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Pädiatrie
Info
Publiziert am: 11.04.2019

Kardiomyopathien bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Ludger Sieverding
Kardiomyopathien sind Herzmuskelveränderungen, die nicht Folge einer koronaren Herzerkrankung, eines Hochdrucks, eines Herzklappenfehlers oder einer angeborenen Herzerkrankung sind. Die hypertrophe Kardiomyopathie ist eine Erkrankung des Sarkomers mit einer asymmetrischen, konzentrischen oder apikalen Myokardhypertrophie ohne hämodynamische Ursache. Die dilatative Kardiomyopathie ist durch eine Ventrikeldilatation gekennzeichnet, 30 % der dilatativen Kardiomyopathien sind monogenetisch bedingt. Die restriktive Kardiomyopathie ist eine Erkrankung mit herabgesetzter Dehnbarkeit des Myokard. Neben sporadischen sind familiäre Formen bekannt mit Mutatation des Troponin I. Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie ist eine Erkrankung infolge Mutationen desmosomaler Proteine mit elektro-anatomischen Auffälligkeiten, die aufgrund der altersabhängigen Penetranz im Kindesalter kaum diagnostiziert wird. Die Noncompaction-Kardiomyopathie ist eine Herzmuskelerkrankung, die ein endoluminal aufgelockertes Myokard aufweist, zum Teil mit Mutationen des Sarkomers, des Zytoskeletts oder der Mitochondrien.
Definition
Nach aktueller Definition sind Kardiomyopathien myokardiale Erkrankungen, die strukturelle oder funktionelle Herzmuskelveränderungen aufweisen, die nicht Folge einer koronaren Herzerkrankung, eines Hochdrucks, eines Herzklappenfehlers oder einer angeborenen Herzerkrankung sind. Phänotypisch imponieren sie als hypertrophe, dilatative, restriktive oder arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie. Sie sind zu einem erheblichen Anteil genetisch verursacht. Sie können isoliert oder als Teil einer systemischen Erkrankung auftreten und sind mit einer nennenswerten kardiovaskulären Letalität und herzinsuffizienzbedingten Morbidität behaftet.
Klassifikation
Seit der erstmaligen Verwendung des Begriffes Kardiomyopathie im Jahre 1957 unterliegt die Definition und Klassifikation der Kardiomyopathien einem stetigen Wandel. Frühzeitig abgegrenzt wurden die spezifischen Kardiomyopathien bekannter Ursache, während die Gruppe der primären Kardiomyopathien zunächst per definitionem Herzmuskelerkrankungen unbekannter Ursache umfasste. Zu den spezifischen Kardiomyopathien zählten Herzmuskelerkrankungen, die als Folge anderer Systemerkrankungen (Stoffwechseldefekte, Speichererkrankungen, Mitochondropathien, neuromuskuläre Erkrankungen, Dysmorphiesyndrome) oder einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) oder toxisch bedingt (Adriablastin, Cyclophosphamid) auftreten.
Die familiäre Häufung der primären, insbesondere der hypertrophen Kardiomyopathien legte eine genetische Ursache nahe. Nach dem ersten Nachweis einer Genmutation für die schwere Myosinkette im Jahre 1989 konnten bis heute für die unterschiedlichen Kardiomyopathieformen Mutationen in mehr als 100 verschiedenen Genen nachgewiesen werden mit starken Überlappungen zwischen den Kardiomyopathieformen. Die einzelnen Gene kodieren für unterschiedliche Bestandteile des Kardiomyozyten: Am häufigsten betroffen sind Proteine des Sarkomers, der Z-Scheibe und des Zytoskeletts. Die spezifischen Kardiomyopathien sind dagegen oft keine Erkrankungen des Kardiomyozyten, sondern Folge interstitieller Infiltration oder intrazellulärer Akkumulation pathologischer Metabolite.
Aufgrund des zunehmenden Nachweises genetischer Defekte bei den primären Kardiomyopathien wurde eine Einteilung in Erkrankungen des Sarkomers (HCM, RCM), des Zytoskeletts (DCM, ARVD), und der Ionenkanäle (u. a. Long-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom) vorgeschlagen.
Dies findet sich ansatzweise in der genotypisch orientierten Klassifikation der American Heart Association von 2006 wieder, die zwischen primären und sekundären Kardiomyopathien unterscheidet. Der Terminus spezifische Kardiomyopathie wurde aufgegeben. Die primären Kardiomyopathien, zu denen alle Erkrankungen gezählt werden, bei denen ausschließlich der Herzmuskel betroffen ist, werden eingeteilt in angeborene, erworbene und gemischte Formen (Tab. 1). Damit verbunden ist eine Umgruppierung von bis dahin als spezifische Kardiomyopathie geltenden Erkrankungen in die Gruppe der primären Kardiomyopathien, da die sekundären Kardiomyopathien nur noch Teil einer Multiorganerkrankung darstellen.
Tab. 1
Primäre und sekundäre Kardiomyopathien nach der Klassifikation der American Heart Association (AHA) von 2006
Primäre Kardiomyopathien
Angeboren/genetisch
Gemischt (angeboren und erworben)
Erworben
Arrythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie
Restriktive Kardiomyopathie
Stressprovozierte Kardiomyopathie (Tako-Tsubo)
Noncompaction-Kardiomyopathie
 
Schwangerschafts-Kardiomyopathie
Glykogenspeichererkrankungen (z. B. PRKAG2, Danon)
 
Tachykardie-induzierte Kardiomyopathie
Leitungsdefekte, z. B. WPW-Syndrom
 
Neugeborene diabetischer Mütter mit insuffizienter Stoffwechseleinstellung
Mitochondriale Kardiomyopathien, z. B. Kearns-Sayre-, MELAS-Syndrom
  
