Die zurzeit üblichen Therapiestrategien lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Zum einen ist dies die symptomatische Therapie, bei der einzelne Krankheitserscheinungen gemildert werden und die sich nicht nur gegen primäre Auswirkungen der multiplen Sklerose (MS), sondern auch gegen sekundäre Folgestörungen richtet. Symptomatische Therapiemaßnahmen tragen ganz wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität und -erwartung bei und werden individuell an die Bedürfnisse angepasst. Die zweite Gruppe macht sich die zunehmende Kenntnis über die Pathogenese der MS zunutze und versucht, in die pathogenetische Kette zumindest ansatzweise einzugreifen und somit kausal zu behandeln. Kausal behandelt wird die MS in Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität mit Steroiden im akuten Schub, alternativ bei ausbleibendem Effekt mit Plasmaseparation oder Immunadsorption und immunmodulatorisch oder immunsuppressiv entsprechend der vorliegenden Verlaufsform und ihrer Dynamik. Grundlage der Therapieentscheidung ist dabei aktuell die Unterscheidung zwischen milder/moderater MS und hochaktiver Erkrankung. Es steht eine große Zahl verschiedener Substanzen zur oralen, subkutanen, intramuskulären und intravenösen Applikation zur Verfügung.
Die zurzeit üblichen Therapiestrategien lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Zum einen ist dies die symptomatische Therapie, bei der einzelne Krankheitserscheinungen gemildert werden und die sich nicht nur gegen primäre Auswirkungen der multiplen Sklerose (MS), sondern auch gegen sekundäre Folgestörungen richtet. Symptomatische Therapiemaßnahmen tragen ganz wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität und -erwartung bei und werden individuell an die Bedürfnisse angepasst. Die zweite Gruppe macht sich die zunehmende Kenntnis über die Pathogenese der MS zunutze und versucht, in die pathogenetische Kette zumindest ansatzweise einzugreifen und somit kausal zu behandeln. Kausal behandelt wird die MS in Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität mit Steroiden im akuten Schub, alternativ bei ausbleibendem Effekt mit Plasmaseparation oder Immunadsorption und immunmodulatorisch oder immunsuppressiv entsprechend der vorliegenden Verlaufsform und ihrer Dynamik. Grundlage der Therapieentscheidung ist dabei aktuell die Unterscheidung zwischen milder/moderater MS und hochaktiver Erkrankung. Es steht eine große Zahl verschiedener Substanzen zur oralen, subkutanen, intramuskulären und intravenösen Applikation zur Verfügung.
Symptomatische Therapie
Symptomatische nichtmedikamentöse Therapie
Die symptomatische nichtmedikamentöse Behandlung umfasst intensive krankengymnastische, ergotherapeutische, neuropsychologische und spezielle neurophysiologische Methoden, mit denen motorische Leistungsfähigkeit und Koordination verbessert werden können. Hauptziel der Physiotherapie ist die Erhaltung der größtmöglichen Selbstständigkeit des Patienten, das Entwickeln von kompensatorischen Funktionen und die Prophylaxe bzw. Beseitigung von sekundären Komplikationen (z. B. Kontrakturen, Dekubitus, Haltungsschäden, Osteoporose). Die bekanntesten hierbei eingesetzten Methoden sind die bewegungsbahnende propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF) und die entwicklungsneurologisch begründete, spastikhemmende und bewegungsbahnende Methode nach Bobath. Die Einbeziehung afferenter Bahnen durch verschiedene Stimulationstechniken, die auf Verbesserungen der Oberflächen- und Tiefensensibilität und des Lagesinns sowie die Integration dieser Afferenzen in die Regulation der von kortikalen und subkortikalen Zentren und dem Cerebellum gesteuerten motorischen Funktionen hinzielen, spielt eine bedeutende Rolle. Die gezielte Beanspruchung efferenter und afferenter Bahnen vermag die durch Parese, Spastizität und Koordinationsstörung behinderten Bewegungsabläufe zu synchronisieren und zu modulieren. Eines der Hauptziele physiotherapeutischer Behandlung ist die Linderung der Spastik und einschießender Beugespasmen. Dies kann durch adäquate Lagerung (Rückenlage begünstigt, Bauch- und Seitenlage verringert Spastik), Stehen und passives Durchbewegen und Rotation erreicht werden. Im Bewegungsbad wird bei 28–32 °C Wassertemperatur der Auftrieb des Wassers und der Wärme genutzt, um Bewegungsmuster unter erleichterten Bedingungen erneut einzutrainieren.
Eng verbunden mit der Physiotherapie ist die Ergotherapie, die motorisch funktionelles Training der oberen Extremität (Feinmotorik) und des Rumpfes (Sitzkontrolle), die Schulung von Oberflächen- und Tiefensensibilität sowie Übungsbehandlung bei neuropsychologischen Störungen (Konzentration, Merkfähigkeit) mit einschließt. Hierzu gehört auch das Selbsthilfetraining für Aktivitäten des täglichen Lebens (Essen, Trinken, Körperpflege, Schreiben) und evtl. Haushaltstraining.
Über den Einsatz logopädischer Methoden und ihrer Erfolge bei Patienten mit MS ist recht wenig bekannt. Dysarthrien, die in fortgeschrittenen Krankheitsstadien häufig mit ausgeprägter Sprechdyspnoe und Kau- und Schluckstörungen kombiniert auftreten, können mit Hilfe verschiedener logopädischer Methoden gut behandelt werden.
Symptomatische medikamentöse Therapie
Die symptomatische medikamentöse Therapie orientiert sich an ganz speziellen Zielsymptomen wie Spastik, Blasenstörungen und deren Komplikationen, Schmerzen, epileptischen Anfällen und Depressionen. Sie wirkt einerseits direkt lindernd und ermöglicht andererseits den frühen Beginn einer mobilisierenden Therapie.
Behandlung spezieller Probleme
MS-Fatigue
Ein häufiges Problem für MS-Betroffene stellt die schnelle Erschöpfung dar im Sinne eines MS-assoziierten Fatigue-Syndroms. Verschlechterungen durch das Uhthoff-Phänomen lassen sich durch Kälteapplikation, kalte Speisen und Getränke bessern. Amantadinpräparaten und Pemolin werden günstige Effekte auf die Ermüdbarkeit zugeschrieben. Insbesondere Pemolin hat zum Teil erhebliche Nebenwirkungen und war weniger wirksam in den durchgeführten Studien. Ist die Müdigkeit als Vitalsymptom einer Depression zu verstehen, bieten sich wenig sedierende Thymoleptika an.
Unter den nichtmedikamentösen Therapien ist die einfachste Form die emotionale Unterstützung von Patient und Angehörigen, indem die vorzeitige Ermüdbarkeit als krankheitsspezifisches Zeichen erklärt, diskutiert und darauf Rücksicht genommen wird.
Insbesondere Patienten mit temperaturabhängigen Symptomen können von einem Kaliumkanalblocker profitieren, der zu einer verbesserten Reizleitung teilentmarkter Axone führt. Als Präparat kommt neben 3–4-Diaminopyridin das etwas besser wirksame 4-Aminopyridin in Betracht.
Auch Modafinil wird off-label aufgrund kleiner positiver Studien gegen die abnorme Tagesmüdigkeit eingesetzt (zugelassen ist es nur in der Behandlung der Narkolepsie). Es gibt allerdings auch negative kontrollierte Studien (Kumar 2008; Littleton et al. 2010).
Insgesamt ist die medikamentöse Behandlung des Fatigue-Syndroms noch nicht befriedigend möglich.
Blasen- und Mastdarmstörungen
Vor der Behandlung von Blasenstörungen steht eine exakte diagnostische Beschreibung und Differenzierung.
Zu Beginn der Erkrankung dominiert zumeist eine Detrusorhyperreflexie mit hoher Miktionsfrequenz, imperativem Harndrang und relativer Inkontinenz (Urgeinkontinenz) bei weitgehend normalen Restharnmengen (unter 50 ml). Hier helfen anticholinerg wirksame, die glatte Detrusormuskulatur relaxierende Medikamente wie Oxybutynin (Dridase), Tolterodin (Detrusitol), Trospiumchlorid (Spasmolyt oder Spasmex). Wegen der oft störenden vegetativen Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen, Tachykardie und Obstipation sollte einschleichend und bedarfsgerecht dosiert werden. Durch Änderung der Trinkgewohnheiten mit häufigen kleinen Trinkmengen lässt sich der Miktionsreiz reduzieren.
Entsprechend der zunehmenden Spastik der unteren Gliedmaßen entwickelt sich meist eine Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie mit häufigem Harndrang, Starthemmung und Entleerung oft nur kleiner Urinmengen, sonografisch erhöhten Restharnmengen und Neigung zu Infekten der ableitenden Harnwege. Eine Detonisierung der Beckenbodenmuskulatur kann mit antispastischen Medikamenten erfolgen. Besser ist die Senkung des inneren Blasenhalswiderstandes mit sog. Alphablockern (z. B. Dibenzyran). Der Restharn lässt sich durch regelmäßiges Triggern und Ausdrücken der Blase vermindern. Zum intermittierenden Selbstkatheterismus sind besondere Hygieneanforderungen und manuelles Geschick erforderlich. Entscheidend ist die Infektionsprophylaxe durch ausreichend große Trinkmengen und harnansäuernde Medikamente (z. B. Acimethin, Hiprex, Mandelamine) oder den Genuss von Preiselbeersaft. Eine schwere Inkontinenz mit anhaltend hohen Restharnmengen und häufigen Infekten der ableitenden Harnwege stellt die Indikation zur Anlage eines suprapubischen Katheters dar.
Tiefer liegende spinale Läsionen führen zu der eher seltenen Detrusorhyporeflexie, die mit sehr hohen Restharnmengen bei weitgehend aufgehobener Empfindung für die Blasenfüllung einhergeht. Es fehlt der Harndrang, es kommt zur Überlaufblase und aufgrund extrem hoher Restharnmengen zur ständigen Refluxgefährdung mit drohender Urosepsis. Pharmakologisch lassen sich orale Parasympathomimetika (z. B. Doryl oder Ubretid) einsetzen. Mitunter ist eine vorübergehende Dauerableitung unvermeidbar (Tab. 1).
Obstipation und Mastdarminkontinenz sind häufige Symptome bei MS-Patienten. In einer Gruppe unselektierter Patienten fanden sich bei 68 % Mastdarmfunktionsstörungen, 43 % im Sinne einer Obstipation und 51 % im Sinne einer Stuhlinkontinenz. Lactulose oder Abführsuppositorien am Morgen bieten die besten Behandlungserfolge. Bei Inkontinenz hilft Loperamid.
Umgang mit sexuellen Störungen
Das häufigste Symptom bei Männern mit MS ist die erektile Dysfunktion/Impotenz. Sie tritt meist später als Blasenstörungen auf. Über Ejakulationsstörungen, die vornehmlich auf Läsionen der sympathischen Efferenz zurückzuführen sind, ist wenig bekannt.
Die Behandlung erfolgt entweder oral oder mit lokal injizierbaren Medikamenten sowie einer Reihe mechanischer Hilfsmittel bei erektiler Dysfunktion. Ejakulationsstörungen sprechen auf eine medikamentöse Therapie wenig an.
Etwa 50 % der Frauen mit MS haben ebenfalls sexuelle Funktionsstörungen. Die folgende Übersicht gibt einen Überblick über die Behandlung sexueller Störungen.
Behandlung von sexuellen Störungen bei MS-Patienten
Wichtig sind Linderung der Spastik, Behandlung von Blasenproblemen und MS-Fatigue
Spastik
Insbesondere die spinale Spastik ist medikamentös zumeist gut behandelbar. Nahezu alle Antispastika führen allerdings zu einer Zunahme der Paresen und zu Müdigkeit, sodass die Dosierung eine Gratwanderung zwischen Wirkung und Nebenwirkung darstellt. Einige Patienten erhalten durch ihre Spastik erst eine gewisse Geh- und Stehfähigkeit, sodass eine antispastische Medikation zu einer funktionellen Verschlechterung führen kann. Mittel der ersten Wahl sind Baclofen und Tizanidin.
Baclofen ist ein GABA-Agonist mit spezieller Wirkung auf Frequenz und Schwere von Flexoren- und Streckspasmen. Da es insbesondere auf die GABA-B-Rezeptoren im Rückenmark wirkt, inhibiert es hier mono- und polysynaptische Reflexe. Die Behandlung sollte stets in niedrigsten Dosisbereichen beginnen (z. B. 3-mal täglich 2,5–5 mg) und Tagesdosen von 100 mg Baclofen nicht überschreiten. Gabapentin, ein GABA-B-Agonist, hat in zwei doppelblinden Studien eine Wirksamkeit zur Reduktion der Spastik bewiesen.
Tizanidin ist ein α-2-adrenerger Agonist mit guter Wirkung besonders auf polysynaptische Fremdreflexe und ist damit insbesondere bei spinalen Automatismen indiziert. Außerdem wird Tizanidin eine gewisse analgesierende Wirkung zugesprochen. Neben der Schwäche können Schwindel, Sedierung und Blutdruckabfall als Nebenwirkung auftreten. Die Dosierung beträgt 3-mal 1–2 mg täglich und kann bis maximal 36 mg gesteigert werden.
Antispastika aus der Reihe der Benzodiazepine wie Tetrazepam oder Diazepam haben ein erhöhtes Abhängigkeitspotenzial und sollten deshalb erst nachrangig eingesetzt werden. An den peripheren Muskelspindeln wirken Antispastika vom Typ Dantamacrin, wegen der direkten Wirkung auf die Willkürmotorik ist der Einsatz bei MS-Patienten eingeschränkt.
