Paraneoplastische Syndrome sind klinische Symptomkomplexe, die in Verbindung mit einem bösartigen Tumor auftreten, ohne dass sie durch direktes Tumorzellwachstum (Infiltration, Metastasen) bedingt sind. Ursächlich wird heute bei den meisten Syndromen eine Autoimmunpathogenese angenommen, wobei eine Koreaktivität gegen Antigene, welche sowohl vom Malignom als auch von neuronalem Gewebe exprimiert werden, zugrunde zu liegen scheint. Der Nachweis antineuronaler Antikörper gelingt in über 80 %. Die wichtigsten klinischen Krankheitsbilder sind das Lambert-Eaton-Myastheniesyndrom, die Myositiden, die Kleinhirndegeneration, die sensible Neuronopathie, die limbische Enzephalitis und das Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom. In 65 % der Fälle tritt das neurologische Syndrom vor der klinischen Tumormanifestation auf.
Paraneoplastische Syndrome sind klinische Symptomkomplexe, die in Verbindung mit einem bösartigen Tumor auftreten, ohne dass sie durch direktes Tumorzellwachstum (Infiltration, Metastasen) bedingt sind. Ursächlich wird heute bei den meisten Syndromen eine Autoimmunpathogenese angenommen, wobei eine Koreaktivität gegen Antigene, welche sowohl vom Malignom als auch von neuronalem Gewebe exprimiert werden, zugrunde zu liegen scheint. Der Nachweis antineuronaler Antikörper gelingt in über 80 %. Die wichtigsten klinischen Krankheitsbilder sind das Lambert-Eaton-Myastheniesyndrom, die Myositiden, die Kleinhirndegeneration, die sensible Neuronopathie, die limbische Enzephalitis und das Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom. In 65 % der Fälle tritt das neurologische Syndrom vor der klinischen Tumormanifestation auf.
Pathogenese
Paraneoplastische Syndrome (PNS) entstehen durch eine tumorgetriggerte Immunität. Pathogenetisch werden folgende Schritte angenommen: Offensichtlich produzieren die Tumorzellen Antigene, welche Ähnlichkeiten mit Molekülen aufweisen, die normalerweise von Neuronen gebildet werden. Kommt es dann zu einer Autoimmunantwort gegen die vom Tumor gebildeten onkoneuronalen Antigene, so können sich diese Antikörper in Abhängigkeit von der quantitativen Ausprägung der Immunantwort gegen körpereigenes neuronales Gewebe richten. Bei der Mehrzahl der neurologischen PNS lassen sich im Serum antineuronale Antikörper nachweisen. Für das Lambert-Eaton-Myasteniesyndroms (LEMS) konnte im Tierversuch belegt werden, dass die Antikörper über eine Blockade der präsynaptischen Vesikel zum myasthenen Syndrom führen.
Für den klinischen Alltag ist es wichtig zu wissen, dass nicht bei allen Patienten mit Malignom und klinisch vermutetem paraneoplastischem Syndrom entsprechende Antikörper im Serum nachweisbar sind (18 % aller PNS sind seronegativ) und es Personen gibt, die hochtitrig antineuronale Antikörper im Serum und ein entsprechendes klinisches Syndrom aufweisen, ohne dass jemals ein Tumor gefunden wird (vgl. Kap. „Autoimmunenzephalitiden“). Schließlich können antineuronale Antikörper niedertitrig bei Tumorpatienten nachweisbar sein, ohne dass es zu einem klinisch manifesten paraneoplastischen Syndrom kommt (Leypoldt und Wandinger 2014).
Eine Übersicht über die antineuronalen Antikörper, die eine paraneoplastische Genese wahrscheinlich machen, gibt Tab. 1.