Ionenkanaldefekte, z. B. Long-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom
  
Sekundäre Kardiomyopathien
 - Speichererkrankungen: Hämochromatose, Morbus Fabry, Glykogenspeicherkrankheit vom Typ 2 (Morbus Pompe), Morbus Niemann-Pick
 - Endokrin: Diabetes mellitus, Hyper-, Hypothyreose, Phäochromozytom, Akromegalie
 - Neuromuskulär/neurologisch: Friedreich-Ataxie, Muskeldystrophie Duchenne und Becker-Kiener, Emery-Dreifuß, myotone Dystrophie Typ 1, Neurofibromatose, tuberöse Sklerose
 - Toxisch: z. B. Folgen einer Antimetaboliten-Therapie, unter anderem nach Anthracyclin, Cyclophosphamid und nach Strahlentherapie, Drogen, Anabolika
 - Infiltrativ: Amyloidose, Morbus Gaucher, Morbus Hurler, Morbus Hunter
 - Weitere: z. B. Fehlernährung, Carnitin- und Selenmangel
WPW Wolff-Parkinson-White, MELAS myopathy, encephalopathy, lactic acidosis, stroke-like episodes
Der Klassifikation der European Society of Cardiology von 2008 liegt weiterhin eine phänotypisch begründete Einteilung in hypertrophe, dilatative, restriktive, arrythmogene rechtsventrikuläre und unklassifizierte Kardiomyopathien zugrunde, die sich jeweils in eine familiär/genetische und eine nichtfamiliär/nichtgenetische Form differenzieren lassen. Darunter werden sowohl die primären als auch spezifischen oder sekundären Formen subsummiert. Die als überholt angesehene Unterteilung in primäre und spezifische oder sekundäre Kardiomyopathien wird vermieden und gleichzeitig die Notwendigkeit einer weitergehenden Differenzialdiagnostik betont. Eine Übernahme der Ionenkanalerkrankungen in diese Klassifikation erfolgte nicht, da die Ionenkanalerkrankungen häufig keinen der genannten Phänotypen aufweisen.
Einen neuen, deskriptiven Ansatz verfolgt die MOGES-Klassifikation. Basierend auf den zunehmenden Nachweis genetischer Ursachen, der variablen Expressivität und Penetranz der Genmutationen und den teilweise fließenden Übergängen zwischen den verschiedenen Kardiomyopathieformen wird ein System vorgeschlagen, dass die Morphologie (M), die unterschiedliche Organbeteiligung (O), die Genetik (G), die Ätiologie (E) und die klinische Symptomatik (S) berücksichtigt (Tab. 2). Dieses System schließt somit alle primären und sekundären Formen ein und kann dynamisch dem jeweiligen Stand der Diagnostik und der klinischen Symptomatik angepasst werden. Zur erleichterten Anwendung im klinischen Alltag stehen dazu Online Tools zur Verfügung (http://moges.biomeris.com).
Tab. 2
Klassifikation der Kardiomyopathien. (Mod. nach Arbustini et al. 2014)
M
O
G
E
S
Morphologisch-funktioneller Phänotyp
Involvierte Organsysteme
Genetik und Vererbungsmodus
Ä(E)tiologie
Funktioneller Status
Kardiomyopathieform beim Patienten:
DCM
HCM
RCM
ARVD
LVNC
Anamnese und Klinik
Kardiale Beteiligung
extrakardiale Organe
1. Genetische Stammbaumanalyse:
- familiärer Vererbungsmodus:
AD
AR
XL
matrilineal
- nichtfamiliär:
sporadisch
2. Familienscreening:
betroffen
asymptomatisch
EKG- und/oder Echo-Auffälligkeiten
gesund ohne ECG- oder Echo-Auffälligkeiten
Gentest:
Positiv:
Stufentest bei Verwandten
Negativ:
Untersuchung auf neue Genmutation
Reguläres Monitoring der Verwandten
Funktionsstatus:
ACC/AHA
NYHA
D – dilatativ
H – hypertroph
R – restriktiv
A – ARVD
NC – LVNC
E – Frühform
NS – unspezifisch
NA – unbekannt
0 – nicht betroffen
H – Herz
M – Skelettmuskulatur
N – Nervensystem
C – Haut
E – Auge
A – Gehör
K – Niere
G – Gastrointestinum
Li – Leber
Lu – Lunge
S – Skelett
0 – Genträger ohne Organbeteiligung
N – Familienanmnese negativ
U – Familienanmnese unbekannt
AD – autosomal-dominant
AR – autosomal-rezessiv
XLD – X-chromosomal-dominant
XLR – X-chromosomal-rezessiv
M – matrilineal
0 – Familienanamnese nicht untersucht
Undet – Vererbungsmodus nicht definiert
S – sporadisch
G – genetische Ursache
OC – obligater Genträger
ONC – obligater Nichtträger
DN – de Novo
NegGentest negativ für die bekannte familiäre Mutation
G-A-TTR – genetische Amyloidose
G-HFEHämochromatose
Nichtgenetische Ursachen
V – Virusinfektion
AI – Autoimmunerkrankung
A – Amyloidose
I – infektiös (nichtviral)
T – toxisch
Eo – hypereosinophile Herzerkrankung
O – andere Ursachen
ACC-AHA-Stadium:
A, B, C, D
NA – nicht anwendbar
NU – nicht angewendet
NYHA-Stadium:
I, II, III, IV
Entsprechend dieser Klassifikation würde ein Patient mit hypertropher Kardioymyopahtie ohne weitere Organbeteilung, mit autosomal-dominantem Vererbungsgang, genetischem Nachweis einer Punktmutation im MYH7-Gen mit Synthese von Methionin anstelle von Valin infolge Austausch einer Base an Position 606 und einem funktionellen Status C nach ACC-AHA-Klassifikation und NYHA-Stadium II kurz und knapp wie folgt kodiert: MH OH GAD EG-MYH7[p.Val606Met] SC-II
HCM hypertrophe Kardiomyopathie, DCM dilatative Kardiomyopathie, RCM restriktive Kardiomyopathie, ARVD arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie, LVNC LV-Noncompaction-Kardiomyopathie
Genetische Untersuchungen, Differenzialdiagnostik
Bei Diagnose einer Kardiomyopathie sind zunächst einmal alle spezifischen oder sekundären Formen auszuschließen, wobei in diesen Fällen die Kardiomyopathie meist nicht Erstsymptom ist und klinisch nicht im Vordergrund steht. Ferner wird eine Familienanamnese über 3 Generationen empfohlen und Verwandte 1. Grades sollten kardiologisch untersucht werden. Soweit keine Familiarität oder andere wegweisenden Symptome für eine genetische Kardiomyopathie vorhanden sind, sollte ein differenzialdiagnostisches Basisprogramm durchgeführt werden.
Diagnostikplan zur Differenzialdiagnostik der Kardiomyopathien
  • Blutentnahmen
    2.
    Blutgasanalyse, Anionenlücke, Laktat
     