Der zentral angreifende Amantadinabkömmling Memantin wirkt eher vigilanzanhebend bei nur geringer antispastischer Wirkung.
In den letzten Jahren ist zunehmend der therapeutische Einsatz von Cannabis diskutiert worden und hat zu einer Zulassung für ausgesuchte Indikationsbereiche geführt. Eine 2003 publizierte größere Studie aus England konnte zwar gemessen an der Ashworth-Skala keinen positiven Effekt von Tetrahydrocannabinol (THC) auf die Spastik nachweisen. Allerdings zeigten sich eine Besserung des Gehvermögens und eine subjektive Schmerzreduktion (Zajicek et al. 2003). Seit 2011 ist als erstes Cannabinoid das Spray-Präparat Sativex in Deutschland zur adjuvanten Behandlung der Spastik bei MS-Patienten zugelassen. Dronabinol (Delta-9-THC, Marinol) ist seit 1998 in Deutschland zur Behandlung der chemotherapieinduzierten Übelkeit und des anorexiebedingten Gewichtsverlusts bei Patienten mit AIDS zugelassen. Der Vollpflanzenextrakt Sativex ist ein Spray zur Anwendung in der Mundhöhle. Ein Sprühstoß mit 100 μl Spray besteht aus einem standardisierten Gemisch von 2,7 mg Delta-9-THC und 2,5 mg Cannabidiol (CBD). THC und CBD wirken agonistisch an Cannabinoid-Rezeptoren, die u. a. an Nervenendigungen zu finden sind. Mehrere kontrollierte Studien mit mehr als 1500 MS-Patienten konnten einen signifikanten Effekt auf die mittelschwere bis schwere Spastik zeigen (Wade et al. 2010; Novotna et al. 2011). Neben der Reduktion der Spastik wurden positive Effekte für paroxysmale Phänomene, Schmerz, Schlaf und Gehfähigkeit berichtet (Maccarone et al. 2017).
Die beste Behandlungsoption für Patienten ist die Kombinationstherapie auf individuell angepasster Basis. Einen ganz entscheidenden Faktor zur Behandlung der Spastik stellen physiotherapeutische Methoden dar. Tab. 2 zeigt die Stufentherapie der Spastik auf.
Tab. 2
Stufentherapie der Spastik
Initiale Behandlung bei leichter bis mäßiger Spastik
In unterschiedlicher Ausprägung und verschiedenen Schweregraden kommen Koordinationsstörungen bei MS-Patienten vor. Sie können spinal oder zerebellar bedingt sein. Sie reichen von geringer Rumpf- und Zeigeataxie bis hin zu grobschlägigen Halte- und Aktionsmyoklonien. Medikamentöse Versuche sind enttäuschend. Eine markante Reduktion des Intentionstremors ist durch eine kurze lokale Eisanwendung (z. B. Armeiswasserbad) zu erreichen. Sie kann vom Patienten vor schwierigen Tätigkeiten eingesetzt werden (z. B. vor einer Mahlzeit, vor einer Selbstkatheterisierung, vor Selbstinjektionen etc.). Durch Bewegungen gegen Widerstand kann die Ataxie gemildert werden.
In Ergänzung zur Ergo- und Physiotherapie lassen sich β-Rezeptorenblocker, Antikonvulsiva (Carbamazepin, Primidon, Clonazepam) zunächst als Monotherapie und schließlich in Kombination einsetzen. Bei Versagen kann ein Versuch mit Oxitriptan gemacht werden. Kleinere Fallserien beschreiben einen positiven Effekt von Ondansetron. Bei länger bestehenden schwersten Formen einer bilateralen Gliedmaßenataxie kommt als Ultima Ratio manchmal nur eine stereotaktische Operation (Thalamotomie) in Betracht, erfordert aber bei den bekannten Risiken und möglichen Spätfolgen eine sorgfältige Indikationsstellung. Alternativ zur stereotaktischen Thalamotomie kann eine thalamische Neurostimulation durchgeführt werden. Hierbei werden über eine in den ventrolateralen Nucleus des Thalamus stereotaktisch implantierte Mikroelektrode Impulsserien appliziert, die über einen subkutan implantierten Stimulator gesteuert werden können. Mit dieser Methode lässt sich auch ein bilateraler Tremor durch getrennte zweiseitige Stimulation der Thalami behandeln (Mills et al. 2007).
Zwei randomisierte placebokontrollierte, multizentrische Phase 3-Studien konnten für orales 4-Aminopyridin in retardierter Form (Fampridin) bei MS-Patienten zeigen, dass es bei einer Subgruppe zu einer Verbesserung der Gehbeeinträchtigung kommt (Goodman et al. 2009, 2010). Jeweils ein Drittel der behandelten Patienten sprach auf die Behandlung an. Primärer Studienendpunkt war eine relevante Verbesserung der Gehgeschwindigkeit, die unter Fampridin bei 33 % und unter Placebo in 14 % der Patienten zunahm. Die Response war unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, MS-Verlaufsform, begleitenden immunmodulatorischen Therapien, Krankheitsdauer oder Schwere der neurologischen Defizite. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Harnwegsinfekte, Schlaflosigkeit und Schwindel. In Bezug auf die Gefahr der Auslösung epileptischer Anfälle ergaben beide Studien für eine Dosierung von 2-mal 10 mg kein erhöhtes Risiko. Eine Tagesdosis von 2-mal 10 mg sollte allerdings nicht überschritten und zwischen den Einnahmen ein Intervall von 12 h beachtet werden. Kontraindikationen sind Krampfanfälle in der Vorgeschichte sowie eine Niereninsuffizienz mit einer Kreatinin-Clearance <50 ml/min. Fampridin ist seit August 2011 in Deutschland zugelassen zur Verbesserung der Gehfähigkeit von erwachsenen Patienten mit MS mit Gehbehinderung im EDSS-Bereich von 4–7.
Paroxysmale Störungen
Tonische Hirnstammanfälle, die paroxysmale Dysarthrie mit Ataxie und die paroxysmalen Parästhesien sprechen meistens gut auf Carbamazepin an. Da die Attacken in der Regel nach Wochen spontan sistieren, kann die Therapie fast immer zeitlich begrenzt erfolgen.
Gelegentlich verschlechtert sich unter der Carbamazepin-Gabe eine Parese, was sich insbesondere bei einer Paraparese der Beine empfindlich bemerkbar machen kann. In dieser Situation oder bei insuffizienter Wirkung kann ein Versuch mit anderen antikonvulsiv wirkenden Medikamenten gemacht werden (Lamotrigin, Gabapentin, Levetiracetam, Topiramat und Valproat). Bei der Trigeminusneuralgie bieten sich alternativ auch Oxcarbazepin und das Prostaglandin-E1-Analogon Misoprostol an.
Bei Spasmen und Myoklonien ist ein Versuch mit Clonazepam gerechtfertigt.
Schmerzen
Primär durch Entmarkungsprozesse bedingte Schmerzen wie Trigeminusneuralgien oder Dysästhesien lassen sich durch membranstabilisierende Medikamente wie Carbamazepin, Gabapentin oder Pregabalin erfolgreich behandeln. Chronische direkt auf die MS zurückzuführende Schmerzen werden bevorzugt mit Antidepressiva (Amitriptylin, Duloxetin) und Antikonvulsiva (z. B. Carbamazepin, Gabapentin, Lamotrigin, Pregabalin) behandelt. Viele der Schmerzsyndrome sind aber auch sekundär auf Haltungsstörungen der Wirbelsäule, Fehlbelastung der Gelenke, spastische Kontrakturen oder eine Osteoporose zurückzuführen. Präventive Maßnahmen oder geeignete Hilfsmittel können hier helfen.
Psychische Probleme
Im Vordergrund der behandlungsbedürftigen psychopathologischen Symptome steht die Depression, deren Prävalenz mit 25–55 % angegeben wird. Sehr schwierig gestaltet sich im Einzelnen die Unterscheidung zwischen reaktiv-depressiven Verstimmungen, Nebenwirkungen medikamentöser Behandlungen oder MS-assoziierter Depression. Zur Behandlung reaktiver Störungen sind Gespräche mit den Betroffenen und Angehörigen erforderlich, gelegentlich auch eine psychotherapeutische Betreuung. Häufiger aber ist eine thymoleptische Therapie mit Amitriptylin, möglicherweise auch Serotonin- oder Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern unumgänglich. Amitriptylin kann auch wirkungsvoll eingesetzt werden bei krankhaftem Lachen und Weinen. Emotionale Hyperexpressivität und Alexithymie sind einer medikamentösen Behandlung bislang nicht zugänglich.
Vor allem zu Beginn der Erkrankung spielt die Krankheitsbewältigung eine wesentliche Rolle – hier helfen psychoedukative Trainingsprogramme zur Vermittlung von Copingstrategien. Diese können auch hilfreich sein, die Therapiecompliance und -adhärenz der Patienten nachhaltig zu gewährleisten (Kunkel et al. 2009). Hier werden einerseits fundierte Informationen über Verlauf und Ursachen der Erkrankung und andererseits Strategien zur Krankheitsverarbeitung vermittelt. Geleitet werden die Gruppen (6–10 Teilnehmer, 12 Sitzungen 1,5 h/Woche) von (Neuro-)Psychologen und geschulten MS-Nurses.
Kausal begründete Therapie
Die medikamentöse Therapie der MS orientiert sich an dem aktuellen Stadium und der Verlaufsform der MS. Ziele der Therapie sind außer der Behandlung des akuten Schubes die Reduktion der Schubfrequenz und die Verzögerung der Progredienz sowie eine Verbesserung bestehender Behinderung. Voraussetzung aller prophylaktischen Behandlungen ist die Sicherheit in der Diagnose. Die Behandlung sollte dann aber frühzeitig beginnen, z. B. auch wenn sich in der MRT Hinweise für erhebliche subklinische Krankheitsaktivitäten finden.
Therapie des akuten Schubes und der Optikusneuritis
Glukokortikosteroide werden seit Jahrzehnten zur Behandlung der MS eingesetzt. Eine Therapie mit 1000 mg Methylprednisolon über 3–5 Tage kann die Störung der Blut-Hirn-Schranke meist innerhalb von wenigen Stunden beseitigen (Sloka und Stefanelli 2005). Die Gadoliniumanreicherungen in der MRT verschwinden. Vor allem wegen dieser überzeugenden Ergebnisse und der möglicherweise bestehenden vorübergehenden prophylaktischen Effekte bei der Optikusneuritis (Beck et al. 1992) gilt die Glukokortikoidtherapie trotz vieler offener Fragen als Standardtherapie des akuten Schubes und der akuten Optikusneuritis. Für eine ausschleichende orale Behandlung im Anschluss an die Methylprednisolon-Pulstherapie gibt es keine Evidenz.
Die intravenöse Gabe von Methylprednisolon sollte stationär oder ggf. ambulant in spezialisierten MS-Zentren erfolgen. Bei bekannter Tbc sollte eine Röntgenuntersuchung des Thorax erfolgen. Nebenwirkungen, wie sie von der langfristigen Gabe von Steroiden bekannt ist, sind bei dieser Anwendung nicht zu erwarten. Einige Patienten berichten über vorübergehende Hitzewallungen, Geschmacksstörungen, leichte gastrointestinale Beschwerden, Schlafstörungen und psychische Veränderungen. Bei manifestem Diabetes mellitus kann der Blutzucker entgleisen. Akute Psychosen sind selten. Eine Rarität ist das Auftreten aseptischer Hüftkopfnekrosen. Thrombosen können im Einzelfall ebenfalls auftreten. Deshalb ist während der Methylprednisolon-Pulstherapie eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin zu empfehlen.
Bei einem klinisch schweren Schub mit funktioneller Beeinträchtigung (motorische, zerebellare oder Hirnstammsymptomatik), der nicht ausreichend auf die einmalige Kortikoidtherapie anspricht, wird eine eskalierende Schubbehandlung vorgeschlagen. Innerhalb von 2 Wochen nach Beendigung der Kortikoidtherapie wird bei ungenügender Besserung eine erneute Kortikoidpulstherapie ggf. auch mit erhöhter Dosis von bis zu 5-mal 2 g angeschlossen. Ergibt eine erneute quantitative neurologische Untersuchung nach 2 Wochen keine eindeutige Rückbildungstendenz, sollte eine Plasmapherese oder Immunadsorption erfolgen (Schimrigk et al. 2016). Bei schweren, protrahiert verlaufenden Schüben und anhaltender subklinischer Krankheitsaktivität kann auch frühzeitig eine Behandlung mit Natalizumab, Fingolimod oder Alemtuzumab begonnen werden.
Pathophysiologisch ansetzende Therapien der MS
Die pathophysiologisch ansetzenden Therapiemöglichkeiten der MS und ihre Bewertung durch Experten unterliegen seit einigen Jahren einem raschen Wandel. Zunehmend sind für die komplexe und individuell sehr heterogen verlaufende Erkrankung Erkenntnisse der evidenzbasierten Medizin (EbM) verfügbar und anwendbar geworden. Insbesondere die Zulassung der Beta-Interferone (IFN-β) in den 1990er-Jahren zur Therapie der schubförmigen MS hat für einen Umbruch gesorgt: Erstmals war eine positive Verlaufsbeeinflussung in Form einer Immunmodulation nachweisbar. Damit war ein weit verbreiteter Nihilismus in Bezug auf eine wirksame Langzeittherapie nicht mehr zu rechtfertigen.
