Hepatische Enzephalopathie (HE)
Die HE im Rahmen eines akuten Leberversagens (HE Typ A) ist aufgrund der potenziell raschen Verschlechterung mit dem deutlich höheren Risiko der Entwicklung eines Hirnödems mit konsekutivem Hirndruck und fatalem Ausgang von der HE bei Patienten mit chronischer Leberinsuffizienz (HE Typ C) zu unterscheiden.
Die Pathophysiologie der HE ist bisher nicht vollständig geklärt. Aufgrund des Leberausfalls kommt es zu einer
Kumulation von Neurotoxinen (in erster Linie Ammoniak), die letztlich zu einer Astrozytenschwellung führt. Die Klinik der HE kann sehr unterschiedlich sein. Im Vordergrund steht eine kognitive und motorische Verlangsamung mit u. a. erhöhtem Schlafbedürfnis, Konzentrationsstörungen, Asterixis („flapping tremor“) und Dysarthrie bis hin zum Coma hepaticum.
Die HE ist eine Ausschlussdiagnose und sollte bei neuropsychologischen Störungen bei Patienten mit Leberinsuffizienz in Betracht gezogen werden. Neben der klinischen Diagnostik kann die Messung der Serumammoniakspiegel die Diagnose stützen. Jedoch können bei ca. 10 % der Patienten mit HE die Ammoniakspiegel normal sein (Stahl
1963). Beim ALV weisen Patienten mit zerebraler Einklemmung signifikant höhere Ammoniakspiegel auf (Clemmesen et al.
1999). Arterielle Ammoniakwerte >100 μmol/l bei Aufnahme sind ein prädiktiver Faktor zur Vorhersage einer schweren HE (Bernal et al.
2007). Die Einteilung des Schweregrades erfolgt nach den West-Haven-Kriterien (Conn et al.
1977) (Tab.
8).
Tab. 8
West-Haven-Kriterien. (Nach Conn et al.
1977)
0 | Minimale HE (nur mittels psychometrischer Tests nachweisbar) |
1 | Verhaltensänderungen; leichte Verlangsamung; verminderte Aufmerksamkeit; schlechtere Rechenleistung; Dysphorie |
2 | Lethargie oder Apathie; beginnende Desorientierung zu Zeit und Ort; unangemessenes Verhalten; „flapping tremor“ |
3 | Somnolenz bis Semistupor mit erhaltener Antwort auf verbale Stimuli |
4 | Coma hepaticum |
Therapie beim ALV
Wenige evidenzbasierte Daten liegen zur HE-Therapie beim ALV vor. Laktulose oral (3 × 10–30 ml/Tag) und als rektale Einläufe (300 ml Laktulose + 700 ml H
2O) stellen die Basistherapie dar. L-Ornithin-L-Aspartat (LOLA)-Infusionen (40 ml/Tag über 4 h) zeigten beim ALV in einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie keinen Vorteil gegenüber Placebo (Acharya et al.
2009). Der Einsatz sollte jedoch aufgrund der nachgewiesenen Effektivität bei der chronischen HE (Ahmad et al.
2008; Kircheis et al.
1997), der guten Verträglichkeit und mangelnder alternativer Therapieoptionen auch beim ALV in Betracht gezogen werden.
Klinische Daten zum Einsatz des nicht resorbierbaren Antibiotikums Rifaximin liegen beim ALV bisher nicht vor. Neomycin sollte aufgrund der Nephrotoxizität nicht eingesetzt werden.
Prophylaxe und Therapie des Hirnödems und Hirndrucks
Etwa 20–25 % der Todesfälle beim ALV beruhen auf der Entwicklung eines erhöhten Hirndrucks (
ICP) als Folge eines Hirnödems (Stravitz und Larsen
2009). Besonders gefährdet sind Patienten mit einer hyperakuten Verlaufsform.
Der Stellenwert einer invasiven Hirndruckmessung wird kontrovers diskutiert. Da klinische Zeichen eines Hirndrucks (u. a.