    3.
    Schilddrüse: FT4, TSH
     
    4.
    Organische Säuren und Aminosäuren, Carnitin-Stoffwechsel (freies Carnitin, Acyl-Carnitine
     
    5.
    Virusuntersuchungen
     
    6.
    Borrelien und Q-Fieber
     
    7.
    Immunologie (Antikörper gegen Herzmuskelzellen, glatte Muskulatur)
     
    8.
    Spurenelemente (Selenmangel)
     
    9.
    Vitaminmangel: Vitamin B1, Vitamin E, Vitamin B6, Vitamin B12
     
    10.
    Eisenstoffwechsel: Hb-Elektrophorese: Sichelzellen, Thalassämie, Hämosiderose
     
    11.
    Katecholamine (Auto-Antikörper gegen ß1-Adrenozeptor):
     
    12.
    Glykogenspeicherkrankheit Typ 4
     
    13.
    GM1-Gangliosidose
     
    14.
    Falls klinischer Anhalt Toxikologie: Antracycline, Alkohol, Kobalt-Bestrahlung, Kollagenose, Phenothiazine, trizyklische Antidepressiva, Clozapin, Lithiumcarbonat, Drogenscreening (vor allem. Kokain)
     
    15.
    Virusuntersuchungen
     
    16.
    Borrelien und Q-Fieber
     
  • Herzmuskelbiopsie
    HSV 1/2, Varizella-Zoster, CMV, EBV, HBV und HCV, Coxsackie, HIV 1/2, Borrelien, Mycoplasma pneumoniae, Candida, Toxoplasmose
  • Sonstige Untersuchungen
    1.
    Echokardiografie
     
    2.
    Herzkatheteruntersuchung
     
    3.
    Augenuntersuchung: Ophthalmoplegie, Kearns-Sayre-Syndrom, Stoffwechselstörungen, Strukturanomalien
     
    4.
    Neurologische Untersuchung: Friedreichsche Ataxie, EMG
     
    5.
    Haut-Muskel-Nerven-Biopsie: Myopathien, wie muskuläre Dystrophie, myotone Dystrophie, Mitochondriopathie, Nemalin-Myopathie
     
Bei familiärer Kardiomyopathie sollte eine Gendiagnostik für die am meisten betroffene Person durchgeführt werden, um einerseits eine individuelle Prognose des Krankheitsverlaufes zu ermöglichen, andererseits das Risiko asymptomatischer Familienmitglieder abzuschätzen.
Bei insgesamt nicht unumstrittener prädiktiver Gendiagnostik wird eine Gendiagnostik bei asymptomatischen Familienmitgliedern ab 10 Jahren empfohlen.

Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM)

