistin) und
Amphotericin B besteht und „selektive orale Dekontamination
“ (SOD) genannt wird. Das Antibiotikagemisch wird entweder als 2 %ige Paste vom Pflegepersonal nach der Mundpflege bei intubierten Patienten im Mund verteilt und bei Tracheotomierten zusätzlich im Bereich des Tracheostomas appliziert, oder es wird als Suspension 4× täglich je 10 ml mit einer Spritze in den Mund appliziert (Rezeptur: 1,0 g Colistin, 800 mg Tobramycin, 2,5 g Amphotericin B ad 100 ml Aqua destillata). Der Begriff „selektiv“ bezieht sich darauf, dass in erster Linie die abnorme Kolonisation mit gramnegativen Stäbchenbakterien verhindert werden soll, während vor allem die strikt anaeroben
Bakterien des Intestinaltrakts wegen ihrer protektiven Funktion gegenüber Fehlbesiedelungen erhalten bleiben sollen. Die Gabe des Antimykotikums soll die Fehlbesiedelung mit
Candida spp. verhindern.
Noch sehr viel ausführlicher untersucht ist das etwas missverständlich benannte Regime der „selektiven Darmdekontamination
“ (SDD). Hier werden oben genannte
Antibiotika wie bei der SOD appliziert, jedoch zusätzlich auch über Magensonden gegeben, was zur Namensgebung beitrug. Der Begriff SDD wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet, sodass vor allem in Publikationen der 1990er-Jahre noch recht heterogene Antibiotikaregime verwendet wurden. Heute wird unter SDD das „full regimen“ verstanden, bei dem die oben genannten nicht resorbierbaren Antibiotika oral und gastral appliziert werden und zusätzlich ein 2- bis 4-tägiger Zyklus von intravenös applizierten Cephalosporinen der 3. Generation. SDD wird seit den ersten Publikationen, die noch aus den 1980er-Jahren stammten, sehr kontrovers diskutiert. Insbesondere die geplante intravenöse Antibiotikagabe widerspricht dem Ansatz, den Selektionsdruck durch Antibiotika möglichst gering zu halten. Mittlerweile liegen so umfangreiche Publikationen vor, dass sich viele Diskussionspunkte relativieren müssten. Denn die Gabe von SDD oder SOD ist nur indiziert, wenn bei Aufnahme eines intubierten und beatmeten Intensivpatienten erwartet wird, dass er mindestens 48 Stunden beatmet bleibt. In dieser Patientengruppe ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass intravenöse Antibiotika eingesetzt werden. In einer Cluster-randomisieren multizentrischen Studie mit jeweils ca. 2000 Patienten in 3 Studienarmen (SDD, SOD oder Standardtherapie ohne SDD oder SOD) war trotz der geplanten 4-tägigen Cephalosporingabe im SDD-Arm der intravenöse Antibiotikaverbrauch am geringsten, gefolgt von den Patienten im SOD-Arm, und in der Standardtherapiegruppe wurden am meisten intravenöse Antibiotika verwendet. Durch den geplanten Antibiotikaeinsatz in der SDD-Gruppe wurde hauptsächlich der Gebrauch von Carbapenemen und Fluorchinolonen deutlich reduziert (de Smet et al.
2009). Die Befürchtung, dass der gesteigerte Cephalosporin-Einsatz zu einem vermehrten Auftreten von
Enterobacteriaceae mit Resistenz gegen Cephalosporine der 3. Generation (ESBL) führt, wurde durch Daten aus der genannten Studie widerlegt. Denn während es bezüglich neu aufgetretener Tobramycin-Resistenz keinen Unterschied gab, war das Auftreten von ESBL deutlich und signifikant seltener in der SDD-Gruppe, während es zwischen SOD und Standardtherapie keinen relevanten Unterschied gab (de Smet et al.
2011).
Ein weiterer Kritikpunkt an den SDD-Studien war, dass die Diagnose von Infektionen erschwert sei, wenn die Patienten der Verumgruppe lokal und intravenös
Antibiotika bekommen. Schon bald zeichnete sich jedoch in
Metaanalysen ab, dass durch SDD die Letalität als wichtigster und eindeutig messbarer Parameter reduziert wird (Nathens und Marshall
1999). Mittlerweile liegen 4 publizierte randomisierte Studien vor, die eine Reduktion der Letalität durch SDD zeigen (de Jonge et al.
2003; de Smet et al.
2009). Zwei dieser Studien wurden im Doppelblinddesign mit Placebokontrolle durchgeführt (de la Cal et al.
2005), eine davon in Deutschland (Krueger et al.
