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Die Intensivmedizin
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Publiziert am: 17.12.2022

Koma, metabolische Störungen und Hirntod

Verfasst von: Andreas Bitsch
Das Kontinuum der Wachheitsgrade reicht von Wachheit über Somnolenz, Sopor bis zum Koma; abzugrenzen ist der Zustand des Stupors. Diese Bewusstseinsstörungen kommen bei intensivmedizinischen Patienten häufig vor. Ursächlich können unter anderem strukturelle Erkankungen des Gehirns, metabolische Entgleisung und Intoxikationen sein. Dieses Kapitel beschreibt die Pathogenese, die Diagnostik (u. a. Glasgow Coma Scale, Laboruntersuchungen, bildgebende Verfahren) sowie die Therapie. Bei hinreichend schwerwiegender Ursache kann nach Eintritt des Komas innerhalb von einigen Stunden ein akuter und irreversibler Hirnfunktionsausfall entstehen. Die Kriterien für dessen Festellung vor dem Hintergrund einer möglichen Organspende sind hier definiert und beschrieben.
(in früheren Auflagen unter Mitarbeit von F. Weber, München, und H. Prange, Göttingen)

Koma

Definition
Koma
Das Bewusstsein versetzt den Menschen in die Lage, seine eigene Existenz zu reflektieren und mit der Umgebung zu interagieren. Bewusstsein kann quantitativ (Bewusstseinsgrad, Wachheit) und qualitativ (Bewusstseinsinhalt, „content“) beschrieben werden. Koma bezeichnet die stärkste Ausprägung einer quantitativen Bewusstseinsstörung und geht einher mit dem Verlust aller kognitiven Leistungen, dem Verlust der elektiven Reagibilität (ungezielte Reaktionen auf Schmerzreize sind noch möglich) und dem Fehlen der Erweckbarkeit (Brown et al. 2010; Sakusic und Rabinstein 2021). Komatöse Patienten interagieren nicht mit ihrer Umwelt. Die Augen sind geschlossen, Grimmasieren und ungezielte Bewegungen der Extremitäten können vorkommen, das EEG ist verändert.

Pathogenese

Bewusstsein setzt Wachheit („arousal“) und höhere Hirnfunktionen („content“) voraus. Letztere sind affektive und kognitive Funktionen, z. B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Antrieb, exekutive Funktionen (Handlungskontrolle, Flexibilität des Verhaltens, Adaptation an die Umwelt). Die Wachheit ist an eine weitgehend ungestörte Funktion des aszendierenden retikulären aktivierenden Systems (ARAS) gebunden. Es handelt sich um eine Gruppe von Neuronen des rostralen Pons, des Mittelhirns, des Thalamus und des Hypothalamus. Die oben genannten höheren Hirnfunktionen hingegen lokalisieren sich vornehmlich in den Kortex und seine Verbindungen zur subkortikalen weißen Substanz (Berkeley und Romergryko 2010; Brown et al. 2010).
Voraussetzung für die Entstehung des Komas ist eine beidseitige supratentorielle oder Zwischenhirn-Schädigung, die das ARAS oder seine kortikalen Projektionen unterbricht. Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob es sich um eine funktionelle oder strukturelle bzw. um eine primäre (z. B. Schädel-Hirn-Trauma) oder sekundäre (z. B. metabolische) Schädigung handelt. Die Ursache des Komas entscheidet weniger über die klinische Ausprägung als über die zeitliche Dynamik der Bewusstseinsstörung. Koma kann verursacht werden durch strukturelle, toxische, metabolische und entzündliche Ursachen sowie durch epileptische Aktivität (Sakusic und Rabinstein 2021) (Tab. 1). Ein Koma entsteht in der Regel im Rahmen einer akuten Erkrankung, kann sich in der Folge aber zu einer chronischen Bewusstseinsstörung entwickeln, z. B. im Sinne eines Syndroms der reaktionslosen Wachheit.
Tab. 1
Ursachen des Komas
Strukturelle intrakranielle Erkrankungen
Zerebrovaskuläre Erkrankungen
• Hirnstamm-Infarkte
• Große, ggf. bds. hemisphärielle Infarkte
• bds. Thalamusinfarkte
• Hirnstammblutung
• Ausgedehnte Sinusthrombose mit Hirnödem
• Thrombose der inneren Hirnvenen
• intrakranielle Blutung mit Masseneffekt
• Hypophysen-Apoplexie
• Posteriores reversibles Enzephalopathiesyndrom (PRES)
• Hypertensive Enzephalopathie
Schädel-Hirn-Trauma
• bilaterale Kontusionen
• diffuse axonale Schädigung
Tumor
• supratentoriell mit Masseneffekt
• cerebellär mit Masseneffekt
• Hirnstamm
• Diffus infiltrierender Tumor
Infektionserkrankungen
• intrakranieller Abszess oder multiple Abszesse mit Masseneffekt
• virale Enzephalitis
• schwere Meningoenzephalitis durch Plize oder andere seltene Krankheitserreger
Autoimmunerkrankungen
• akute demyelinisierende Enzephalomyelitis (ADEM)
multiple Sklerose und Neuromyelitis optica Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) mit Beteiligung des Hirnstamms oder raumfordernder Läsion an anderen Lokalisationen
• Autoimmunenzephalitis mit Hirnstammbeteiligung
Akuter Hydrozephalus
zerebrale Fettembolie
Thiamin-Mangel (Wernicke-Enzephalopathie)
Diffuse Dysfunktion des Gehirns
Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie
Epileptische Anfälle, Status epilepticus
Metabolische Erkrankungen: Hyponatriämie, Hyperkalzämie, Urämie, Hyperammonämie, Hypoglykämie, Hyperglykämie
Endokrine Erkrankungen: Addison-Krise, Hypothyreose
Intoxikation: CO, Cyanid, Opiate, Alkohol und andere Drogen, Sedativa
• unerwünschte Arzneimittelwirkungen: Serotonin-Syndrom, malgnes Neuroleptika-Syndrom
Respiratorische Insuffizienz: Hypoxie, Hyperkapnie
Septische Enzephalopathie
Hypothermie