Definition
Die hypertrophe Kardiomyopathie gilt heute als genetisch determinierte Erkrankung des Sarkomers. Das pathognomonische Merkmal ist die meist asymmetrische, aber auch konzentrische oder apikale ventrikuläre Hypertrophie ohne erkennbare hämodynamische Ursache. Bei Vorliegen einer konzentrischen Form sollte insbesondere im Kindesalter eine Systemerkrankung ausgeschlossen werden.
Häufigkeit
Mit einer Inzidenz von 4,7 auf 1.000.000 Kindern gehört die HCM zu den seltenen Erkrankungen. Ein deutlicher Häufigkeitsgipfel im Säuglingsalter (Inzidenz 30/1.000.000) liegt in dem hohen Anteil symptomatischer Stoffwechsel- und Systemerkrankungen, die mit einer HCM einhergehen, begründet. Für die Altersgruppe 1–18 Jahren liegt die Inzidenz mit 3,2/1.000.000 entsprechend niedriger.
Ätiologie
Die isolierte HCM ist eine häufig familiär auftretende, in 90 % autosomal-dominant vererbbare, aber genetisch heterogene Erkrankung mit unterschiedlicher Penetranz und Expressivität. Bisher konnten <1400 krankheitsverursachende Mutationen auf 51 Genen identifiziert werden. Die 8 am häufigsten (99 %) mutierten Gene kodieren kontraktile Proteine des Sarkomers (schwere Myosinkette 7, myosinbindendes Protein C3, Troponin T und I, Tropomyosin alpha-1-Kette, leichte Myosinkette 3). Davon betroffene Patienten werden früher symptomatisch, haben häufiger eine positive Familienanamnese und weisen ein höheres Risiko für einen plötzlichen Herztod auf. In geringerem Maße sind Proteine der Z-Scheibe, des Zytoskeletts oder der Kalzium-Signalkaskade betroffen. In 40–60 % der untersuchten Fälle lassen sich Mutationen nachweisen. Infolge neuerer Technologien („next generation sequencing“), die in einem analytischen Ansatz die Untersuchung aller relevanten Gene ermöglichen, dürfte dieser Anteil künftig deutlich ansteigen. Dies dürfte auch für die pädiatrische Population zutreffen, bei der neben einem hohen Anteil von Systemerkrankungen in 70 % ätiologisch ungeklärte Kardiomyopathien vorliegen, deren Ursachen im Rahmen einer systematischen genetischen Abklärung geklärt werden könnten.
Pathologie, Pathophysiologie
Makroskopisch regelhaft mit einer Myokardverdickung einhergehend, finden sich histologisch hypertrophierte Herzmuskelzellen mit chaotischem Myofibrillenmuster, abnorm verdickte intramurale Koronargefäße und fibrotische Myokardareale. Nach dem morphologischen Erscheinungsbild können Formen mit asymmetrischer Septumhypertrophie, konzentrische und die seltenen apikalen Formen unterschieden werden. Im Vordergrund steht die diastolische Compliancestörung mit einer abnormen Relaxation und verzögerten Mitralklappenöffnung. Insbesondere bei den Patienten mit asymmetrischer Septumhypertrophie findet sich in 20–50 % eine systolische dynamische Obstruktion der linksventrikulären Ausflussbahn (hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie). Die systolische Einengung des linksventrikulären Ausflusstraktes führt durch den Venturi-Effekt zu einer Vorwärtsbewegung des Mitralsegels und seiner Chordae, wodurch sich der Berührungspunkt der Mitralsegel verlagert, der Klappenschluss aufgehoben wird und als Folge eine Mitralinsuffizienz entsteht.
Klinische Symptome, Verlauf
Die Erkrankung manifestiert sich selten bereits im Säuglingsalter, häufiger in der Adoleszenz. Bei einer Obstruktion der linksventrikulären Ausflussbahn kann ein entsprechendes systolisches Herzgeräusch zur weiteren Diagnostik Anlass geben. Häufiger sind Palpitationen und Synkopen, zunehmende Leistungseinschränkung und Belastungsdyspnoe bei den bis dahin oft symptomlosen Patienten erste Krankheitszeichen. Sie sind Folge von Herzrhythmusstörungen oder einer Obstruktion der Ausflussbahn, die insbesondere unter Belastung zunehmen und zum plötzlichen Herztod führen können. Mit einer Todesrate von 1–6 % pro Jahr stellt die HCM die häufigste Ursache des belastungsinduzierten plötzlichen Herztodes bei älteren Kindern und jungen Erwachsenen unter 35 Jahren dar. Eine einschlägige Familienanamnese, anamnestische (Prae-)Synkopen, eine ausgeprägte Ventrikelhypertrophie, vorangegangenes Kammerflimmern, ventrikuläre Tachykardien und Blutdruckabfall unter Belastung gelten als Risikofaktoren. Seltener findet sich ein Übergang der HCM in eine dilatative Kardiomyopathie (Abschn. 2) mit zunehmendem Pumpversagen oder ein thrombembolisches Ereignis.