Tab. 1
Antikörperbefunde als Hinweis auf paraneoplastische Ätiologie. (Nach Ayzenberg 2018)
Leitsymptom des Lambert-Eaton-Myasteniesyndroms (LEMS) ist die Schwäche und vermehrte Ermüdbarkeit vornehmlich der proximalen Bein- und Beckenmuskulatur. Im Verlauf treten Rumpf- und Schultermuskulatur hinzu, eine Beteiligung der Atemmuskulatur kommt vor und wird gelegentlich perioperativ bei der Gabe von Muskelrelaxanzien manifest. Typisch ist das Phänomen der Habituation: Bei wiederholter Kontraktion der paretischen Muskulatur kommt es vorübergehend zu einer Besserung der Muskelschwäche. Diese lässt sich auch bei der repetitiven Stimulation eines motorischen Nervs dokumentieren. Es zeigt sich bei niederfrequenter Stimulation (3 Hz) zunächst ein pathologisches Amplitudendekrement, wobei dann bei Reizung mit einer höheren Frequenz die anfangs erniedrigten Potenzialamplituden deutlich zunehmen (Fazilitierung). Die Muskelschwäche des LEMS wird begleitet von autonomen Symptomen, von denen Sicca-Symptomatik, Potenz- und Blasenstörungen sowie Obstipation die häufigsten sind (s. Übersicht).
Bei 50–70 % aller Patienten mit LEMS lässt sich ein assoziiertes Neoplasma nachweisen, wobei es sich in über 80 % der Fälle um ein kleinzelliges Bronchialkarzinom (SCLC) handelt. Weitere Tumorassoziationen umfassen sonstige Lungenkarzinome, das Prostatakarzinom, Lymphome, und Thymome. Meist gehen die neurologischen Symptome der Tumordiagnose voraus, wobei das Intervall in der Regel kürzer als 1 Jahr ist, jedoch bis zu 5 Jahre betragen kann. Auch wenn das kleinzellige Bronchialkarzinom der häufigste mit dem LEMS assoziierte Tumor ist, tritt ein paraneoplastisches Syndrom nur bei 5 % aller Erkrankten mit diesem Tumor auf. Das Geschlechtsverhältnis Männer zu Frauen beträgt 5:1; die Manifestation erfolgt üblicherweise nach dem 40. Lebensjahr. Vor allem bei Frauen im jüngeren Lebensalter ist eine nichttumorassoziierte autoimmune Genese eines LEMS wahrscheinlich. Klinisch und neurophysiologisch lassen sich allerdings paraneoplastisches und nichtparaneoplastisches LEMS nicht differenzieren.
Etwa 90 % aller LEMS-Patienten weisen im Serum VGCC-Antikörper gegen die spannungsgesteuerten Kalziumkanäle in der präsynaptischen Membran der neuromuskulären Synapse auf. Durch die Autoantikörper kommt es zu einer Läsion der aktiven präsynaptischen Zonen mit gestörter Acetylcholinfreisetzung. Im Tierversuch lässt sich der Effekt der Autoantikörper reproduzieren (Abb. 1).
Abb. 1
Pathogenese des Lambert-Eaton-Syndroms. (Nach Berlit 2014)
×
Wenn bei einem Patienten mit LEMS die Tumorsuche erfolglos bleibt, so sollten in jährlichen Abständen erneute Evaluationen erfolgen. Wurde über 5 Jahre kein assoziierter Tumor nachgewiesen, so kann von einer nichtparaneoplastischen Genese des LEMS ausgegangen werden. Wird ein Tumor nachgewiesen und erfolgreich behandelt, so bessert sich in aller Regel auch das assoziierte LEMS. Eine erneute Verschlechterung der neuromuskulären Symptomatik zeigt in diesen Fällen ein Rezidiv des Tumors an.
Therapie
Die therapeutischen Optionen beim LEMS umfassen in der Akutphase die Durchführung einer Plasmaseparation oder Gabe von Immunglobulinen in Analogie zur Myasthenia gravis. Die Langzeitimmuntherapie sollte in Form einer Kombination von Kortikosteroiden und Azathioprin durchgeführt werden (Prednison 1 mg/kg Körpergewicht [KG] und Tag initial, Azathioprin 2,5 mg/kg KG und Tag). Symptomatisch hilft 3,4-Diaminopyridin, welches Kaliumkanäle blockiert und über die Induktion von Nervenimpulsen die Freisetzung von Acetylcholin fördert. Alternativ kommt die Gabe von Pyridostigmin oder Guanidin in Frage.