Beurteilung der Bewusstseinslage

Definitionen
Quantitative Bewusstseinsstörung
Das Kontinuum der Wachheitsgrade reicht von Wachheit über Somnolenz, Sopor bis zum Koma, wobei die Begriffe „Somnolenz“ und „Sopor“ nur unscharf definiert sind. Eine Beschreibung der Bewusstseinsinhalte („content“) ist mit Hilfe der Begriffe Somnolenz und Sopor nicht möglich, im Koma fehlen sie.
Stupor
Der Stupor wird z. B. bei psychiatrischen Erkrankungen beobachtet (depressiver Stupor, katatoner Stupor), kommt aber auch bei neurologischen Erkrankungen vor, z. B. dem Status epilepticus non-convulsivus. Es handelt sich um eine qualitative Bewusstseinsstörung, bei der weniger die Wachheit als die Bewusstseinsinhalte gestört sind. Die motorische und geistige Aktivität sind in der Regel stark eingeschränkt. Die Augen sind zumeist geöffnet, der Patient reagiert aber nicht oder nur deutlich vermindert auf externe Stimuli. Der Begriff Stupor hat im angloamerikanischen Sprachraum eine andere Bedeutung, die ungefähr der des deutschen Begriffs „Sopor“ entspricht.
Somnolenz
Ein somnolenter Patient ist durch Ansprache jederzeit erweckbar – d. h. er öffnet die Augen und verhält sich dann zunächst adäquat. Er fällt allerdings rasch wieder in einen schlafähnlichen Zustand zurück, sobald der Untersucher seine Aufmerksamkeit von ihm abwendet.
Sopor
Ein soporöser Patient ist durch Ansprache nicht erweckbar. Auch bei kräftiger Stimulation (Schütteln, Schmerzreiz) wird er nur kurz wach und öffnet die Augen. Er ist zu Lautäußerungen, nicht aber zu einer Kommunikation fähig. Auf Schmerzreiz erfolgt eine gerichtete Abwehrreaktion.
Koma
Der komatöse Patient zeigt auf Schmerzreiz lediglich ungerichtete Reaktionen (leichtes, oberflächliches Koma) oder auch auf stärksten Schmerzreiz keine Reaktion (tiefes Koma). Der komatöse Patient ist bewusstlos, die Augen bleiben geschlossen, und eine Kommunikation ist unmöglich. Die Tiefe des Komas kann anhand des Vorhandenseins oder Fehlens anderer Merkmale abgeschätzt werden. Hierzu zählen neben der Reaktion auf Schmerzreize Spontanbewegungen, Hirnstammreflexe, Körperhaltung, Muskeltonus und Spontanatmung.

Glasgow Coma Scale

Alternativ kann die Schwere der Bewusstseinsstörung mit der Glasgow Coma Scale ermittelt werden (Teasdale und Jennett 1974). Hierbei wird der jeweils besten Reaktion in den folgenden Kategorien ein Punktwert zugeordnet:
  • Augenöffnen (1–4 Punkte),
  • verbale Antwort (1–5 Punkte) und
  • motorische Reaktion (1–6 Punkte).
Diese Skala wurde ursprünglich für Patienten mit akutem Schädel-Hirn-Trauma entwickelt. Ihre Vorteile sind die einfache Handhabung sowie die standardisierbare und reproduzierbare Durchführbarkeit. Ein Nachteil ist, dass die Lokalisation der Schädigung nicht berücksichtigt wird. So wird z. B. ein Patient mit einem linksseitigen Mediainfarkt und einer Aphasie einen niedrigeren Punktwert erhalten und als tiefer komatös eingestuft als ein Patient mit einem rechtsseitigen Mediainfarkt, der keine Aphasie aufweist. Häufig ist es besser, den Zustand des Patienten mit einigen Worten zu beschreiben als sich auf eine bloße Zahl zu beschränken.