Diagnose, Differenzialdiagnose
Die klinische Untersuchung zeigt bis auf das Systolikum bei vorhandener Ausflussbahnobstruktion häufig keine Besonderheiten, wobei das Systolikum nach Belastung und beim Valsalva-Pressversuch lauter wird. Im EKG findet sich bevorzugt eine Linkshypertrophie mit spitzwinkelig negativem T. Wegweisend ist die Echokardiografie. Bei einer enddiastolischen Myokarddicke oberhalb von 2 Standardabweichungen sollte an eine hypertrophe Kardiomyopathie gedacht werden. Eine asymmetrische Septumhypertrophie liegt bei einem Septum/Hinterwand-Quotienten von mehr als 1,3 vor. Bei den apikalen Formen ist die Hypertrophie im Bereich der Herzspitze lokalisiert. Das Vorhandensein einer linksventrikulären Obstruktion (meist subaortal, aber auch mittventrikulär oder selten apikal lokalisiert) wird durch PW- und Farb-Doppler aufgedeckt. Mittels CW-Doppler kann der Spitzendruckgradient bestimmt werden. Die rechtsventrikuläre Wand kann ebenfalls hypertrophiert sein und sollte in der subkostalen oder parasternalen Achse gemessen werden. Die systolische Vorwärtsbewegung der Mitralklappe (SAM, systolic anterior movement) sowie eine Vorwärtsverlagerung des Mitralklappenapparates in das verkleinerte Kavum des linken Ventrikels sind weitere Charakteristika der HCM. Einen zunehmenden Stellenwert in der Diagnostik gewinnt die kardiale MRT. Sie erlaubt neben der Quantifizierung der Myokardhypertrophie und Myokardfunktion auch einen frühen Nachweis einer interstitiellen Fibrose mittels Late Gadolinium Enhancement (LGE, Abb. 1). Dieser Nachweis kann ergänzend zur Risikostratifizierung herangezogen werden. Begrenzt hilft die kardiale MRT auch bei der Differenzialdiagnostik der konzentrischen Hypertrophie, da einige der Speichererkrankungen wie Amyloidose, Glykogenose, Morbus Gaucher, Hämochromatose oder Morbus Fabry, die durch interstitielle Infiltration oder intrazellulärer Akkumulation pathologischer Metabolite zur Hypertrophie führen, typische Verteilungsmuster eines LGE zeigen. Bei unklarem klinischen Phänotyp hilft oft jedoch nur eine Herzkatheteruntersuchung mit Endomyokardbiopsie weiter.
Wie oben bereits angeführt wird die genetische Diagnostik zunehmend an Bedeutung gewinnen. Generell ist bei neu diagnostizierter HCM eine Familienuntersuchung angezeigt.
Therapie
Wegen der Gefahr belastungsinduzierter Rhythmusstörungen dürfen Patienten mit HCM keinen Leistungssport betreiben und insbesondere keine isometrischen Muskelanstrengungen durchführen. Mittels Betablocker können bei 1/3 der Patienten die Druckgradienten reduziert und die Symptome gemildert werden. Empfohlen wird eine Tagesdosierung von 2 mg/kg Propranolol. Zur vollständigen Unterdrückung der sympathischen Stimulation wurden einschleichend Dosierungen von 5–23 mg/kg/Tag verabreicht. Die Implantation eines ICD (implantierbarer Kardioverter-Defibrillator) ist indiziert zur Sekundärprophylaxe nach einem überlebten Reanimationsereignis. Ist eine ICD-Implantation nicht möglich, kann Amiodaron eingesetzt werden, erfordert aber aufgrund der Nebenwirkungen (Lungenfibrose, Korneaeinlagerungen, Schildrüsenveränderungen) ein enges Monitoring. Bei höhergradiger Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes ist eine chirurgische Erweiterung des Ausflusstraktes durch Myotomie oder Myektomie indiziert. Die Septumablation mit Alkohol stellt im Erwachsenenalter eine Alternative dar, spielt bei Kindern und Jugendlichen (noch) eine untergeordnete Rolle. Als letzte Möglichkeit der Behandlung der HCM verbleibt die Herztransplantation.
Prognose
Die HCM ist eine progressive Erkrankung mit fortschreitender Verschlechterung und zunehmender Symptomatik, wobei die systolische Funktion lange Zeit erhalten bleibt. Da sich die malignen Genotypen früh manifestieren, haben Kinder eine stärker ausgeprägte Myokardhypertrophie und sie werden früher symptomatisch. Die jährliche Mortalitätsrate wird mit 1–6 % angegeben. Trotz der sich abzeichnenden, kontinuierlichen Besserung infolge der zunehmend standardisierten Behandlung und Prophylaxe, verbleibt ein nennenswertes Risiko, da der plötzliche Herztod das erste Krankheitszeichen überhaupt sein kann.

