Nebennierenmark
Eine sorgfältige präoperative Vorbereitung
vor Resektion eines
Phäochromozytoms senkt die perioperative Morbidität und Letalität erheblich. Deshalb wird das Phäochromozytom auch als „Tumor der Anästhesisten“ bezeichnet (Tab.
7). Die Häufigkeit von intraoperativen Phasen der hämodynamischen Instabilität erhöht sich bei großen Tumoren und bei offener Tumorbergung vs. Laparoskopie. Bei laparotomisch durchgeführten Adrenalektomien steigt die Komplikationsrate, der peri- und postoperative Einsatz von Vasopressoren und Volumen ist erhöht und der Krankenhausaufenthalt verlängert [
36].
Tab. 7
Häufigkeit verschiedener Symptome bei Phäochromozytom.
(Nach: [
57])
• paroxysmale • permanente | 90–100 • 50–60 • 40–50 |
| 50–60 |
Tachykardie/Palpitationen | 50–70 |
| 60 |
Schwitzen | 40–60 |
Gewichtsverlust | 40–70 |
Blässe | 30–60 |
Als Folge des exzessiven Sympathikotonus kann eine katecholamininduzierte
Kardiomyopathie auftreten. Die myokardiale Pumpfunktion sollte bei der Vorbereitung mittels
Echokardiographie quantifiziert werden, ggf. sind serielle Echokardiographien durchzuführen, um den Verlauf der Kardiomyopathie unter einer präoperativen β-Blockade zu beurteilen.
Präoperativ müssen Stress oder
Schmerzen durch eine angepasste Prämedikation, z. B. mit
Benzodiazepinen, vermieden werden, da sie eine Katecholaminausschüttung provozieren können.
Zur
Narkoseeinleitung können die üblichen Narkotika (Propofol, Thiopental, Etomidat) in Kombination mit
Opioiden (Fentanyl, Sufentanil, Alfentanil) verwendet werden. Zur Relaxation eignen sich Rocuronium, Vecuronium oder Cisatracurium.
Trotz adäquater Vorbehandlung kann es beim Patienten mit einem
Phäochromozytom bereits bei Anästhesieeinleitung zu schweren adrenergen Kreislaufreaktionen kommen. Die Narkose sollte daher stets unter invasiver Blutdruckmessung eingeleitet sowie wirksame
Antihypertensiva und ein β-Blocker unmittelbar bereitgehalten werden. Insbesondere die Laryngoskopie und Intubation können bei noch nicht ausreichender Narkosetiefe eine Blutdruckkrise auslösen. Eine Oberflächenanästhesie des Larynx vor der Intubation kann von Vorteil sein. Die
Operation erfolgt meist in Seitenlage, abhängig von der Tumorlokalisation und analog zu anderen Eingriffen an der Nebenniere (Abb.
6).
Intraoperativ ist eine gute Kommunikation zwischen dem Anästhesisten und dem Operateur essenziell. Blutdruckkrisen sollten den Operateur veranlassen, die therapeutischen Gegenmaßnahmen des Anästhesisten abzuwarten und in der Folge Manipulationen an der Nebenniere auf das Notwendigste zu beschränken.
Zur
Aufrechterhaltung der
Narkose
sind alle aktuellen in der Anästhesie etablierten Narkoseformen und Medikamente mit Erfolg angewandt worden.
Inhalationsanästhetika können zur Vasodilatation genutzt werden. Insbesondere Sevofluran und Isofluran haben sich bewährt.
Der Einsatz von regionalanästhesiologischen Verfahren, insbesondere der Periduralanästhesie,
ist möglich. Die begleitende Sympathikolyse kann aber im Falle einer unzureichenden präoperativen α-Blockade zu einer ausgeprägten Vasodilatation und schwerer Hypotension nach Tumorresektion führen. Für die Periduralanästhesie zur
postoperativen Schmerztherapie gelten diese Bedenken nicht. Im Zusammenhang mit perioperativen hypertensiven Episoden können Vasodilatatoren eingesetzt werden (Tab.
8).
Natriumnitroprussid
| 0,5 bis max. 10 μg/kgKG/min
Cave: • Dosisabhängig Kombination mit Natriumthiosulfat (sonst Zyanidintoxikation) • Schutz der Perfusorspritze vor Licht | 3–5 min |
Nitroglyzerin
| 0,5–2 μg/kgKG/min | 5–10 min |
Urapidil
| 7–60 μg/kgKG/min | 2–2,5 h |
Phentolamin
| 1–10 μg/kgKG/min | 10–20 min |
Nicardipin
| 5–15 mg/h | 8 ± 20 min |
Nifedipin
| 0,63–2,35 mg/h | 110 ± 15 min |
Esmolol
| 100–200 μg/kgKG/min | 4–8 min |
Labetolola
| 60–80 mg/h | 4–8 h |
Diltiazem
| ca. 8 mg/h | 4–5 h |
Natriumnitroprussid
wird aufgrund seiner guten Steuerbarkeit bevorzugt. Zur Behandlung der begleitenden Tachykardie ist die Gabe von
β
1
-Blockern indiziert. Esmolol oder
Atenolol sind besonders nach Tumorentfernung bzw. Ligatur venöser Tumorgefäße wegen ihrer guten Steuerbarkeit von Vorteil. 2,5–5 mg Metoprolol i.v. unter effektiver α-Blockade können ebenfalls eingesetzt werden [
37].
Auch wurde der erfolgreiche perioperative Einsatz einer kontinuierlichen Gabe von
Urapidil beschrieben [
66]. Die Gabe von 10 mmol
Magnesium über 15 min. i.v. und anschließend 10 mmol/h i.v., mit einer angestrebten Magnesiumserumkonzentration von 2–4 mmol/l vor Narkoseeinleitung reduziert den intubationsbedingten Blutdruckanstieg und verbessert die perioperative Kreislaufstabilität.
Magnesium kann allerdings die Wirkung von
Muskelrelaxanzien verstärken und verlängern.
Die
postoperative Überwachung erfolgt auf der Intensivstation unter Fortführung des invasiven Monitorings. Trotz einer Normalisierung des Blutdrucks benötigt die Rückkehr der Katecholaminspiegel in den Normbereich nach erfolgreicher Tumorexstirpation etwa 7–10 Tage. Bei ca. 50 % der Patienten bleibt eine
Hypertension für 1–2 Wochen bestehen.
Nach Tumorentfernung und einem Abfall der antiinsulinergen Wirkung der
Katecholamine können
Hypoglykämien auftreten, die eine Blutzuckerkontrolle in engen Zeitabständen erfordern. Die optimale präoperative Vorbereitung und die sorgfältige Einleitung und Aufrechterhaltung der Anästhesie sind wichtiger als die Narkoseform.