Schon vor Zulassung von IFN-β war bereits lange Jahre das Prinzip der immunsuppressiven Langzeittherapie der MS mit Azathioprin angewandt worden, hatte aber noch nicht zu einer allgemein unumstrittenen Therapieempfehlung geführt. Auf IFN-β folgte 2001 die Zulassung von Glatirameracetat (GLAT) in Deutschland.
Durch den seit 2006 in der EU zur Behandlung der hochaktiven schubförmigen MS zugelassenen monoklonalen Antikörper (MAK) Natalizumab konnte das therapeutische Spektrum um eine sehr wirksame Substanz ergänzt werden, allerdings um den Preis des bis dahin in der MS-Therapie nicht bekannten Risikos der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML).
Auch in Bezug auf das Prinzip der Immunsuppression hat sich ein Zuwachs an Kenntnissen und Möglichkeiten ergeben. Die „milde“ Immunsuppression mit Azathioprin, das in Tablettenform verabreicht wird, hat in Deutschland im Jahr 2000 die Zulassung zur Therapie der schubförmigen MS erhalten.
Eine weitere oral zu verabreichende Substanz ist das in Europa 2011 zur Behandlung der aktiven schubförmigen MS zugelassene Fingolimod, dessen Wirksamkeit als hoch einzuschätzen ist. Seine Wirkmechanismen gehen auf eine Kombination von sowohl immunmodulatorischen als auch immunsuppressiven Eigenschaften zurück.
Mit dem bereits sehr lange in der Tumortherapie etablierten Chemotherapetikum Mitoxantron steht eine weitere seit 2002 für die MS-Therapie zugelassene Substanz zur Verfügung. Es erweitert, trotz einiger Limitationen, die Möglichkeiten der Behandlung insbesondere bei sehr rasch fortschreitenden Krankheitsverläufen, die auf immunmodulatorische Therapieansätze nicht ausreichend ansprechen.
2013 und 2014 folgte die Zulassung dreier weiterer Substanzen zur Behandlung der schubförmigen MS. Teriflunomid, aktiver Metabolit des aus der Behandlung der rheumatoiden Arthritis bekannten Leflunomids, muss aufgrund seiner langen Halbwertszeit nur einmal täglich als Tablette eingenommen werden. Dimethylfumarat, Abkömmling der aus der Psoriasistherapie bekannten Fumarsäure, wird als Kapsel 2-mal täglich verabreicht. Beide Substanzen sind als Therapien der milden/moderaten Form der schubfömigen MS einzuordnen.
Mit Alemtuzumab steht ein weiterer MAK zur Verfügung, der sich durch eine hohe Wirksamkeit auszeichnet – aber auch ganz neue Dimensionen des Risikomanagements erfordert, wie dies im Übrigen durch die Vielzahl der nun zur Verfügung stehenden Substanzen generell gilt. Im Jahre 2016 erfolgte die Zulassung eines dritten MAK, Daclizumab, der in 4-wöchigen Abständen subkutan verabreicht wird. Bereits im ersten Jahr des Einsatzes kam es zu so schwerwiegenden Komplikationen, dass die Substanz vom Markt genommen wurde.
Im Jahr 2017 erfolgte die Zulassung von Cladribin zur Behandlung der aktiven schubförmigen MS. 2018 erhielt Ocrelizumab die Zulassung zur Behandlung der aktiven schubförmigen MS und der frühen primär progredienten Verlaufsform der MS.
Für alle Substanzen gilt, dass sie möglichst früh nach Diagnosestellung eingesetzt werden sollten.
Argumente für den möglichst frühen Beginn einer Therapie bei der schubförmigen MS
Die Schubrate bei Krankheitsbeginn hat prognostische Bedeutung.
Bereits initial liegen neben Demyelinisierungen auch (irreverible) Axonuntergänge vor.
Die Hirnatrophie schreitet von Anfang an fort – es gibt weniger Phasen der Stabilität als bislang angenommen.
Die Immunreaktion breitet sich aus auf initial nicht beteiligte Antigene.
Ein besseres Ansprechen auf Immuntherapeutika zu Beginn der Erkrankung ist wahrscheinlich.
Der Schaden, der durch eine verspätet begonnene Therapie aufgetreten ist, ist konsekutiv nicht mehr wiedergutzumachen.
Die Konsensusgruppe des ärztlichen Beirats der DMSG (MSTKG) hat ein Stufenschema zur immunmodulatorischen Therapie der MS erstellt, das die aktuelle Studienlage berücksichtigt und regelmäßig aktualisiert wird. Zuletzt wurde es vom Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) weiterentwickelt und hat auch Einzug in die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) gehalten. Dieses Schema ist zu einer wichtigen und bewährten Orientierungshilfe für die Entscheidung zu einer Langzeittherapie der MS geworden und gliedert sich nach Indikation („clinically isolated syndrome“ – CIS, „relapsing remitting MS“ – RRMS, sekundär progrediente MS – SPMS), Schubtherapie und verlaufsbeeinflussender Therapie (Abb. 1).
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Zur Behandlung des CIS stehen IFN-β und Glatirameracetat gleichberechtigt zur Verfügung.
In der Indikation RRMS unterscheidet das Schema zwischen den Verlaufsformen mild/moderat einerseits und (hoch-)aktiv andererseits.
Hochaktive MS – Definition
Patienten mit 2 oder mehr Schüben in einem Jahr und mit einem oder mehr Gadolinium-affinen Läsionen im kraniale MRT oder
Patienten, die nicht auf einen vollständigen und angemessenen Zyklus (mindestens 1 Jahr) einer vorherigen immunmodulatorischen Behandlung angesprochen haben und während dieser Therapie mindestens einen Schub im Vorjahr hatten und mindestens 9 hyperintense T2-Läsionen im kranialen MRT oder mindestens eine Gadolinium-affine Läsion oder eine unveränderte oder erhöhte Schubrate im Vorjahr im Vergleich zu den 2 Vorjahren hatten.
Für die milde/moderate Verlaufsform stehen 7 zugelassene Substanzen der ersten Wahl zur Verfügung (alphabetisch: Dimethylfumarat, GLAT, IFN-β-1a i.m., IFN-β-1a s.c., IFN-β-1b s.c. pegyliertes IFN-β-1a s.c. und Teriflunomid). Dazu kommen als Optionen der zweiten Wahl Azathioprin und i.v. Immunglobuline (IVIG).
Zur Behandlung der hochaktiven Verläufe der RRMS oder bei Therapieversagen der Substanzen für die milde/moderate Verlaufsform sind Alemtuzumab, Fingolimod und Natalizumab erste Wahl. Alle Substanzen sind in dieser Indikation ebenso zugelassen wie Mitoxantron, das aufgrund seines Risikoprofils zweite Wahl ist.
Als nicht zugelassene Ausweichpräparate stehen Cyclophosphamid und Rituximab off-label zur Verfügung.
Als dritte Wahl sind experimentelle Verfahren genannt (z. B. Stammzelltransplantation).
Für die SPMS mit aufgesetzten Schüben sind IFN-β1a s.c., IFN-β-1b s.c. und Mitoxantron zugelassene Optionen, als Alternative wird das nicht zugelassene Cyclophosphamid genannt. Möglicherweise steht in näherer Zukunft hier mit Siponimod eine weitere Substanz zur Verfügung.
Die SPMS ohne aufgesetzte Schübe ist im zugelassenen Bereich nur mit Mitoxantron zu behandeln; als Ausweichmöglichkeit gilt auch hier wieder Cyclophosphamid.
Aufgrund der bisher enttäuschenden Datenlage zur verlaufsmodifizierenden Behandlung der PPMS und keinem in dieser Indikation zugelassenen Medikament findet sich folgerichtig im Schema keine Therapieempfehlung. Eine Veränderung ergibt sich hier mit der Zulassung von Ocrelizumab für diese Indikation. Dieser MAK ist seit März 2017 in Nordamerika zur Behandlung der PPMS zugelassen und seit Januar 2018 in Europa. Unter Berücksichtigung der vielen Therapieoptionen ist es eine Herausforderung, Patientensubgruppen zu identifizieren, die am besten von den einzelnen zur Verfügung stehenden Therapieoptionen profitieren, mit dem Ziel, eine Differenzialtherapie der MS zu entwickeln.
Zeigt schematisch die aktuellen immuntherapeutischen Möglichkeiten bei verschiedenen Ausprägungen der MS.
Interferon-β-1b
Interferon-β-1b ist ein gentechnisch in Escherichia coli hergestelltes immunmodulierendes Zytokin, das sich vom natürlichen Interferon-β durch die Substitution eines Cysteins durch Serin, das Fehlen des N-terminalen Methionins und fehlende Glukosylierung unterscheidet. 1993 wurde Betaferon als erstes Medikament überhaupt zur Behandlung der schubförmigen MS in den USA zugelassen. 372 Patienten wurden über 3 Jahre in einer 3-armigen Doppelblindstudie behandelt. Sie erhielten entweder 250 μg IFN-β-1b oder 50 μg oder Placebo und injizierten sich die Medikation alle 2 Tage selbst subkutan. Nach 2 Jahren hatte die Hochdosisgruppe signifikant weniger Schübe, mehr schubfreie Patienten und eine signifikant verlängerte Zeit bis zum nächsten Krankheitsschub (IFNB Multiple Sclerosis Study Group 1993a, b).
Insgesamt 328 (88,2 %) der 372 ursprünglich in die Zulassungsstudie eingeschlossenen Patienten konnten 16 Jahre später identifiziert werden (Reder et al. 2010). Zu diesem Zeitpunkt waren noch 95 % der Patienten am Leben, die bei Beginn der Studie der Behandlung mit IFN-β-1b zugeordnet wurden. Von den ursprünglichen Placebo-Patienten waren nur noch 82 % an Leben. Der neurologische Status und die Kognition nach 16 Jahren korrelierten signifikant mit dem Behinderungsgrad bei Studienbeginn (p < 0,0001; Goodin et al. 2012a). Für die jährliche Schubrate sowie die Behinderungsprogression während der Doppelblindphase ergab sich 16 Jahre nach Randomisierung eine signifikante Korrelation mit dem physischen Zustand (p < 0,0001), nicht jedoch mit dem kognitiven Status. Es zeigten sich in dieser Langzeitbeobachtung keine zuvor nicht bekannten Nebenwirkungen oder Sicherheitsprobleme.
21 Jahre nach Studienbeginn konnte der Vitalstatus von 98,4 % der ursprünglich eingeschlossenen Patienten erhoben werden (Goodin et al. 2012b). Gegenüber Placebo war die Gesamtmortalität der mit 250 μg IFN-β-1b behandelten Patienten um 39,3 % reduziert. Den Übergang von der RRMS in eine SPMS zögerte die konsequente Behandlung mit IFN-β-1b um durchschnittlich 6,6 Jahre hinaus (Ebers et al. 2006).
Die Wirkung auf die Schubaktivität von IFN-β-1b belegte eine in den USA und Canada durchgeführte placebokontrollierte Doppelblindstudie mit 939 Patienten (Panitch et al. 2004). Bezüglich des primären Endpunktes – Zeit bis zur bestätigten Progression um ≥1 Stufe im EDSS – ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen Verum und Placebo. Es waren jedoch Verbesserungen verschiedener sekundärer Endpunkte nachweisbar, darunter eine Reduktion der Schubrate um 43 %. In der europäischen Studie EU-SPMS mit 718 Patienten mit EDSS-Werten zwischen 3,0 und 6,5 bewirkte die Therapie eine signifikante Reduktion der Schubrate um 33 % im Vergleich mit Placebo (p = 0,0001; Kappos 1998). Die Krankheitsprogression verzögerte IFN-β-1b bei einer Behandlungsdauer von 2–3 Jahren um 9–12 Monate. Der günstige Effekt betraf sowohl Patienten mit als auch ohne Schubaktivität. Patienten mit mindestens einem Schub in den letzten 2 Jahren hatten in beiden Studien etwa 30–40 % geringeres Progressionsrisiko (Kappos et al. 2004).
Häufigste Nebenwirkungen von Interferon-β-1b sind systemische grippeähnliche Symptome („flu-like symptoms“) mit Fieber, Abgeschlagenheit und Muskelschmerzen, die initial im Rahmen eines Uhthoff-Phänomens zu einer Symptomverschlechterung führen können. Lokale Reaktionen an der Einstichstelle finden sich häufig, selten entwickeln sich Nekrosen. Häufigste Nebenwirkung ist eine milde Lymphozytopenie.
Interferon-β-1a
Interferon-β-1a wird gentechnisch in CHO(„chinese hamster ovary“)-Zellen hergestellt und ist mit dem natürlichen Interferon-β nahezu identisch. Die Substanz wurde in großen multizentrischen, doppelblinden und placebokontrollierten Studien untersucht. Die Substanz wird i.m. einmal (Avonex) oder s.c. dreimal (Rebif) wöchentlich mit je 22 μg oder 44 μg verabreicht. Es fanden sich eine Reduktion der Schubrate um etwa ein Drittel und eine signifikant verringerte klinische Verschlechterung gegenüber einer Placebobehandlung. Es zeigte sich eine Reduktion der kontrastmittelanreichernden Herde im MRT, und hinsichtlich des Läsionsvolumens profitierten die Patienten signifikant von Interferon-β-1a.