Limbische Enzephalitis und Enzephalomyelitis
Die limbische Enzephalitis zeigt sich als subakuter Verwirrtheitszustand mit epileptischen Anfällen und Gedächtnis- und Verhaltensstörungen. Das amnestische Syndrom wird begleitet von einer Aufmerksamkeitsstörung und affektiven Symptomen, wobei eine Anosognosie für die Ausfallserscheinungen mit Konfabulationen häufig ist. Ein Korsakow-Syndrom wird oft imitiert. Affektiv stehen eine vermehrte emotionale Labilität mit depressiver Verstimmung, Angst und Persönlichkeitsveränderung im Vordergrund, ein paranoides Syndrom mit Halluzinationen kommt vor. Die Temporallappenepilepsie kann therapieresistent sein. Zu den assoziierten hypothalamischen Funktionsstörungen zählen Hyperthermie und endokrine Auffälligkeiten (Tüzün und Dalmau 2007).
Etwa zwei Drittel der Patienten entwickeln multifokale Symptome bei paraneoplastischer Enzephalomyelitis (PEM). Die Hirnstammbeteiligung der PEM zeigt sich mit Störungen der Okulomotorik, Dysarthrie und zentralen Atemstörungen.
Die seltene Vorderhornläsion im Rahmen der PEM (subakute Motoneuronopathie) führt zu atrophischen Paresen, vornehmlich der oberen Extremitäten, und muss in der Differenzialdiagnose der amyotrophen Lateralsklerose bedacht werden.
Die sensible Neuronopathie manifestiert sich subakut mit asymmetrischen sensiblen Missempfindungen von Gesicht, Rumpf und proximalen Extremitäten, wobei spontane, z. T. lanzinierende Schmerzen und brennende Dysästhesien charakteristisch sind. Die klinische Untersuchung zeigt v. a. Hinterstrangsymptome mit sensibler Ataxie, herabgesetztem Lageempfinden und Pallhypästhesie, Pseudoathetose und verminderte oder ausgefallene Muskeleigenreflexe. Nur ein Viertel aller Patienten mit PEM weist keine Symptome einer Beteiligung der sensiblen Rückenmarkganglien auf.
Die Mitbeteiligung der autonomen Ganglien führt zu orthostatischer Dysregulation, Sicca-Syndrom, Verdauungs- und Blasenstörungen (s. Übersicht).
Neuropathologisch kommt es zu multifokalem Neuronenuntergang im Bereich des limbischen Systems. Immunhistologisch lassen sich perivaskuläre und leptomeningeale Infiltrate von Plasmazellen, T- und B-Lymphozyten dokumentieren.
Am häufigsten ist ein kleinzelliges Bronchialkarzinom der assoziierte Tumor (50 %), seltener Seminom (20 %), Thymom, Mamma-, Prostata, Lymphom, Neuroblastom.
Diagnostik
Diagnostisch entscheidend ist die Suche nach antineuronalen Antikörpern sowie die Diagnostik im Hinblick auf ein assoziiertes Malignom. Der Liquor ist oft pathologisch verändert mit leichter lymphomonozytärer Pleozytose, Eiweißerhöhung und Nachweis einer intrathekalen IgG-Produktion. Das EEG ist oft pathologisch mit Allgemeinveränderung und epileptiformen Transienten, vornehmlich temporal; in der MRT können die T2- und FLAIR-gewichteten Bilder Dichteanhebungen im Bereich des Hippocampus und der Temporallappen zeigen, jedoch auch völlig regelrecht sein. Neurophysiologisch ist der Verlust von SEP und sensiblen Nervenantwortpotenzialen als Hinweis auf die Neuronopathie charakteristisch.