Diagnostik

Die initiale Diagnostik und Behandlung muss zügig erfolgen (Abb. 1).
Nach Sicherung der Vitalfunktionen erfolgt die Suche nach der Ursache des Komas. Unbedingt muss eine Fremdanamnese erhoben werden, die frühere Krankheiten, derzeitige Medikation, zeitliche Dynamik der Komaentstehung und Beschwerden in der unmittelbaren Vorgeschichte umfasst. Es schließt sich eine kurze allgemeine und neurologische Untersuchung an. Bei der allgemeinen Untersuchung wird insbesondere auf Herz-Kreislauf-Funktion, Atemfunktion, Atmungsform (Tab. 2), Geruch der Atemluft, Verletzungen, Hauterscheinungen und Fieber geachtet.
Tab. 2
Pathologische Atmungsformen
Bezeichnung
Beschreibung
Ursache
Periodisch, alternierend vertiefte Atmung und Apnoepausen
Bilaterale kortikale Läsionen, metabolische Enzephalopathie, dienzephale Läsion, erhöhter intrakranieller Druck
Hyperventilation
Regelmäßige Atmung mit erhöhter Frequenz
Zentral: Läsion der Formatio reticularis, bds. Thalamusläsionen
Metabolisch: Hypoxämie, Ketoazidose (Kussmaul-Atmung)
Apneuistische Atmung
Verlängerte Pause nach der Inspiration oder Respirationskrampf bei der Inspiration
Läsion des mittleren oder kaudalen Pons oder des dorsolateralen Tegmentums (z. B. Basilaristhrombose)
Biotsche Atmung (ataktische Atmung)
Unregelmäßiger Wechsel von oberflächlichen und tiefen Atemzügen, regellose Pausen
Läsion der dorsomedialen Medulla oblongata (z. B. Meningitis, Prozesse der hinteren Schädelgrube) oder des ventralen Anteils des Mittelhirns (Tegmentum)
„Undines Fluch“
Normale Atmung im Wachzustand, Sistieren der Atmung im Schlaf/bei Ablenkung
Läsion von Medulla oder oberem Halsmark, Differenzialdiagnose: Schlafapnoe
Hypoventilation
Flache Atmung mit verringertem Atemminutenvolumen
Schädigung des unteren Hirnstamms, metabolisch (z. B. Myxödem), Sedativa, Lungenerkrankungen, neuromuskuläre Erkrankungen
Die neurologische Untersuchung dient der Ermittlung der Komatiefe und soll insbesondere klinische Zeichen einer epileptischen Aktivität (z. B. Myoklonien, Spontannystagmus, Blickdeviation) und fokale neurologische Symptome aufdecken (Übersicht).
Neurologische Untersuchung beim bewusstseinsgestörten Patienten
  • Meningismus (vor Prüfung muss eine Fraktur im HWS-Bereich ausgeschlossen werden); Cave: Meningismus kann im Koma fehlen
  • Pupillengröße (weit/mittelweit/eng), -form (rund/entrundet) und -reaktion (normal/träge/fehlend jeweils bei direkter und indirekter Beleuchtung)
    • bds. Miosis: z. B. Opiate, pontine Läsionen, CO2-Narkose
    • bds. Mydriasis mit erhaltener Lichtreagibilität: z. B. Serotonin-Syndrom
    • Anisokorie: Kompression des Mittelhirns (oder Läsion ebendort) oder des N. oculomotorius
Spontane Augenbewegungen, z. B.
  • „Déviation conjugée“ (horizontale konjugierte Blickdeviation): Läsion ipsilateral im Kortex („der Patient schaut seinen Herd an“) oder kontralateral im Thalamus oder Pons; bei epileptischem Fokus kontralateral im Kortex
  • horizontale Bulbusdivergenz: leichtgradig ist diese z. B. bei tief sedierten Patienten normal, auch im tiefen Koma ohne substanzielle Hirnschädigung; eine deutliche Bulbusdivergenz kann eine Hirnschädigung anzeigen, hat aber keine neurologisch topische Bedeutung
  • vertikale Bulbusdivergenz (skew deviation): Läsion im Hirnstamm
  • „Ocular bobbing“ (plötzliche konjugierte Abwärtsbewegung der Bulbi mit nachfolgender langsamer Aufwärtsbewegung): bilaterale Ponsläsion oder diffuse zerebrale Schädigung
  • „Ocular dipping“ (langsame, konjugierte, extreme Abwärtsbewegung der Bulbi, nach einigen Sekunden rasche Rückkehr in die Ausgangsstellung): diffuse Hypoxie
  • „schwimmende“ Bulbi (langsame, unregelmäßige, nicht immer konjugierte, horizontale Augenbewegungen): diffuse Hirnschädigung mit intaktem Hirnstamm
  • Kornealreflex
  • Würg- und Hustenreflex
  • Okulozephaler Reflex (Puppenaugen- oder Puppenkopfphänomen): im Koma lösen bei intaktem Hirnstamm rasche, passive Bewegungen des Kopfes gegenläufige konjugierte Bulbusbewegungen aus; vor Prüfung HWS-Fraktur ausschließen
Spontanbewegungen (gerichtet, ungerichtet, symmetrisch, asymmetrisch) nicht-epileptische Myoklonien: metabolisch (hepatisch, renal, Elektrolytentgleisungen (Ca, Na, Mg)), toxisch (Opioide, Lithium, serotonerge Medikamente), hypoxisch. Differenzialdiagnostisch: Lance Adams Syndron (Aktionsmyoklonien bei nicht komatösen kontaktierbaren und reagiblen Patienten)
Epileptische Myoklonien: in der Regel rhythmisch, fokal, segmental oder generalisiert, ggf. Stimulus-sensitiv
Beugesynergismen: spontan oder Stimulus-sensitiv, betrifft in der Regel die oberen Extremitäten symmetrisch, v. a. bei ausgedehnter kortikaler Schädigung
Strecksynergismen: spontan oder Stimulus-sensitiv, betrifft zunächst die unteren Extremitäten, mit zunehmender zerebraler Schädigung auch die oberen; kann eine schwere Hirnschädigung anzeigen mit funktioneller Trennung von Großhirn und Hirnstamm
Lazarus-Zeichen: spontan oder Stimulus-sensitiv, Beugung im Ellenbogengelenk, Adduktion im Schultergelenk, Extension der Handgelenke; kann im Zustand des irreversiblen Hirnfunktionsverlustes als intendierte Bewegung fehlgedeutet werden („greift nach dem Tubus“)
Spinale Automatismen: spontan oder Stimulus-sensitiv, zumeist beidseite Beugung der Beine im Hüft-, Knie- und Sprunggelenk, bei spinalen Läsion und auch bei ausgedehnten zerebralen Läsionen
Muskeleigenreflexe: diagnostisch im Koma häufig wenig hilfreich
Pyramidenbahnzeichen: können bei akuter Schädigung der Pyramidenbahnen auch fehlen
Reaktion auf Schmerzreiz (gerichtet, ungerichtet)
Ergeben sich Hinweise auf eine fokale Läsion (z. B. durch Asymmetrie der klinischen Befunde), so ist eine strukturelle Hirnschädigung (Ischämie, Blutung, Schädel-Hirn-Trauma, Tumor) wahrscheinlicher als eine metabolische Entgleisung. Auf der Basis der anamnestischen Hinweise und klinischen Untersuchungsergebnisse kann die in der Übersicht dargestellte laborgestützte und apparative Diagnostik eingesetzt werden.
Weiterführende apparative und Labordiagnostik
  • Labor (Suche z. B. nach Hyo-/Hyperglykämie, Hypo-/Hypernatriämie, Hypo-/Hyperkalzämie, Leber- oder Niereninsuffizienz, Myokardinfarkt, Sepsis, Hypoxie, Hyperkapnie, Hypothyreose, Addison-Krise)
  • Glukose (Schnelltest), Elektrolyte, Leberenzyme, Ammoniak, Nierenretentionswerte, CK, CK-MB, Troponin, CRP, Procalcitonin (ggf. auch Interleukin-6), arterielle Blutgasanalyse, Osmolalität, Blutbild, Gerinnung, Schilddrüsenwerte, Kortisol, Laktat
    Bei hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie nach Herzstillstand neuronenspezifische Enolase (s) nach 3 Tagen zur Prognosebestimmung (Konzentration >90 mg/ml zeigt schlechte Prognose an (Leitlinien der DGN 2017), Tab. 3)
  • EKG (z. B.: Infarktzeichen, Brady-/Tachykardie, absolute Arrhythmie)
  • Bildgebende Verfahren (CCT mit arterieller und venöser CT-Angiographie, ggf. auch Perfusions-CT (z. B. zum Nachweis einer Basilaristhrombose, Hirnvenen- oder Sinusthrombose), cMRT inkl. Diffusionswichtung (DWI) und MR-Angiographie (z. B. akut zum Nachweis eines frischen Infarktes (DWI) oder einer Herpesenzephalitis)
  • Lumbalpunktion (Zellzahl, Protein, Laktat, ggf. Erregerdiagnostik; zuvor muss eine Erhöhung des intrakraniellen Drucks mittels CCT oder cMRT unwahrscheinlich gemacht werden)
  • Toxikologie (Blut, Urin, Mageninhalt)
  • EEG (Status epilepticus?)
  • Evozierte Potenziale (insbesondere Medianus-SEP zur Prognoseabschätzung bei hypoxischer Enzephalopathie, AEP zur Funktionsprüfung des Hirnstamms)
  • Echokardiographie (z. B. bei Verdacht auf Endokarditis)
Es ist zu beachten, dass strukturelle Läsionen, die nahezu symmetrisch beide Hemisphären betreffen (wie z. B. multiple Infarkte oder eine Thrombose der inneren Hirnvenen), eine metabolische Ursache vortäuschen können. Andererseits kann eine Stoffwechselentgleisung insbesondere bei älteren Patienten klinisch zu einer fokalen Betonung der neurologischen Ausfälle führen und somit eine strukturelle Läsion vortäuschen. Dies gilt insbesondere für die Hypoglykämie.
Tab. 3
Metabolische Störungen mit zerebralen Manifestationen (Prange und Bitsch 2004). Alle genannten Erkrankungen können in unterschiedlichem Ausmaß auch zu Bewusstseinsstörungen führen
Störung
Symptome
Diagnostik/Prognose
Therapie
Hypoxie
Koma, Verwirrtheit, Myoklonien, epileptische Anfälle, Mydriasis
Neuronenspezifische Enolase (im Blut), EEG, CCT, MRT, AEP, Medianus-SEP sehr schlechte Prognose bei Erfüllen von einem der folgenden Kriterien, wenn Medikamenteneinfluss und Hypothermie ausgeschlossen sind (Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2017):
– NSE-Spiegel nach 72 h >90 ng/ml
– Medianus-SEP mit beidseitig erloschenen kortikalen Potenzialen N20 (nach 72 h)
schlechte Prognose (vereinzelt günstiger Verlauf möglich) bei Status epilepticus oder Status myoclonicus innerhalb von 48 h nach Hypoxie und >30 min Dauer (Status myoclonicus: Koma, kontinuierliche generalisierte Myoklonien, maligne EEG-Befunde (flaches EEG, Alpha-Koma, Burst suppression) ohne Ansprechen auf antikonvulsive Therapie
schlechte Prognose bei ausgeprägtem Ödem und aufgehobener Mark-Rinden-Grenze im CCT oder bei ausgedehnten Läsionen im MRT (DWI) im Kortex und den Basalganglien
(Leitlinien DNG 2017)
therapeutische Hypothermie bei Hypoxie nach Herzstillstand (32–36 °C über 24 h, danach kontrollierte Erwärmung um 0,5 °C/h) (Leitlinie DGN 2017)
Hyperglykämie: ketoazidotisches/hyperosmolares Koma
Polyurie, Polydipsie, Exsikkose, Abgeschlagenheit, ggf. Kussmaul-Atmung, Azetongeruch, Delir
Glukose in Serum und Urin, BGA, Osmolalität
Normalisierung der Stoffwechselsituation
Hypoglykämie
Heißhunger, erhöhter Sympathikotonus, epileptische Anfälle, Sehstörungen, Zephalgie, neurologische Herdsymptome (z. B. Hemiparese)
Glukose im Serum
Normalisierung der Stoffwechselsituation
NNR-Insuffizienz (Addison-Krise)
Abgeschlagenheit, Erbrechen, Hypotonie, Exsikkose, Hyperpigmentierung, abdominale Schmerzen, Adynamie
Na+ (↓), K+ (↑), Kortisol (↓), ACTH (↑ oder ↓ – je nach Ursache), ACTH-Test
100 mg Hydrokortison i.v. alle 6 h, ggf. Rehydratation mit Glukose 5 %
Hypothyreose
Abgeschlagenheit, Reflexverlust, Hypothermie, Hypoventilation, Bradykardie, Hypotonie, Myxödem
T3, T4, TSH, fT4, Cholesterin, respiratorische Azidose, Na+, K+
Normalisierung der Stoffwechselsituation
Thyreotoxikose
Fieber, Schwitzen, Tachykardie, kardiale Rhythmusstörungen, Tremor (zumeist feinschlägiger Halte- und Aktionstremor), Diarrhö
fT3, fT4, TSH, Natrium
Normalisierung der Stoffwechselsituation
Hepatisches Koma
Schläfrigkeit, Asterixis, Foetor hepaticus, Ikterus, Spidernaevi, Palmarerythem, Aszites, Splenomegalie
γ-GT, GOT, GPT, AP, Bilirubin, Ammoniak, Albumin, Quick-Wert, Cholinesterase, Sonographie, EEG (zur Quantifizierung der hepatischen Enzephalopathie), CCT, MRT
Senkung des Ammoniakspiegels und Kompensation der Synthesestörung
Urämisches Koma
Foetor uraemicus, Kussmaul-Atmung, bräunlich-graue Haut, Tremor, Myoklonien, Asterixis, Tetanie, epileptische Anfälle, fokal-neurologische Ausfälle
Kreatinin, Harnstoff, K+, Kalzium, Phosphat, Blutgasanalyse, Blutbild, EEG
Ggf. Behebung der Ursache (obstruktive Uropathie, prärenales Nierenversagen), Dialyse
Delir, epileptische Anfälle, bei zentraler pontiner Myelinolyse ggf. Tetraparese, Hirnnervenausfälle, protrahierte Bewusstseinsstörung
Na+ und Osmolalität im Serum und Urin
Wird eine Hyponatriämie zu schnell ausgeglichen, steigt das Risiko einer zentralen pontinen Myelinolyse. In den ersten 24 h Na-Anstieg von nicht mehr als 10 mmol/l anstreben (Bullmann 2016)
– Dehydratation
Hypotonie, Tachykardie
Kreatinin, Thoraxröntgenaufnahme, CCT, MRT, Lumbalpunktion
NaCl 0,9 % i.v. (Na+-Anstieg <1 mmol/l/h bzw. <10 mmol/l/Tag)
– Überwässerung
Ödeme, Lungenstauung, Aszites
 