2014 wurde das erste pegylierte Interferon-β-1a-Präparat zugelassen. Unter Pegylierung versteht man, dass das Interferon-Molekül (also der eigentliche Wirkstoff) in Polyethylenglykol (PEG) „eingepackt“ wird. Diese chemische Modifikation führt zu einer verzögerten Freisetzung und damit zu einer Verlängerung der Wirkdauer von Interferon-β. Die Studien (Calabresi et al. 2014) zum pegylierten Interferon-β-1a (Plegridy) bei MS haben gute Ergebnisse erzielt, obwohl das Präparat nur alle 2 Wochen gespritzt wurde. Die Schubrate, die Behinderungsprogression und die MRT-Aktivität konnten signifikant gegenüber Placeobo reduziert werden.
Die möglichen Nebenwirkungen der Interferon-β-1a-Therapie sind prinzipiell die gleichen wie bei Interferon-β-1b.
Die Entwicklung von neutralisierender Antikörpern, die bei Interferon-β-1b deutlich häufiger auftritt als bei Interferon-β-1a, scheint die Wirkung zu beeinträchtigen. Ausschlaggebend scheint die anhaltende Titererhöhung zu sein. Bei Wirkungsverlust nach anfänglich guter Wirkung empfiehlt sich die zweimalige Bestimmung der neutralisierenden Aktivität im Abstand von 12–18 Wochen in geeigneten Referenzlaboren (Bochum, Düsseldorf) mit entsprechenden therapeutischen Konsequenzen.
Glatirameracetat
Eine andere Möglichkeit stellt die Behandlung mit dem Glatirameracetat (GLAT; Copaxone) dar. Es handelt sich bei diesem Medikament um eine Mischung von zufällig synthetisierten Polypeptiden, die Ähnlichkeit mit dem basischen Myelinprotein haben und für einen Shift der TH1- zur TH2-Reaktion, vermutlich über die Induktion von protektiven T-Zellen vom TH2-Typ verantwortlich sind. Glatirameracetat ist ein sehr gut verträgliches Medikament, das in einer Dosierung von 20 mg täglich subkutan injiziert werden muss. Lokale Reaktionen an der Einstichstelle sind häufig und teilweise sehr schmerzhaft. Zu beachten ist nach längerfristiger Behandlung auch ein Abbau des Unterhautfettgewebes in einem erheblichen Ausmaß. Bei etwa 15 % der Patienten treten sog. „systemische Postinjektionsreaktionen“ auf, die an eine Hyperventilation erinnern und die nach spätestens 20 min folgenlos abklingen.
Die mittlere Schubrate wird um knapp 30 % gesenkt (erfasst nach 2 Jahren Behandlung), und der Score der Gesamtbehinderung ist nach Behandlung signifikant besser als nach Placebo. In zwei Head-to-head-Studien (O’Connor et al. 2009b; Mikol et al. 2008) war Glatirameracetat über einen Zeitraum von 2 Jahren klinisch sowohl Interferon-β-1b als auch Interferon-β-1a gleichwertig. Allerdings fanden sich Unterschiede in Bezug auf die T2-Läsionslast und die Anzahl Gadolinium-aufnehmender Herde.
Zur Verbesserung des Patientenkomforts und der Therapie-Adhärenz wurde in der GALA-Studie über 24 Monate eine 3-mal wöchentliche Applikation von 40 mg GLAT s.c. durchgeführt (Khan et al. 2013). Sie konnte eine vergleichbare Wirksamkeit und Verträglichkeit wie die herkömmliche s.c. Injektion von 20 mg/Tag zeigen; die Zulassung für die beschriebene Applikation in Europa erfolgte 2015.
Dimethylfumarat
Dimethylfumarat (DMF) ist als Tecfidera seit 2014 zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit RRMS zugelassen. Die Behandlung sollte unter Aufsicht eines in der Behandlung der MS erfahrenen Arztes eingeleitet werden.
Der Wirkmechanismus ist noch nicht verstanden. DMF induziert die Expression von Th2-Zytokinen wie Interleukin(IL)-4 und IL-5, reduziert die Produktion von proinflammatorischen Molekülen wie IL-12, IFN-γ und Chemokinrezeptoren (Papadopoulou et al. 2010) und vermindert die Infiltration von Makrophagen. Es wird angenommen, dass DMF den Nrf2-Signalweg aktiviert (Linker et al. 2011). Dadurch werden die genannten immunmodulatorischen und entzündungshemmenden Prozesse angestoßen. Zudem werden antioxidative Gene hochreguliert. Der Nuclear-related factor 2 (Nrf2) ist ein Transkriptionsfaktor, der bei seiner Aktivierung zur Transkription von Genen führt, die u. a. für antiinflammatorisch und antioxidativ wirksame Genprodukte kodieren. Der Nrf2-Signalweg ist das Hauptabwehrsystem der Zellen, mit dem sie auf toxische Einflüsse wie Entzündung und oxidativen Stress reagieren und deren schädliche Effekte abwehren können.
Es wurden zwei randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudien über 2 Jahre (DEFINE-Studie mit 1234 Patienten und CONFIRM-Studie mit 1417 Patienten) bei Patienten mit RRMS durchgeführt. Die Wirksamkeit wurde anhand der EDSS-Grade zwischen 0 und einschließlich 5 bei Patienten überprüft, die im Jahr vor der Randomisierung mindestens einen Schub aufwiesen oder innerhalb von 6 Wochen nach Randomisierung einer kranialen MRT-Untersuchung unterzogen wurden, die mindestens eine Gadolinium-aufnehmende Läsion zeigte. Die auswerterverblindete CONFIRM-Studie (d. h. der Studienarzt, der das Ansprechen auf die Studienbehandlung beurteilte, war verblindet) verwendete GLAT als Referenzkomparator. Im Vergleich zu Placebo wiesen Patienten unter DMF eine klinisch bedeutsame und statistisch signifikante Verminderung in Bezug auf den Anteil der Patienten mit Schüben nach 2 Jahren (primärer Endpunkt der DEFINE-Studie) bzw. der jährlichen Schubrate über 2 Jahre (primärer Endpunkt der CONFIRM-Studie) auf (Gold et al. 2012; Serra und Fox 2013).
DMF kann die Lymphozytenzahl vermindern und wurde nicht bei Patienten mit vorbestehender niedriger Lymphozytenzahl untersucht, sodass bei der Behandlung dieser Patienten besondere Vorsicht geboten ist. Vor Beginn einer Behandlung mit DMF muss ein aktuelles großes Blutbild vorliegen. Da unter der Behandlung mit DMF auch einige Fälle einer PML auftraten, sind Kontrollen des Differenzialblutbildes in 6- bis 8-wöchigen Intervallen erforderlich.
Die Anfangsdosis beträgt in der Regel 2-mal täglich 120 mg und wird dann auf die zugelassene Dosis von 2-mal täglich 240 mg gesteigert. Aufgrund initial häufig auftretender gastrointestinaler Nebenwirkungen ist oft eine langsamere Aufdosierung notwendig.
Teriflunomid
Teriflunomid ist als Aubagio seit 2013 zur Behandlung der RRMS zugelassen. Die Substanz zeigte in mehreren klinischen Phase-III-Studien ihre Wirksamkeit und ist zur Behandlung erwachsener Patienten mit RRMS indiziert. Die Behandlung ist von einem Arzt mit Erfahrung in der Behandlung der MS einzuleiten und zu überwachen (Warnke et al. 2013).
Teriflunomid verhindert die schnelle Zellteilung und inhibiert die DNA-Replikation beim Zellzyklus. Da die Neusynthese insbesondere für sich schnell teilende Zellen wie die T-Lymphozyten bedeutsam ist, setzt hier Teriflunomid an, verringert ihre Anzahl im ZNS und schützt damit die Neuronen vor Schäden. Teriflunomid ist der aktive Metabolit von Leflunomid, einer Substanz, die bereits seit 1998 zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis eingesetzt wird. Als Hauptwirkmechanismus gilt die nichtkompetitive und reversible Blockade des für die De-novo-Synthese von Pyrinmidin wichtigen mitochondrialen Enzyms Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH). Letztlich wird über deren Blockade die DNA-Synthese insbesondere von proliferierenden Immunzellen (B- und T-Zellen, Granulozyten, Makrophagen) gestört und darüber ein proliferationshemmender Effekt vermittelt.
Die pharmakokinetischen Untersuchungen zu Teriflunomid zeigten eine hohe orale Bioverfügbarkeit (100 %), eine hohe Plasmaeiweißbindung (>99 %, überwiegend in Albumin) und ein geringes Verteilungsvolumen (Limsakun und Menguy-Vacheron 2010). Die maximale Plasmakonzentration wird 1–4 h nach Einnahme von Teriflunomid erreicht, eine Steady-State-Konzentration nach 3 Monaten. Teriflunomid wird überwiegend unmetabolisiert biliär und zusätzlich in Form von Abbauprodukten über die Niere ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit wird für eine Tagesdosis von 14 mg mit etwa 19 Tagen angegeben. Teriflunomid unterliegt einem ausgeprägten enterohepatischen Kreislauf, sodass die Substanz noch über Monate im Körper nachweisbar sein kann.
Die Ergebnisse der TEMSO-Studie zeigten im Vergleich zu Placebo eine signifikante Verringerung der annualisierten Schubrate und eine dauerhafte Verlangsamung der Behinderungsprogression bei Tagesdosen von 7 bzw. 14 mg (O’Connor et al. 2014). Beide Teriflunomid-Dosierungen verringerten die jährliche Schubrate gegenüber Placebo um etwa 31 %. Die höhere Dosis verringerte das Risiko einer fortschreitenden Behinderung (12 Wochen) um 30 %.
Im Rahmen einer zweiten Phase-III-Studie (TENERE) wurden bei einer Population von 324 Patienten innerhalb eines Zeitraums von 2 Jahren zwei Teriflunomid-Dosierungen mit IFN-β-1a verglichen (Vermersch et al. 2014). Teriflunomid zeigte keinen statistisch signifikant verbesserten Wirkungsgrad im Vergleich zu Interferon-β, was die Verringerung des Risikos eines Behandlungsversagens betrifft.
Zu den häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen zählen erhöhte Alanin-Aminotransferase(ALT)-Werte, Haarausfall, Durchfall, Grippe, Übelkeit und Sensibilitätsstörungen.
Die Transaminasenanstiege sind meist mild bis moderat. Allerdings zeigten in der Phase-II-Extensionsstudie zu Teriflunomid insgesamt >60 % der mit Verum behandelten Patienten asymptomatische ALT-Anstiege bis zum dreifachen Wert der oberen Normgrenze, und die Inzidenz von Anstiegen darüber lag bei rund 12 % (Confavreux et al. 2012). Deshalb müssen Leberwerte und Blutbild vor und während der Behandlung mit Teriflunomid regelmäßig kontrolliert werden – in den ersten 6 Monaten der Behandlung in 2-wöchigen Abständen.
Aufgrund der bereits für Leriflunomid nachgewiesenen Teratogenität aus Tierversuchen müssen Patienten, die Teriflunomid erhalten, sichere kontrazeptive Maßnahmen ergreifen. Frauen im gebärfähigen Alter dürfen die Therapie erst nach Schwangerschaftsausschluss beginnen. Im klinischen Studienprogramm traten insgesamt 65 Schwangerschaften bei 63 Patientinnen auf. Bislang wurden keine Kinder mit strukturellen oder funktionellen Defekten geboren. Auch die Frequenz der spontanen Aborte war mit einer Rate von 8 in 43 im Vergleich zur Normalbevölkerung nicht erhöht.
Teriflunomid ist ein orales Basistherapeutikum, dessen Vorläufersubstanz Leflunomid bereits langfristig in der Therapie rheumatischer Erkrankungen eingesetzt wird. Vorteile sind hohe Adhärenz, gute Verträglichkeit sowie das relativ robuste Wissen um das Sicherheitsprofil. Nachteilig sind die lange enterohepatische Rezirkulation, reversible Haarwachstumsstörungen sowie die potenzielle Teratogenität.
Natalizumab
Seit 2006 steht Natalizumab für die hochaktive schubförmige MS zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um einen sog. monoklonalen Antikörper, dessen Eigenschaft es ist, aktivierte T-Zellen (mononukleäre Leukozyten) am Übertritt ins zentrale Nervensystem (ZNS) über die Blut-Hirn-Schranke im Gefäßendothel zu hindern. Demyelinisierte Läsionen enthalten mononukleäre Leukozyteninfiltrate, die unmittelbar an der Gewebeschädigung beteiligt sind. Die Leukozytenmigration aus dem Gefäßsystem ins Gewebe (z. B. Hirnparenchym) erfordert eine Interaktion zwischen Adhäsionsmolekülen an der Leukozytenoberfläche und komplementären Liganden an der Oberfläche von Endothelzellen. Bei der MS spielt die Interaktion zwischen α4β1-Integrinen und Rezeptoren der Endothelzellen eine entscheidende Rolle. Diese Leukozytenintegrine sind heterodimere Glykoproteine, die aus einer α- und einer β-Kette bestehen. Natalizumab enthält humanisierte neutralisierende IgG4к-monoklonale Antikörper gegen Leukozyten-α4-Integrine. Durch die Blockade der α4-Integrine unterbindet Natalizumab die Invasion von aktivierten T-Zellen in entzündetes Gewebe auch ins ZNS. Dies macht den therapeutischen Effekt von Natalizumab in der Behandlung der MS aus (Frohman et al. 2006; Hauser und Weiner 2006; Ropper 2006).