Therapie und Prognose
Die Prognose ist bei Antikörpern gegen intrazelluläre Antigene eher ungünstig, auch wenn der zugrunde liegende Tumor effektiv behandelt wird. Stets sollten Plasmaseparation, die Gabe von Immunglobulinen (IVIG) und Kortikoide versucht werden. Befundbesserungen nach Tumortherapie kommen vor, wobei günstigere Verläufe des kleinzelligen Bronchialkarzinoms bei Nachweis neuronaler Antikörper berichtet werden.
Ungünstig, besser bei Antikörpern gegen Oberflächenantigene
Varianten der limbischen Enzephalitis bei verschiedenen Antikörpern
Die NMDAR-Antikörper-assoziierte limbische Enzephalitis tritt bei jungen Frauen mit Ovarialteratom auf und hat eine relativ gute Prognose. Die Sensitivität für den Antikörpernachweis ist im Liquor höher als im Serum. Das EEG ist oft pathologisch mit extremem Delta-brush-Muster (vgl. Abb. 1 im Kap. „Autoimmunenzephalitiden“).
Faziobrachiale dystone Anfälle von kurzer Dauer (<3 s), aber hochfrequent auftretend, sind typisch für LGI1-Antikörper. Daneben oft Hyponatriämien.
Bei CASPR2-Antikörpern treten eine limbische Enzephalitis oder eine Neuromyotonie mit Myokymien (Isaacs-Syndrom) auf. Beim Morvan-Syndrom kombinieren sich diese beiden Syndrome mit Insomnie und autonomen Symptomen.
Eine zentrale Übererregbarkeit mit Schreckhaftigkeit, Insomnie, Rigor und Myoklonien ist typisch für DPPX-Antikörper. Hinzu treten oft gastrointestinale autonome Störungen.
Paraneoplastische zerebellare Degeneration
Die paraneoplastische zerebellare Degeneration (PZD) stellt etwa die Hälfte aller sporadischen Kleinhirnerkrankungen im höheren Lebensalter – sie kann der Diagnose des zugrunde liegenden Malignoms (kleinzelliges Bronchialkarzinom, Ovarial- oder Mammakarzinom, Hodgkin-Lymphom) um mehrere Jahre vorausgehen.
Klinik
In der Regel setzen die neurologischen Symptome akut oder subakut ein: Es kommt zu einer ausgeprägten zerebellaren Ataxie, die Rumpf und Extremitäten betrifft und mit zerebellarer Okulomotorikstörung und Dysarthrie einhergeht. Hinzutreten können eine Antriebsstörung, kognitive Einbußen, Hirnnervenausfälle und extrapyramidale Symptome. Ein polyneuropathisches Syndrom kann assoziiert sein (s. Übersicht).
Paraneoplastische zerebellare Degeneration
Häufigkeit:
Etwa 50 % aller sporadischen Kleinhirnerkrankungen in höherem Lebensalter
MRT: Meist unauffällig, selten Signalsteigerungen im Kleinhirn oder den Kleinhirnstielen
Prognose:
Ungünstig. Selten Besserung bei erfolgreicher Tumortherapie. Tod nach ¼ bis 1 ½ Jahren (gynäkologische Tumoren) bzw. innerhalb weniger Jahre (Bronchialkarzinom)
Normalerweise ist die MR-tomografische Diagnostik des Kleinhirns regelrecht. Im Liquor lassen sich oft eine milde lymphomonozytäre Pleozytose und eine intrathekale IgG-Produktion nachweisen. Bei einem Drittel der Patienten ist der Liquor allerdings völlig unauffällig. Entscheidend ist der Nachweis von Antikörpern gegen die Purkinje-Zellen der Kleinhirnrinde, deren Verlust sich bei der neuropathologischen Untersuchung post mortem als anatomisches Korrelat der Kleinhirnataxie dokumentieren lässt. Die typischen Anti-Yo-Antikörper (Purkinje-Zell-Antikörper Typ 1 – PCA1) sind v. a. bei Frauen mit Mamma- oder Ovarialkarzinom sowie anderen gynäkologischen Tumoren nachweisbar. Bei Kranken mit PZD und Bronchialkarzinom finden sich in 25 % der Fälle Hu(ANNA1)-Antikörper.