Kopfschmerzen, Erbrechen, Stauungspapille, Bradykardie,
Hypertension) fehlen können oder Spätsymptome darstellen, erhofft man sich von einer rechtzeitigen Detektion eines erhöhten
ICP einen prognostischen Vorteil. Die bisher größte prospektive Serie zur ICP-Messung beim ALV zeigte allerdings keinen Überlebensvorteil gegenüber Patienten ohne ICP-Messung. Die Rate postinterventioneller intrakranieller Blutungen betrug hierbei 10,3 % (Vaquero et al.
2005).
Bei Vorliegen eines erhöhten
ICP wird als Erstlinientherapie die Gabe von Mannitol (20 %, 0,5–1,0 mg/kg KG als Bolus i.v.) empfohlen (Lee et al.
2012). Unter engmaschiger Kontrolle der Serumosmolalität (Ziel <320 mOsm/l) ist eine wiederholte Gabe möglich. Bei fehlendem Ansprechen auf die Mannitolgabe kann hypertone NaCl-Lösung (30 %, 5–20 ml/h, Zielnatrium 145–155 mmol/l) verwendet werden (Stravitz et al.
2007). Eine durch Hyperventilation induzierte Hypokapnie führt über eine Vasokonstriktion und Wiederherstellung der zerebrovaskulären Autoregulation zu einer kurzfristigen Senkung des ICP (Strauss et al.
1998). Als weitere therapeutische Maßnahme kann eine
Hypothermie (Zieltemperatur 32–33 °C) v. a. als Überbrückung („bridging“) zur
Lebertransplantation versucht werden (Jalan et al.
2004).
HE-Therapie beim ACLV
Bei der Therapie der
hepatischen Enzephalopathie beim ACLV ist eine gründliche Suche nach einem potenziellen Auslöser (Infektion, Blutung, nutritiver Proteinexzess, Obstipation, Exsikkose, Elektrolytentgleisung, Medikamente) durchzuführen. Die adäquate Behandlung des Auslösers führt bereits bei 70–80 % der Patienten zu einer Besserung der klinischen Symptomatik (Gillmann et al.
2012). Auch wenn die Wirksamkeit aufgrund nur weniger qualitativ hochwertiger Studien wiederholt in Frage gestellt wurde und eine
Metaanalyse keinen signifikanten Effekt auf die Verbesserung der HE fand (Als-Nielsen et al.
2004), stellt die orale und insbesondere die rektale Gabe von nicht resorbierbaren Disacchariden (Laktulose oder Lactitol) die Erstlinien- und Basistherapie dar. Gestützt wird dies durch die nachgewiesene Effektivität von Laktulose in der Primär- (Sharma et al.
2012) und Sekundärprophylaxe (Sharma et al.
2009) sowie die Prophylaxe einer HE nach Ösophagusvarizenblutung (Sharma et al.
2011). Die Dosis sollte auf 2–3 weiche Stühle pro Tag titriert werden.
Das nur minimal resorbierbare Antibiotikum Rifaximin führt zu einer Reduktion Ammoniak-bildender
Bakterien der Darmflora. Die Effektivität wurde bei der Behandlung der akuten HE (Lawrence und Klee,
2008) sowie der Rezidivprophylaxe, für die auch eine Zulassung in Deutschland besteht, nachgewiesen (Bass et al.
2010). Die Tagesdosis beträgt 2 × 550 mg/Tag. Aufgrund der bisher nur unzureichend untersuchten Wirksamkeit und Sicherheit bei Patienten mit schwerer Leberinsuffizenz (
MELD-Score >24) ist der Einsatz von Rifaximin hierbei experimentell und sorgfältig zu überwachen.
L-Ornithin-L-Aspartat (LOLA)-Infusionen zeigten in randomisierten kontrollierten Studien positive Effekte auf den mentalen Status und die Ammoniakwerte bei der chronischen HE (Ahmad et al.
2008; Kircheis et al.
1997). Der Einsatz von LOLA sollte ebenso wie Rifaximin nicht allein, sondern zusätzlich zur Laktulosetherapie erfolgen.