Zwei Phase-III-Studien waren Grundlage der Zulassung von Natalizumab (Polman et al. 2006; Rudick et al. 2006). In beiden Studien (AFFIRM, SENTINEL) wurden Patienten mit schubförmig remittierender MS behandelt, ausgeschlossen wurden Patienten mit primärer und sekundär chronisch-progredienter MS.
In der AFFIRM-Studie wurden 942 Patienten randomisiert (2:1) und erhielten entweder Natalizumab oder Placebo über eine Infusion alle 4 Wochen über 2 Jahre. Ein Neurologe, der nicht in die Behandlungskriterien eingeweiht war, sollte die Schübe und die Behinderungsprogression mittels EDSS evaluieren. Es wurde ein Baseline-MRT, eine MRT nach 1 Jahr und nach 2 Jahren durchgeführt (Miller et al. 2007). Die Behandlung mit Natalizumab führte zu einer Reduktion der Behinderung von 29 auf 17 % (p = 0,001, „number needed to treat“ NNT = 9). Die Wahrscheinlichkeit, schubfrei zu bleiben, erhöhte sich von 41 % auf 67 % nach 2 Jahren (NNT = 4). Unter der Therapie mit Natalizumab war die Anzahl neuer Gadolinium aufnehmender Herde im MRT nach 2 Jahren um 92 % reduziert (p = 0,001).
In der SENTINEL-Studie wurden die Patienten aktiv mit Interferon-β-1a behandelt und erhielten entweder zusätzlich Placebo oder Natalizumab. Es wurden Patienten in die Studie eingeschlossen, die mindestens einen Schub innerhalb der vorausgegangenen 12 Monate unter Therapie mit Interferon-β aufwiesen. 1171 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen. Patienten, die eine Kombinationstherapie erhielten, zeigten eine geringere Behinderungsprogression als diejenigen Patienten, die mit nur Interferon-β-1a behandelt wurden (23 % gegenüber 29 %; NNT = 17) und blieben mit höherer Wahrscheinlichkeit schubfrei (61 % gegenüber 37 %; NNT = 5). Überdies zeigten sie eine Reduktion Gadolinium-aufnehmender Herde im MRT um 89 %. Die Studie wurde jedoch einen Monat vor dem geplanten Studienende abgebrochen, weil bei zwei Patienten eine progressive multifokale Enzephalopathie (PML) auftrat (Stüve et al. 2007). Beide Patienten erhielten eine Kombinationstherapie.
Natalizumab ist seit 2006 zur Behandlung der schubförmig remittierenden Verlaufsform der MS zugelassen bei klinisch hoher Schubaktivität (mehr als ein Schub in 12 Monaten), und bei Hochrisikopatienten (hohe T2-Läsionslast im MRT und schwere multifokale Krankheitsschübe) auch als Primärtherapie und bei Versagen einer Basistherapie mit β-Interferonen oder Glatirameracetat. Für die Behandlung von Patienten mit sekundär chronisch-progredienter und primär chronisch-progredienter MS besteht keine Zulassung. Eine Studie bei sekundär chronisch progredienter MS (SPMS) – die ASCEND-Studie – zeigte keine positiven Effekte (Steiner et al. 2016).
Natalizumab sollte in Zentren mit hoher Expertise in der Behandlung von MS durchgeführt werden, da es unter den Infusionen zu Hypersensitivitätsreaktionen kommen kann mit Fieber bis zum anaphylaktischen Schock (<1 %) und in leichteren Fällen zu Hautreaktionen mit Urtikaria (ca. 4 %). Diese Ereignisse treten in der Regel innerhalb von 2 Stunden nach Infusionsbeginn auf, in den meisten Fällen nach der zweiten oder dritten Infusion.
Natalizumab wird über einen peripheren venösen Zugang in einer Dosis von 300 mg in 4-wöchigen Intervallen über einen Zeitraum von einer Stunde infundiert unter Überwachung durch geschultes Fachpersonal (Kappos et al. 2007).
Aufgrund der möglichen Entwicklung einer PML unter der Therapie mit Natalizumab ist vor Beginn der Therapie ein kranielles MRT als Basisuntersuchung erforderlich, und die Patienten sollten vierteljährlich klinisch untersucht werden unter spezieller Berücksichtigung neuropsychologischer Funktionen (Bartt 2006; Miller et al. 2007). Bei Verdacht auf das Vorliegen einer PML muss die Therapie mit Natalizumab unterbrochen werden und es muss eine Diagnostik mit MRT und Liquor erfolgen. Patienten mit vorausgegangener Immunsuppression (z. B. Mitoxantron) sollten erst nach einem mindestens 3-monatigen therapiefreien Intervall mit Natalizumab behandelt werden (Abb. 2). 2017 waren 900 Fälle einer PML unter Therapie mit Natalizumab erfasst bei über 150.000 behandelten Patienten weltweit (Schwab et al. 2017).
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Neben einer PML als unerwünschtem Ereignis waren Infektionen in den Studien eher selten, was auch den klinischen Erfahrungen im Behandlungsalltag entspricht. Es kam zu keinen anderen opportunistischen Infektionen und es fand sich kein erhöhtes Krebsrisiko.
Persistierende neutralisierende Antikörper gegen Natalizumab entwickeln sich bei etwa 6 % der Patienten, häufiger bei Patienten mit Infusionsreaktionen. Neutralisierende Antikörper heben die Wirkung von Natalizumab auf (Calabresi et al. 2007). Insbesondere bei Patienten mit Infusionsreaktionen und bei Wirkungsverlust nach initial gutem Therapieeffekt sollte eine Bestimmung der Antikörper erfolgen (Referenzlabor in Bochum bei Prof. Gold).
Die optimale Dauer der Therapie Natalizumab ist nicht bekannt. Ob ein klinischer Effekt über einen Zeitraum von 2 Jahren zu erwarten ist, bleibt offen, ist aber nach klinischer Erfahrung wahrscheinlich. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass das Auftreten einer PML eher nach längerer Behandlungsdauer mit Natalizumab zu erwarten ist. Insofern sollte nach einer Behandlungsdauer von mehr als 24 Monaten die Umstellung auf ein Basispräparat erwogen werden. Für dieses Vorgehen existieren jedoch ebenfalls keine Daten (Ransohoff 2007).
Fingolimod
Fingolimod ist ein Strukturanalogon von Sphingosin, dessen phosphorylierte Form an vier der fünf S1P-Rezeptoren bindet. Diese Rezeptoren modulieren verschiedene zelluläre Prozesse. FTY720-Fingolimod reduziert reversibel die Anzahl zirkulierender Lymphozyten um ca. 70 % und wirkt peripher und wahrscheinlich auch zentralnervös (O’Connor et al. 2009a).
In einer internationalen multizentrischen Studie wurden insgesamt 1292 Patienten rekrutiert (TRANSFORMS) und in drei Therapiearme 1:1:1 randomisiert. 431 Patienten erhielten 0,5 mg, 426 Patienten 1,25 mg Fingolimod oral und 435 Patienten erhielten Interferon-β-1a i.m., wobei alle Patienten sowohl eine orale als auch eine intramuskuläre Applikation erhielten (Fingolimod Verum oral und Placebo i.m. oder Placebo oral und Interferon-β-1a Verum). In die Studie eingeschlossen wurden Patienten im Alter zwischen 18 und 55 Jahren mit schubförmiger MS (nach revidierter Fassung der McDonald-Kriterien 2005) mit mindestens einem Schub im vorausgegangenen Jahr bzw. mindestens 2 Schüben in den vorausgegangenen 2 Jahren und einem EDSS zwischen 0 und 5,5.
Mit beiden verabreichten Dosierungen von Fingolimod konnte eine im Vergleich zu Interferon-β-1a (30 μg 1-mal wöchentlich i.m.) signifikante Reduktion der Schubrate nach einem Jahr (52 % für 0,5 mg; p < 0,001 und 38 % für 1,25 mg; p < 0,001) erreicht werden. Eine signifikante Reduktion Gadolinium-aufnehmender Herde konnte ebenfalls für beide Dosierungen im Vergleich zu Interferon-β-1a gezeigt werden. Häufigste Nebenwirkungen unter Fingolimod waren Kopfschmerzen (ca. 20 %), Entzündungen des Nasenrachenraumes (ca. 20 %) und Fatigue (ca. 12 %). Leberwerterhöhungen fanden sich bei 7–8 %. In 8 Fällen fand sich ein Makulaödem unter Fingolimod und in einem Fall unter Interferon-β-1a. In 4 Fällen traten Basaliome und in 3 Fällen ein Melanom unter Fingolimod auf. Zu Todesfällen kam es unter der höheren Dosis von Fingolimod durch eine primäre disseminierte Varizella-Zoster-Infektion während gleichzeitiger Hochdosis-Steroidbehandlung aufgrund eines MS-Schubes und eine Herpes-simplex-Enzephalitis, bei der die Therapie erst 7 Tage nach Auftreten begonnen wurde. Vergleichbare Ergebnisse fanden sich bei der placebokontrollierten Fingolimod-Studie (FREEDOMS).
Für Fingolimod liegen aus einem umfangreichen klinischen Studienprogramm Erfahrungen aus mittlerweile mehr als 14 Jahren vor. Die Extension der Phase-II-Studie sowie der Zulassungsstudien FREEDOMS, TRANSFORMS und FREEDOMS II bestätigten die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Fingolimod auch in der Langzeittherapie. Hinzu kommen die Erfahrungen aus dem deutschen Patientenregister PANGEA, in dem Daten von 4000 Patienten zur Sicherheit und zum pharmaökonomischen Nutzen der Therapie mit Fingolimod im Langzeitverlauf systematisch und prospektiv gesammelt werden. Bis 2014 wurden weltweit mehr als 100.000 Patienten mit Fingolimod behandelt. Dies entspricht einer Erfahrung von über 140.000 Patientenjahren.
Alemtuzumab
Alemtuzumab (Lemtrada) ist ein humanisierter MAK, der gegen das Oberflächenmolekül CD52 gerichtet ist. CD52 ist auf fast allen reifen Lymphozyten exprimiert, die Therapie führt durch komplementvermittelte Lyse zu einer anhaltenden Lymphozytendepletion. Erste Studien bei MS wurden bereits in den 1990er-Jahren durchgeführt und haben eine deutliche Wirksamkeit auf die mittels Gadolinium-Anreicherung im MRT gemessene entzündliche Aktivität gezeigt (Coles et al. 1999). Trotz dieser Wirkung kam es bei Patienten mit sekundär chronisch-progredienter MS zu einer klinischen Verschlechterung, die einer von der Entzündungsaktivität unabhängigen progredienten axonalen Schädigung zugeschrieben wurde. Im Gegensatz hierzu kam es bei Patienten mit RRMS zu einer eindrucksvollen Reduktion der Schubrate (Coles et al. 2006).
Zwei jeweils über 2 Jahre laufende komplementäre Phase-III-Studien haben die Überlegenheit von Alemtuzumab gegenüber Interferon-β-1a s.c. bestätigt. Die CARE-MS-1-Studie, die therapienaive RRMS-Patienten einschloss, ließ in der Alemtuzumab-Gruppe eine Reduktion der Schubrate um 54,9 % erkennen. 78 % der Patienten blieben schubfrei. Die Reduktion der Behinderungsprogression war in dieser Studie allerdings nicht signifikant (Coles et al. 2012). In die CARE-MS-2-Studie wurden Patienten eingeschlossen, die zuvor bereits eine Basistherapie mit Interferon-β oder GLAT erhalten hatten und darunter nicht schubfrei waren. Hier zeigte sich eine Schubratenreduktion von 49,4 %; 65 % der Patienten blieben schubfrei, verglichen mit 47 % der IFN-β-Gruppe. Die Reduktion der Behinderungsprogression durch Alemtuzumab betrug 42 % (Coles et al. 2012).
Den überzeugenden Daten zur Wirksamkeit stehen jedoch relevante Nebenwirkungen gegenüber. So wurde die Phase-II-Studie zwischenzeitlich unterbrochen, nachdem ein Patient an Blutungskomplikationen aufgrund einer idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (ITP) verstorben war. Fünf weitere Patienten entwickelten eine ITP, konnten allerdings erfolgreich behandelt werden. In den Phase-III-Studien zeigten jeweils 1 % der Patienten eine ITP. Eine weitere wichtige Nebenwirkung von Alemtuzumab ist die Entwicklung von autoimmun vermittelten Schilddrüsenerkrankungen, in erster Linie einer Hashimoto-Thyreoiditis. Die Häufigkeit von Schilddrüsenerkrankungen betrug in den Phase-III-Studien 18 % bzw. 16 %.
Neben Autoimmunerkrankungen traten auch Infektionen häufiger bei Alemtuzumab als bei IFN-β auf, wobei diese selten schwerwiegend waren. Besonders häufig kam es zu Herpes-Reaktivierungen sowie Infekten der Harnwege und der oberen Luftwege. Die humorale Immunkompetenz scheint nach Alemtuzumab-Gabe nicht wesentlich beeinträchtigt zu sein (McCarthy et al. 2013). Es wurde gezeigt, dass B-Zellen nach Depletion am schnellsten wiederhergestellt werden (der Ausgangswert im Blut war nach durchschnittlich 6 Monaten erreicht), gefolgt von CD8+-T-Zellen (10 Monate). CD4+-T-Helferzellen waren durchschnittlich erst nach 36 Monaten wieder rekonstituiert, wobei ein schnellerer Anstieg der CD4+-Zellen mit einem Wiederauftreten von Krankheitsaktivität assoziiert war (Cossburn et al. 2013).