2002). Berechnungen aus einer Metaanalyse zeigen, dass 22 Patienten mit SDD behandelt werden müssen („number needed to treat“, NNT), um einen Todesfall zu vermeiden (Silvestri et al.
2007), und die relative Letalitätsreduktion bewegt sich im Bereich von über 10 % (Van Nieuwenhoven et al.
2001). Die Letalitätsreduktion wird nicht nur auf die Vermeidung von
Pneumonien zurückgeführt, sondern auch auf die signifikante Reduktion von Bakteriämien (Silvestri et al.
2007). Eine weitere Publikation, die aus oben erwähnter dreiarmiger Studie hervorging, gibt Hinweise darauf, dass Bakteriämien auch teilweise durch Translokation von
Bakterien aus dem Intestinaltrakt bedingt sein könnten. So waren Bakteriämien durch gramnegative Stäbchen um 33 % reduziert, wenn durch die Gabe von SDD oder SOD die Dekolonisierung des Respirationstrakts gelang, und sogar um 45 %, wenn in Rektalabstrichen keine gramnegativen Stäbchen mehr nachweisbar waren (Oostdijk et al.
2011). Ein weiteres Bindeglied zwischen Infektionsprävention und Letalität bietet schließlich eine weitere Metaanalyse, die eine signifikante Reduktion von Organversagen unter Anwendung von SDD zeigte (Silvestri et al.
2010).
Angesichts der Letalitätsreduktion stellt sich die Frage, welche der Komponenten des SDD-Regimes – die intravenöse, orale oder gastrale Antibiotikagabe – hauptsächlich verantwortlich ist. Auch für die SOD zeigt die bereits zitierte
Metaanalyse eine signifikante Letalitätsreduktion, die im Bereich des Effekts der SDD liegt (Price et al.
2014). Die nach Erscheinen der Metaanalyse publizierte, bislang größte Einzelstudie an je ca. 6000 Patienten mit SDD und SOD zeigt keinen Unterschied in der Letalität (Oostdijk et al.
2014), sodass die Vorteile der SDD gegenüber SOD vor allem in der Reduktion gramnegativer Bakteriämien (Oostdijk et al.
2011) und der geringeren Inzidenz von ESBL-Bakterien liegen (de Smet et al.
2011). Bemerkenswert ist, dass es in der Vergleichsstudie zu SDD und SOD aus ethischen Gründen keine Studiengruppe mit Verzicht auf diese Regime gab (Oostdijk et al.
2014). Denn ein Großteil der SDD- und SOD-Studien stammen aus den Niederlanden und aufgrund der erwiesenen Letalitätsreduktion werden dort SDD oder SOD flächendeckend bei allen Intensivpatienten eingesetzt, die mehr als 48 Stunden intubiert sind.
In den amerikanischen Leitlinien wird den Studien zur SDD der höchste Evidenzgrad bestätigt, es wird jedoch keine Empfehlung für oder gegen die Anwendung gegeben. Angesichts der hohen
Prävalenz resistenter Erreger auf amerikanischen Intensivstationen lassen sich Nutzen und Risiken der aus den Niederlanden und anderen europäischen Ländern stammenden Daten schwer bewerten (Yokoe et al.
2014; Klompas et al.
2014a). Die S2k-Leitlinien der Deutschen Sepsis-Gesellschaft (DSG) und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) geben aufgrund der Datenlage auch aus Deutschland stammender Studien mit Evidenzgrad IA eine Empfehlung Grad A für die Anwendung von SDD oder SOD bei Patienten mit voraussichtlich längerer Beatmungsdauer (>48 Stunden) zur Prophylaxe von Infektionen (Reinhart et al.
2010). Dennoch wenden in Deutschland weniger als 10 % der Intensivstationen SDD oder SOD an – teilweise aber auch schon seit Jahrzehnten und ohne Hinweise auf Nachteile bezüglich Selektionsdruck oder Resistenzentwicklung (Heininger et al.
2006). Neben der mangelnden Verfügbarkeit einer Fertiglösung bleibt weiterhin die Sorge der Resistenzentwicklung der maßgebliche Grund, warum SDD oder SOD in Deutschland wenig verbreitet sind. Insbesondere unter Hinweis auf Colistin-Resistenz gibt deshalb auch das RKI keine Empfehlung für oder gegen SDD oder SOD ab, sondern empfiehlt eine „individualmedizinische“ Abwägung unter Kolonisationssurveillance vor allem auf Colistin-resistente gramnegative Erreger (KRINKO
2013).