Renale Dysfunktion
Sowohl beim ALV als auch ACLV tritt häufig eine akute Einschränkung der Nierenfunktion auf. Während beim ALV meist eine direkte toxische Schädigung im Sinne einer tubulären Nekrose (v. a. Acetaminophen-induziert) sowie ein prärenales
Nierenversagen durch Exsikkose vorliegen, findet sich beim ACLV meist ein
hepatorenales Syndrom (
HRS
).
Bei Patienten mit Hinweisen auf eine akute Verschlechterung der Nierenfunktion gilt es zunächst, alle potenziell nephrotoxischen Substanzen sowie
Diuretika zu pausieren und eine parenchymatöse Nierenerkrankung auszuschließen (kein Infekt, keine Mikrohämaturie, keine Proteinurie). Zusätzlich muss ein postrenales
Nierenversagen mittels
Sonographie ausgeschlossen werden.
Eine adäquate Volumensubstitution zum Ausschluss eines prärenalen
Nierenversagens wird nach den aktuellen Diagnosekriterien des HRS (Übersicht) mit Humanalbumin empfohlen (Salerno et al.
2007).
Das HRS ist eine Ausschlussdiagnose. Man unterscheidet den Typ 1, bei dem es zu einem raschen Anstieg des Serumkreatinins um mehr als 100 % kommt, vom Typ 2, bei dem sich ein langsamer, aber kontinuierlicher Anstieg des Serumkreatinins zeigt. Pathophysiologisch liegt dem HRS bei
portaler Hypertension eine reaktive renale Vasokonstriktion durch ein aktiviertes Renin-Angiotensin-Aldosteron-System bei systemischer Vasodilatation v. a. im Splanchnikusgebiet, verbunden mit einer eingeschränkten Herzfunktion bei zirrhotischer
Kardiomyopathie, zugrunde. Neben den klinischen Diagnosekriterien geben weiterhin ein Urinnatrium <10 mmol/l, eine Urinosmolalität größer als die Serumosmolalität und eine Diurese <500 ml/Tag Hinweise auf ein HRS (Lata
2012).
Die Therapie des HRS besteht aus einem Vasokonstriktor in Kombination mit Humanalbumin (20–40 g/d). Die meisten Daten liegen für das Vasopressinanalogon Terlipressin (0,5–2,0 mg alle 4–6 h) vor. Eine vollständige Remission des HRS Typ 1 wird bei etwa der Hälfte der Patienten unter Therapie mit Terlipressin und Humanalbumin erreicht (Nazar et al.
2010). Ein signifikanter Effekt der Therapie auf die Reduktion der Mortalität wurde in einer
Metaanalyse nachgewiesen (Gluud et al.
2012). Statt der Bolusgabe von Terlipressin kann eine kontinuierliche Gabe via Perfusor versucht werden (3–6 mg/Tag) (Gerbes et al.
2009). Nach 3 Tagen muss das Therapieansprechen evaluiert werden.
Ein Anstieg des MAP um 5 mm Hg im Vergleich zum Ausgangspunkt stellt einen positiven Prädiktor für ein Therapieansprechen dar (Nazar et al.
2010).
Bei Patienten ohne Reduktion des Serumkreatinins sollte die Dosis zunächst erhöht, bei fehlendem Ansprechen die Behandlung insgesamt jedoch nicht mehr als 14 Tage fortgeführt werden. Alternativen zu Terlipressin stellen
Vasopressin, Noradrenalin und Midodrin + Octreotid dar. Im Alltag auf der Intensivstation ist insbesondere bei Patienten mit hämodynamischer Instabilität der Einsatz von Noradrenalin zu prüfen. Kleine Studien fanden bisher keinen signifikanten Unterschied zwischen Noradrenalin im Vergleich zur Terlipressin-Therapie bei jedoch deutlich geringeren Therapiekosten für Noradrenalin (Alessandria et al.
2007; Sharma et al.
2008).