Die Studiendaten haben 2013 zur Zulassung von Alemtuzumab geführt. Analog zu den Einschlusskriterien der beiden CARE-MS-Studien kann Alemtuzumab zur Therapie bei unzureichend wirksamer Basistherapie, aber auch bei hochaktiven therapienaiven Patienten eingesetzt werden. Aus den Studiendaten wird klar, dass die Therapie relativ früh im Krankheitsverlauf erfolgen sollte, damit ein optimaler klinischer Effekt erreicht wird.
Die Gabe von Alemtuzumab erfolgt in zwei Behandlungszyklen im Abstand von 12 Monaten. Im ersten Zyklus werden 12 mg/Tag Alemtuzumab über 5 Tage und im zweiten Zyklus nach 12 Monaten über 3 Tage infundiert. Wenn sich weiterhin signifikante Krankheitsaktivität zeigt, kann frühestens 12 Monate später ein weiterer Behandlungszyklus über 3 Tage erfolgen. Aufgrund einer hohen Rate von Infusionsreaktionen erfolgt jeweils an den ersten 3 Behandlungstagen eine Prämedikation mit 1 g Methylprednisolon i.v. Zudem sollte eine Begleitmedikation mit z. B. Ibuprofen und H1- und H2-Antihistaminika erfolgen. Beginnend mit dem ersten Behandlungstag wird zudem eine antivirale Prophylaxe mit Aciclovir (200 mg 2-mal/Tag) über einen Monat verabreicht. Über mindestens 4 Jahre nach dem letzten Infusionszyklus müssen monatlich Blutbild und Nierenwerte sowie alle 3 Monate TSH und Leberwerte bestimmt werden.
Daclizumab
Daclizumab ist ein humanisierter Antikörper gegen CD25, die α-Untereinheit des IL-2-Rezeptors und wurde 2016 in Europa zugelassen, aber nach einem akuten Leberversagen mit Todesfolge und mehreren immunvermittelten Meningoenzephalitiden 2018 wieder vom Markt genommen.
Zu den vermuteten Wirkmechanismen von Daclizumab gehören die Expansion immunregulatorischer NK-Zellen (Bielekova et al. 2006) sowie eine vermehrte Aktivierung von T-Lymphozyten durch dendritische Zellen (Wuest et al. 2011). In den klinischen Studien SELECT und DECIDE (Gold et al. 2013; Kappos et al. 2015) entsprachen die pharmakodynamischen Wirkungen von Daclizumab 150 mg alle 4 Wochen subkutan angewendet der Modulation des IL-2-Signalwegs.
Im Verlauf des Jahres 2017 kam es nach einem akuten Leberversagen mit Todesfolge zu mehreren immunvermittelten Meningoenzephalitiden, davon 7 Patienten in Deutschland und Spanien, und im März 2018 wurde die Substanz vom Markt genommen. Da das Arzneimittel eine lange Halbwertzeit hat, müssen die behandelten Patienten entsprechend der Fachinformation noch über einen längeren Zeitraum nachbeobachtet werden.
Rituximab
Die Rolle von B-Zellen in der Pathogenese der MS wurde in den letzten Jahren wieder deutlicher herausgestellt. Der chimäre maus-humane MAK Rituximab richtet sich gegen das Oberflächenmolekül CD20, das auf B-Zell-Vorläuferpopulationen, aber nicht auf Plasmazellen exprimiert wird (Hauser et al. 2008). Die Gabe von Rituximab führt zu einer fast vollständigen Depletion von CD20+-Zellen. Rituximab ist für die Therapie des Non-Hodgkin-Lymphoms sowie der rheumatoiden Arthritis zugelassen.
Weiterhin wird Rituximab bei Patienten mit Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSE) eingesetzt (Cree et al. 2005; Kim et al. 2013). Da es sich hier um eine antikörpervermittelte Erkrankung handelt, ist das Therapieprinzip pathophysiologisch sinnvoll. Aktuelle Behandlungsempfehlungen nennen Rituximab neben Azathioprin als Mittel der ersten Wahl bei NMOSE (Trebst et al. 2014; Stellmann et al. 2017).
Die Wirksamkeit von Rituximab auch bei der MS ist erwiesen, die Substanz steht aber nur off-label zur Verfügung.
Ocrelizumab
Da es sich bei Rituximab um einen chimären Antikörper mit dem Risiko der Entwicklung antichimärer Antikörper und allergischer Reaktionen handelt, wurden ein humanisierter (Ocrelizumab) und ein vollständig humaner (Ofatumumab) Antikörper gegen CD20 entwickelt.
Ocrelizumab hat in einer Phase-II-Studie in zwei verschiedenen Dosierungen (600 mg und 2000 mg verteilt auf 2 Infusionen im Abstand von 2 Wochen) die Gadolinium-affinen MRT-Läsionen bei RRMS-Patienten um 89 % bzw. 96 % gegenüber Placebo reduziert (Kappos et al. 2011). Kritisch anzumerken ist, dass die Entwicklung von Ocrelizumab bei der rheumatoiden Arthritis aufgrund von gehäuften opportunistischen Infektionen gestoppt wurde. Bislang ist unklar, warum diese häufiger als bei Rituximab auftraten. Bisher sind im MS-Studienprogramm zwei Fälle einer PML bekannt, wobei die Patienten mit Natalizumab vorbehandelt waren.
Drei Phase-III-Studien wurden im Entwicklungsprogramm von Ocrelizumab zur Behandlung von Patienten mit MS durchgeführt. OPERA I und OPERA II sind identische randomisierte, doppelblinde, multizentrische Studien zur Prüfung der Wirksamkeit und Sicherheit von Ocrelizumab (600 mg in Infusionen alle 6 Monate) im Vergleich zu Interferon-β-1a (44 μg subkutan 3-mal wöchentlich) bei 1656 Patienten mit RRMS und SPMS (Hauser et al. 2016). Primärer Endpunkt von OPERA I und OPERA II war die jährliche Schubrate nach 96 Wochen. Sekundäre Endpunkte waren die bestätigte Behinderungsprogression nach 12 und 24 Wochen, die Anzahl der Gadolinium-affinen T1-Läsionen nach 24, 48 und 96 Wochen und die Anzahl neuer und/oder sich vergrößernder T2-Läsionen in den gleichen Zeiträumen. Verglichen mit Interferon-β-1a reduzierte Ocrelizumab signifikant die jährliche Schubrate, das Risiko der Behinderungsprogression, die Anzahl von Gadolinium-affinen Läsionen und die Anzahl neuer und/oder sich vergrößernder T2-Läsionen. Die explorativen Analysen zeigten überdies, dass mit Ocrelizumab im Vergleich zu Interferon-β-1a der Verlust an Hirnvolumen reduziert werden konnte und der Anteil der Patienten ohne Krankheitsaktivität (im Sinne von NEDA, „no evidence of disease activity“) höher war. In beiden Studien zeigte Ocrelizumab ein ähnliches Sicherheitsprofil wie Interferon-β-1a über 96 Wochen. Es konnte gezeigt werden, dass ein Targeting von CD20+-B-Zellen mit Ocrelizumab ein potenzieller therapeutischer Ansatz bei schubförmiger MS ist.
Während OPERA I und OPERA II wurden 3 Todesfälle berichtet (IFN-β-1a 44 μg: Suizid, mechanischer Ileus; Ocrelizumab 600 mg: Suizid); und es wurden 6 Malignome berichtet (IFN-β-1a 44 μg: Mantelzell-Lymphom und Plattenepithelkarzinom; Ocrelizumab 600 mg: Nierenkrebs, Melanom und zwei Patientinnen mit Mammakarzinom). Der Gesamtanteil der Patienten mit mehr als einem unerwünschten Ereignis waren bei Interferon-β-1a und bei Ocrelizumab gleichermaßen 83,3 %. Unterschiede zeigten sich erwartungsgemäß bei infusionsbedingten Reaktionen mit einem Anteil von 34,3 % der mit Ocrelizumab behandelten Patienten gegenüber 9,7 % bei Patienten mit Interferon-β-1a. Umgekehrt zeigten 21,4 % der mit Interferon-β-1a behandelten Patienten grippeähnliche Symptome gegenüber 4,6 % der Patienten mit Ocrelizumab.
Die Substanz ist seit März 2017 in Nordamerika zur Behandlung der schubförmigen und progredienten MS zugelassen. In Europa erfolgte die Zulassung 2018 zur Behandlung erwachsener Patienten mit schubförmiger MS (RMS) mit aktiver Erkrankung, definiert durch den klinischen Befund oder Bildgebung.
Mitoxantron
Mitoxantron ist ein synthetisches Antrazyklinderivat, das über die Hemmung der Nukleinsäuresynthese immunsuppressiv und zytostatisch wirkt. Nach mehreren kleinen positiven Studien führten die Ergebnisse der europäischen Dosisvergleichsstudie (12 mg vs. 5 mg/m2 KOF) bei Patienten mit hochaktiver, schubförmiger MS zur Zulassung von Mitoxantron bei hoher Schubfrequenz bzw. sekundär progredientem Verlauf (Hartung et al. 2002). Nachgewiesen ist ein dosisabhängiger, signifikanter Effekt auf Schubrate, Krankheitsprogression und MRT-Aktivität.
Mitoxantron wird alle 3 Monate als Kurzinfusion mit 10–12 mg pro m2 KOF verabreicht. Bei besonders hoher Krankheitsaktivität kann im Einzelfall eine Induktionstherapie mit monatlich einer Infusion über 3 Monate durchgeführt werden. Ab einer kumulativen Gesamtdosis von 100–140 mg pro m2 KOF werden potenziell irreversible Kardiomyopathien beobachtet, sodass vor Beginn der Therapie und mindestens vor jeder zweiten Infusion eine Echokardiografie mit Bestimmung der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) und ein EKG durchgeführt werden müssen. Daneben sind Blutbildkontrollen notwendig, da eine Knochenmarkdepression mit Granulozytopenie nach 10–14 Tagen und eine milde Thrombozytopenie auftreten. Kontrollen von Leberenzymen und Retentionswerten gehören zur Routine. Seltenere weitere Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, sekundäre Amenorrhö, Cholestase, Alopezie, Nierenversagen und Entzündungen der Schleimhäute. Zu beachten sind auch Paravasate, da die hochtoxische Substanz zu schweren Nekrosen führen kann. In neueren Publikationen wurde auch über das vermehrte Auftreten von Leukämien berichtet – auch noch Jahre nach Beendigung der Therapie mit Mitoxantron. Zu beachten ist die Lebensmaximaldosis von 140 mg/m2 KOF (Neuhaus et al. 2006).
Mitoxantron bei Eskalationstherapie
Erstinfusion
EKG und Herzechokardiografie mit linksventrikulärer Auswurffraktion (LVEF)
1 h vor Infusion 8 mg Ondansetron oder anderes Antiemetikum
10–12 mg/m2 Körperoberfläche (KOF) Mitoxantron als Kurzinfusion 30 min (Erstinfunsion)
Zweite Gabe des Antiemetikums 8 h nach Infusion ad libidum
Chemotherapiepass mit Dosisangabe und LVEF. Leukozytennadir nach 9–14 Tagen
Wiederholungsinfusion
Dosisanpassung: bei Leukozytennadir der letzten Infusion:
>3000/μl 10 % Dosissteigerung
<2000/μl 10 mg/m2 KOF Mitoxantron
<1000/μl 8 mg/m2 KOF Mitoxantron
Azathioprin
Azathioprin ist ein oral verabreichtes Purinanalogon, das vielerorts in Europa bis zur Einführung der Interferone als Mittel der Wahl in der Behandlung der rezidivierenden Verlaufsform der MS gegolten hat. In der Übersicht über verschiedene Studien findet sich ein Trend zu verminderter Schubrate und verminderter Progression, der nicht immer statistische Signifikanz erreicht hat.
Angesichts der Nebenwirkungen mit Appetitlosigkeit, Übelkeit, seltenem Erbrechen, einer möglichen intrahepatischen Cholestase, der fraglichen Teratogenität und Kanzerogenität (Lymphome?) muss der Einsatz von Azathioprin im Einzelfall gut erwogen werden. Nach vorheriger Testung des genetischen Polymorphismus von TPMT (Thiopurin-S-Methyltransferase), der über die Verstoffwechselung von Azathioprin Auskunft gibt, beträgt im Normalfall die Dosis 2–3 mg/kg KG und Tag in 1–3 Tagesdosen.
Cyclophosphamid
Zur Behandlung der hochaktiven Verläufe der RRMS oder bei Therapieversagen der Substanzen für die milde/moderate Verlaufsform sowie bei der SPMS ohne aufgesetzte Schübe kann Cyclophosphamid off-label eingesetzt werden (Gladstone et al. 2006).
Cyclophosphamid bei schubförmig progredienter, sekundär progredienter und primär chronisch-progredienter MS
Ondansetron 8 mg i.v. 15–30 min vorher, 4 und 8 h danach
Prednisolon 1 mg/kg KG i.v. morgens
Kontrollen
Differenzialblutbild 2-mal/Woche, bis Tiefstpunkt der Leukozytenzahl durchschritten ist
Neben einer knochenmarkdepressiven Wirkung, Blasentoxizität, Übelkeit und Erbrechen sind die Patienten über das erhöhte Malignomrisiko aufzuklären. Außerdem wird eine Azoospermie induziert.