Therapie
Nur etwa 10–20 % der Patienten mit PZD zeigen eine Besserung ihrer Ataxie unter Plasmaseparation, IVIG oder Therapie mit Immunsuppressiva. Als monoklonaler Antikörper kann Rituximab versucht werden. Selten kommt es zu Spontanbesserungen nach erfolgreicher Therapie des zugrunde liegenden malignen Tumors. Der Nachweis von Autoantikörpern erlaubt bis zu einem gewissen Grad die Voraussage, ob ein Patient auf die Therapie anspricht oder nicht. Die Prognose ist schlechter mit Anti-Hu- oder Anti Yo-Antikörpern, besser mit VGCC- oder GAD-Antikörpern.
Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom
Klinik
Leitsymptom sind die ruckartigen irregulären unwillkürlichen Augenbewegungen (Dancing-eyes-Syndrom) und Myoklonien der Extremitäten, welche in der Regel der Tumordiagnose vorausgehen. 50 % aller Kinder mit Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom leiden an einem Neuroblastom; das paraneoplastische Syndrom kommt bei 2 % aller Kinder mit Neuroblastom vor, oft seronegativ. Interessanterweise haben Neuroblastome mit paraneoplastischer Symptomatik eine bessere Prognose als solche ohne (s. Übersicht). Im Erwachsenenalter kommt das Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom v. a. beim kleinzelligen Bronchialkarzinom und beim Mammakarzinom vor, aber auch parainfektiös. Die erwachsenen Patienten zeigen oft klinisch auch eine deutliche Gangstörung bei Rumpfataxie.
Der Liquor kann mit einer milden Pleozytose, Eiweißerhöhung und intrathekaler IgG-Produktion pathologisch sein, jedoch auch einen unauffälligen Befund aufweisen. Vor allem bei Assoziation mit Mammakarzinom lassen sich im Serum Anti-Ri-Antikörper (ANNA2) nachweisen. Wenn das Opso-klonus-Myoklonus-Syndrom bei Erwachsenen mit anderen Symptomen der paraneoplastischen Enzephalomyelitis assoziiert ist, können auch Anti-Hu-Antikörper vorliegen.
Therapie
Therapeutisch entscheidend ist die Tumorentfernung; darüber hinaus sprechen die meisten Kinder gut auf eine Behandlung mit Steroiden, ACTH, IVIG, Plasmaseparation oder Rituximab an.
Im Erwachsenenalter werden neben der Tumortherapie Immunsuppressiva und symptomatisch Clonazepam oder Propranolol eingesetzt.
Paraneoplastische Muskeltonuserhöhung
Im Rahmen verschiedener Syndrome kann es zu einer Muskeltonuserhöhung kommen.
Stiff-person-Syndrom
Das Stiff-person-Syndrom mit generalisierter vermehrter Muskelrigidität, die durch Schlaf, periphere Nervenblockade, Spinalanästhesie oder Narkose unterbrochen wird, und schmerzhaften Muskelkrämpfen kommt paraneoplastisch beim kleinzelligen Bronchialkarzinom und Mammakarzinom vor und geht mit Amphiphysin-Autoantikörpern einher, die sich gegen die synaptischen vesikelassoziierten Proteine richten. Diese Antikörper sind in Serum und Liquor nachweisbar.
Das autoimmune Stiff-person-Syndrom kommt auch ohne Tumorassoziation vor und ist dann in 60 % mit Anti-GAD-Antikörpern (gegen das GABA-synthetisierende Enzym Glutamatdecarboxylase) assoziiert. Gleichzeitig können ein Diabetes mellitus Typ 1 oder eine Myasthenie mit Thymom vorliegen.