Bei persistierendem Therapieversagen ist eine
Dialyse v. a. als Überbrückung zur
Lebertransplantation zu empfehlen. Generell ist aufgrund der schlechten
Toleranz von Flüssigkeitsveränderungen beim Leberversagen die kontinuierliche
Hämodialyse zu bevorzugen. Bei Patienten ohne Transplantationsoption muss die generell schlechte Prognose, insbesondere beim HRS Typ 1 (medianes Überleben etwa 1 Monat; Alessandria et al.
2005) berücksichtigt werden.
Eine TIPS-Implantation (TIPS = transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stent-Shunt) stellt grundsätzlich aufgrund der Reduktion der zugrunde liegenden
portalen Hypertension eine sinnvolle Therapieoption des HRS dar. Kontrollierte Studien mit einer medikamentösen Therapie liegen jedoch nicht vor, und aufgrund häufiger Kontraindikationen ist eine TIPS-Anlage nur in wenigen Fällen (häufig HRS Typ 2) möglich. Nach
Lebertransplantation wird typischweise aufgrund der fehlenden strukturellen Nierenerkrankung eine Normalisierung der Nierenfunktion beobachtet, sodass eine etwaig sequenzielle
Nierentransplantation nach erfolgter LTX gegenüber einer simultanen Leber- und Nierentransplantation zu bevorzugen ist.
Hyponatriämie
Insbesondere bei Patienten mit
Aszites tritt im Verlauf regelhaft eine
Hyponatriämie auf. Die Hyponatriämie korreliert bei Zirrhosepatienten signifikant mit einer erhöhten Mortalität (Kim et al.
2008). In der Regel liegt bei Patienten mit Zirrhose eine Dilutionshyponatriämie, entsprechend einer hypotonen Hyperhydratation, vor. Dennoch sind andere Ursachen mittels Bestimmung der Serum- und Urinosmolarität sowie Urinnatriumkonzentration auszuschließen (medikamenteninduziert,
SIADH,
Hypothyreose etc.).
Bei Vorliegen einer Verdünnungshyponatriämie ist eine Natriumsubstitution nicht indiziert. Therapeutisch steht bei einem
Natrium <125 mmol/l die Flüssigkeitsrestriktion im Vordergrund. Der Einsatz des Vasopressin-V2-Rezeptor-Antagonisten Tolvaptan zeigte bei Zirrhosepatienten mit
Hyponatriämie einen adäquaten Anstieg der Serumnatriums (Schrier et al.
2006), nach Absetzen kommt es jedoch zu einem Wiederauftreten der Hyponatriämie. Zudem fand sich kein Vorteil hinsichtlich klinischer Endpunkte [HE, spontan-bakterielle
Peritonitis (SBP), HRS, Mortalität] bei jedoch erhöhter Rate an gastrointestinalen Blutungen (Cardenas et al.
2012).
Alkoholische Hepatitis (ASH)
Bei Patienten mit bekannter alkoholischer Lebererkrankung (Steatosis hepatis, Zirrhose) kann es im Rahmen eines fortgesetzten oder intensivierten Alkoholabusus zu einem ACLV kommen mit Ausbildung einer akuten
Fettleberhepatitis. Klinisch imponiert eine Hepatomegalie mit
Ikterus. Laborchemisch zeigt sich eine
Hyperbilirubinämie mit leichter bis mäßiger Erhöhung der Transaminasen und der neutrophilen Granulozyten sowie weiteren Zeichen der hepatischen Insuffizienz.
Die ASH weist eine insgesamt hohe Mortalitätsrate auf. Daher gilt es, Patienten mit schlechter Prognose frühzeitig zu identifizieren. Hierzu haben sich verschiedene Scores etabliert, wie der Maddrey-Score (Maddrey et al.
1978) oder der Glasgow Alcoholic Hepatitis Score (Forrest et al.
2005). Ein Maddrey-Score >32 oder ein Glasgow-Score >8 identifiziert die Mehrzahl der Patienten mit erhöhtem Mortalitätsrisiko (Tab.
9 und
10).
Tab. 9
Glasgow Alcoholic Hepatitis Score. (Nach Forrest et al.