Flüssigkeitsrestriktion, bei instabilem Kreislauf: NaCl 5,85 % fraktioniert, ggf. Diuretika
Hypernatriämie
Exsikkose, Tachykardie, Hypotonie
Na+, K+, Blutbild, Blutzucker, Kreatinin, Blutgasanalyse, Durstversuch
Reiner H2O-Verlust: Glukose 5 %, bei Na+-Defizit: NaCl 0,9 %
Hypokaliämie
Muskelschwäche, Faszikulationen, Adynamie, kardiale Rhythmusstörungen
K+ im Serum und Urin, Na+, Chlorid, Bikarbonat, Blutgasanalyse, Renin, Aldosteron, EKG
KCI i.v. (nicht mehr als 10–20 mmol/h) oder p.o.
Tetanie, epileptische Anfälle, Delir
Ca2+, Na+, K+, Kreatinin, AP, Phosphat, Blutgasanalyse, Parathormon, Vitamin D, EKG
Im Notfall 10–20 ml Ca 2+-Gluconat 10 % i.v., ansonsten 1–2 g Ca2+-Brausetabletten p.o.
Hyperkalzämie
Delir, Polyurie, Magen-Darm-Ulzera, Pankreatitis
Ca2+, Na+, K+, Kreatinin, Blutbild, AP, PSA, Elektrophorese, Parathormon, EKG, CCT
Forcierte Diurese (z. B. Furosemid 40–120  mg i.v.) einmalig 15–60 mg Pamidronsäure i.v. (langsam über 1 h), bei Tumor: Prednison 100 mg/Tag i.v. Dialyse
Primärer Hyperparathyreoidismus → Operation
Septische Enzephalopathie
Bewusstseinsstörung, Delir
Blutkulturen, Fokussuche
Therapie der Sepsis
Weiterhin ist zu bedenken, dass auch der Nachweis einer metabolischen Störung nicht mit dem Ausschluss einer strukturellen Hirnläsion gleichgesetzt werden darf, da Stoffwechselentgleisungen als Folge einer strukturellen Läsion auftreten können. Entsprechend zwingend sind aus diesen Gründen bei den meisten komatösen Patienten die neuroradiologische Untersuchung sowie ggf. auch die Liquordiagnostik.