Beim PERM-Syndrom treten eine progrediente Enzephalomyelitis, Rigidität und Myoklonien hinzu. Ursächlich sind Glycin-a1-Rezeptor-Antikörper.
Neuromyotonie (Isaacs-Syndrom)
Die diffuse Muskelsteifigkeit mit Neigung zu Muskelkrämpfen und kontinuierlicher Muskelaktivität (Myokymien) im EMG bei der Neuromyotonie (Isaacs-Syndrom) tritt in Assoziation mit VGCC- oder CASPR2-Antikörpern beim Thymom, SCLC oder Hodgkin-Lymphom auf. Die Kombination mit ZNS-Symptomen wird als Morvan-Syndrom (limbische Enzephalitis, Insomnie und autonome Symptome) bezeichnet.
Therapie
Entscheidend ist bei allen Syndromen die Tumorsuche und -behandlung in Kombination mit der Gabe von Kortikosteroiden, IVIG oder Plasmaseparation. Symptomatisch werden in Abhängigkeit vom klinischen Syndrom Diazepam (Stiff-person-Syndrom) bzw. Carbamazepin (Neuromyotonie) gegeben (Tab. 3).
Tab. 3
Paraneoplastische Muskeltonuserhöhung
Syndrom
Vorkommen, Diagnose, Therapie
Stiff-person-Syndrom
Bei Mamma-, SCLC, Thymom, Lymphom (Amphiphysin, GAD, Glycin-a1-Rezeptor-Antikörper)
Therapie mit IVIG und Diazepam
Neuromyotonie (Isaacs-Syndrom)
Bei SCLC, Prostata, Thymom; VGCC- oder CASPR2-Antikörpern
Leitsymptome der „Cancer-associated retinopathy“ (CAR) sind Lichtempfindlichkeit, ringförmige Skotome und prominente retinale Arteriolen. Zugrunde liegt die selektive Degeneration äußerer Retinaschichten aufgrund von Antikörpern gegen Recoverin, einem kalziumbindenden Fotorezeptorprotein, das in der Phototransduktionskaskade wirkt. Dieses Krankheitsbild geht klinisch der Diagnose des assoziierten Tumors (meist kleinzelliges Bronchialkarzinom oder gynäkologische Tumoren) um durchschnittlich 2 Jahre voraus. Klinisch stehen Nachtblindheit, asymmetrisches Verschwommensehen und visuelle Phänomene wie Verzerrungen, Flimmern oder Obskurationen im Vordergrund. Bei der Untersuchung zeigen sich Visusminderung, Farbsinnstörung, Skotome und afferente Pupillenstörung.
Sehr selten ist die paraneoplastische Optikusneuritis, meist im Rahmen einer paraneoplastischen Enzephalomyelitis beim kleinzelligen Bronchialkarzinom mit CRMP5-(anti-CV2-)Antikörpern.
Therapeutisch wird neben der Tumorbehandlung Prednison eingesetzt.
Paraneoplastische Myositis
Klinisch und neurophysiologisch unterscheidet sich die paraneoplastische Myositis nicht von der nichttumorassoziierten Dermato- (DM) oder Polymyositis (PM). 9 % aller PM- und 15 % aller DM-Patienten zeigen eine Tumorassoziation. Vor allem bei weiblichen Patienten im Alter von über 40 Jahren und der klinischen Manifestation einer Dermatomyositis ist die wiederholte Tumorsuche erforderlich (s. Übersicht). Während bei Männern am häufigsten kleinzellige Bronchialkarzinome, Hodgkin-Lymphome oder Magen-Darm-Tumoren assoziiert sind, muss bei Frauen nach Karzinomen von Mamma oder Ovar gesucht werden. Neben der Tumortherapie kommt, wie bei den idiopathischen Myositiden, therapeutisch die Gabe von Kortikosteroiden, Immunsuppressiva oder Immunglobulinen in Frage.