2005)
Alter (Jahre) | <50 | ≥50 | - |
Leukozytenzahl (109/l) | <15 | ≥15 | - |
| <30 | ≥30 | - |
INR | <1,5 | 1,5–2,0 | >2,0 |
| <7,3 | 7,3–14,6 | >14,6 |
Auswertung:
| Ein Gesamtscore >8 Punkte zeigt eine schlechte Prognose an, eine Steroidtherapie ist indiziert. |
Tab. 10
Prognose-Score: Maddrey’s Modified Discriminant-Function-Score (mDF). (Nach Carithers et al.
1989)
Berechnung | 4,6 × (Prothrombinzeit Patient – Prothrombinzeit Kontrolle) + Bilirubin (μmol/l)/17,1 |
Auswertung
| Ein Score >32 zeigt eine schlechte Prognose an. Eine Steroidtherapie ist indiziert (die Prothrombinzeit muss aus dem Labor als Zeit in Sekunden zur Berechnung der TPZ erfragt werden). |
Kortikosteroide (Prednisolon 40 mg/Tag) gelten als Erstlinientherapie (Mathurin et al.
2011). Bei Kontraindikationen, wie z. B. einer floriden Infektion, ist alternativ eine Therapie mit Pentoxyfillin (3 × 400 mg/Tag) zu erwägen (Akriviadis et al.
2000). Bei fehlendem Effekt der Steroide zeigt sich durch Umstellung auf Pentoxyfillin keine Prognoseverbesserung (Louvet et al.
2008). Nach 7 Tagen sollte mit Hilfe des Lille-Scores (Tab.
11; (Internet-Kalkulatur unter
http://www.lillemodel.com) das Therapieansprechen evaluiert werden. Patienten mit einem Score ≥0,45 profitieren nicht von der Fortführung der Therapie und weisen eine 6-Monats-Mortalität von etwa 75 % auf (Louvet et al.
2007).
Tab. 11
Therapieansprechen: Lille-Score. (Nach Louvet et al.
2007)
Berechnung | 3,19 – 0,101 × Alter (Jahre) + 0,147 × Albumin Tag 0 (in g/l) + 0,0165 × Entwicklung des Bilirubin an Tag 7 (in μmol/l) – 0,206 × 0 oder 1 (je nach Kreatinin Tag 0 < 1,3 mg/dl oder >1,3 mg/dl) – 0,0065 × Bilirubin Tag 0 (in μmol/l) – 0,0096 × TPZ/Quick [s] |
Auswertung
| Ein Score >0,45 nach 7 Tagen Steroidtherapie zeigt eine schlechte Prognose an. Die Steroidgabe sollte beendet werden. Ein Score >0,56 zeigt einen Null-Response auf die Therapie an (Mathurin et al. 2011). |
Bei allen Patienten mit einer Alkoholanamnese sind eine Prophylaxe der
Wernicke-Enzephalopathie mit Thiamin (100 mg/Tag für 5–7 Tage) und eine frühe enterale Ernährung von Bedeutung.
Gastrointestinale Blutung
Die schwere gastrointestinale Blutung – meist eine akute Ösophagusvarizenblutung – ist eine der Hauptursachen für die Aufnahme von Zirrhosepatienten auf der Intensivstation (Levesque et al.
2012) und kann zum ACLV führen. Das Management wird im Detail in Kap. Intensivtherapie bei akuten gastrointestinalen Blutungen beschrieben.
Bei der akuten Varizenblutung führt die prophylaktische Antibiotikagabe zu einer Reduktion von Infektionen (insbesondere
Pneumonie und SBP), Re-Blutungen und Gesamtmortalität (Chavez-Tapia et al.
2011). Die meisten Daten liegen für die Gabe von Ceftriaxon oder Fluorchinolonen vor. Zur Verhinderung einer
hepatischen Enzephalopathie nach gastrointestinaler Blutung empfiehlt sich die prophylaktische Gabe von Laktulose (Sharma et al.