Therapie

Zunächst muss immer eine Hypoglykämie ausgeschlossen oder ggf. mittels Gabe von Glukose (16–25 g i.v.) behandelt werden. Da die Hypoglykämie eine sehr häufige Ursache des Komas darstellt und eine länger dauernde Hypoglykämie zu irreversiblen Hirnschäden führen kann, sollte diese Maßnahme vor zeitaufwendigeren Untersuchungen möglichst rasch durchgeführt werden.
Falls Hinweise auf das Vorliegen einer Wernicke-Enzephalopathie bestehen, sollten zusätzlich zur Glukoseinfusion 300 mg Thiamin i.v. verabreicht werden, da die alleinige Gabe von Glukose bei Patienten mit Thiaminmangel eine Wernicke-Enzephalopathie hervorrufen kann. Bei andauerndem Koma und weiterhin unklarer Komaursache sollte die Thiamin-Gabe fortgeführt werden (z. B. mit 3-mal 300 mg pro Tag).
Andere Therapien sind von der Ursache des Komas abhängig, sodass eine adäquate Therapie nur eingeleitet werden kann, wenn die Ursache des Komas feststeht.

Differenzierung komaähnlicher Syndrome

Verschiedene Syndrome sind dem Koma ähnlich und können zu Verwechslungen Anlass geben. Sowohl die Klassifikation als auch die Nomenklatur dieser Syndrome sind derzeit im Fluss, da insbesondere durch funktionelle bildgebende Verfahren zunehmend neue Erkenntnisse gewonnen werden. So konnten in Einzelfällen Reaktionen auf Stimuli auch bei solchen Patienten sichtbar gemacht werden, die allein auf der Basis der klinischen Untersuchung als reaktionslos galten (Bruno et al. 2011; Cruse et al. 2011). Solche Studien sind allerdings nicht unumstritten, und die Diskussion ist noch nicht beendet.

Locked-in-Syndrom

Das Locked-in-Syndrom (Laureys et al. 2005) zeichnet sich durch eine Tetraplegie und die Lähmung fast aller motorischen Hirnnerven aus (die Folge ist u. a. eine Anarthrie). Lediglich vertikale Augenbewegungen und Lidbewegungen sind möglich. Die Patienten sind bei Bewusstsein, nehmen ihre Umgebung wahr und haben in der Regel auch keine kognitiven Störungen. Sehr selten können auch die Augenbewegungen fehlen, was zu der fatalen Fehldiagnose eines Coma vigile (s. unten) führen kann.
Ursache ist eine bilaterale Zerstörung der ventralen Brückenanteile mit den hier verlaufenden motorischen Efferenzen, die zu einer supranukleären motorischen Deefferenzierung führt. Das Locked-in-Syndrom ist am häufigsten Folge einer Basilaristhrombose und seltener bedingt durch pontine Tumoren, pontine Blutungen, eine zentrale pontine Myelinolyse oder ein Schädel-Hirn-Trauma.

Schwere generalisierte neuromuskuläre Erkrankungen

Patienten mit schweren neuromuskulären Erkrankungen – wie Guillain-Barré-Syndrom, Myasthenia gravis, paralytische Poliomyelitis oder schwere Hypokaliämie – können eine Tetraparese und eine Parese der Hirnnerven entwickeln – ein Zustand, der Ähnlichkeit mit einem Koma oder einem Locked-in-Syndrom aufweist. Die fehlende Bewusstseinsstörung, die anderen Charakteristika der zugrunde liegenden Erkrankung und die Umstände der Entwicklung des Zustands gestatten jedoch meist die Abgrenzung.

Syndrom reaktionsloser Wachheit (früher: persistent vegetative state, Wachkoma, Coma vigile, apallisches Syndrom)

Patienten mit einem Syndrom der reaktionslosen Wachheit machen einen wachen Eindruck, da die Augen außer im Schlaf in der Regel geöffnet sind, zeigen jedoch keine kognitiven Funktionen, keine zielgerichteten motorischen Aktivitäten und auch keine Affekte, die in einem erkennbaren Zusammenhang zur jeweiligen Situation stehen.
Die in der Übersicht genannten klinischen Kriterien müssen erfüllt sein, um die Diagnose Syndroms der reaktionslosen Wachheit stellen zu können.
Klinische Kriterien des Syndroms der reaktiponslosen Wachhheit (Bernat 2006; Laureys und Boly 2007; Wijdicks und Cranford 2005)
  • Kein Hinweis auf das Vorhandensein eines Bewusstseins oder einer Wahrnehmung der Umwelt; keine Interaktion mit anderen Personen.
  • Keine willkürlichen Reaktionen auf visuelle, akustische, taktile oder Schmerzreize.
  • Kein Hinweis auf Sprachverständnis oder sprachliche Äußerungen.
  • Intermittierende Phasen von Wachheit (Schlaf-wach-Zyklen)
  • Ausreichende erhaltene hypothalamische und autonome Hirnstammfunktion, um mit Hilfe von Medikamenten und Pflege zu überleben.
  • Blasen- und Mastdarminkontinenz
  • In unterschiedlichem Ausmaß erhaltene Hirnnervenfunktionen (Pupillenraktion, okulozephaler Reflex, Kornealreflex, vestibulookulärer Reflex, Würgereflex) und spinale Reflexe.
Ursachen des Syndroms der reaktionslosen Wachheit (SRW) sind u. a. Hypoxie, Hypoglykämie, Enzephalitis und Schädel-Hirn-Trauma. Beim Schädel-Hirn-Trauma führt in der Regel eine diffuse axonale Schädigung zum SRW, bei anderen Erkrankungen, z. B. der Hypoxie, finden sich am häufigsten beidseitige Thalamusläsionen und ausgedehnte Kortexläsionen.
Prognose: Die Chancen, dass sich ein Patienten von einem SRW wieder erholt, sind 12 Monate nach einem traumatischen und 3 Monate nach einem nichttraumatischen Hirnschaden gering (Bernat 2006; Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2017; Wijdicks und Cranford 2005), wenngleich auch jenseits von 12 Monaten vereinzelt noch positive Verläufe vorkommen – vornehmlich in Bezug auf eine Kontaktaufnahme mit der Umwelt und nicht in Bezug auf das Erreichen von Unabhängigkeit. Bei der hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie nach Herzstillstand sagen NSE-Werte von >90 ng/ml und/oder bilateral fehlende kortikale Potenziale (N20) der somatosensorisch evozierten Potenziale am Tag 3 nach dem Ereignis eine schlechte Prognose voraus (Tod, SRW oder sehr schwere neurologische Störungen) (Leitlinien der DGN, 2021).