PM/DM bei Kollagenosen/rheumatologischen Erkrankungen oder idiopathisch
Karzinoidmyopathie
Paraneoplastische Polyneuropathie
Am häufigsten ist die bereits besprochene sensible Neuronopathie im Rahmen der PEM, die Frauen mehr betrifft als Männer, assoziiert ist mit kleinzelligem Bronchialkarzinom und seltener Tumoren des weiblichen Genitales und mit ausgeprägten Schmerzen, sensiblen Missempfindungen und afferenter Ataxie einhergeht. Die Antikörper richten sich gegen intrazelluläre Antigene: Hu, CV2/CRM5
Daneben kommt eine sensomotorische Polyneuropathie (PNP) vor, die Männer mehr betrifft als Frauen und sich vor allem bei Bronchialkarzinomen, ggf. assoziiert mit CV2-Antikörpern, manifestiert (s. Übersicht). Der Liquor kann, muss aber nicht, pathologisch sein. Bei der neurophysiologischen Untersuchung können sich sowohl demyelinisierende als auch axonale Manifestationsformen zeigen, auch vorwiegend autonome Neuropathien kommen vor.
Paraneoplastische Polyneuropathie
Häufigkeit:
Klinisch bis zu 5 %, neurophysiologisch bis zu 25 %
Assoziation mit Malignomen von Lunge, Magen, Mamma, Darm
Sensible PNP (Frauen > Männer, Karzinome von Lunge und weiblichem Genitale, subakut, mit Schmerzen und sensibler Ataxie, Anti-Hu-Antikörper)
Neurophysiologie:
Axono-/Neuronopathie mit Verlust von SEP und SNAP (sensible PNP), ansonsten variabel
Liquor:
Protein oft erhöht, oligoklonale Banden positiv, Pleozytose bei sensibler PNP
In Assoziation mit einer Paraproteinämie tritt die paraneoplastische Polyneuropathie bei Plasmozytom und Morbus Waldenström auf. Spezielle Manifestationen sind die Amyloidneuropathie mit lanzinierenden Schmerzen, Temperaturempfindungsstörungen und autonomen Symptomen, das POEMS-Syndrom (Polyneuropathie, Organomegalie [Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie], Endokrinopathie, monoklonales Protein und „skin changes“) sowie die sensomotorische Polyneuropathie bei benigner Gammopathie.
Vaskulitische Polyneuropathien mit asymmetrischer Manifestation (Mononeuropathia multiplex) werden beim malignen Lymphom, Prostatakarzinom und Hypernephrom beschrieben (s. Übersicht).
Auch wenn es wichtig ist, im Einzelfall an die Möglichkeit einer paraneoplastischen Genese zu denken und gezielt nach Autoantikörpern zu fahnden, so muss doch bedacht werden, dass die Mehrzahl der klinischen Manifestationen möglicher paraneoplastischer Syndrome wesentlich häufiger nichttumorassoziiert auftritt. Eine Übersicht über differenzialdiagnostisch relevante Ursachen entsprechender klinischer Bilder gibt Tab. 4. In der Regel werden Anamnese, klinische Untersuchung, Liquordiagnostik und MRT zur Klärung führen.
Benennen Sie typische paraneoplastische neurologische Krankheitsbilder.
2.
Nach welchen antineuronalen Antikörpern sollte bei einem klinischen paraneoplastischen Syndrom gefahndet werden?
3.
Welches sind die häufigsten zugrunde liegenden Tumorarten bei der limbischen Enzephalitis, beim Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom und bei der paraneoplastischen Kleinhirndegeneration?
4.
Wie wird das Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom diagnostiziert?
5.
Welche Formen der Muskeltonuserhöhung können paraneoplastisch auftreten?
Literatur
Ayzenberg I (2018) Paraneoplastische Syndrome. In: Fink GR, Gold R, Berlit P (Hrsg) SOPs Neurologie. Thieme, Stuttgart
Berlit P (2014) Basiswissen Neurologie, 5. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York/TokioCrossRef