2011). Im Intervall ist neben der Fortführung der Ligaturtherapie die Therapie mit einem nichtselektiven β-Blocker (Propranolol, Carvedilol) zu initiieren (de Franchis
2010). Die TIPS-Anlage stellt eine effektive kausale Therapie bei fehlenden Kontraindikationen dar.
Infektionen
Eine der Haupttodesursachen für Patienten mit ALV und ACLV stellen Infektionen mit konsekutiver
Sepsis dar. Das systemische inflammatorische Response-Syndrom (
SIRS) erhöht das Risiko der Entwicklung eines
Nierenversagens, einer
hepatischen Enzephalopathie und einer Infektion. Das Mortalitätsrisiko bei Patienten mit Zirrhose ist durch eine Infektion etwa 4-fach erhöht (Arvaniti et al.
2010).
Erschwert wird die frühzeitige Detektion einer Infektion bei Patienten mit Leberversagen durch die generell niedrigeren Werte der hepatisch synthetisierten Infektionsmarker
Procalcitonin und CRP (Mackenzie und Woodhouse
2006), die hyperdyname Kreislaufsituation und die Hyperventilation im Rahmen einer HE. Umso größere Bedeutung erlangt hierdurch die regelmäßige Asservierung für mikrobiologische Kulturen (Blut,
Urin,
Aszites, Pleurapunktat, Stuhl) und
Abstriche. Die Indikation zum Einsatz von
Antibiotika sollte generell großzügig gestellt werden.
Beim ALV liegen bisher keine überzeugenden Daten zum prophylaktischen Einsatz von
Antibiotika zur Mortalitätsreduktion vor. Das Fortschreiten einer HE ist mit dem Vorliegen einer Infektion verbunden (Vaquero et al.
2003). Bei Patienten mit einer höhergradigen HE, dem Vorliegen eines
SIRS und v. a. bei LTX-gelisteten Patienten ist beim ALV jedoch eine prophylaktische Breitspektrumantibiotikatherapie indiziert. Darüber hinaus ist bei diesen Patienten das Risiko für die Entwicklung von invasiven
Mykosen erhöht.
Aszites, spontan-bakterielle Peritonitis (SBP)
Bei jedem neu aufgetretenen
Aszites, klinischer Verschlechterung des Patientenzustandes oder laborchemischen Hinweisen auf eine Infektion ist eine diagnostische Parazentese durchzuführen. Neben dem Ausschluss einer malignen (
Zytologie) oder kardialen Genese (Eiweißkonzentration meist >2,5 g/dl) ist der Nachweis einer spontan-bakteriellen
Peritonitis (SBP) durch Zellzahlbestimmung und -differenzierung sowie Beimpfung von aeroben und anaeroben
Blutkulturflaschen von zentraler Bedeutung.
Definition
Differenzialdiagnostisch ist bei
Bauchschmerzen, nach Interventionen oder massiv erhöhten Zellzahlen im
Aszites an eine sekundäre
Peritonitis durch z. B. eine spontane oder iatrogene Hohlorganperforation zu denken.
In der kalkulierten Initialtherapie sind bei der ambulant erworbenen SBP primär Cephalosporine der Gruppe 3a oder Chinolone einzusetzen. Bei der nosokomial erworbenen SBP sind lokale Resistenzen und das gehäufte Vorkommen resistenter gramnegativer Erreger zu beachten; Carbapenemen ist hier der Vorzug zu geben (Gerbes et al.
2011). Die Kontrolle einer effektiven Therapie ist durch erneute
Aszitespunktion und Zellzahlmessung 48 h nach Therapiebeginn notwendig. Die Gabe von Humanalbumin bei gesicherter SBP (1,5 g/kg KG an Tag 1; 1,0 g/kg KG an Tag 3) reduziert signifikant das Vorkommen eines HRS und senkt dadurch die Mortalität (Sort et al.
1999).