Syndrom des minimalen Bewusstseins (minimally conscious state, minimally responsive state) und akinetischer Mutismus

Patienten mit diesen Syndromen machen einen wachen Eindruck, reagieren aber im Gegensatz zu Patienten im PVS in unterschiedlichem Ausmaß auf ihre Umwelt. Die Grenzen zwischen dem Syndrom des minimalen Bewusstseins (SMB) und dem akinetischen Mutismus (AM) sind fließend.
Der SMB entspricht in vielerlei Hinsicht dem SRW, zeichnet sich aber durch mindestens eine der folgenden Eigenschaften aus (Bernat 2006; Bruno et al. 2011; Wijdicks und Cranford 2005):
  • Einfache Aufforderungen werden befolgt.
  • Gestische oder verbale Ja/Nein-Antworten (unabhängig von deren Richtigkeit).
  • Verständliche Verbalisation.
  • Zielbewusstes Verhalten, einschließlich Bewegungen oder Affekte, die in Zusammenhang zu externen Stimuli und nicht reflektorisch auftreten. Beispiele:
  • situativ adäquates Lachen oder Weinen,
  • Lautäußerungen oder Gesten als direkte Antwort auf verbale Stimuli oder Fragen,
  • Greifen nach Gegenständen mit klarem Zusammenhang zwischen der Lokalisation des Gegenstandes und der Greifrichtung,
  • Berühren oder Halten von Objekten in einer an Größe und Form des Objektes angepassten Weise,
  • Gezielte Blickfolgebewegungen und nachhaltige Fixierung von Gegenständen.
Der AM ist ein emotionsloser, weitgehend reaktionsloser Zustand. Der Patient fixiert vornehmlich sich bewegende Gegenstände. Der Zustand ist außerdem geprägt von einer starken psychomotorischen Hemmung und Antriebslosigkeit (Abulie). Schmerzreize lösen entweder keine Reaktion aus oder eine Dekortikationsstellung.
Beide Syndrome entstehen am häufigsten durch bilaterale Läsionen im frontoorbitalen Kortex oder in den nach frontal projizierenden Bahnen des ARAS. Meist sind Teile des limbischen Systems mitbetroffen (z. B. Gyrus cinguli). Ursachen sind z. B. bilaterale A.-cerebri-anterior-Infarkte, Traumata oder Tumoren (Faymonville et al. 2004; Wijdicks und Cranford 2005). Beim nicht penetrierenden Schädel-Hirn-Trauma konnte in einer Placebo-kontrollierten Studie gezeigt werden, dass die Gabe von Amantadin (2 × 100 mg, Steigerung stufenweise bis 2 × 200 mg) die Verbesserung des neurologischen Zustandes beschleunigen kann (Giacino et al. 2012).

Prolongierte Hypersomnie

Die Hypersomnie ist definiert als Zustand eines intensiven und permanenten Schlafs, aus dem die Patienten kurzzeitig erweckt werden können. Gähnen und eine normale Schlafposition helfen bei der Unterscheidung zum Koma. Ursache ist u. a. eine beidseitige Thalamusläsion, wie sie bei Thrombosen der Basilarisspitze oder der inneren Hirnvenen vorkommt.

Metabolische Störungen

Bei Patienten mit Stoffwechselentgleisungen entwickelt sich das Koma oft langsam, wobei meist Aufmerksamkeitsstörungen und Verwirrtheitszustände vorausgehen. Häufig zeigen die Patienten einen Tremor, oft in Form eines „flapping tremor“ (Asterixis), bevor das Koma eintritt.
Eine normale Pupillenreaktion bei Vorhandensein anderer Zeichen einer Mittelhirnschädigung weist auf eine metabolische Ursache des Komas hin. Atemstörungen und bestimmte Konstellationen in der arteriellen Blutgasanalyse sind oft wegweisend für bestimmte Komaursachen, z. B. Hyperventilation und metabolische Azidose für Diabetes mellitus und Urämie, während Hyperventilation und respiratorische Alkalose bei Lungenerkrankungen, Sepsis und psychiatrischen Erkrankungen auftreten.
Änderungen im Muskeltonus und Reflexstatus sowie Myoklonien und Anfälle können sich im Verlauf eines metabolisch bedingten Komas einstellen.
In der Regel verursachen rasche Veränderungen der Stoffwechselsituation schwerere Symptome als besonders hohe Absolutwerte, die sich langsam entwickelt haben.

Ursachen

Die Ursachen endogener metabolischer Störungen sind vielfältig. Am häufigsten sind Blutzuckerentgleisungen, Hypoxie (z. B. nach Herzstillstand oder nach Status asthmaticus), Leber- und Nierenerkrankungen. Die septische Enzephalopathie wird vermutlich einerseits exogen durch Moleküle bakterieller Herkunft, andererseits aber auch endogen durch körpereigene Entzündungsmediatoren verursacht. Noch vor Entstehung eines Komas entwickelt sich eine delirante Symptomatik (hyper- oder hypomotorisch), die dem Auftreten klinischer und laborchemischer Entzündungszeichen Stunden bis Tage vorausgehen kann („die Sepsis fängt im Kopf an“).
Zum Teil verursachen metabolische Erkrankungen morphologische Veränderungen des Hirnparenchyms. So können nach einer globalen Hypoxie z. B. ein Hirnödem und später eine Atrophie auftreten. Die pathophysiologischen Veränderungen bei metabolischen Störungen sind uneinheitlich und werden durch die zugrunde liegende Störung bedingt. Die Therapie richtet sich ebenfalls nach der Art der metabolischen Störung. Tab. 3 gibt eine Übersicht über die häufigsten metabolischen Störungen und deren akute Therapie.