Dilatative Kardiomyopathie (DCM)

Definition
Die dilatative Kardiomyopathie ist durch eine Ventrikeldilatation (LV >117 % der Altersnorm) mit Einschränkung der systolischen Pumpfunktion (LV-Ejektionsfraktion <45 %) gekennzeichnet, die nicht in einer koronaren Herzerkrankung, Hypertonie oder Herzklappenerkrankung begründet liegt.
Häufigkeit
Die DCM ist die häufigste Herzmuskelerkrankung im Kindesalter. Sie geht mit einer erheblichen Mortalität einher und stellt die häufigste Indikation zur Herztransplantation im Kindesalter dar. Aus epidemiologischer Sicht ist sie dennoch mit einer Prävalenz von 2,6 auf 100.000 Einwohner selten.
Ätiologie
Die häufigste Ursache der DCM im Kindesalter ist eine abgelaufene Myokarditis. Etwa 30 % der dilatativen Kardiomyopathien dürften monogenetisch bedingt sein und betreffen Proteine der Zellmembran, des Zellkerns, des Zytoskeletts, des Sarkomers oder der Mitochondrien. Das klinisch bedeutendste und häufigste Krankheitsgen ist das Gen für Lamin A/C, ein Protein, das an der inneren Zellmembran lokalisiert ist. Die toxische Adriablastinkardiomyopathie und sekundäre Formen im Rahmen metabolischer und neuromuskulärer Erkrankungen sind weitere häufige Ursachen der DCM im Kindesalter.
Pathologie, Pathophysiologie
Der pathogenetische Ablauf ist bei allen Formen relativ uniform. Zunächst kommt es zu einer Zytolyse der Myofibrillen, die dann von mononukleären Zellen resorbiert werden, sodass sich eine interstitielle Fibrose ausbildet. Benachbarte Myozyten hypertrophieren kompensatorisch, das zelluläre Infiltrat bildet sich zurück. Die Histologie zeigt lichtmikroskopisch unspezifische Befunde. Die Myofibrillen weisen ein unterschiedliches Kaliber auf, man findet eine interstitielle Fibrose sowie eine geringe mononukleäre Infiltration. Diese zellulären Infiltrate können immunhistochemisch als Makrophagen oder T-Lymphozyten charakterisiert werden und weisen bei stärkerer Ausprägungen (>14 Lymphozyten/mm2) und/oder Virusnachweis auf einen entzündlichen Prozess hin. Ein Virusnachweis gelingt molekularbiologisch durch Polymerase-Kettenreaktion und In-situ-Hybridisierung bei 20 % der Patienten.
Makroskopisch findet sich ein dilatierter Ventrikel mit nur mäßiger Wandhypertrophie. Abhängig von der Dilatation des Mitralklappenrings findet sich in unterschiedlicher Ausprägung eine Mitralinsuffizienz. Aufgrund der Blutstase im Ventrikel besteht eine erhöhte Thromboseneigung mit großem Embolierisiko. Die systolische Dysfunktion, verstärkt durch die Mitralklappeninsuffizienz, führt zur pulmonalvenösen Stauung mit konsekutiv interstitiellem Lungenödem. Das unzureichende Herzzeitvolumen löst neurohumorale Adaptationsmechanismen aus, um die renale Perfusion durch Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems zu sichern. Die Konsequenz ist eine Wasser- und Salzretention mit starker peripherer Vasokonstriktion.
Klinische Symptome, Verlauf
Die Symptome sind Folge der Herzinsuffizienz, 75 % der Kinder werden in den ersten beiden Lebensjahren symptomatisch. Der Schweregrad ist abhängig vom Ausmaß der Funktionseinschränkung und der Progredienz. So bestehen initial oft unspezifische Symptome (vermehrtes Schwitzen, erhöhte Infektanfälligkeit, Ernährungs- oder Gedeihstörungen), bei deren Abklärung erstmalig eine Kardiomegalie auffällt. Tachydyspnoe, Reizhusten, periphere Erschöpfungszyanose und Ödemneigung zeigen die schon fortschreitende Herzinsuffizienz an. Auskultatorisch findet sich häufig das systolische Geräusch der Mitralinsuffizienz, sowie feine Rasselgeräusche über den basalen Lungenabschnitten. Seltener sind die akute kardiale Dekompensation oder akute zerebrale Ischämien als Folge thrombembolischer Ereignisse.
Diagnose, Differenzialdiagnose
Im EKG finden sich unspezifische Zeichen der Linksherzbelastung mit Erregungsrückbildungsstörungen, gelegentlich Arrhythmien. Bei anhaltenden tachykarden Rhythmusstörungen muss differenzialdiagnostisch an eine Tachykardiomyopathie (energetisches Herzversagen infolge der Tachykardie, in der Regel reversibel) gedacht werden. Wie bei den hypertrophen Kardiomyopathien ist die Echokardiografie wegweisend. Hier stellt sich der dilatierte linke Ventrikel mit herabgesetzter Verkürzungsfraktion und der farbdopplerechokardiografisch nachweisbaren Mitralklappeninsuffizienz dar. Sorgfältig muss in allen Schnittebenen nach intrakavitären Thromben gesucht werden. Durch die Darstellung regelhafter Koronararterienabgänge aus der Aortenwurzel, können Koronaranomalien, insbesondere der Fehlabgang einer Koronararterie aus der A. pulmonalis ausgeschlossen werden.
Herzinsuffizienzmarker wie NT-pro/BNP sind zur Beurteilung des Krankheitsverlaufes geeignet. Die erweiterte Labordiagnostik dient der differenzialdiagnostischen Abklärung von infektiösen, metabolischen und anderen Systemerkrankungen.
Im Vordergrund steht der Nachweis oder Ausschluss einer Myokarditis. Hier kann die Kernspintomografie durch den Nachweis ödematöser Veränderungen zur Unterscheidung einer DCM von einer Myokarditis beitragen (Abb. 2). Gleichzeitig ist eine zuverlässige Quantifizierung der Myokardfunktion und ein Ausschluss von Koronaranomalien möglich.
Eine Herzkatheteruntersuchung mit Endomyokardbiopsie gehört zur Primärdiagnostik, sollte aber erst nach klinischer Stabilisierung des Patienten durchgeführt werden. Die Myokardbiopsie mit histologischer, immunhistologischer, molekularpathologischer Aufarbeitung und Bestimmung der Viruslast dient der Abgrenzung der Myokarditis von der familiären DCM. Letztere verbleibt als Ausschlussdiagnose, eine genetische Diagnostik wird für die pädiatrische Population noch nicht empfohlen.
Therapie
Die Therapie der primären DCM ist symptomatisch. Sie besteht in der Behandlung der Herzinsuffizienz, die entsprechend den Regeln der Herzinsuffizienztherapie durchgeführt wird. Eine Antikoagulation soll thrombembolischen Ereignissen vorbeugen. Bei Vorliegen von Risikofaktoren wie Synkopen, linksventrikuläres LGE, vorangegangenes Kammerflimmern, nicht anhaltende Kammertachykardien und einer Ejektionsfraktion unter 30 % ist eine ICD-Implantation zu erwägen. Die Erfahrungen mit einer kardialen Resynchronisationstherapie (CRT-Therapie) sind für das Kindesalter noch beschränkt. Bei rascher Progredienz oder Therapieversagen ist eine Herztransplantation, wenn nötig mit vorübergehendem Einsatz eines mechanischen Herzunterstützungssystems als Überbrückungsmaßnahme, indiziert.
Prognose
Eine populationsbasierte Studie aus Australien zeigt für die Altersgruppe von 0–10 Jahren, dass 72 % der Patienten das 1. Jahr nach Diagnosestellung ohne Transplantation überleben, nach 5 Jahren trifft dies nur noch für 63 % der Patienten mit DCM zu. Als Risikofaktoren gelten ein Alter unter 5 Jahren sowie die familiäre DCM. Das Risiko steigt mit dem Ausmaß der pathologisch eingeschränkten Verkürzungsfraktion bei Diagnosestellung und bei ausbleibender oder nur geringer Verbesserung der Verkürzungsfraktion im Verlauf.