Cladribrin
Cladribin ist ein synthetisches Nukleosidanalogon, das durch eine sequenzielle Phosphorylierung aktiviert wird und zu einer dosisabhängigen Lymphozytendepletion führt.
Insgesamt 1326 Patienten mit schubförmig remittierender MS (nach McDonald-Kriterien) wurden in einer großen multizentrischen Studie (CLARITY, Giovannoni et al. 2010) über einen Zeitraum von 2 Jahren (+2 Jahre Extensionsphase) untersucht. Der Studieneinschluss erfolgte nach einer 1:1:1-Randomisierung in drei Studienarme mit Placebo, Cladribin in einer Dosierung von 5,25 mg/kg KG oder Cladribin in einer Dosierung von 3,5 mg/kg KG in oraler Verabreichung. Die Patienten der Therapiegruppe mit der höheren Dosierung erhielten 4 Zyklen über 5 Tage (3,5 mg/kg KG Gesamtdosis) im ersten Jahr und 2 Zyklen über 5 Tage (1,75 mg/kg KG Gesamtdosis) im zweiten Jahr. Die Patienten der Therapiegruppe mit der niedrigeren Dosierung erhielten jeweils 2 Zyklen über 5 Tage in beiden Jahren (jeweils 1,75 mg/kg KG Gesamtdosis).
Es konnten sowohl für die niedrige als auch für die höhere Dosierung alle Studienendpunkte signifikant erreicht werden. Die jährliche Schubrate im Vergleich zu Placebo konnte um 58 % (niedrige Dosis) und um 55 % (hohe Dosis) gesenkt werden (für beide Dosierungen p<0,001). Die Behinderungsprogression (EDSS) konnte gegenüber Placebo um 33 % (niedrige Dosierung; p = 0,018) und um 31 % (hohe Dosierung; p = 0,028) verringert werden. Die Anzahl Gadolinium-anreichernder Läsionen im MRT konnte im Vergleich zu Placebo um 85,7 % (niedrige Dosis) und um 87,9 % (hohe Dosis) gesenkt werden (p < 0,001). Gleiches fand sich für das Neuauftreten von T2-Läsionen (p < 0,001) für beide Dosierungen.
Insgesamt wurde die Therapie gut vertragen bei 5,8 % therapiebedingten Studienabbrüchen unter Cladribin. Häufigste Nebenwirkungen waren Lymphopenien (26,7 % bedingt durch den Wirkmechanismus). Es fanden sich keine ernsten opportunistischen Infektionen. Bei 2,3 % der Patienten kam es zu einer auf die Haut begrenzten Herpes-zoster-Infektion.
In der Cladribin-Gruppe wurden dosisunabhängig allerdings im Verlauf der Studie vier isolierte maligne Tumoren beobachtet. Eine Metaanalyse (Pakpoor et al. 2015) zeigte allerdings kein höheres Krebsrisiko unter der Behandlung mit Cladribin im Vergleich zu anderen immunmodulatorischen Therapien der MS.
Eine weitere Studie (ORACLE MS, Leist et al. 2014) zeigte einen positiven Effekt auf das Zeitintervall zwischen erstem demyelinisierenden Ereignis und dem Zeitpunkt der Konversion zur definitiven MS.
Nach einem erneuten Antrag auf Zulassung erfolgte diese für Europa 2017.
Siponimod
Bei der Mehrheit der MS-Patienten kommt es unbehandelt nach etwa 15–20 Jahren zu einer kontinuierlichen Zunahme der Behinderungen. Für SPMS gibt es derzeit keine effektiven Medikamente, obwohl Beta-Interferone und Mitoxantron für die Behandlung dieser Verlaufsform zugelassen sind.
Siponimod bindet am Sphingosin-1-Phosphat(S1P)-Rezeptor von Lymphozyten, die dadurch am Austritt aus den Lymphorganen und am konsekutiven Übertritt ins Zentralnervensystem gehindert werden. Siponimod hat damit einen ähnlichen Wirkungsmechanismus wie Fingolimod, soll aber auch im Hirngewebe an S1P binden und dadurch die Aktivität der im Gehirn beheimateten Abwehrzellen (Oligodendrozyten und Astrozyten) bremsen.
An der placebokontrollierten EXPAND-Studie (Kappos et al. 2018) haben 292 Zentren in 31 Ländern insgesamt 1645 Patienten mit SPMS rekrutiert. Zu den Einschlusskriterien gehörten ein stetiges Fortschreiten der Symptome seit mindestens 6 Monaten und ein EDSS-Score von 3,0–6,5. Ein EDSS-Score von 3,0 bedeutet eine mittelgradige Behinderung, bei der die Patienten jedoch noch voll gehfähig sind. Bei einem EDSS-Score von 6,5 benötigen sie konstant beidseits Hilfsmittel, sind jedoch nicht an den Rollstuhl gebunden.
Die Patienten waren zu Beginn der Studie im Durchschnitt 48 Jahre alt und litten seit im Mittel 16,8 Jahren an einer MS. Sie befanden sich seit 3,8 Jahren im Stadium der SPMS und 918 Patienten (56 %) benötigten bereits Gehhilfen. Für die Studie wurden die Patienten im Verhältnis 2:1 auf eine Behandlung mit Siponimod (1-mal täglich 2 mg oral) oder Placebo randomisiert. Die Behandlung sollte bis zu 3 Jahre oder bis zur Progredienz der Behinderungen durchgeführt werden. Der primäre Endpunkt CDP („confirmed disability progression“) war definiert als ein Anstieg des EDSS um 1 Punkt (bei einem Ausgangswert von 3,0–5,0 Punkten) oder um 0,5 Punkte (bei einem Ausgangswert von 5,0–6,5 Punkten) und wurde erreicht bei 288 von 1096 Patienten (26 %), die Siponimod erhielten, und bei 173 von 545 Patienten (32 %), die Placebo erhielten. Daraus errechnet sich eine Hazard Ratio von 0,79, die mit einem 95 %-Konfidenzintervall von 0,65–0,95 signifikant war.
Die Behandlung mit Siponimod verlangsamte darüber hinaus den Rückgang des Hirnvolumens um 0,18 Prozentpunkte nach 12 Monaten und um 0,13 Prozentpunkte nach 24 Monaten. Außerdem blieben mehr Patienten, die Siponimod erhielten, frei von Gadolinium-affinen Läsionen (89 % gegenüber 67 % in der Placebo-Gruppe), und es kam bei weniger Patienten zu neuen oder sich vergrößernden T2-Läsionen (57 % gegenüber 37 %).
In einem wichtigen sekundären Endpunkt war jedoch keine Wirkung von Siponimod erkennbar. In beiden Gruppen kam es bei etwa 40 % der Patienten in einem Gehtest, bei dem die Patienten eine Strecke von 25 Fuß zurücklegen müssen, zu einer Verschlechterung um 20 %. Allerdings waren die meisten Patienten bereits auf Gehhilfen angewiesen, was die Aussagekraft des Tests einschränkt.
Die wichtigsten Nebenwirkungen waren Bradykardie (4 % gegenüber 3 % in der Placebo-Gruppe), arterielle Hypertonie (12 % versus 9 %), Lymphopenie (1 % versus 0 %), ein Makulaödem (2 % versus weniger als 1 %), erhöhte Leberenzyme (6 % versus 4 %) und eine erhöhte Anzahl von Krampfanfällen (2 % versus <1 %).
Die Ergebnisse lassen den Schluss ziehen, dass Siponimod in der Lage ist, das Fortschreiten der SPMS aufzuhalten. Andererseits betragen die Unterschiede im primären Endpunkt nur 6 Prozentpunkte und v. a. die fehlende Verbesserung in der 25-Fuß-Gehstrecke lässt Zweifel aufkommen, dass Siponimod tatsächlich eine wirksame Behandlung für die sekundär progrediente MS ist. Möglicherweise wird die Wirkung v. a. durch eine Hemmung der Entzündungsaktivität erzielt, was kein prinzipieller Vorteil gegenüber den anderen Mitteln ist. Es besteht deshalb weiter dringender Bedarf an anderen neuartigen Behandlungen, die auf nichtentzündliche Mechanismen abzielen. Die Zulassung der Substanz wird für Ende 2018 erwartet.
Vitamin D in der MS-Behandlung
Bei Patienten mit MS konnte mehrfach ein Vitamin-D-Mangel gezeigt werden, oftmals sogar schon bei der Geburt (Nielsen et al. 2017). Mehrere Studien berichten, dass Menschen mit einem hohen Vitamin-D-Spiegel, v. a. in der frühen Kindheit und der Jugend, ein geringeres Risiko haben, später an MS zu erkranken (Ascherio et al. 2014). Darüber hinaus konnte eine Korrelation des Vitamin-D-Spiegels mit dem Krankheitsverlauf der multiplen Sklerose gezeigt werden: eine geringere Aktivität (geringere Schubrate; weniger schwere Schübe) wurde bei höheren Vitamin-D-Spiegeln beobachtet (Mowry et al. 2012). Die Einnahme von Vitamin D scheint eine Möglichkeit zu sein, der Krankheit einen ihrer potenziellen Beeinflussungsfaktoren zu nehmen (Mashayekhi und Salchi 2016).
Sowohl eine immunmodulatorische als auch eine entzündungshemmende Wirkung von Vitamin D wurden beschrieben (Fawaz et al. 2016). In tierexperimentellen Untersuchungen wurde gezeigt, dass Vitamin D auch eine positive Wirkung auf die Remyelinisierung hat. Auch beim Menschen sollen höhere Vitamin-D-Level zu geringeren neuronalen Schäden führen (Sandberg et al. 2016).
In Ergänzung zu Interferon-β führte die Zusatztherapie mit Vitamin D (durchschnittliche Tagesdosis von 14.000 IE) zu einer geringeren MS-Aktivität (weniger Läsionen im MRT; geringere Schubrate) und messbaren immunologischen Veränderungen (Burton et al. 2010). Die bislang größte durchgeführte Studie zum therapeutischen Effekt von Vitamin-D-Supplementation, die SOLAR-Studie, war negativ: Die Bildgebung zeigte zwar weniger Läsionen und auch einen Rückgang der jährlichen Schubrate, das Studienziel einer völligen Remission wurde aber nicht erreicht (Muris et al. 2016). Daher gibt es für den Einsatz von Vitamin D als Intervention bei MS momentan keine klare Evidenz. Die Therapiedauer von knapp einem Jahr war bei der SOLAR-Studie relativ kurz, und es ist unklar, ob Vitamin D ähnlich günstige Effekte hat, wenn es mit anderen Immuntherapeutika als Interferon-βkombiniert wird (Kampman et al. 2012).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Studien mit Dosierungsbereichen von bis zu 14.000 IE pro Tag und einer Therapiedauer von bis zu 96 Wochen bislang keinen eindeutigen Nutzen, aber auch keinen Schaden von Vitamin D als Ergänzungstherapie nachweisen konnten. Randomisierte kontrollierte Studien sind daher notwendig.
Patienten fragen häufig nach einer Behandlung mit Ultrahochdosen von Vitamin D. Bislang gibt es keine veröffentlichen Studien von Dr. Coimbra zu diesem von ihm propagierten Behandlungskonzept. Es basiert auf der Annahme, dass Patienten mit Autoimmunerkrankungen wie der MS eine Resistenz gegen Vitamin D haben; d. h., es können keine ausreichenden Mengen an aktivem Vitamin D hergestellt werden. Die notwendige Tagesdosis an Vitamin D wird individuell für jeden Patienten anhand seines Parathormon(PTH)-Spiegels ermittelt. Die Freisetzung von PTH wird von Vitamin D gehemmt, sodass der PTH-Spiegel als Indikator für die biologische Aktivität von Vitamin D genutzt werden kann. Ziel ist es, den PTH-Spiegel mittels Verabreichung von Vitamin D so einzustellen, dass er nahe der unteren Grenze des Normalbereichs liegt. Ein zu niedriger PTH-Spiegel wiederum würde zu einem toxischen Effekt von Vitamin D führen. Für die Einstellung der optimalen individuellen Tagesdosis ist also eine regelmäßige, ärztliche Überwachung des PTH-Spiegels notwendig. Patienten, die mit „Ultrahochdosen von Vitamin D“ therapiert werden, müssen zudem strikt eine kalziumarme Diät (u. a. Verzicht auf Milchprodukte) einhalten, um Nierenschäden zu vermeiden. Hohe Vitamin-D-Dosen führen zu einer übermäßigen Kalziumaufnahme aus der Nahrung, und eine tägliche Mindesttrinkmenge von 2,5 l ist notwendig, um die Kalziumausscheidung über die Nieren zu gewährleisten. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des „Coimbra-Protokolls“ ist laut Angabe regelmäßiger Sport, um den Abbau von Knochensubstanz zu verhindern. Die Zusammenhänge zwischen Vitamin D und der Knochensubstanz ist der Grund, warum in Vitamin-D-Studien Knochenbrüche und Stürze immer besonders intensiv beobachtet werden. Von der Eigenmedikation mit Ultrahochdosen von Vitamin D außerhalb von kontrollierten Studien ist daher in jedem Fall und eindeutig abzuraten, da das Behandlungsprotokoll eine sehr sorgfältige Überwachung der individuellen Vitamin-D-Dosierung beinhaltet, um eine Toxizität zu vermeiden. Auch wenn die Berichte und Ergebnisse von Vitamin D als Ergänzungstherapie vielversprechend sind, sollten Vitamin-D-Präparate nur nach Rücksprache und unter Aufsicht eines Arztes eingenommen werden.