Irreversibler Hirnfunktionsausfall

Bei hinreichend schwerwiegender Ursache kann nach Eintritt des Komas innerhalb von einigen Stunden ein akuter und irreversibler Funktionsverlust des Gehirns entstehen. Dies trifft insbesondere für das postanoxische Koma zu. Der irreversible Hirnfunktionsausfall ist durch typische klinische, neurophysiologische und bildgebende Befunde charakterisiert (s. u.).

Pathogenese

Der irreversible Hirnfunktionsausfall kann sich auf der Basis unterschiedlicher Ursachen (hypoxisch, ischämisch, entzündlich, traumatisch, toxisch) entwickeln. Pathogenetische Endstrecke ist allerdings praktisch immer die zunehmende Anoxie als Folge einer graduell oder kontinuierlich erfolgenden Ödementwicklung.

Anatomische Grundlagen

Das Gehirn ist umgeben von einer starren knöchernen Kapsel, die nur eine größere Öffnung, das Foramen magnum, aufweist. Der Schädelinnenraum ist durch harte Bindegewebsduplikaturen, die Falx cerebri und das Tentorium cerebelli, in sich gekammert. Das Tentorium cerebelli grenzt den supratentoriellen Bereich (Großhirn) vom infratentoriellen Raum ab (Zerebellum, Pons, Medulla oblongata). Das Tentorium enthält einen schlitzförmigen Spalt, durch den das Mittelhirn als wichtiges Verbindungsstück zwischen Großhirn bzw. Zwischenhirn auf der einen und Hirnstamm, Kleinhirn und Rückenmark auf der anderen Seite verläuft.

Pathomechanismen

Schädigende Einflüsse rufen im Gehirn ebenso wie in anderen Organen eine Schwellung hervor. Ist diese unabhängig von der Ursache sehr ausgeprägt, so kann die Volumenzunahme im Hirnparenchym durch die liquorgefüllten Reserveräume (Ventrikelsystem, basale Zisternen) nicht mehr kompensiert werden. Es kommt zu Massenverschiebungen, deren Vektor davon abhängt, ob der volumenbeanspruchende Prozess umschrieben oder generalisiert ist.

Subfalxiale Herniation

Bei primär hemisphäriellen Prozessen führt die Massenverschiebung zur sog. subfalxialen Herniation mit Verlagerung der Mittellinienstrukturen zur kontralateralen (gesunden) Seite (Abb. 2, Pfeil 1).

Transtentorielle Einklemmung

Bei Progredienz des raumfordernden Prozesses stellt sich eine Verschiebung des Hirngewebes von kranial nach kaudal ein (Abb. 2, Pfeil 2). Typisch für diese Situation ist eine Elongation und Torquierung des Hinstamms. Man spricht von einer transtentoriellen Einklemmung, bei der sich temporobasale Anteile des Großhirns in den Tentoriumschlitz verlagern. Es folgen Symptome wie zunehmende Bewusstseinsstörung, Streckbewegungen der Extremitäten, Miosis, später Mydriasis und Verlust der Lichtreaktion der Pupillen.

Circulus vitiosus

Die zunehmende Schwellung des Gehirns löst einen Circulus vitiosus aus. Die in Abb. 3 dargestellte Druck-Volumen-Kurve zeigt auf der Y-Achse den intrakraniellen Druckanstieg (ICP) und auf der X-Achse die Volumenzunahme an. Solange die intrakraniellen Reserveräume noch nicht erschöpft sind, führt ein definierter Volumenanstieg des Gehirns (ΔV) zu einem geringeren, gut kompensierten Druckanstieg. Sind jedoch diese Komplementärräume erschöpft, hat eine weitere Volumenzunahme einen massiven Druckanstieg zur Folge. Das hat aus klinischer Sicht die Konsequenz, dass ein kontinuierlich ansteigender intrakranieller Druck zu einer schwer vorhersehbaren, plötzlichen und raschen Verschlechterung des Zustands des Patienten führen kann.
Im Verlauf dieses Prozesses wird der kritische Umkehrpunkt („point of no return“) überschritten, wenn der ICP-Wert den des mittleren arteriellen Druckes erreicht. Der zerebrale Perfusionsdruck (CPP = MAP–ICP) ist jetzt Null. Es tritt ein kompletter Durchblutungsstopp ein, der sich zunächst regional entwickelt, dann aber für das Gesamthirn zutrifft, wenn der Prozess auch den infratentoriellen Raum erfasst.

Einklemmung im Foramen magnum

Im Endstadium entsteht das Bild der sog. foraminalen Herniation (Abb. 2, Pfeil 3). Sie ist selbst für kurze Zeit nicht mit dem Leben zu vereinbaren, weil wichtige Atmungs- und Kreislaufzentren im unteren Hirnstamm komprimiert und funktionsunfähig werden.
Die komplette Durchblutungsunterbrechung wird vom Hirnparenchym nur über einen Zeitraum von wenigen Minuten überlebt (abhängig vom Alter des Patienten, der Körpertemperatur und dem Grad der Vorschädigung). Bereits ein Abfall der Hirndurchblutung auf 10–15 % des Normalwertes hat eine kritische Reduktion des Energieniveaus der Hirnzellen, den Verlust des Ionengleichgewichts der Zellmembranen und schließlich den Untergang der Zellen zur Folge. Die Überlebenszeit bzw. Wiederbelebungszeit des Hirnparenchyms kann lediglich durch Hypothermie oder massive medikamentöse Stoffwechselsenkungen etwas verlängert werden.
Der irreversible Hirnfunktionsausfall (früher „Hirntod“) ist somit das Ergebnis eines Prozesses, bei dem zunächst durch lokale Druckzunahme die lokale Durchblutung gestört wird. Das entstehende Perfusionsdefizit führt zu weiterer Gewebeschädigung und Schwellung mit ICP-Anstieg. Am Ende dieses Prozesses, der wenige Stunden bis einige Tage andauern kann, steht der zerebrale Kreislaufstillstand. Ist dieser erst einmal eingetreten, kann zwar evtl. mit Hilfe der Intensivtherapie der Körperkreislauf stabilisiert und die Versorgung peripherer Organe sichergestellt werden, das Gehirn ist aber nicht mehr zu retten.