Restriktive Kardiomyopathie (RCM)

Definition
Die restriktive Kardiomyopathie ist eine äußerst seltene Erkrankung mit herabgesetzter Dehnbarkeit des Myokards infolge bindegewebigen Umbaus. Bei normaler Myokarddicke, normaler oder reduzierter Ventrikelgröße ist die Ventrikelfüllung behindert, die systolische Funktion annähernd normal.
Ätiologie
Neben sporadischen sind familiäre Formen bekannt mit Mutatation des Troponin I. Im Kindesalter ist die Erkrankung äußerst selten, ca. 50 Patienten sind dokumentiert.
Pathologie, Pathophysiologie
Bei den familiären Formen scheint eine gesteigerte Kalziumsensitivität für die erhöhte Myokardsteifigkeit verantwortlich zu sein. Die daraus resultierende Behinderung der Ventrikelfüllung führt zu einem verminderten diastolischen Ventrikelvolumen und einer deutlichen Vergrößerung der Vorhöfe. Histologisch sieht man allenfalls eine leichte interstitielle Fibrose, keine Entzündungszeichen.
Klinische Symptome, Verlauf
Das klinische Bild ist uncharakteristisch und durch eine chronische Herzinsuffizienz bestimmt. Die pulmonalvenöse Stauung führt zu (belastungsabhängiger) Tachy-Dyspnoe, die systemvenöse Stauung zur Hepatomegalie mit Ödemen und Stauungsergüssen.
Diagnose, Differenzialdiagnose
Das EKG zeigt ein P-dextroatriale oder P-biatriale als Zeichen der Vorhofbelastung und in fortgeschrittenen Krankheitsstadien Erregungsrückbildungsstörungen.
Echokardiografisch finden sich eine deutliche Vorhofvergrößerung bei annähernd normal großem Ventrikel. Der diastolische Einstrom über die Mitralklappe ist behindert mit einem pathologisch veränderten Verhältnis von passiver Ventrikelfüllung (E-Welle) zur aktiven Ventrikelfüllung (A-Welle) durch die Vorhofkontraktion (E/A-Verhältnis >2,9). Die immer infolge des erhöhten postkapillären Widerstandes bestehende pulmonale Druckerhöhung kann über die Trikuspidalklappeninsuffizienz dopplerechokardiografisch abgeschätzt werden.
Abzugrenzen sind andere Erkrankungen mit diastolischer Einflussbehinderung wie die Endokardfibroelastose und die Pericarditis constrictiva. Zum Ausschluss der wichtigsten Differenzialdiagnose, der Pericarditis constrictiva, sollte eine Kardio-MRT mit Bestimmung der Perikarddicke durchgeführt werden (Abb. 3). Wie bei den hypertrophen Kardiomyopathien können sekundäre Formen mit pathologischer Infiltration oder Akkumulation durch ihr Verteilungsmuster im LGE demaskiert werden. Eine Herzkatheteruntersuchung mit Testung der pulmonalvaskulären Gefäßreagibilität und Endomyokardbiopsie sollte immer durchgeführt werden.
Therapie
Eine kausale Therapie existiert nicht, die Behandlung bleibt symptomatisch (Herzinsuffizienztherapie, antiarrhythmische Therapie). Im Einzelfall ist eine ICD-Therapie zu erwägen. Vor Auftreten einer fixierten pulmonalen Hypertonie sollten die Patienten einer Herztransplantation zugeführt werden.
Prognose
Die Prognose ist äußerst schlecht, nur eine rasche Herztransplantation erscheint als hoffnungsvolle Option

Arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie (ARVD)

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie ist eine seltene, angeborene Erkrankung mit typischen elektro-anatomischen Auffälligkeiten, die aufgrund der altersabhängigen Penetranz im Kindesalter kaum diagnostiziert wird. Erstes Krankheitszeichen sind ventrikuläre Arrhythmien oder krankheitstypische EKG-Veränderungen. Eine vornehmlich rechtsventrikuläre Dysfunktion tritt häufig erst im Spätstadium auf. Neben der hypertrophen Kardiomyopathie stellt die ARVD eine der häufigsten Ursachen des plötzlichen Herztodes bei jungen Erwachsenen, insbesondere Sportlern dar.
Ätiologie
Meistens besteht eine autosomal-dominante Vererbung mit inkompletter Penetranz. Bekannt sind 8 Mutationen auf 4 verschiedenen Genen, die hauptsächlich desmosomale Proteine (Desmoplakin, Plakoglobin, Plakophilin 2, Desmocollin 2, Desmoglein 2) kodieren und bei mehr als 50 % der Patienten mit gesicherter ARVD nachgewiesen werden können.
Pathologie, Pathophysiologie
Die Erkrankung ist charakterisiert durch einen zunehmenden Zerfall von Myozyten mit Ersatz durch (fibröses) Fettgewebe vor allem an der freien rechtsventrikulären Wand. Die früh einsetzende elektromechanische Entkopplung bildet das Substrat für ventrikuläre Tachyarrhythmien. Der zunehmende Gewebeumbau führt mit fortschreitender Erkrankung zu einer Vergrößerung der rechten Herzkammer mit Einschränkung der rechtsventrikulären Funktion. Seltener ist der linke Ventrikel betroffen.
Klinische Symptome, Verlauf
Als sich erst langsam entwickelnde Erkrankung sind die Befunde im Kindesalter eher subtil. Klinisch manifestiert sich die Erkrankung typischerweise im Jugend- oder jungen Erwachsenalter. Leitsymptom der ARVD ist das plötzliche Auftreten maligner ventrikulärer Arrhythmien unter Belastung. Selten bestehen klinische Symptome einer rechts- oder biventrikulären Herzinsuffizienz. Synkopen oder Palpitationen unter Belastung können ein anamnestischer Hinweis sein.
Diagnostik, Differenzialdiagnose
Die Diagnose einer ARVD ist aufgrund der unspezifischen klinischen Symptome, der unterschiedlichen klinischen Manifestation und der beschränkten Aussagekraft einzelner diagnostischer Tests schwierig und erst in Kombination der verschiedenen Untersuchungsmethoden zu sichern. EKG-Kriterien sind: QRS-Verbreiterung >110 ms, Rechtsschenkelblock, Epsilon-Welle, ST-Hebungen und T-Welleninversion (bei Jugendlichen älter als 14 Jahre beinahe pathognomonisch) in den rechtspräkordialen Ableitungen V1–V3, bei Beteiligung des linken Ventrikels auch in V4–V6. Typisch sind ventrikuläre Extrasystolen und Tachyarrhythmien. Echokardiografisch können ein vergrößerter rechter Ventrikel und die dünne rechtsventrikuläre Wand mit eingeschränkter Pumpfunktion darstellbar sein. Die Kardio-MRT kann den Ersatz der Muskulatur der rechten Herzkammer durch Fettgewebe zeigen. Wichtiger ist der Nachweis regionaler Wandbewegungsstörungen mit typischen, multiplen Ausstülpungen während der Kontraktion („accordeon sign“, Abb. 4), die im Kindesalter einziges Zeichen der Erkrankung sein können. Im Einzelfall kann eine rechtsventrikuläre Myokardbiopsie den Nachweis pathognomonischer fibrolipomatöser Veränderungen erbringen. Eine genetische Diagnostik kann zur Sicherung der Diagnose durchgeführt werden. Familienmitglieder symptomatischer Patienten sollten regelmäßig untersucht werden.
Therapie
Im Vordergrund steht die medikamentöse antiarrhythmische Behandlung ergänzt durch eine elektrophysiologische Ablation arrhythmogener Substrate und Implantation eines ICD. Für die Patienten gilt ein lebenslanges strenges Sportverbot.
Prognose
Nach kleineren, retrospektiven Studien liegt die jährliche Letalität bei etwa 2,3 %. Patienten mit milden Symptomen und nicht anhaltender ventrikulärer Tachykardie haben eine bessere Prognose als Patienten mit Herzinsuffizienz und anhaltenden ventrikulären Tachykardien.