In einer
Metaanalyse war die Resistenz gegenüber Colistin und Cephalosporinen unter Anwendung von SDD signifikant geringer als ohne SDD, und es war kein signifikanter Unterschied bezüglich
MRSA,
VRE, Aminoglycosid- oder Fluorchinolon-resistenter Erreger nachweisbar (Daneman et al.
2013). In einer Langzeitstudie kam es im Laufe von 4 Jahren zur signifikanten Abnahme der Resistenz gegenüber Cephalosporinen und Fluorchinolonen unter SDD, während die Cephalosporinresistenz auf Stationen signifikant anstieg, die keine SDD verwendeten. Die Resistenz gegenüber Colistin und Fluorchinolonen blieb auch unter Anwendung von SDD unauffällig (Houben et al.
2014). Weitere Langzeitstudien aus Deutschland (Heininger et al.
2006), Frankreich (Leone et al.
2003) und Spanien (Ochoa-Ardila et al.
2011) zeigen ebenfalls keine negativen Effekte hinsichtlich der Resistenzentwicklung.
Frühzeitige Extubation und Risiken der Reintubation
Aufgrund des potenziellen Mikroaspirationsrisikos sollte – neben anderen Gründen – die Extubation zum frühest möglichen Zeitpunkt angestrebt werden. Zur Extubation
muss der Patient nüchtern sein, und restlicher Mageninhalt wird abgesaugt. Vor allem nach Langzeitbeatmung muss der Schluckakt sorgfältig kontrolliert werden, um Aspirationen bei der Nahrungsaufnahme zu vermeiden. Im Zweifelsfall kann dies endoskopisch und unter Mithilfe von Logopäden beurteilt werden (Schlucken von Götterspeise o. Ä.). Neben allgemeinen Kriterien wie der hämodynamischen Stabilität werden als Extubationskriterien insbesondere folgende Parameter beurteilt: Gasaustausch, Atemantrieb, Atemmechanik, Vigilanz und Schutzreflexe. Vor der Extubation wird sorgfältig oral abgesaugt, um die Aspiration von oropharyngealem und oberhalb der Blockermanschette angesammeltem Sekret zu vermeiden. Viele Kliniken haben für die Extubation Kriterienkataloge in Form von Weaning-Protokollen hinterlegt. Deren Ziel kann niemals sein, eine 100 %ige Sicherheit zu schaffen. Zur
Qualitätssicherung werden auf gut organisierten Intensivstationen Statistiken der Patienten geführt, die innerhalb von 48 Stunden erneut intubiert werden müssen. Reintubationsraten unter 15 % gelten im Allgemeinen als akzeptabel. Denn wenn die Kriterien für die Extubation zu streng gestellt werden, bedeutet dies für viele Patienten, dass sie zu spät extubiert werden und damit unnötig lange den Risiken der
Beatmung ausgesetzt sind. Somit kann die Evaluation der Reintubationsraten einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die beatmungsassoziierte
Pneumonie zu vermeiden. Die Reintubation wurde als Risikofaktor für nosokomiale bzw. beatmungsassoziierte Pneumonien beschrieben (Torres et al.
1995). Hierbei ist schwierig zu differenzieren, ob das Risiko tatsächlich durch die Reintubation selbst entsteht, oder vielmehr durch Faktoren, die im Rahmen eines Weaning-Versagens die erneute Intubation eines bewusstseinsgetrübten oder muskulär erschöpften Patienten erfordern. Dennoch ist es wichtig, die Risiken zu berücksichtigen, wenn ein Patient erneut intubiert oder aufgrund besonderer Umstände mit einem anderen als dem bereits einliegenden Tubus versorgt werden muss.
Nicht selten ist ein Patient, der anfangs problemlos intubiert wurde, nach verlängerter Beatmungsdauer durch mechanische Irritation und Schwellung der Schleimhäute sowie durch interstitielles Ödem und Sekretansammlungen schwierig zu intubieren. Umso wichtiger ist ein planvolles Vorgehen mit vorheriger Ernährungspause, optimierter Lagerung, Bereithalten von Kapnographie und Materialien zur Beherrschung des schwierigen Atemwegs, sorgfältigem Absaugen des Mund-Rachen-Raums und des Magens, Oberkörperhochlagerung und gezieltem Absaugen unter Laryngoskopie, um Sekret aus dem subglottischen Raum zu entfernen, bevor die Luft aus der Blockermanschette abgelassen wird. Gleichermaßen muss Sekret aus dem Mund-Rachen-Raum sorgfältig abgesaugt werden, bevor man einen zu tief oder zu hoch in der Trachea liegenden Tubus neu platziert.