Die Bedeutung einer Sekundärprophylaxe nach ausbehandelter SBP oder Primärprophylaxe im Rahmen einer Varizenblutung ist unbestritten und sollte mit Chinolonen (Norfloxacin 400 mg/Tag oder Ciprofloxacin 250–500 mg/Tag) erfolgen. Patienten mit hohem Risiko für die Entwicklung einer SBP (Eiweißgehalt
Aszites <1,5 g/dl, Child-Pugh-Stadium C oder
Niereninsuffizienz) profitieren vermutlich allgemein von einer Primärprophylaxe (Gerbes et al.
2011).
Die großvolumige Parazentese sollte von der Gabe von Humanalbumin zur Vermeidung einer zirkulatorischen Dysfunktion begleitet werden (6–8 g/l
Aszites). Zur diuretischen Therapie des Aszites kommen primär Schleifendiuretika und Aldosteronantagonisten in Frage (z. B. Kombination Torasemid 10–40 mg/Tag + Spironolacton 100–400 mg/Tag).
Koagulopathie
Sowohl beim ALV als auch ACLV bedarf die derangierte Gerinnung per se keiner Korrektur, da Koagulation und Fibrinolyse sich bei gleichzeitig erniedrigten Laborwerten in einem Gleichgewicht – wenn auch auf niedrigem Niveau – befinden. Neue Daten weisen auf eine uneingeschränkte
Hämostase bei Patienten mit ALV, trotz deutlich erhöhter INR-Werte, hin, die durch kompensatorische pro- und antikoagulatorische Mechanismen erklärt wird (Stravitz et al.
2012). Auch bei Zirrhosepatienten ist im Normalfall von einer balancierten Gerinnungssituation auszugehen.
Generell ist die Gabe von
Vitamin K (10 mg/Tag i.v.) zu empfehlen, da hier insbesondere bei cholestatischen Lebererkrankungen ein Mangel vorliegt. Vor nur wenig riskanten Interventionen (Aszites-,
Pleurapunktion, ZVK-Anlage, endoskopischen Standardeingriffen) sind eine INR <2,5 und
Thrombozyten >20.000/μl anzustreben.
Im Blutungsfall ist eine gezielte Gerinnungssubstitution zu empfehlen. Neben der Gabe von Thrombozytenkonzentraten (Ziel >70.000 /μl) kann die Gabe von „fresh frozen plasma“ erfolgen. Problematisch sind hierbei die potenziellen transfusionsassoziierten Nebenwirkungen und die zusätzliche Volumenbelastung zu sehen. Bei der Substitution von Einzelfaktoren ist bei Lebererkrankungen die Gabe von humanem Prothrombinkomplex (PPSB, Faktoren II, VII, IX, X,
Protein C und S) gemeinsam mit Antithrombin III (Vermeidung von Mikrothrombosierungen) theoretisch sinnvoll, klinische Daten liegen jedoch nur sehr begrenzt vor. Zusätzlich ist die Gabe von
Fibrinogen bei nachgewiesenem Mangel im Blutungsfall zu empfehlen. Die Gabe des rekombinanten Faktors VIIa zeigte in einer randomisierten Studie bei der akuten Varizenblutung keinen Vorteil bezogen auf die Mortalität, jedoch eine Reduktion der direkten blutungsassoziierten Todesfälle (Bosch et al.
2008), sodass die Gabe dieses Präparates im Falle einer persistierenden schweren Blutung zu erwägen ist.
Beatmung und Sedierung
Die Hauptgründe für eine invasive
Beatmung beim Patienten mit Leberinsuffizienz sind
-
Schutzintubation bei hochgradiger HE und fehlenden Schutzreflexen,
-
die massive obere GI-Blutung sowie
-
bei Entwicklung eines ARDS im Rahmen eines ALV.
Speziell beim ALV sind ein hoher PEEP und eine Hyperkapnie zu vermeiden, um den
ICP nicht zusätzlich zu steigern (Stravitz et al.
2007). Hierbei ist die Senkung des ICP durch Propofol als Sedativum ein positiver Nebeneffekt. Der Einsatz von Sedativa kann bei schwergradiger HE meist auf niedrige Dosen begrenzt werden.
Benzodiazepine sollten aufgrund der möglichen Verschlechterung einer HE nicht gegeben werden.