Fazit: Eine Behandlung nach dem Coimbra-Protokoll als Zusatztherapie für MS-Patienten ist nur im Rahmen eines Studienprotokolls zu rechtfertigen, um weitere Erkenntnisse über diesen Ansatz zu erlangen.
IVIG
Intravenös verabreichte Immunglobuline (IVIG) werden aufgrund ihrer immunologischen Wirkung auch bei der MS seit Jahren immer wieder eingesetzt, obwohl eine überzeugende Studie zur Effektivität und eine Zulassung in Deutschland bislang nicht vorliegen. IVIG werden allgemein gut vertragen. Manchmal auftretende Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Blutdruckanstieg, Schwindel und Übelkeit lassen sich bei konsequenter Überwachung rechtzeitig durch Reduktion der Infusionsgeschwindigkeit beherrschen. Schwere Komplikationen sind relativ selten, können aber lebensbedrohlich werden (anaphylaktische Reaktionen, akutes Nierenversagen, Thromboembolien, hämolytische Anämie). Derzeit kann der Einsatz von IVIG nur unter besonderen Voraussetzungen empfohlen werden, und er erfolgt off-label. Am häufigsten erfolgt der Einsatz postpartal bei Frauen, die stillen möchten. Allerdings gibt es für dieses Vorgehen ebenfalls nur kleinere Fallstudien, die zum Teil widersprüchliche Daten geliefert haben.
Wie bei geplantem Kinderwunsch und bei unvorhergesehener Schwangerschaft mit der Medikation umzugehen ist, fasst Tab. 3 zusammen.
Tab. 3
Immuntherapien und Schwangerschaft bei MS
IFN-β
Glatirameracetat
Natalizumab
Alemtuzumab
Fingolimod
Dimethylfumarat
Ocrelizumab
Teriflunomid
Mitoxantron
Cladribin
Cyclophosphamid (CYC)
Frauen
Präkonzeption
Nicht absetzen bei Kinderwunsch – Aufklärung bei eingetretener Schwangerschaft
Kinderwunsch vor Beginn der Therapie besprechen
Bei jungen Frauen möglichst nicht einsetzen (Aufklärung, bei CYC Eizellen konservieren)
Schwangerschaft
I. d. R. absetzen, nur im Einzelfall Therapie fortsetzen
Bei eingetretener Schwangerschaft absetzen – Schwangerschaftsregister
Absetzen!
Postpartale Phase – Stillperiode
Ggf. IVIG
Ggf. IVIG
Ggf. IVIG
MÄNNER
Keine Maßnahmen
Keine Maßnahmen
Mitoxantron, Teriflunomid absetzen wegen Einfluss auf Spermatogenese; bei CYC Spermien konservieren
Therapie des primär chronisch-progredienten Verlaufs
Der primär chronisch-progrediente Verlauf ist am schwierigsten medikamentös zu beeinflussen. Neben den bereits erwähnten Therapien gibt es positive Berichte über Methotrexat (MTX). MTX führt als Folsäureantagonist zu einer Störung der Nukleinsäuresynthese. In einer relativ kleinen Studie erhielten Patienten 7,5 mg MTX oral einmal pro Woche über 2 Jahre. Der Effekt war nur unter Berücksichtigung spezieller klinischer Skalen zur Beurteilung der Kraft in den oberen Extremitäten und nur für die Untergruppe der Patienten mit sekundär chronisch-progredienter MS signifikant. In einer anderen placebokontrollierten Studie fand sich eine Verminderung von Schüben und von Progressionen bei schubförmiger MS, kein Effekt jedoch bei Patienten mit chronisch-progredientem Verlauf.
MTX ist in der Dosierung von 7,5 mg einmal pro Woche gut verträglich. Stomatitis, Haarausfall, Leukozytopenien und Leberwertveränderungen können auftreten, werden aber kaum beobachtet. Eine Tumorinduktion durch diese Applikation ist bisher nicht belegt.
Sämtliche bisher durchgeführte Studien mit β-Interferonen und Glatirameracetat verliefen negativ bzw. es zeigten sich nur marginale Effekte (Wolinsky et al. 2007). In einer randomisierten doppelblinden multizentrischen placebokontrollierten Studie mit Rituximab konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen der Verum- und der Placebogruppe gefunden werden – allerdings zeigte sich in einer Subgruppenanalyse, dass jüngere Patienten mit einer höheren Entzündungsaktivität von der Behandlung profitierten (Hawker et al. 2009).
In einer doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Parallelgruppenstudie wurde die Sicherheit und Wirksamkeit von 0,5 mg/Tag Fingolimod oral gegen Placebo bei Patienten mit primär progredienter MS untersucht (Lublin et al. 2016)). Primäres Studienziel war der Zeitpunkt bis zum Eintritt einer messbaren Zunahme der Behinderung. Dies ist definiert durch drei verschiedene Modalitäten:
3 Monate kontinuierliche Verschlechterung (20 % bezogen auf die Baseline im „25 foot walk test“) oder
3 Monate kontinuierliche Verschlechterung bezogen auf den EDSS (1 Punkt bei Patienten mit einem Baseline-EDSS von 3,5–5,0 und 0,5 Punkten bei Patienten mit einem Baseline-EDSS von 5,5 oder 6,0) oder
3 Monate kontinuierliche Verschlechterung (20 % bezogen auf die Baseline im „Nine hole peg test“).
Leider konnten keine positiven Effekte auf die Krankheitsprogression im Vergleich zu Placebo nachgewiesen werden.
Die ORATORIO-Studie war eine randomisierte doppelblinde multizentrische Studie zur Überprüfung der Wirksamkeit und Sicherheit von Ocrelizumab bei 732 Patienten mit primär progredienter MS im Vergleich zu Placebo (Montalban et al. 2016). Primärer Endpunkt der Studie war die bestätigte Behinderungsprogression nach 12 Wochen. Die sekundären Endpunkte waren die bestätigte Behinderungsprogression nach 24 Wochen der „25-Foot-walk-Test“ (Baseline bis Woche 120), das Volumen der T2-Läsionen (Baseline bis Woche 120) und das Hirnvolumen (Woche 24 bis Woche 120). Im Vergleich zu Placebo reduzierte Ocrelizumab signifikant die über 12 und 24 Wochen bestätigte Behinderungsprogression, die Gehzeit gemessen anhand des 25-Foot-walk-Tests, das T2-Läsionsvolumen und den Verlust an Hirnvolumen. Insgesamt war der Anteil der Patienten mit unerwünschten Ereignissen (einschließlich schwerwiegender Infektionen) in beiden Behandlungsgruppen ähnlich. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse in der Ocrelizumab-Gruppe waren leichte bis mittelschwere infusionsbedingte Reaktionen. Weitere Analysen wurden durchgeführt, einschließlich des Ungleichgewichts bei Malignomen.
Die ORATORIO-Daten zeigen, dass B-Zellen eine Rolle in der Pathophysiologie der primär progredienten MS spielen könnten. 2017 wurde die Substanz zur Behandlung der primär progredienten MS in Nordamerika zugelassen. Im Januar 2018 erfolgte die Zulassung in Europa durch die EMA in folgendem Label: Ocrelizumab (Ocrevus) ist angezeigt zur Behandlung erwachsener Patienten mit früher primär progredienter MS (PPMS), charakterisiert anhand der Krankheitsdauer und dem Grad der Behinderung, sowie mit Bildgebungsmerkmalen, die typisch für eine Entzündungsaktivität sind.
Prognose
Lebenserwartung und Mortalität
Nach neueren Daten beträgt die mittlere Lebenserwartung nach Diagnosestellung 28 Jahre für Männer und 33 Jahre für Frauen. Damit verkürzte sich die Lebenszeit durch die MS bei Frauen um 16,4 Jahre, bei Männern um etwa 11,6 Jahre. Genauer lässt sich dies abschätzen, wenn man die Lebenserwartung in Bezug zur Verlaufsform setzt (Abb. 5).
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Ein wichtiger Zusammenhang besteht zwischen der Progressionsgeschwindigkeit (Progressionsindex = Behinderung nach EDSS geteilt durch Krankheitsdauer) und der Lebenserwartung. Auch die Länge des Intervalls zwischen dem ersten und zweiten Schub gilt als prognostischer Marker. Die Hälfte der Patienten, die 40 Jahre nach Krankheitsbeginn noch lebten, hatte ein mindestens 10-jähriges Intervall zwischen dem 1. und 2 Schub. Zu einem gegebenen Zeitpunkt entscheidet der Behinderungsgrad über die Überlebenswahrscheinlichkeit: Von Patienten ohne Behinderung leben nach 10 Jahren noch 94 %, von denen mit leichter Behinderung noch 80 %, von denen mit mäßiggradiger Behinderung noch 69 %, und bei sc hwerer Behinderung erreichen nur noch 28 % 10-Jahre-Überlebenszeit.
MS-Patienten sterben selten unmittelbar an der MS, sondern zumeist an den MS-Komplikationen, am häufigsten an Bronchopneumonien, Pyelonephritiden oder einer Sepsis (zwei Drittel der Patienten), ein Drittel verstirbt an MS-unabhängigen Erkrankungen.
Faktoren mit Einfluss auf die Prognose
Erkrankungsalter und Geschlecht
Ein frühes Erkrankungsalter vor dem 30. Lebensjahr ist im Vergleich zum späteren Beginn nach dem 40. Lebensjahr mit einer besseren Prognose verknüpft. Dies liegt an dem signifikant häufigeren primär chronischen Verlauf bei älteren Patienten. Die meisten Autoren finden keinen geschlechtsspezifischen Unterschied der Prognose.
Erstsymptome
Patienten, die zu Beginn eine Optikusneuritis und lediglich Sensibilitätsstörungen entwickeln, haben in der Regel eine günstige Prognose. Entwickeln Patienten bereits in den ersten 5 Jahren nach Krankheitsbeginn deutliche zerebellare und pyramidale Ausfälle, muss nach 15 Jahren in 90 % der Fälle mit einer schweren Behinderung gerechnet werden.
Zahl der Schübe
Die Zahl und Schwere der Schübe lässt keine eindeutige prognostische Beurteilung zu, da die bisherigen Literaturangaben widersprüchlich sind.
Entwicklung des Behinderungsgrades
Hier gilt die „Fünfjahresregel nach Kurtzke“: Der Behinderungsgrad 5 Jahre nach Krankheitsbeginn entspricht durchschnittlich etwa Dreiviertel desjenigen nach 10 und 15 Jahren. Liegt ein gutartiger Verlauf in den ersten 5 Krankheitsjahren vor (0–2 Punkte auf der Kurtzke-Skala, 5 Jahre nach Krankheitsbeginn), so ergibt sich auch 15 Jahre nach Krankheitsbeginn in zwei Dritteln der Fälle der gleiche Befund und nur bei 10 % eine ausgeprägte Behinderung (mehr als 6 Punkte). Liegt dagegen bereits nach 5 Jahren eine ausgeprägte Behinderung vor, so kann nach 15 Jahren nur ganz ausnahmsweise mit einem besseren Befund gerechnet werden.
MRT
Zumindest bei der Optikusneuritis lassen Zahl und Größe der Herde im MRT zu Beginn der Erkrankung eine prognostische Aussage zu. Bei Optikusneuritis und anderen monosymptomatischen Initialformen war der Nachweis mehrerer Herde im MRT häufiger in der Gruppe zu finden, die bald eine MS entwickelten.
Arbeits- und Gehfähigkeit
Trotz großer Unterschiede in den einzelnen Untersuchungen lassen sich folgende Aussagen machen: 30 % der Patienten sind nach 15- bis 20-jähriger Krankheitsdauer zumindest noch teilweise gehfähig. Die Arbeitsfähigkeit wird in erster Linie durch spastische Paresen, Koordinations- und Blasenstörungen eingeschränkt.
Zusammengefasst gelten als prognostische Indikatoren für einen günstigeren Verlauf:
Gehfähigkeit,
minimale pyramidale und zerebellare Ausfälle in den ersten 5 Krankheitsjahren,
prompte Rückbildung der Initialsymptome,
Alter zu Beginn unter 35 Jahren,
monofokaler Beginn,
rasches Auftreten der Initialsymptome,
kurze Dauer des letzten Schubes,
Fehlen von zerebellaren Ausfällen zu Beginn der Krankheit.
Facharztfragen
1.
Worauf basiert die Wahl der Therapie bei der schubförmigen MS?
2.
Welcher Wirkmechanismus liegt der Behandlung mit Alemtuzumab zugrunde?
3.
Wann ist es erforderlich, die Behandlung mit Natalizumab durch eine andere Substanz zu ersetzen?
4.
Wie ist die hochaktive MS definiert?
5.
Welche Substanzen stehen für die milden und moderaten Formen der MS zur Verfügung?
6.
Warum ist ein früher Therapiebeginn sinnvoll?
7.
Welche Substanzen stehen für die Therapie der hochaktiven MS zur Verfügung?
8.
Was ist bei der Behandlung mit Alemtuzumab besonders zu beachten?
9.
Welche schwerwiegenden Nebenwirkungen führten zur Rücknahme der Zulassung von Daclizumab?
10.
Erklären Sie das Wirkprinzip von Ocrelizumab bei der Behandlung der primär progredienten Verlaufsform der MS?
11.
Welche Möglichkeiten der Behandlung von Spastik bei MS gibt es?
Literatur
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