LV-Noncompaction-Kardiomyopathie (LVNC)

Definition
Die isolierte Noncompaction-Kardiomyopathie ist eine seltene Herzmuskelerkrankung, die vor allem an der Herzspitze ein zweischichtiges, endoluminal stark aufgelockertes Myokard mit tiefen intertrabekulären Rezessus aufweist.
Ätiologie
Die Unterbrechung der normalen Embryogenese des Myokards führt zu einer Persistenz des losen, endokardialen Myofibrillenmaschenwerkes, die sich nicht verdichten und keinen Anschluss an die Koronarzirkulation gewinnen. Sie verbleiben als ungewöhnlich starke Trabekel, die mit tiefen dazwischenliegenden Rezessus in das Ventrikellumen vorspringen, was dem Myokard eine „schwammige“ Struktur verleiht. Bei den familiären Formen finden sich Mutationen in Genen, die Proteine des Sarkomers, des Zytoskeletts aber auch des Mitochondriums kodieren. Eine X-chromosomal gebundene Form kann beim Barth-Syndrom gefunden werden. Nichtisolierte Formen sind in Assoziation mit komplexen angeborenen Herzfehlern beschrieben.
Pathologie, Pathophysiologie
Neben der vorbeschriebenen Texturstörung findet sich histologisch eine subendokardiale Fibrose. Diese ist Folge der mikrozirkulatorischen Dysfunktion und führt zur systolischen und diastolischen Funktionseinschränkung.
Klinische Symptome, Verlauf
Aufgrund einer uneinheitlichen Beschreibung des klinischen Phänotyps wird der klinische Verlauf divergierend beurteilt mit hoher Inzidenz schwerwiegender Ereignisse oder eher benignem Verlauf. Leitsymptome der LVNC können die Zeichen der Herzinsuffizienz, das Auftreten maligner Arrhythmien oder thrombembolische Ereignisse sein.
Diagnose, Differenzialdiagnose
Im EKG können unspezifische ST-Strecken und T-Wellenveränderungen sowie Schenkelblockbilder nachweisbar sein, im Langzeit-EKG supra- und ventrikuläre Tachykardien. Die Diagnose der isolierten Noncompaction-Kardiomyopathie wird echokardiografisch oder MR-tomografisch gestellt und gilt als gesichert bei einem endsystolischen Verhältnis >2 zwischen nichtkompakter subendokardialer Schicht und kompakter subepikardialer Schicht (Abb. 5).
Therapie
Die Therapie ist symptomatisch (Herzinsuffizienztherapie, antiarrhythmische Therapie). Eine Thrombembolieprophylaxe sollte bei einer verminderten LV-Funktion (LV-EF ≤35 % für Erwachsene) durchgeführt werden. In Analogie zur DCM muss bei rasch fortschreitender Symptomatik eine Herztransplantation erwogen werden.
Prognose
Obgleich im Kindesalter lediglich bei einem Drittel der Patienten Symptome bestehen, entwickeln 90 % der Patienten nach 10 Jahren eine Herzinsuffizienz oder werden durch ventrikuläre Arrhythmien symptomatisch. Nach eher pessimistischer Einschätzung überleben nur 58 % der Patienten 5 Jahre nach Diagnosestellung ohne Transplantation. Verlaufsbestimmend ist das Ausmaß der Ventrikeldilatation, weitere Risikofaktoren sind die NYHA-Klassen III–IV und ein chronisches Vorhofflimmern.
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