Kriterien des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls

Der irreversible Hirnfunktionsausfall ist ein sicheres Todeszeichen und umfasst den irreversiblen Verlust der Funktion von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm (Bundesärztekammer 2015). Das Syndrom des irreversiblen Hirnvunktionsausfalls ist klinisch gekennzeichnet durch:
  • tiefes Koma mit Verlust sämtlicher motorischer Reaktionen (motorische Aktionen, die auf Rückenmarkniveau generiert werden, sind weiter möglich – spinale Automatismen, Lazarus-Zeichen), Verlust des Muskeltonus sowie Verschwinden der vom Gehirn regulierten autonomen Reaktionen – die hirngesteuerten Reflexe erlöschen in rostral-kaudaler Reihenfolge.
  • Verlust der Hirnnerven- und Hirnstammfunktionen.
  • Verlust der Atemfunktion.
Cave
Die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsverlustes erfordert neben dem Nachweis einer akuten und schweren Hirnschädigung den Ausschluss reversibler Ursachen. Bei schweren Intoxikationen, noch im Blut nachweisbaren wirksamen Konzentrationen von sedierenden/narkotisierenden Medikamenten, medikamentös oder toxisch bedingter Blockade der neuromuskulären Übertragung, reversiblen Erkrankungen des Hirnstamms oder des peripheren Nervensystems, Unterkühlung, Kreislaufschock, endokrinem oder metabolischem Koma sind die genannten Kriterien daher nicht ohne Einschränkungen anwendbar.

Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls

Die diagnostische Verifizierung des irreversiblen Hirnfunktonsausfalls ist in mehreren Schritten vorzunehmen (Abb. 4) und auf dem veröffentlichten Musterprotokollbogen zu dokumentieren (Bundesärztekammer 2015). Am Anfang steht der zweifelsfreie Nachweis einer akuten, schweren, primären oder sekundären Hirnschädigung. Reversible Ursachen eines Hirnfunktionsausfalls (s. o.) müssen ausgeschlossen werden. Es folgt die Feststellung des Komas, der Hirnstammarflexie und der Apnoe. Anschließend muss die Irreversibilität nachgewiesen werden durch Untersuchungen im zeitlichen Verlauf oder technische Zusatzuntersuchungen (Abb. 4).

Klärung der Ursache

Die Ursache des zum irreversiblen Hirnfunktionsausfall führenden Prozesses muss aufgeklärt werden. Eine eindeutige Diagnose ist die Voraussetzung für die Feststellung des Hirntodes. „Primäre“ zerebrale Prozesse sind schwere Schädel-Hirn-Verletzungen, intreakranielle Blutungen, große Hirninfarkte, Enzephalitiden, akute Verschlusshydrozephali und Hirntumoren. Als „sekundäre“ Hirnschädigungen werden u. a. zerebrale Hypoxie nach Herz-Kreislauf-Stillstand, schwere Intoxikationen und Sepsis mit Multiorganversagen klassifiziert.

Klinische Untersuchung

Das Hirntodsyndrom (Koma, Hirnstammareflexie, Apnoe) ist durch zwei von einander unabhängige Untersucher zu verifizieren. Die Untersucher (approbierte Ärzte) müssen über mehrjährige Erfahrungen in der Intensivbehandlung von Patienten mit schweren Hirnschädigungen und über eine Facharztanerkennung verfügen. Mindestens einer der beteiligten Ärzte muss Facharzt für Neurologie oder Neurochirurgie sein. Bei Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr muss einer der Ärzte Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sein. Die Ärzte dürfen keinem Transplantationsteam angehören.
Zu untersuchen sind im Einzelnen (Befunde beim irreversiblen Hirnfunktionsverlust in Klammern)
  • Ausmaß der Vigilanzminderung (Koma)
  • Pupillen (bds. lichtstarr, weit)
  • Kornealreflex (fehlend)
  • okulozephaler Reflex [gegenläufige Bewegung der Bulbi bei passiver Kopfdrehung] (fehlend)
  • vestibulookulärer Reflex [Bulbusbewegungen nach Kaltspülung des äußeren Gehörganges] (fehlend)
  • Schmerzreaktionen im Trigeminusversorgungsbereich und außerhalb davon (fehlend)
  • Pharyngeal- und Trachealreflex (fehlend)
  • Spontanatmung (Ausfall): Nachweis durch Apnoetest (fehlender Atemantrieb bei Hyperkapnie)
Der Untersucher muss außerdem die Körpertemperatur registrieren.
Sedierende Medikamente müssen bezüglich ihres Einflusses auf die aktuelle Bewusstseinslage erfasst werden. Informationen über Vorgeschichte und bisherigen Verlauf sind notwendig. Das Auftreten vegetativer Entgleisungen wie Temperaturabfall, Elektrolytstörungen und Urinflut (Diabetes insipidus) wird für die Diagnose des Hirntodes nicht gefordert, es stützt aber die Diagnose.

Nachweis der Irreversibilität

Der Nachweis der Irreversibilität ist obligat. Hierfür wird im einfachsten Falle eine bestimmte Beobachtungszeit verlangt (Abb. 4), nach deren Verstreichen die beiden Untersucher ihren klinischen Befund bestätigen müssen.

Zusatzuntersuchungen

Um die diagnostische Prozedur durch Wegfall der Beobachtungszeit zeitlich zu verkürzen, sind ergänzende Untersuchungen zum Nachweis der Irreversibilität vorgesehen (Befunde beim irreversiblen Hirnfuktionsverlust in Klammern):
EEG (Nullinien-EEG)
Frühe akustisch evozierte Potenziale [FAEP] (progredienter Verlust der Wellen mit oder ohne Erhalt der Wellen I und II; isoliertes Erhaltensein der Wellen I und II ein- oder beidseitig)
Somatosensorisch evozierte Potenziale des N. medianus [SEP] (Ausfall der kortikalen Potenziale bds.)
extra- und transkranielle Doppler-/Duplexsonographie der hirnversorgenden Arterien oder Hirnperfusionsszintigrafie oder CT-Angiografie (zerebraler Perfusionsstillstand)
Für alle apparativen Zusatzuntersuchungen wurden klar definierte Durchführungs- und Bewertungsbestimmungen von den entsprechenden Fachverbänden vorgegeben. Sie können der weiterführenden Literatur entnommen werden (Bundesärztekammer 2015) (Näheres in Kap. „Neuromuskuläre Erkrankungen bei Intensivpatienten“).
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